„Dort drüben ist es.“ Buddy deutete mit dem Finger auf ein schmalbrüstiges Haus. Sie standen in einer engen Straße mit kleinen Geschäften, heruntergekommenen Häusern und streunenden Kindern.
Steve McCoy nickte.
Frisc –H tel stand auf einer Leuchtstoffröhre über dem Eingang. Die Beleuchtung für die O`s war zwar ausgefallen, aber das störte den Besitzer offenbar wenig. Vertrauenerweckend sah die Absteige jedenfalls nicht aus, aber sicher war sie billig. Steve hatte auch schon schlimme Hotels hinter sich gebracht, aber ins Frisco-Hotel hätte er sich wohl kaum verirrt. Der Besitzer hatte anscheinend nur eine unvollkommene Vorstellung von San Francisco.
Plötzlich musste Steve daran denken, was Alec Greene ihm gesagt hatte. Wenn es sich bei dem Gesuchten tatsächlich um Murano handelte, lag es auf der Hand, dass er sich unbewusst für das einheimische Frisco interessierte. Schließlich hatte er dort lange genug gelebt, wenn auch nur auf der Insel Alcatraz.
Ein kleiner rattengesichtiger Mann auf der anderen Straßenseite gab ihnen ein unauffälliges Zeichen.
„Das ist einer unserer Leute“, murmelte Buddy. „Er hat den alten Mann gefunden.“
„Wie habt ihr das überhaupt gemacht?“
„Er hat in einem Waffengeschäft Munition gekauft. Magnum-Patronen. Der Besitzer hat uns diese Information zukommen lassen und uns eine ziemlich genaue Beschreibung von dem Kerl gegeben. Wir haben vermutet, dass er irgendwo in der Nähe wohnt, und so haben wir ihn schließlich gefunden.“
Buddy winkte den kleinen Mann heran, und sie zogen sich zu dritt in den Eingang eines Geschäftes zurück, das zu dieser Zeit geschlossen war.
Der kleine Mann hatte aus der Nähe noch mehr Ähnlichkeit mit einer Ratte. Das spitze Gesicht und die kleinen Augen schienen ständig in Bewegung zu sein. Er trug einen Mantel, der aus dem Mülleimer zu stammen schien, und seine Haare waren schon lange nicht mehr gewaschen worden. Steve überließ Buddy das Gespräch.
„Also, was ist?“, fragte Buddy.
„Er ist jetzt drin“, teilte der kleine Mann den beiden mit. Seine Stimme klang schrill und nervös. „Er ist erst vor einer halben Stunde gekommen.“
„Allein?“, erkundigte sich Steve. Der kleine Mann nickte heftig. „Bevor er in das Hotel ging, war er noch einkaufen.“
„Lebensmittel?“, fragte Buddy. „Nein. Er war in dem Eisenwarengeschäft dort drüben und kam mit einer Tüte zurück, die ziemlich schwer zu sein schien.“
„Was war es denn?“
Der andere zuckte mit den Achseln. „Das weiß ich nicht. Ich habe die ganze Zeit das Haus beobachtet. Ich konnte doch meinen Platz nicht verlassen.“
„Schon gut“, meinte Buddy. „Ich frage selber mal, was er gekauft hat. Vielleicht ist es wichtig.“
Steve nickte. „Okay. Ich warte hier.“
„Was ist eigentlich mit dem alten Mann?“, fragte der rattengesichtige Mafiaspitzel. „Er sieht nicht so aus, als könnte er besonders wichtig sein. Er wäre mir nicht mal aufgefallen, wenn er mich angerempelt hätte.“
„Das Denken überlass mal lieber den Bossen“, entgegnete Steve rau.
„Sicher, sicher“, meinte der andere verschreckt.
„Hat das Hotel einen Hinterausgang?“, fragte Steve.
Der Spitzel nickte. „Ja. Aber bisher ist der Alte immer vorne herausgekommen. Er machte auch nicht den Eindruck, als ob er sich verfolgt fühlt.“
Auf Steves Gesicht erschien ein grimmiges Lächeln. „Das kann ich mir vorstellen.“
Buddy kehrte zurück. „Er hat einen schweren Hammer, einen Meißel und eine Brechstange gekauft.“
„Interessant“, meinte Steve.
