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4. Kapitel

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Steve McCoy drückte sich eng in den Schatten der Hauswand. Seit zwei Stunden wartete er jetzt bereits. Aber das war ein Zustand, an den er sich bei seinem Job mittlerweile gewöhnt hatte. Warten gehörte zu den unangenehmen Seiten, war jedoch unvermeidlich.

Er wartete auf Buddy, den Gangster, der offenbar keinen Nachnamen hatte. Steve musste unbedingt an den Inhalt der Kassette herankommen, die in Scalises Hände gefallen war. Dann war es vielleicht möglich, den Mafia-Krieg in Chicago zu beenden, noch ehe er richtig angefangen hatte. Buddy konnte ihm vielleicht weiterhelfen, denn schließlich wusste auch er Steves wirklichen Namen nicht.

Es war nicht schwer gewesen, Buddys Adresse herauszufinden. In der kurzen Zeit, die Steve für Scalise arbeitete, hatte er nur wenige Kontakte knüpfen können, die ihm hätten helfen können. Es war ein reiner Glücksfall gewesen, dass er den kleinen, rattengesichtigen Spitzel traf, der sie seinerzeit auf die Spur des Killers geführt hatte.

„Ich muss Buddy treffen“, hatte Steve gesagt und ihm zehn Dollar gegeben. „Wenn er nicht bei Scalise ist, ist er zu Hause“, hatte der Spitzel gemeint, „oder er säuft bei Charly.“

Also hatte Steve einen Blick in Charlys Bar geworfen und sich anschließend gegenüber Buddys Haus aufgebaut. Der Spitzel hatte zwar leicht das Gesicht verzogen, als Steve ihn nach der Adresse fragte, sie ihm dennoch gesagt. Und jetzt hieß es warten.

Plötzlich sah er ihn. Die typische Gestalt war unverkennbar. Und Steve erkannte noch etwas, das Buddy aber nicht zu bemerken schien: Der Gangster wurde von einem weiteren Mann verfolgt.

Der andere stellte sich sehr geschickt an, und Steve war sich nicht sicher, ob er die Verfolgung bemerkt hätte, wenn er selbst das Opfer gewesen wäre. Doch aus seiner jetzigen Position war die Verfolgung genau zu erkennen. Der Beschatter benahm sich, als tanze er ein gespenstisches Ballett. Er verschwand in Hauseingängen, wechselte die Straßenseiten und änderte den Abstand zu seinem Wild.

Die Frage war nur, wer Buddy verfolgte. Wollte man ihn auch umbringen wie die anderen Leute von Scalise in der Bar? Nein, das war unwahrscheinlich. So viel Mühe hätte man sich mit einem kleinen Licht wie Buddy sicher nicht gegeben. Man wäre nach der üblichen Methode mit einem Wagen an ihm vorbeigefahren und hätte ihn mit einer Kugelspritze erledigt.

Buddy war jetzt vor seinem Haus angekommen. Er schien bisher noch keinen Verdacht geschöpft zu haben. Tief in Gedanken versunken, öffnete er die Haustür und verschwand.

Wie zu erwarten, nahm der Verfolger den gleichen Weg. Er war schlank und dunkelhaarig und bewegte sich sehr rasch. Einen Augenblick hatte Steve daran gedacht, dass es sich um einen Polizisten handeln könnte, schließlich verwarf er diesen Gedanken rasch wieder, als er den Mann mehr aus der Nähe sah.

Steve wartete ein paar Sekunden, dann spurtete er über die Straße und öffnete als dritter die Haustür. In diesem Moment erlosch das Licht, das Buddy angeknipst hatte.

Steve blieb stehen und lauschte. Er hörte keinen Laut. Buddy war wohl schon in seiner Bude verschwunden, aber irgendwo musste der Verfolger noch stecken.

Steves Training machte sich bezahlt. Er war in der Lage, sich völlig lautlos zu verhalten, was den wenigsten Menschen gelingt. Irgendwelche Geräusche entstehen immer: ein hastiger Atemzug, ein leichtes Rascheln beim Bewegen.

Doch der andere schien über die gleiche Fähigkeit zu verfügen. Steve hatte keine Ahnung, wo er steckte. Hatte der Verfolger das erneute Öffnen der Haustür gehört? Dann musste er spätestens jetzt Verdacht geschöpft haben, wenn sich nichts weiter bewegte.

