„Tut mir ja auch leid, Gernot, aber der Raschke, alias Fuchs, hat drei Jahre lang in einer anderen Abteilung gearbeitet. Da war er zwar nicht auf Deutsche angesetzt, aber ich muss die Akten aus dieser Zeit trotzdem durch ackern. Man kann ja nie wissen ...“
„Und was schätzt du, wann kannst du uns wieder neue Namen liefern? Bis jetzt war nämlich Fehlanzeige!“ klingt Gansers Stimme verdrossen aus dem Hörer.
„Anfang nächster Woche, denke ich. Habt ihr denn sonst nichts zu tun bei euch?“
„Absolut tote Hose. Wir greifen uns schon Uralt-Fälle raus. Beschäftigungstherapie. Schließlich haben die Schulferien begonnen!“
Natürlich. Benedict weiß, dass um diese Jahreszeit auch bei der Düsseldorfer Kripo das Sommerloch greift. Glücklicherweise sind dann die meisten Kollegen sowieso in Urlaub. Aber Ganser ist nicht mehr verheiratet und muss mit den anderen ledigen Kollegen am Jürgensplatz schwitzend Däumchen drehen. „Gibt’s denn sonst was Neues?“
„Nö, dass deine Panther haushoch gewonnen haben, wirst du ja schon wissen. Motzkus hat alleine 24 Punkte gemacht. Nächstes Wochenende geht’s wohl gegen die Red Barons in Köln. Ach ja, der Anatol hat seine Abschiedsvorstellung gegeben!“
„Der Puppenspieler?“
„Genau!“
Anatol Herzfeld war als Verkehrserziehungsbeamter jahrelang mit seiner Puppenbühne durch die Lande getingelt und zu einer regionalen Berühmtheit geworden. Bei der Polizeiführung war man überzeugt, dass seine Tätigkeit die Unfallrate von Kindern im Verkehr erheblich gesenkt hätte. Ende des Jahres würde er in den Ruhestand gehen.
„Wird doch ’n Posten frei. Willst du dich nicht bewerben?“
„Leck mich ...“, reagiert Ganser sauer und legt den Hörer auf.
Lautlos kichert der Hauptkommissar in sich hinein. Er ist erleichtert, dass sein Kollege am westlichen Ende der Leitung nicht entschiedener nachgebohrt hatte. Immerhin hat sich Benedict in dieser Woche doch ziemlich weit vom „Pfad der Ermittlungstugend“ entfernt. Für seinen Enthusiasmus, die Person eines gewissen Dean Sanger betreffend, hätte Kommissar Ganser in Düsseldorf sicher kein großes Verständnis gezeigt.
Dean Sanger.
In den vergangenen drei Tagen hatte Benedict die Berichte des ermordeten Hauptmanns bis Ende
1977durchforstet. Fakt war ja wohl, dass Raschke auch an anderen Sachen gearbeitet hatte, und sicher wäre er schneller vorangekommen, wenn die Archivarin ihm nur die Sanger-Berichte rausgesucht hätte. Dann wäre allerdings unausweichlich die Frage des ,Warum' gekommen, eine Frage, der er unbedingt ausweichen wollte. So sah er scheinbar sorgfältig alle Raschke-Berichte durch und wartete im Grunde genommen doch nur darauf, auf weitere Dossiers über Sanger zu stoßen.
Er glaubt, schon eine ganze Menge über diesen Mann aus Colorado zu wissen. Jedenfalls nach gegenwärtiger Aktenlage. Ein Wanderer zwischen den Welten mit DDR-Personalausweis und US-Reisepass. Ein wichtiger Mann offenbar. Jedenfalls so wichtig, dass die Hauptabteilung II einen generalstabsmäßig ausgetüftelten Plan entwickelt hatte, um ihn für ihre Ziele einzuspannen. Der Vorschlag des Hauptmann Raschke zur Durchführung einer Kontaktaufnahme war dann im Juli 1977 von der HA II offiziell abgesegnet worden. Ziel der Kontaktaufnahme: Persönliches Kennenlernen des Sanger, Prüfen der Bereitschaft, das MfS zu unterstützen, Haltung des S. zum MfS, Reaktion des S. auf das Kontaktgespräch, Einschätzung des S., ob er für eine inoffizielle Zusammenarbeit geeignet ist und Prüfung, inwieweit er über seine Verbindung zur Botschaft der USA in der DDR spricht Und kein Anderer war mit der Umsetzung des Planes betraut worden als der in Düsseldorf unfreiwillig Dahingeschiedene selbst.
