Steve McCoy huschte in einen Hauseingang und lauschte. Sein Verfolger war ebenfalls stehen geblieben. Steve lächelte. Der Mann war ein Stümper. Nach ein paar Sekunden setzte sich der Verfolger wieder in Bewegung. Er ging jetzt schneller und war nervös, dass sein Wild so plötzlich verschwunden war. Er hatte wirklich noch keine Erfahrung in solchen Dingen.
Steve presste sich enger an die Wand und tastete nach der Pistole an seiner Hüfte. Heute trug er eine Beretta 92FS mit der 9 mm Parabellum-Munition, eine seiner bevorzugten Waffen. Sie verschoss ihr Magazin mit fünfzehn Patronen relativ präzise und hatte eine ausreichende Durchschlagskraft. Er hoffte, dass er die Pistole nicht benutzen musste.
Der Verfolger stoppte irgendwo in der Nähe. Er schien keine Ahnung zu haben, wo sich Steve aufhielt.
Langsam kam der Mann wieder näher. Nach jedem dritten Schritt blieb er stehen, um zu lauschen. Steve konnte den Atem des Verfolgers bereits hören.
Ein dunkler Schatten erschien vor dem Hauseingang. Steve stieß sich ab und packte zu. Der Mann stieß einen erstickten Schrei aus. Er versuchte, sich mit hastigen Bewegungen zu befreien. Steve ließ ihm keine Chance. Der Mann war kein Gegner für ihn.
Der Verfolger stöhnte, als sich Steves Arm wie ein Schraubstock um seinen Hals legte. „Ich gebe auf, lassen Sie mich“, stöhnte er.
„Das liegt ganz bei dir. Ich habe nur eine kleine Frage. Und ich rate dir, sie ganz schnell zu beantworten, sonst wirst du nie wieder jemanden verfolgen.“
„Das ist doch reiner Zufall“, stöhnte der andere. „Ich habe Sie doch nicht verfolgt. Ich gehe jeden Abend diesen Weg. Ich weiß gar nicht, was Sie von mir wollen.“
Steve lachte. „Das habe ich von anderen schon wesentlich glaubwürdiger gehört. Wie heißt der Mann, der dich hinter mir her geschickt hat? Los! Rede!“
Der andere wand sich in Steves Griff. „Ich weiß nicht, wen Sie meinen. Niemand hat mich beauftragt.“ Steve drückte fester zu.
„Halt! Ich rede ja schon. Sie meinen wahrscheinlich Joe Scalise. Er gibt mir hin und wieder einen kleinen Auftrag. Man muss schließlich leben, und das ist in dieser Stadt nicht so einfach, Mister.“
„Jetzt hör mir mal gut zu. Deine Probleme interessieren mich herzlich wenig. Wer ist Scalise?“
„Ich kenne ihn kaum.“
„Ist das der Kerl, der in der Kneipe neben mir stand?“
„In welcher Kneipe?“
Jetzt riss Steve die Geduld. Er wusste, dass er seine Rolle richtig spielen musste, um bei der anderen Seite glaubwürdig zu erscheinen. Man musste ihm den harten Mann abnehmen. Er ließ den Verfolger los, trat einen Schritt zurück, zog blitzschnell die Beretta und zielte auf den Mann.
„Wenn du nicht augenblicklich redest, wirst du überhaupt keine Probleme mehr haben.“
Der Kerl stieß entsetzt die Luft aus. „Bitte nicht schießen“, jammerte er. „Aber ich kann Ihnen nichts sagen, ich weiß doch nichts. Ich bin nur ein kleines Licht, und wenn man erfährt, dass ich rede, werde ich umgelegt.“
„Man wird es nicht erfahren, aber wenn du nicht redest, wirst du ganz bestimmt umgelegt.“
„Also schön“, resignierte der Mann. „Was wollen Sie wissen?“
Steve kannte diese Typen. Es waren Feiglinge. Handlanger, die im Dienste der Unterwelt standen und sich damit hin und wieder ein paar Dollar verdienten. Meistens wussten solche Leute wirklich nichts, aber oft genug hatten sie interessante Informationen, da sie überall herumkamen und viele Dinge aufschnappten. Keiner nahm sie richtig ernst oder hielt sie für vollwertige Partner. Sie waren wie Dienstpersonal für die Dreckarbeit.
