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6. Kapitel

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Sie waren erwachsene Männer in weißen Hemden und dunklen Anzügen, aber sie benahmen sich wie die Kinder. Fiscettis Augen strahlten, und er schwenkte seine Arme, als wollte er alle umfassen.

Der Wirt des italienischen Lokals dienerte um ihn herum. „Es ist alles vorbereitet, Don Cesare, so wie es angeordnet worden ist. Ich habe die große Tafel herrichten lassen. Ich hoffe, es findet Ihre Zustimmung.“ Über Fiscettis Gesicht zog ein leichter Schatten. „Das letzte Mal saßen wir dort, um Torrios Begräbnis zu begehen. Das war ein sehr trauriger Anlass.“

„Hauptsächlich wird der große Tisch für Hochzeitsfeiern benutzt“, entgegnete der Wirt rasch.

Fiscetti winkte ab. „Setzen wir uns. Heute haben wir auf jeden Fall Grund zum Feiern.“

Die lärmende Gesellschaft, es waren ein knappes Dutzend Männer, gruppierte sich um die lange Tafel. Ein einziger Mann, der Fahrer von Fiscettis Lincoln, behielt die Tür im Auge.

Zwei Kellner trugen auf. Salate, Vorspeisen, Brot. Rasch füllten sich die Gläser mit Wein, und die ersten Trinksprüche wurden ausgebracht. Fiscetti fühlte sich sichtlich wohl. Er genoss es, im Mittelpunkt zu stehen.

Dann wurden dampfende Schüsseln mit Spaghetti hereingetragen. Jeder häufte sich einen ziemlichen Berg auf den Teller. Der Wirt hatte sich Mühe gegeben, so zu kochen, wie es die wichtigen Männer liebten. Er wusste, wie nützlich es war, wenn Don Cesare sein Lokal bevorzugte. Er hatte nämlich keine Umsatzsorgen, und kein anderer Gangster würde es wagen, ihm irgendwelche Schwierigkeiten zu machen. Es hatte schon seine Vorteile, wenn man einen der großen Bosse kannte.

Das übrige Lokal blieb heute leer. Die Rechnung, die Fiscetti heute bezahlen musste, würde das reichlich ausgleichen. Die Männer um die Tafel konzentrierten sich auf das Essen und den Wein.

Keiner von ihnen hob den Kopf, und so konnte auch keiner erkennen, wie sich auf der Galerie, die sich auf halber Höhe des Raumes an der einen Schmalseite befand, etwas bewegte. Sie sahen nicht, wie sich ein metallisch schimmernder Gegenstand über das Geländer schob – und sie sahen auch nicht das Gesicht dahinter, mit den tiefen Falten und den vor Hass leuchtenden Augen.

Cesare Augusto Fiscetti hob sein Glas und prostete seinen Freunden zu. „Ich danke euch, dass Ihr alle gekommen seid. Ihr wisst, dass heute für mich ein ganz besonderer Tag ist. Wieder einmal hat sich herausgestellt, wie schnell in diesem Land ein unbescholtener Bürger vor die Schranken der Justiz gezerrt werden kann. Aber glücklicherweise gibt es noch Gerechtigkeit.“

Brüllendes Gelächter kam von allen Seiten, und die Gläser wurden an die Lippen gehoben.

In diesem Augenblick krachte der Schuss, sofort gefolgt von einem zweiten und dritten.

Fiscetti kippte ohne einen Laut nach vorn. Sein Weinglas zersplitterte auf dem Tisch, und der rote Wein vermischte sich mit dem Blut, das aus seiner Kopfwunde strömte.

Für eine Sekunde herrschte völlige Erstarrung. Der Mann neben Fiscetti wischte sich gedankenlos über den Ärmel, wo einige Spaghetti klebten. Ein anderer starrte auf die dunkelroten Flecken auf seinem weißen Hemd. Sein Gesicht hatte sich vor Abscheu verzogen.

Dann sprangen alle auf. Schreie ertönten, Stühle stürzten um, und die ersten Revolver erschienen in den Fäusten. Aber leider gab es keine Ziele. Bis der erste der Männer auf die Treppe zur Galerie gelangte, war alles schon vorbei. Von dem Schützen gab es nicht die geringste Spur. Er hatte seinen Fluchtweg gut vorbereitet.

Steve McCoy hatte die Schüsse gehört. Schließlich befand er sich keine drei Schritte vom Eingang des Lokals entfernt.

Er überlegte gerade, ob es klug war, wenn er sofort hineinstürzte, als ihm die beiden FBI-Beamten die Entscheidung abnahmen. Ohne ihn zu beachten, stürmten sie an ihm vorbei und rissen mit gezogenen Waffen die Tür auf. Offenbar hatten, sie die Schüsse ebenfalls gehört. Das Krachen der schweren Handfeuerwaffe war für ein geübtes Ohr allerdings auch nicht zu überhören gewesen.

Im Kielwasser der FBI-Leute schob sich Steve in das Lokal. Sofort erfasste er, was vorgefallen war. Das Durcheinander der Männer, die sich auf der Treppe zur Galerie drängelten. Fiscetti, der regungslos über dem Tisch lag. Es war klar. Man hatte den Mafiaboss erschossen, und der Schuss war von der Galerie gekommen.

„Alles stehen bleiben! FBI!“, schrie einer der Beamten und fuchtelte mit seiner Waffe in der Luft herum. Keiner nahm ihn zur Kenntnis, und er feuerte einen Schuss in die Decke ab. Sofort wurde es schlagartig ruhig, und alles konzentrierte sich auf die beiden Beamten, die ihre Revolver im Anschlag hatten, wie sie es auf der FBI-Akademie gelernt hatten.

Steve zog sich zum Ausgang zurück, denn ab jetzt konnte er nur noch Schwierigkeiten bekommen. Die FBI-Leute hatten ihn noch nicht zur Kenntnis genommen, und das war das Beste, was ihm passieren konnte. Er hatte genug gesehen.