„Vielleicht will er irgendwo einbrechen.“
Buddy runzelte die Stirn. „Das ist gut möglich. Was will er sonst in einem Hotel mit diesen Sachen.“
„Vielleicht will er sein Zimmer vergrößern.“
Buddy sah Steve misstrauisch an. „Ich glaube, du willst mich auf den Arm nehmen.“
„Vergiss es. Ich glaube, wir sollten uns den Vogel jetzt mal ansehen. Ich gehe nach oben, du sicherst den Hintereingang.“
„Soll ich nicht lieber mitkommen. Wenn der Kerl wirklich so gefährlich ist, sind zwei Leute besser.“
„Das ist mein Job“, sagte Steve hart. „Du hast doch gehört, was Mister Scalise gesagt hat. Und wir können nicht riskieren, dass er uns durch die Lappen geht, nur weil wir die primitivsten Spielregeln nicht beachten.“
Steve konnte dem Gangster schließlich nicht sagen, warum er wirklich allein hinaufgehen musste. Jetzt kam allmählich der Zeitpunkt, an dem er die Gangster aus dem Geschehen ausblenden musste.
Buddy machte ein betrübtes Gesicht, schien sich jedoch fügen zu wollen.
Aber jetzt machte der kleine Spitzel noch einmal den Mund auf. „Und was ist mit mir? Ich will mit dieser Sache jetzt nichts mehr zu tun haben. Ich habe meinen Job erledigt, und man hat mir eine Belohnung versprochen. Die möchte ich haben, bevor ihr dort reingeht. Woher soll ich wissen, ob ihr auch wieder heil rauskommt.“
„Er hat nicht ganz unrecht“, meinte Steve.
Buddy griff zögernd in seine Hosentasche und holte ein paar zusammengerollte Geldscheine heraus. Sorgfältig zählte er fünfzig Dollar ab und drückte sie dem Spitzel in die Hand. „So, und jetzt verschwinde. Den Rest erledigen wir.“
„Bin schon weg“, krähte der kleine Mann und schob das Geld rasch unter seinen Mantel.
„Na, dann wollen wir mal.“ Steve ging über die Straße. Hinter sich hörte er Buddy, der ihm unmittelbar folgte. Vor dem Hotel blieben sie stehen.
„Wir gehen jetzt gemeinsam rein“, erklärte Steve, „ich frage, wo er wohnt und gehe sofort hoch. Du bleibst unten und behältst den Portier im Auge, falls es hier so etwas gibt.“
Buddy nickte und fummelte nervös unter seiner Jacke herum.
„Lass dein Schießeisen stecken“, zischte Steve. „Auf der Straße brauchen wir es nicht.“
„Das ist ein Killer“, Buddys Stimme klang vorwurfsvoll.
„Deswegen gehe ich ja auch nach oben.“
Sie öffneten die Tür. Drinnen sah es genauso aus, wie es Steve nach dem äußeren Eindruck erwartet hatte: billig und leicht verkommen.
Hinter einem winzigen Tresen stand ein älterer Mann, der in einem Comic-Heft las. Er hob den Kopf und sah den beiden Männern fragend entgegen.
Steve nahm die ganze Umgebung rasch in sich auf. Die Treppe, die nach oben führte, den Korridor zum Hinterausgang, alle Türen und sonstigen Fluchtwege.
„Wollen die Herren ein Zimmer?“, fragte der Mann.
Steve nahm wortlos das Gästebuch, das aufgeschlagen auf dem Tresen lag, in die Hand. Suchend fuhr sein Finger über die Spalten. Er ließ sich nichts anmerken, als er den Namen entdeckte, den er suchte. Murano hatte sich tatsächlich unter seinem richtigen Namen eingetragen. Manchmal musste man auch Glück haben. Aber warum sollte sich Murano auch unter einem anderen Namen eintragen? Niemand hatte einen Verdacht gegen ihn. Niemand wusste, wer er war.
Buddy grinste. „Denkst du, er hat als Namen ‚Killer‘ eingetragen?“
Steve klappte das Buch zu. Die Zimmernummer war 24. Im zweiten Stock. Er spürte ein leichtes Kribbeln im Nacken. Gleich würde er dem alten Mann aus Alcatraz gegenüberstehen.
Der Portier blickte von einem zum anderen. Sein Gesichtsausdruck war ängstlich geworden. Er hatte langsam begriffen, dass die beiden keine Zimmer wollten. Sie suchten einen anderen Mann. Das bedeutete, dass er sich allmählich eine Deckung suchen musste.
Steve bestieg die erste Treppenstufe. Oben blieb alles ruhig.
Hinter sich hörte er Buddy noch sagen: „Und lass die Finger vom Telefon, Opa.“
Auf dem ersten Absatz blieb er stehen und lauschte. Zu dieser Zeit waren die meisten Gäste des Hotels sicher noch unterwegs. Am Schlüsselbrett hatte er eine Menge Schlüssel hängen sehen. Den von Nummer 24 allerdings nicht.
