image
image
image

14. Kapitel

image

Steve McCoy hatte seinen Beobachtungsplatz in der Nähe von Scalises Schlupfwinkel wieder bezogen. Gerade hatte er ein Sandwich verzehrt, das er sich unterwegs gekauft hatte. Es war allerdings ziemlich trocken, und er hatte es ohne ein Getränk mühsam hinunterwürgen müssen. Seine Laune war daher nicht die Beste.

In dem Haus hatte sich bisher nichts gerührt. Nur die Anwesenheit einer Wache am Tor bewies, dass die Vögel noch nicht ausgeflogen waren. Tagsüber konnte Steve nichts anderes tun als beobachten. Das gehörte zu den weniger angenehmen Seiten seines Berufes.

Ein Wagen bog in die ruhige Straße ein, wurde langsamer und hielt direkt vor dem Tor. Der Posten stand auf und blieb unmittelbar hinter dem Gitter stehen.

Steve hob das Fernglas an die Augen. Aus dem Fahrzeug stieg ein kleiner und unscheinbarer Mann in den Vierzigern. Er marschierte auf das Tor zu und wechselte einige Worte mit dem Wächter, der ihn nach einigem Hin und Her schließlich einließ.

In diesem Augenblick bemerkte Steve einen dunkelblauen Pontiac, in dem vier Männer saßen, die nur Augen für das Grundstück zu haben schienen, auf dem der Mann soeben verschwand. Steve sah, wie die vier mit heftigen Gesten miteinander diskutierten. Es war offensichtlich, dass sie den Mann verfolgt hatten.

Sie wollten nicht auffallen, denn der Fahrer legte den Rückwärtsgang ein und ließ den Wagen ein Stück zurückrollen.

Steve duckte sich tiefer hinter das Steuer, um nicht bemerkt zu werden. Der Pontiac befand sich jetzt ziemlich in der Nähe. Einer der Männer stieg aus, und lief auf eine Telefonzelle zu, die sich an der nächsten Ecke befand.

Das Gespräch dauerte nicht lange. Der Mann kam zurück und setzte sich wieder in das Auto. Es war nicht zu bestreiten, dass Scalises Schlupfwinkel einen hohen Grad an Aufmerksamkeit genoss. Das konnte Steves Plan natürlich erheblich behindern, wenn jetzt noch weitere Parteien mitmischten. Die Polizei war es nicht. Steve traute sich zu, die Beamten erkennen zu können.

Die Vermutung lag nahe, dass es sich um Aurelios Leute handelte, die vermutlich den Mann verfolgt hatten, der sie auf Scalises Spur führte. Wenn es so war, konnte man sich die nächste Schießerei bereits ausrechnen. Aurelio hatte den Mord an seinen beiden Männern sicher nicht vergessen.

In diesem Augenblick fiel Steve das Telefongespräch ein, das Marengo mit einem Unbekannten geführt hatte. Darin hatte er praktisch die Commissione aufgefordert, sich um Scalise zu kümmern. Konnte es sein, dass die großen Bosse so schnell reagierten? Waren der einzelne Mann oder die vier in dem Pontiac auf diese Weise an Scalise herangekommen? Verschiedene Möglichkeiten boten sich an. Doch sie alle brachten Steve keinen Schritt näher an sein Ziel: nämlich an die Kassette mit den Papieren.

Eine Schießerei konnte er im Augenblick ohnehin nicht verhindern. Wenn Aurelio beschloss, Scalise mit seinen Leuten anzugreifen, konnte er ihn nicht daran hindern.

Steve dachte an Buddy. Es war nicht auszuschließen, dass der Gangster heute Abend mitten hineinplatzte und die Schießerei erst auslöste. Die Situation war im Augenblick schwer zu kontrollieren. Steve musste ein bisschen auf sein Glück vertrauen und dass er im entscheidenden Moment das Richtige tat. Er spürte, dass alles einem Höhepunkt zustrebte. Dass die Entscheidung bevorstand. Entweder besaß er bald die Papiere – oder er war tot.

Steve verjagte die unangenehmen Gedanken. Seit er einer der Top-Agenten des Departments war, musste er täglich damit rechnen, dass ihn ein Schuss aus dem Hinterhalt traf, dass sich ein moderner Kopfgeldjäger eine Prämie verdienen wollte. Trotzdem dachte er nicht im Traum daran, seinen Job aufzugeben. Er musste seinen Weg zu Ende gehen, für den er sich entschieden hatte. Er tat es für Jill.

Sein einziger Feind war die Mafia, der Inbegriff des organisierten Verbrechens, dieses Krebsgeschwür, das über viele Menschen Tod und Verderben brachte.

Und da gab es Leute, die behaupteten, es gäbe gar keine Mafia! Steve lächelte schwach und blickte zu dem Pontiac hinüber: Dort saßen sie, bereit, ihre Waffen zu ziehen, wenn es der Boss von ihnen verlangte.