Die Spannung wurde fast unerträglich, und Steve verspürte das dringende Bedürfnis, tief Luft zu holen. Mit angehaltenem Atem schob er sich einen weiteren Schritt vor. Und dann hörte er das Geräusch. Niemand sonst hätte es gehört. Es war mehr die Ahnung einer winzigen Veränderung, nicht mehr als ein Lufthauch – und Steve wusste, dass der andere Mann ganz in seiner Nähe war, näher als ihm lieb sein konnte.

Seine Reaktion war völlig instinktiv, als der Angriff kam. Steve musste wohl in dem schwachen Lichtschimmer, der von der Straße hereindrang, als Schatten zu erkennen gewesen sein.

Wie ein Panther schoss ein Körper aus der Dunkelheit auf ihn zu. Steve ließ sich einfach zur Seite fallen, und die ausgestreckten Hände des anderen griffen ins Leere. Der Angreifer fing sich jedoch sofort ab und fuhr herum. Steve konnte weiße Zähne blitzen sehen.

Der Überraschungseffekt war jedoch gelaufen, und der nächste Hieb wurde von Steve abgeblockt. Er hörte einen überraschten Laut und setzte seinerseits zum Angriff an. Seine gerade Linke pfiff dicht an dem anderen vorbei, aber seine nachfolgende Rechte erwischte den anderen voll. Diesmal war der Schmerzenslaut nicht mehr unterdrückt. Steve lächelte grimmig, nahm einen leichten Stellungswechsel vor und hob die Fäuste.

Es kam jedoch zu keinem neuen Schlagabtausch, denn der andere zog einen mehr oder weniger geordneten Rückzug vor. Die Haustür wurde geöffnet, eine breite Lichtbahn erhellte den Flur, und Steve erkannte den schlanken Körper des Verfolgers, der eilig auf die Straße rannte. Diese erste Runde hatte Steve eindeutig für sich entschieden. Doch er hatte das dumpfe Gefühl, dass es noch nicht die letzte Runde gewesen war.

Steve drückte den Lichtschalter und schloss für einen Moment geblendet die Augen, obwohl die Funzel im Treppenhaus nicht sonderlich hell brannte. Seine Augen gewöhnten sich sehr schnell an den Helligkeitswechsel. Er warf noch einen Blick auf die Straße, aber von dem anderen Mann war nichts mehr zu sehen. Steve zuckte mit den Achseln und begann, die Treppe hinaufzusteigen.

Der Spitzel hatte ihm genau beschrieben, wo er Buddy finden konnte. An der Tür waren mehrere Namensschilder. Ganz unten war mit einer Heftzwecke ein schmieriger kleiner Zettel festgemacht, auf dem Steve mit Müh und Not den Namen Budd Richards entziffern konnte. Jetzt wusste er endlich, wie Buddy richtig hieß.

Steve drückte auf den Klingelknopf.

Eine Weile lang tat sich gar nichts. Dann hörte er schlurfende Schritte hinter der Tür, die sich gleich darauf einen Spalt öffnete.

Ein Frauenkopf erschien. Sie war unbestimmbaren Alters, trug einen ausgeblichenen Morgenmantel und Lockenwickler im Haar. Als sie den Mund öffnete, erkannte Steve diverse Zahnlücken. Ihre Stimme klang wie ein Reibeisen.

„Hey, Mister, das ist nicht die Zeit, um unangemeldet Besuche zu machen. Sonst hätte ich mich angezogen.“ Sie lachte wiehernd.

Steve verzog das Gesicht. „Ich wollte nicht zu Ihnen.“

Sie öffnete die Tür etwas weiter. „Sie haben bei mir geklingelt. Ist schon lange her, dass jemand hier war. Früher haben sich die Kerle um mich gerissen und jeden Preis bezahlt, und heute bin ich froh, wenn der Gasmann kommt, damit etwas Abwechslung in der Bude ist. Haben Sie Zeit für einen Drink, Mister? Ich müsste noch eine Flasche Gin haben.“

Steve spürte die Alkoholfahne und bezweifelte insgeheim, dass noch viel in der Flasche sein konnte. Er verspürte fast so etwas wie Mitleid mit der abgetakelten Frau, deren Zeit endgültig vorbei war. Er kam schließlich nicht von der Sozialversicherung.

„Ich möchte zu Mister Richards“, sagte er.

