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7. Kapitel

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Tony Marengo hatte ein wenig von seinem überheblichen Gesichtsausdruck verloren. Er stand vor Scalise, der nervös auf dem Tisch trommelte.

„Tony, da ist etwas schiefgegangen.“

Marengo zuckte mit den Schultern. „Das kann ich mir nicht vorstellen. Wir wissen doch, dass der Überfall geklappt hat. Es muss wie im Bilderbuch gewesen sein. Unsere Leute erscheinen auf der Bildfläche, putzen Aurelios Männer weg und verschwinden unerkannt wieder. Es ist genau nach Plan gegangen.“

Scalise trommelte immer noch. „Langsam dämmert mir, dass es ein ziemlich dämlicher Plan war. Und vor allen Dingen: Wo sind die Leute jetzt? Sie sollten sich danach sofort wieder melden. Außerdem bekommen sie noch ihr Geld. Das werden sie doch nicht vergessen haben. Nein, nein, irgendetwas ist geschehen, das nicht im Plan vorgesehen war.“

„Aber was? Aurelios Leute können damit nichts zu tun haben.“

Scalise nickte. „Könnte es sein, dass hier noch jemand mitmischt? Jemand, den wir noch gar nicht kennen?“

Marengo verzog hilflos das Gesicht. „Wir sind doch bisher davon ausgegangen, dass die anderen Bosse bei dieser Sache ihre Finger nicht im Spiel haben.“

Scalise nickte nachdenklich. „Wir müssen die drei Männer auf jeden Fall finden. Können sie uns gefährlich werden?“

Marengo schüttelte den Kopf. „Sie hatten einen festen Auftrag. Sie wissen, dass sie den Mund halten müssen, sonst sind sie tot. Sicher, sie gehören nicht zur Familie, aber ich gehöre schließlich auch nicht dazu. Einen von ihnen kannte ich von früher. Sie schienen mir für den Auftrag geeignet. Ich bin sicher, dass sie uns nicht verraten.“

„Es ist inzwischen ohnehin egal. Aurelio weiß todsicher, dass der Überfall auf seine Männer von uns kommt. Wir müssen uns auf einen Gegenschlag einstellen. Er ist nicht der Mann, der sich davon abschrecken lässt. Ich gebe zu, dass ich eine falsche Entscheidung getroffen habe. Es war die Wut über das Massaker im Cleopatra-Club.“

„Können wir einen Krieg gegen Aurelio gewinnen?“, fragte Marengo leise.

Scalise wischte sich über die Stirn. „Ich glaube, dass er stärker ist. Er hat mehr Leute. Wir können nur gewinnen, wenn wir schlauer sind – oder wenn wir ihn selbst ausschalten können.“

„Er wird sein Haus zur Festung ausbauen. Ein Frontalangriff dürfte wohl ziemlich erfolglos sein.“

„Es ist am besten, wenn wir zunächst einmal auf Tauchstation gehen. Ich habe ein Ausweichquartier. Dorthin werden wir uns erst einmal mit unseren Leuten zurückziehen.“

„Wir können der Auseinandersetzung auf Dauer nicht aus dem Wege gehen.“

Scalise blickte auf. „Sicher nicht. Wir brauchen mehr Leute. Und die müssen wir erst einmal bekommen. Sie dürfen in dieser Stadt nicht bekannt sein.“

„Das ist eine gute Idee. Ich weiß jemanden, der uns helfen kann. Er kennt genügend Leute mit freien Kontrakten.“

„Es muss schnell gehen.“

„Sicher. Was wird aus Buddy?“

Scalise winkte ab. „Der ist im Augenblick nicht wichtig. Um ihn werden wir uns später kümmern. Er kann uns nicht gefährlich werden. Das Ausweichquartier kennt er nicht.“

„Gut. Dann werde ich mich um neue Leute kümmern.“

Scalise hatte seine Stirn in Falten gelegt. „Mich beunruhigt immer noch das Verschwinden der drei Männer. Jetzt ist Vormittag, und sie haben sich seit gestern Nachmittag nicht mehr gemeldet.“

Marengo grinste. „Dann werden sie eben auf den zweiten Teil ihres Geldes verzichten müssen, wenn wir hier heute noch die Zelte abbrechen.“

„Unbedingt. Ich kenne Aurelio. Er lässt mit einem Gegenschlag meistens nicht lange auf sich warten.“

Marengo verschwand. Innerlich dachte er schon darüber nach, ob es so gut gewesen war, sich bei Scalise anheuern zu lassen. Langsam bekam er den Eindruck, dass der Mafioso nicht zu den besten auf seinem Gebiet gehörte. Dieser Aurelio schien sehr viel entschlussfreudiger zu sein – und er war offensichtlich auch stärker. Noch war allerdings nichts verloren. Und wenn es ihm gelang, die richtigen Leute möglichst schnell zu bekommen – dann war noch alles offen. Marengo war auf jeden Fall entschlossen, aus dieser Situation für sich den meisten Nutzen zu ziehen.

Scalise hingegen war in tiefer Sorge. Er hatte vielleicht zu früh seine Karten auf den .Tisch gelegt. Als Pokerspieler hätte er wissen müssen, dass dies nicht richtig war. Mit den paar Leuten, über die er verfügte, konnte er gegen Aurelio eigentlich nichts ausrichten. Und die normalen Geschäfte mussten schließlich auch weiterlaufen, sonst bekam er nicht einmal genug Geld in die Kasse, um Marengos Killertruppe zu bezahlen. Er hatte sich den Weg zum Boss anders vorgestellt.

Wenn dieser wahnsinnige Mann aus Alcatraz Fiscetti nicht umgelegt hätte, wäre alles anders gekommen. Fiscetti hätte Aurelio schnell erledigt. Andererseits hätte er dann auch nicht die Möglichkeit gehabt, selbst an die Spitze zu rücken.

Wie auch immer er die Dinge drehte und wendete, er musste damit fertig werden. Scalise wusste, dass ihm schwere Zeiten bevorstanden.