Rasch ging er die Treppe zum zweiten Stock hinauf. In dem langen Korridor herrschte dämmeriges Licht. An der Beleuchtung wurde hier auch erheblich gespart. Ein abgetretener Läufer lag in der Mitte des Ganges. In regelmäßigen Abständen waren rechts und links Türen zu sehen. Die geraden Zahlen waren auf der rechten Seite. Die Zimmer mussten damit nach hinten hinaus liegen.
Vorsichtig bewegte sich Steve den Gang entlang. Dann blieb er vor der Tür stehen. Von der 24 war nur noch die 4 zu sehen. Der Anstrich der Tür war abgeblättert.
Steve zog seine Beretta. Er trat noch einen Schritt näher an die Tür. Unter seinen Füßen zerbrach irgendetwas mit trockenem Knacken. Er hatte keine Zeit, unter dem Teppich nachzusehen, was der alte Mann dort als Geräuschfalle aufgebaut hatte, denn er hatte keinen Zweifel, dass dies der Grund war.
In dem Moment, in dem er den Fuß hob, um die Tür einzutreten, wusste er, dass er einen Fehler gemacht hatte. Die Geräuschfalle verzögerte sein Auftreten um entscheidende Sekundenbruchteile, die gleichzeitig dem Mann dann die Zeit verschafften, sich auf eine Überraschung vorzubereiten. Diese Gedanken schossen durch Steves Kopf, und sie reichten noch aus, seinem Körper eine Drehung zu geben, bevor sein Fuß die Tür erreichte.
Er warf sich zur Seite, als im Zimmer kurz hintereinander zwei donnernde Explosionen krachten. In der Tür erschienen zwei gezackte Löcher, und auf der anderen Seite des Ganges rieselte Putz von der Wand.
Steve atmete tief durch. Das war knapp gewesen. Er hatte rein instinktiv reagiert, weil er blitzschnell Reaktionen anderer vorausberechnen konnte. Er hatte den alten Mann schließlich schon einmal in Aktion gesehen und wusste, wie schnell er war. Wer jahrzehntelange Haft in dieser Form überstanden hatte, musste über erstaunliche Reflexe verfügen.
Steve wechselte die Beretta in die andere Hand und versuchte die Tür aufzudrücken. Aus dem Raum kamen keine Geräusche.
Von der Treppe her klangen Schritte. Das war sicher Buddy, der die Schüsse gehört hatte.
„Bleib unten!“, schrie Steve, „er entkommt uns!“
Die Schritte polterten wieder abwärts.
Steve richtete sich in Deckung des Türpfostens auf und trat gegen das Schloss. Es war einer solchen Belastung nicht gewachsen und brach heraus. Die Tür schwang auf.
Steve drückte sie weiter auf. bis sie gegen die Wand schlug. Das Zimmer war leer. Die Einrichtung war ziemlich trostlos. Ein klappriges Bettgestell, ein wurmstichiger Schrank, Tisch, zwei Stühle, ein Waschbecken.
Steve ließ die Beretta kreisen, aber es war beim besten Willen nichts mehr zu sehen. Ein Blick auf die geöffneten Fensterflügel verriet, wohin der Vogel entschwunden war.
Steve lief durch das Zimmer und beugte sich aus dem Fenster. Direkt daneben führte eine Feuerleiter in die Tiefe. Ganz unten sah er den alten Mann turnen. Er hatte schon fast den Boden erreicht.
„Bleiben Sie stehen!“, schrie Steve.
Im gleichen Augenblick zuckte er zurück, und das schwere Geschoss riss Steinsplitter aus der Mauer.
Murano hatte den Erdboden erreicht und rannte los. In der rechten Hand hielt er seinen Revolver, in der linken eine Tüte mit einem offenbar schweren Inhalt. Steve warf einen raschen Blick ins Zimmer. Nein, dort lag nichts. Der alte Mann schleppte Hammer, Meißel und Brechstange mit sich herum. Steve hatte keine Ahnung, was er damit wollte.
Mit einem geübten Griff schwang er sich ebenfalls aus dem Fenster. Der Rost der Feuerleiter fraß sich in seine Handflächen, als er so schnell wie möglich hinunterkletterte. Er hoffe nur, dass nicht ausgerechnet jetzt Buddy auf der Bildfläche erschien. Den konnte er im Augenblick am wenigsten gebrauchen.