Sie verzog verächtlich die Mundwinkel. „Zu dem wollen Sie? Ich hatte gedacht, dass Sie bessere Freunde hätten als diesen Kerl. Geht keiner geregelten Arbeit nach und treibt sich den ganzen Tag in der Gegend herum. Glücklicherweise ist er meistens besoffen. Dann liegt er friedlich in seinem Zimmer und schläft. Das ist die einzige Zeit, in der man hier Ruhe hat.“

„Wo finde ich ihn?“

Sie deutete unbestimmt in den schummerigen, hinteren Teil des langen Flures. „Hier wohnen mehrere Leute. Die Eigentümer haben aus einer riesigen Wohnung mehrere kleine gemacht. Das bringt mehr Miete. Aber das sogenannte Bad ist eine Zumutung. Früher habe ich ganz anders gewohnt. Da war allein das Bad größer als meine jetzige Wohnung, das können Sie mir glauben, Mister.“

„Sicher“, antwortete Steve und drängte sich an der geschwätzigen Alten vorbei. Er war zwar ein geduldiger und höflicher Mensch, doch dieses Gerede ging ihm langsam auf die Nerven.

Sie knallte hinter ihm die Tür zu, als er den Korridor entlangging. Nach einigen Schritten drehte er sich noch einmal um. „Ich kann es übrigens nicht leiden, wenn man an der Tür lauscht. Also beherrschen Sie sich und verschwinden Sie in Ihrer eigenen Wohnung, sonst werde ich ungemütlich.“

Sie verzog das Gesicht zu einer wütenden Grimasse und verschwand hinter einer Tür, die donnernd ins Schloss fiel.

Steve atmete tief durch und klopfte an der Tür, die sie ihm vage bezeichnet hatte.

Ein Knarren ertönte und gleich darauf eine Stimme: „Wer ist da?“

„Ich bin’s“, sagte Steve leise. „Dein alter Freund Steve.“

Scalise und Buddy hatten ihn nur unter seinem Vornamen kennengelernt. Da sie ihn für einen untergetauchten Ganoven hielten, glaubten sie vermutlich sowieso, dass es ein Deckname war. Sie hatten ihn nicht weiter überprüft, da sie unter ziemlichem Druck standen, und weil Scalise ihn ohnehin nur kurzfristig zur Erledigung der Schmutzarbeit brauchte.

„Steve?“, kam es ungläubig von drinnen.

„Ja. Mach’ schon auf. Ich will mit dir reden.“

Aus dem Zimmer kamen undefinierbare Geräusche, schließlich öffnete sich die Tür, und ein Revolverlauf schob sich durch den Spalt. „Ist nicht persönlich gemeint“, begrüßte Buddy ihn, „doch ich muss im Augenblick vorsichtig sein. Unsere Stadt ist ziemlich ungesund geworden.“

Steve zeigte seine leeren Hände und trat ins Zimmer. Buddy ließ den Revolver sinken und schloss hinter ihm sorgfältig die Tür.

Steve sah sich rasch um. Die Bezeichnung „Bruchbude“ wäre für diese Wohnung sicher angebracht gewesen. Die Möbel hätten zum größten Teil auf den Sperrmüll gehört, und die verblichene Tapete musste unmittelbar nach dem Bau des Hauses angebracht worden sein. Eine halb geöffnete Tür führte in einen Schlafraum, der noch kleiner war als der Raum, in dem sie sich befanden.

„Woher kommst du?“, fragte Buddy. „Du warst in den letzten Wochen spurlos verschwunden.“

„Na, hör mal! Nachdem ihr mich so ausgetrickst habt, als wir diesen wahnsinnigen Killer stellten, bin ich natürlich erst mal untergetaucht. Das war von Scalise nicht fein, mir einfach einen Schlag auf den Schädel zu geben und sich dann aus dem Staub zu machen, nachdem ich ihm die Kastanien aus dem Feuer geholt habe.“

Buddy machte ein unglückliches Gesicht. „Er hatte uns seinerseits die ganze Zeit beobachtet, als wir hinter dem Killer her waren. Du hattest auf einmal einen ziemlichen Vorsprung, und Scalise lief zusammen mit mir hinter dir her. Er sagte, er traue dir nicht ganz, und es sei an der Zeit, sich von dir zu trennen, wenn es dir gelang, diesen Killer zu erledigen. Das hat ja auch geklappt.“

Steve nickte. „Ich verstehe. Und danach hatte Scalise überhaupt kein Interesse mehr an mir?“

Buddy schüttelte den Kopf. „Nein. Ich glaube, er hat dich völlig vergessen. Allerdings hat er auch andere Probleme.“

Steve nickte. „Und was ist aus der Kassette geworden, die in dem Versteck lag?“

Buddy machte ein abweisendes Gesicht. „Dazu kann ich nichts sagen. Ich habe jetzt schon Schwierigkeiten. Dieses Mistding hat die ganze Geschichte erst ins Rollen gebracht, und Scalise glaubt, dass ich Schuld daran habe.“

„Welche Geschichte?“, fragte Steve.

