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12. Kapitel

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Steve McCoy beugte sich über den glattgescheuerten Tisch und sah Buddy scharf in die Augen. „Ich will dir einen Vorschlag machen.“

Budd Richards nahm einen kräftigen Schluck Whisky zu sich und wischte sich bedächtig über den Mund. „Ich habe mir schon gedacht, dass du nicht einfach nur einen mit mir trinken willst.“

Es war nicht schwer gewesen, den Gangster aufzutreiben. Obwohl er wusste, dass Scalise ihm nach dem Leben trachtete, saß er wie immer in seiner Stammkneipe. Es war zwar erst Mittag, doch er hatte schon ein paar Gläser intus.

„Was hältst du davon, wenn ich dir so viel Geld gebe, dass du aus dieser Stadt verschwinden kannst?“

Buddy kniff die Augen zusammen und starrte Steve an. „Warum sollte ich verschwinden wollen? Mir gefällt es ganz gut in Chicago. Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Ich habe die Stadt erst zweimal in meinem Leben verlassen, und ich sage dir, es hat mir nicht gefallen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich es woanders aushalten könnte.“

„Du weißt ganz genau, dass Scalise dich umlegen will. Er hat Marengo damit beauftragt. Das erste Mal ging es schief, weil ich dazwischenkam. Beim nächsten Mal kann es klappen.

Scalise hat zwar im Augenblick selbst Schwierigkeiten, aber wenn die vorüber sein sollten, wird er sich wieder an dich erinnern.“

Buddy schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Angst vor Scalise. Ich kann mich schützen. Dieser Misthund Marengo soll es nur wagen, in meine Nähe zu kommen. Wir werden ja sehen, was passiert!“

Steve lehnte sich zurück. „Buddy, du lernst es nie. Kein Mensch kann etwas gegen eine Kugel aus dem Hinterhalt tun. Irgendwann wird er dir auflauern, und du wirst den Schuss nicht einmal mehr hören.“

Buddy starrte in sein fast leeres Glas. Er fühlte sich im Moment stark, weil er getrunken hatte. Steve konnte jedoch nicht warten, bis er wieder nüchtern war.

„Buddy, selbst wenn du nicht aus der Stadt verschwinden willst – gegen ein paar tausend Dollar hast du doch sicher nichts einzuwenden?“

Budd Richards hob den Kopf. In seinen Augen lag plötzlich ein interessierter Glanz. Der Begriff „Dollar“ löste immer noch Reaktionen aus. Er schob sogar das Glas von sich weg.

„Ein paar tausend Dollar, hast du gesagt? Was müsste ich dafür tun? Heutzutage zahlt keiner mehr so viel Geld für eine Kleinigkeit. Wen soll ich für dich umlegen?“

Steve schüttelte den Kopf. „Niemand. Doch ich muss die Papiere haben, die Scalise mir abgenommen hat, als wir den Mann aus Alcatraz erledigten. Du warst doch dabei! Du weißt doch genau, dass ich den Kerl gestellt habe. Die Papiere gehören mir.“

Buddy dachte nach. Steve musste versuchen, ihn jetzt mit psychologischen Tricks auf seine Seite zu ziehen. Er brauchte die Unterstützung des Gangsters, und er wusste nicht, an wen er sich sonst wenden sollte. Er hatte einen bestimmten Plan, der zwar eine Menge Risiken barg, aber auch eine gewisse Erfolgschance bot. Dafür war er bereit, Buddy eine Menge Geld zu zahlen. Der Gangster war nur ein kleines Licht. Steve war an den Großen interessiert. Solche Kooperationen musste er bei seinem Job in Kauf nehmen.

„Da ich zurzeit keinen Job habe“, erwiderte Buddy, „könnte ich mir deinen Vorschlag anhören. Ein bisschen Geld könnte ich schon gebrauchen – einen neuen Drink übrigens auch.“

Steve winkte dem Barkeeper zu, der gelangweilt hinter seiner Theke lehnte.

„Ich weiß, wo sich Scalise mit seinen Leuten aufhält.“ Steve beugte sich vor. „Ich muss in das Haus hinein, und mir die Papiere holen. Er muss sie dort irgendwo versteckt haben. Ich brauche jemanden, der seine Leute ablenkt. Zumindest für eine Stunde.“

Buddy machte ein leicht ablehnendes Gesicht. Man sah, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Ein paar tausend Dollar für diese kurze Zeitspanne. Andererseits das Risiko, mit Marengo zusammenzustoßen, der nicht zögern würde, ihn umzulegen.

Buddy hatte sich entschlossen. „Was hältst du von fünftausend Dollar? So viel müsste es schon sein.“

Steve nickte. „Das lässt sich machen. Ich werde dir erklären, was ich vorhabe und was du tun musst. Ich will die Geschichte noch heute Nacht erledigen.“

„Wie wäre es mit einer kleinen Anzahlung?“

„Okay.“ Steve zog einige Scheine heraus, auf die Buddy begehrliche Blicke warf, aber er sagte nichts.

Steve zählte fünfhundert Dollar ab und schob die Scheine über den Tisch. Buddy ließ sie durch die Finger gleiten und versenkte sie in seiner Tasche. „Einverstanden. Den Rest will ich sofort nach dem Job haben.“

„Sicher. Das gehört sich unter Freunden auch so. Du kennst mich doch. Wir haben ja schon zusammen gearbeitet.“

„Klar.  Bei Geld hört die Freundschaft auf. Das habe ich mal irgendwo gelesen, und ich muss sagen, der Mann hat Recht, der das geschrieben hat. Was willst du eigentlich mit diesen Papieren anfangen, hinter denen alle her sind?“

Steve zuckte die Achseln. „Ich weiß ja nicht einmal, was genau drinsteht. Da ich den Mann aus Alcatraz als Erster erwischt habe, gehören die Papiere eigentlich mir, und ich will sie haben. Wenn Scalise sie gebrauchen kann, kann ich sie auch gebrauchen. Das ist eine ganz einfache Logik. Warum sollte ich auf die Papiere verzichten, wenn ich sie bekommen kann? Von einem Typ wie Scalise lass ich mir nicht das Fell über die Ohren ziehen.“

Buddy nickte verständnisvoll. Diese Argumente verstand er. So hätte er auch gedacht. Er begriff nur die Gesetze des Großstadtdschungels. Den ewigen Kampf um die Plätze an der Spitze.

Und Steve erklärte ihm, was er von ihm wollte.