Sekunden später war er unten. Sofort spurtete er los. Der Abstand zu dem Verfolgten verringerte sich allmählich. Steve wunderte sich immer wieder, wie der alte Mann diese Anstrengungen durchhalten konnte. Er musste eine eiserne Energie besitzen.
Der alte Mann verschwand in einer Seitenstraße ohne sich umzusehen. Steve folgte ihm und sah, wie er am Ende der kurzen Straße nach rechts bog. Er rannte wieder, bis er den Alten sah. Irgendwie musste er ihn schnappen, ohne dass es zu einem Feuergefecht auf offener Straße kam, bei dem Unschuldige verletzt werden konnten.
Murano überquerte die Straße und verschwand in einem Hauseingang. Das Haus war groß und hatte schon bessere Zeiten gesehen. Steve fielen die zugenagelten Fenster im Erdgeschoss auf.
Sekunden später stand er im Treppenhaus und lauschte. Alles war ruhig. Er schlich die Treppe hinauf und rechnete jeden Augenblick mit einer Kugel aus dem Hinterhalt. Im ersten Stock öffnete sich die Tür, und ein kleines Mädchen erschien. Sie bekam kugelrunde Augen, als sie die Pistole in Steves Faust bemerkte. Die Tür klappte wieder zu.
Steve konnte sich nicht vorstellen, was Murano in dieser verfallenen Bruchbude suchte. Ob er hier ein Ausweichquartier hatte?
Auch weiter oben blieb alles still. Steve stieg weiter hinauf. Dann drangen plötzlich dumpfe Geräusche an sein Ohr, die von unten zu kommen schienen. Er lauschte, wusste aber nicht, was sie bedeuteten.
Rasch ging er wieder hinunter. Die merkwürdigen Geräusche schienen aus dem Keller zu kommen. Schlagartig erinnerte er sich an Hammer und Meißel. Murano musste dort unten irgendwo mit seinem Werkzeug arbeiten. Die Hammerschläge fielen unglaublich rasch hintereinander. Er musste mit der Kraft eines Wahnsinnigen arbeiten.
Vorsichtig schlich Steve die Kellertreppe hinunter. Sein Fuß tastete sich durch das Gerümpel, ohne dass er ein Geräusch verursachte. Der alte Mann hatte ein feines Gehör, das hatte er bereits bewiesen, und es hätte Steve beinahe das Leben gekostet.
Er musste immer wieder stehenbleiben, um die Richtung der Geräusche zu bestimmen. Der Schall schien von überall her zu kommen. Er konnte sich nur nach der wachsenden Lautstärke richten. Als er eine weitere Tür geöffnet hatte, kamen die wütenden Hammerschläge ganz aus seiner Nähe. Er schlich bis zur nächsten Tür, die nur angelehnt war.
Dann sah er ihn.
Murano hatte den Meißel an der Wand angesetzt und trieb ihn mit wuchtigen Hammerschlägen immer tiefer hinein. Dabei murmelte er unaufhörlich vor sich hin.
Ein Stein war bereits herausgebrochen. Das Mauerwerk war nicht mehr besonders stabil. Murano setzte die Brechstange an und warf sich mit seinem ganzen Körpergewicht dagegen. Er keuchte wie eine Lokomotive, und in der Wand knirschte es.
Murano hatte seinen Revolver auf den Boden gelegt. Steve bemerkte es mit einer gewissen Erleichterung.
Mehrere Steine brachen jetzt gleichzeitig heraus. Staub wirbelte auf, und Murano hustete. Ein dunkles Loch wurde sichtbar. Murano grunzte, versuchte hineinzusehen, konnte offenbar aber nichts erkennen. Er griff wieder zu seinem Meißel und setzte ihn an.
Steve trat in den Raum, die Beretta auf den Mann gerichtet. „Tonio Murano“, befahl er. „Nehmen Sie die Hände hoch.“
Der alte Mann fuhr herum. Er kicherte. Aus seinem Mundwinkel rann ein Speichelfaden. In seinen Augen flackerte der Wahnsinn. Jetzt hatte er endgültig durchgedreht. Die letzten geistigen Barrieren waren von einer emotionalen Flut weggefegt worden. Er lebte jetzt nur noch in seiner Phantasie. Und er war unberechenbar geworden.
„Murano“, wiederholte Steve. „Geben Sie auf.“
Der Alte kümmerte sich nicht darum. Er drehte sich wieder zur Mauer und schlug mit dem Hammer zu.
Steve ging auf ihn zu, hob die Magnum auf und trat wieder ein paar Schritte zurück. Die abgeschossenen Patronen waren nicht ersetzt worden. Er schob die kiloschwere Waffe hinter seinen Hosenbund, weil sie sonst sämtliche Taschen allein durch ihr Gewicht zerrissen hätte.