„Das Massaker in unserem Club. Die Zeitungen waren doch voll davon. Ich habe Glück gehabt, dass ich an diesem Abend nicht da war, sonst hätte es mich dabei auch erwischt.“

„Und was hat das mit der Kassette zu tun?“

Auf Buddys Stirn erschien eine tiefe Falte, und er hob seinen Revolver wieder. „Du fragst ein bisschen viel. Scalise schickt mich nach Hause, weil ich angeblich gequatscht haben soll, und dann kommst du und fragst mir Löcher in den Bauch. So langsam möchte ich auch mal wissen, was das Ganze zu bedeuten hat.“

Steve hatte in der Zwischenzeit bereits einige Schlüsse aus dem Gehörten gezogen. Der Inhalt der Kassette musste demnach viel wichtiger sein, als er ursprünglich angenommen hatte. Vielleicht hatte sie Papiere enthalten, die auch heute noch auszunutzen waren. Und so wie Buddy veranlagt war, hatte der bestimmt gequatscht. Ein geschickter Frager konnte ihm ziemlich mühelos alles aus der Nase ziehen. Alles deutete darauf hin, dass der Inhalt dieser Kassette den Schlüsselpunkt bildete. Der Krieg hatte begonnen, und es war nicht mehr viel Zeit, ihn rechtzeitig zu beenden, bevor die Sache vollends aus den Ufern läuft.

„Du weißt genau, dass ich diese verdammte Kassette nicht kenne“, sagte Steve. „Ich hatte überhaupt keine Gelegenheit, hineinzusehen. Du warst schließlich dabei, als wir sie fanden.“

Buddy nickte langsam. „Mit den Papieren kann man einigen Leuten eine Menge Ärger machen. Ich habe so etwas läuten hören, dass man damit auch eine Menge Geld machen kann. Es liegt auf der Hand, dass es viele Interessenten für diese Papiere gibt. Einige wollen sie an sich bringen, andere wollen sie nur vernichten. Wie auch immer, der Weg führt in jedem Falle über Scalise.“

„So ist das also. Und dieses Massaker war der erste Versuch, Scalise mit seinen Leuten aus dem Weg zu räumen?“

„So sehe ich es.“

„Was will Scalise denn dagegen unternehmen?“

Steve merkte im gleichen Augenblick, dass er mit dieser Frage zu weit gegangen war. Selbst für Budd Richards gab es Grenzen.

Er richtete den Revolver jetzt direkt auf Steve. „Ich glaube wirklich, du willst mich ausfragen. Wer hat dich geschickt? Kommst du vielleicht von Scalise, der mich überprüfen will, ob ich den Mund halten kann? Oder hat Aurelio dich geschickt?“

Steve blieb ganz ruhig. „Wer ist Aurelio? Ich habe den Namen noch nie gehört.“

„Lucio Aurelio. Der große Boss im Osten der Stadt. Er kann Scalise nicht leiden, und wir glauben, dass er das Massaker inszeniert hat. Wie ist es: Kommst du von ihm?“

Steve schüttelte den Kopf. „Red’ nicht solchen Quatsch. Ich wollte nur wissen, weshalb mein Arbeitgeber mir eins über den Schädel haut, nachdem ich gute Arbeit für ihn geleistet habe.“

„Ich sollte dich am besten zu Scalise bringen, damit er entscheidet, was mit dir geschehen soll.“

„Das würde ich nicht tun, Buddy. Ich glaube nämlich, dass Scalise dir sehr wohl jemand hinterhergeschickt hat, wenn auch nicht mich. Ich habe einen Kerl gesehen, der dir die ganze Zeit nachschlich. Im Treppenhaus bin ich mit ihm zusammengestoßen, und er hat die Flucht ergriffen. Ich bin mir sicher, dass er dir einen Besuch abstatten wollte.“

Buddy ließ die Waffe ein Stück sinken. „Hast du ihn genau gesehen?“

„Er hatte etwa meine Größe und meine Figur. Er bewegte sich verdammt schnell. Ein Profi.“

„Und er hat mich verfolgt?“

Steve nickte. „Ich weiß zwar nicht, was er wollte, aber ich kann es mir denken. Du bist für Mister Scalise ein Sicherheitsrisiko geworden. Du kennst die Geschichte mit der Kassette. Ich glaube, er wollte dich umlegen lassen.“

Buddy wurde blass im Gesicht. „Das glaube ich nicht“, stieß er hervor, doch hinter seiner Stirn arbeitete es, und Steve erkannte, dass Buddy es sehr wohl für möglich hielt.