Steve bedrohte nicht gern einen anderen Menschen. Aber in einem solchen Fall konnte er nicht anders. Hier ging es um weit mehr als um die verletzten Gefühle eines kleinen Ganoven. Er hob die Pistole ein wenig an. „Ich frage noch einmal: Wer ist Scalise?“
Der andere senkte den Kopf. „Es ist der Mann, der Sie in dem Lokal angesprochen hat. Er gab mir einen Wink, als er ging, und ich wusste, dass ich Sie verfolgen sollte. So etwas habe ich schon öfter für ihn gemacht. Er will nur wissen, wo sich der Betreffende aufhält. Es ist völlig harmlos.“
„Okay. Das also ist Joe Scalise. Und wer steht hinter ihm?“
Der andere Mann erschrak sichtlich. „Eine solche Frage ist gefährlich. Er ist ein wichtiger Mann, und hinter ihm stehen noch größere Männer. Man sagt, dass er einer der engsten Mitarbeiter von Fiscetti ist.“
„War“, erwiderte Steve hart. „Fiscetti ist tot. Ist Scalise jetzt sein Nachfolger?“
Der andere schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Aber das weiß niemand genau. Die Vorgänge in der Familie sind sehr vertraulich. Es wird sich bald entscheiden, wer Nachfolger wird.“
„Es könnte also Krieg geben?“
„Möglich. Aber keiner weiß, wer eigentlich gegen wen kämpfen soll. Viele meiner Freunde sind verunsichert, da sie nicht wissen, was die Zukunft bringen wird.“
„Vielleicht sollten deine Freunde sich die Karten legen lassen. Aber gut: Das reicht mir. Du wirst jetzt schön langsam den Weg zurückgehen, den du gekommen bist. Und wenn du Scalise sehen solltest, dann sage ihm, ich habe dich abgehängt. Sicher wirst du ihm nicht verraten, dass du mit mir geplaudert hast. Er könnte das missverstehen. Und noch einen guten Rat gebe ich dir: Geh’ mir in Zukunft aus dem Weg. Ich kann Typen wie dich nicht leiden.“
Der kleine Ganove starrte Steve ängstlich an und ging vorsichtig ein paar Schritte rückwärts. Steve steckte die Beretta ein, sein Verfolger drehte sich um und lief mit schnellen Schritten davon. Nach wenigen Sekunden war er in der Dunkelheit verschwunden.
Steve grinste und schüttelte den Kopf. Er kam sich zwar nicht besonders großartig vor, wenn er einen solchen Kerl ein wenig erschreckte, aber der Typ würde es überleben.
Er ging in die entgegengesetzte Richtung, bog in die nächste Querstraße ein und ging zu seinem Wagen zurück, der immer noch in der Nähe der Kneipe stand. Schließlich brauchte niemand zu wissen, welchen Wagen er fuhr. Autos konnten zu leicht auf die Spur der Besitzer führen, und das wollte er unter allen Umständen verhindern. Seine Tarnung war ohnehin nicht besonders großartig, sondern bestand in der Hauptsache aus Bluff.
Dann fiel ihm die Karte ein, die ihm Scalise gegeben hatte. Er zog sie aus der Tasche und betrachtete sie im Schein einer Straßenlaterne. „Cleopatra Club. Unterhaltung für Anspruchsvolle.“ Dann folgte die Adresse.
Steve hatte seinen Wagen erreicht und stieg ein. Er blickte auf seine Uhr. Es war noch nicht zu spät. Dieser ‚Cleopatra Club‘ hatte sicher länger geöffnet.