Murano gab undefinierbare Geräusche von sich. Er hatte die Öffnung so weit erweitert, dass er seinen Oberkörper halb hineinzwängen konnte.
„Es ist da!“, schrie Murano. „Es gehört mir! Mir allein!“
„Seien Sie vernünftig, Mann!“ Murano fuhr herum und schüttelte Steves Arm ab. „Weg da!“ Er hob den Hammer und schwang ihn über dem Kopf.
Steve hob die Pistole, aber Murano nahm sie überhaupt nicht zur Kenntnis. Steve ließ die Waffe etwas hilflos sinken. Er konnte den alten Mann nicht einfach niederschießen, denn Murano wusste nicht mehr, was er tat. Er war krank.
Steve wich noch einen Schritt zurück, als der schwere Hammer durch die Luft in seine Richtung schwang. Murano konnte den Schwung nicht mehr bremsen, und der Hammer krachte seitlich neben der Öffnung an die Wand.
Wie durch Zauberhand erschien ein Riss, der sich rasend schnell vergrößerte.
„Zurück!“, schrie Steve. „Die Wand stürzt ein!“
Murano lachte wild auf und schob sich wieder halb in die Öffnung.
Donnernd löste sich ein riesiger Mauerbrocken und begrub ihn unter sich. Ein Schrei stieg auf, dann war Stille. Nur ein paar lose Brocken kollerten über den Fußboden. Der ganze Raum war mit Staub gefüllt.
Steve stürzte auf den Mann zu und räumte mit fliegenden Fingern den Schutt weg. Dann zog er Murano aus der Öffnung. Schon als er ihn auf den Boden legte, wusste er, dass nichts mehr zu machen war. Murano hatte sich das Genick gebrochen. In seinen Augen lag ein verklärter Glanz. Langsam ließ Steve ihn auf den Boden sinken.
Dann wandte er sich der Öffnung zu um zu erkunden, was Murano dort so fieberhaft gesucht hatte.
Er musste lachen.
„Was ist daran so komisch?“, fragte eine Stimme hinter ihm.
Steve drehte sich um. Scalise. Er grinste und hielt eine Pistole in der Hand. Dahinter stand Buddy. „Ich habe dich beobachtet“, sagte Scalise. „Gute Arbeit.“ Er kam nach vorn und trat dem Toten in die Seite. „Der Fall wäre erledigt. Was ist da drin?“
Steve griff in die Öffnung und zog eine völlig verrostete Thompson-Maschinenpistole heraus. Das Ölpapier war bereits zu Staub zerfallen. Als zweites förderte er eine Metallkassette in der Größe einer Aktentasche und ein Bündel staubiger Dollarscheine zutage. „Das ist alles.“
Scalise benutzte die Pistole als Hebel und öffnete die Kassette. Das Schloss sprang problemlos auf. Er sah kurz auf den Inhalt, klappte den Deckel wieder zu und trat zu Steve. „Wir danken für die bisherige Zusammenarbeit“, grinste er. Dann schlug er ohne Vorwarnung zu.
Steve spürte noch, wie er stürzte, dann wurde es schwarz vor seinen Augen.
Als er wieder aufwachte, wusste er, dass seine Bewusstlosigkeit nur wenige Minuten gedauert hatte. Der Tote lag immer noch da. Immer noch schwebten Staubpartikel in der Luft.
Die verrostete Thompson lag auch noch da, aber die Kassette war weg.
Steve rappelte sich auf und schüttelte benommen den Kopf. Sogar seine Waffe hatten sie ihm gelassen. Scalise war es also nur auf die Kassette angekommen. Er musste mit einem einzigen Blick erkannt haben, dass der Inhalt in irgendeiner Weise wichtig war.
Sein Auftrag war jedenfalls erledigt. Der Mann aus Alcatraz war tot. Und den Mafiakrieg in Chicago würde es nicht mehr geben.
Aber Steve wusste nicht, wie sehr er sich irrte ...
Wer hätte ahnen können, dass der Kampf um Al Capones Vermächtnis jetzt erst richtig entfacht würde ... dass neue, gefährlichere Gegner ins Spiel kamen und dass die führenden Bosse der Chicagoer Mafia ihren besten Killer ins Rennen schickten? Steve McCoys gerät zwischen die Fronten und damit hängt sein Leben am seidenen Faden ...
Wie dieser Kampf in der Chicagoer Unterwelt ausgeht, erfahren Sie in Band 2 – Mafia-Krieg in Chicago.
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