„Wir sind beide angeschmiert worden“, meinte Steve. „Diese verdammte Kassette hat uns reingerissen. Ich finde, dass wir etwas dagegen tun sollten.“ Er musste versuchen, Buddy auf seine Seite zu ziehen. In seiner Situation brauchte er so viele Verbündete wie möglich.

Buddy hatte den Revolver wieder heruntergenommen, hielt ihn jedoch immer noch in der Hand. Steve durfte nie vergessen, dass er es mit einem Gangster zu tun hatte, der mit seinem Schießeisen und seinen Fäusten umzugehen verstand. Wenn es auch mit seiner geistigen Leistung nicht zum Besten stand.

„Wir müssten an diese Kassette herankommen“, ergänzte Steve. „Dann können wir die Preise bestimmen und sitzen am Drücker.“

Buddy schüttelte den Kopf. „Das schaffen wir nicht. Es ist viel zu gefährlich. Scalise traut mir nicht mehr. Ich habe keine Chance, an seine geheimen Unterlagen heranzukommen. Außerdem hat er einen neuen Leibwächter, Marengo, der ist scharf wie ein Jagdhund. Es könnte der Mann gewesen sein, den du gesehen hast. Er sieht dir ein bisschen ähnlich.“

„Marengo“, murmelte Steve. Ein Name, den man sich merken musste. „Was wird Scalise als Nächstes tun?“

Buddy zuckte mit den Achseln. „Was weiß ich? Vermutlich plant er einen Gegenschlag. Er kann diesen Überfall nicht auf sich beruhen lassen.“

„Hat er denn genügend Leute?“

„Das wird Marengo notfalls allein erledigen.“

„Es wird also richtigen Krieg geben?“

Buddy nickte. „Schon möglich.“

„Okay, Buddy. Dann wird es für mich Zeit, mich aus der Schusslinie zu begeben. Wir bleiben in Kontakt. Ich besuche dich wieder. Und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du Scalise nichts von meiner Anwesenheit in dieser schönen Stadt sagen würdest. Er könnte sonst falsche Schlüsse ziehen, und würde es dir womöglich wieder anhängen.“

„Ich kann schweigen“, antwortete Buddy.

„Klar“, entgegnete Steve, aber er war sich in dieser Beziehung nicht sehr sicher.

Minuten später verließ er unangefochten die Wohnung. Er trat auf die Straße und atmete tief durch. Die verschiedenen Gerüche in diesem Haus hatten seine Nase arg strapaziert.

Er sah auf seine Uhr und spürte auch eine gewisse Müdigkeit. Heute konnte er doch nichts mehr erreichen. Zwei Namen waren immerhin in seinem Gedächtnis haften geblieben: Aurelio und Marengo. Der Erste ein Mafiaboss, der offenbar Scalises Gegner war, der andere vermutlich ein Berufskiller. Er würde sich mit beiden beschäftigen müssen.

Steve hatte diesen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als der Schuss krachte. Das Geschoss verfehlte ihn nur knapp und schlug hinter ihm in die Hauswand. Nur seine Reaktionsschnelligkeit und sein hartes Training retteten ihn vor der nächsten Kugel, die ihn unweigerlich getroffen hätte. Er ließ sich fallen und rollte sich blitzschnell herum, wobei er die eigene Waffe zog.

Allerdings fand er kein Ziel für sie. Die Straße lag zu beiden Seiten ruhig da. Kein Mensch war zu dieser späten Stunde zu sehen. Es würde nur Sekunden dauern, bis irgendjemand die Polizei verständigte. Die beiden Schüsse waren nicht zu überhören gewesen.

Zu dieser Einsicht musste auch der unsichtbare Schütze gekommen sein, denn es folgte kein weiterer Schuss, sondern Steve hörte das Geräusch schnell laufender Schritte.

Er stand auf, klopfte sich mechanisch den Staub von der Hose und steckte die Pistole ein. Bevor er sich mit dem Killer befassen konnte, hatte der sich schon mit ihm beschäftigt. Steve war jetzt ziemlich sicher, dass er es mit diesem Marengo zu tun hatte, der vor dem Haus gelauert hatte, bis sein Besuch bei Buddy beendet war. Für diesen Abend war Budd Richards seinem Killer entgangen, es fragte sich nur, wie lange es bis zum nächsten Versuch dauern würde.

Steve beschleunigte seine Schritte, als in der Ferne die erste Polizeisirene zu hören war. Seinen Wagen hatte er in einer Querstraße abgestellt. Das war zwar unbequemer, aber auch sicherer, als in unmittelbarer Nähe des jeweiligen Zieles zu parken.