Die Kontaktaufnahme mit dem US-Bürger Dean Sanger hatte dann nach Raschkes Bericht am
17.8.1977um 17.00 Uhr in Sangers Wohnung, einem repräsentativen Haus, was sehr gut eingerichtet ist, stattgefunden. Nach Hauptmann Raschkes schriftlicher Einschätzung war sie durchaus erfolgreich verlaufen, denn Dean Sanger freute sich über das Erscheinen, da er uns in erster Linie als Kommunisten ansah, was er auch zum Ausdruck brachte. Er teilte im Gespräch gleich mit, dass er kurz vor unserem Erscheinen bei ihm einen Telefonanruf von der Botschaft der USA in der DDR bekam. Der Konsul teilte ihm mit, dass am 31.8.1977eine Party sei und er Dean Sanger einladen möchte. Über dieses Telefonat waren wir schon vorab von der HA I, Abt. 26, in Kenntnis gesetzt worden. S. unterbreitete von selbst den Vorschlag, einen Treff zur Auswertung seiner Teilnahme an dieser Party am 1.9. durchzuführen. Er trat sehr konsequent in Erscheinung und ist auch bestrebt, das MfS zu unterstützen. Auch wenn er als Kommunist so konsequent in Erscheinung tritt, kann er bei entsprechender Instruktion doch gute Kontakte zur Botschaft der USA in der DDR pflegen. Dies muss durch das MfS gezielt gelenkt werden.
Scheint Benedict ziemlich logisch, dass der DDR-Geheimdienst daran interessiert war, über die Person des Sanger mehr Informationen aus der US-Botschaft zu beziehen. Umgekehrt würden wahrscheinlich die MfS-Kollegen vom CIA das Gleiche mit Sanger probieren wollen, was ja auch dann aus Sangers Bericht am 1.9.1977, einen Tag nach dieser Party in der US-Botschaft, abzulesen war.
Dieser Bericht des Dean Sanger strotzte von Sätzen wie: Als ich mit meiner Frau Katarina die Wohnung des US-Konsuls betrat, ging ein Raunen durch die anwesenden Personen, oder: Die US-Diplomaten waren sehr gespannt und brachten ihre Bewunderung zum Ausdruck.
Wenigstens schien dieser Sanger nicht direkt an Minderwertigkeitskomplexen gelitten zu haben. Oder er war hier wirklich so eine große Nummer gewesen. Das MfS jedenfalls hielt ihn für interessant genug, ihm spezielle Telefonnummern zur Kontaktherstellung zu geben, und er durfte sich auch selber seinen Decknamen geben. Er wählte den Namen Victor.
Ziemlich bald nach diesem ersten Auftrag sollte das Ganze wohl ernstere Formen annehmen, und da trat der gute Raschke dann ins Fettnäpfchen. Allerdings trugen höhere Chargen die Verantwortung dafür. Bei dem als Aussprache titulierten Treffen mit Sanger am 28.10.1977 führte nämlich ein Gen. OSL. Heckerodt Regie, und das wäre fast ins Auge gegangen. Hintergrund dieses Treffs war ein geplanter Flug des Sanger nach Beirut, wo er mit der PLO-Spitze über ein von ihm geplantes Filmprojekt sprechen wollte. In diesem Gespräch forderte ihn Heckerodt ziemlich unverblümt zur Bespitzelung von Arafat auf, was Sanger wohl als ziemlich ehrenrührig empfand. Jedenfalls reagierte er ablehnend: Was die PLO betrifft, so sagte er, dass er gern mit einem leitenden Genossen des MfS sprechen würde, damit er weiß, dass alles seine Richtigkeit hat. Er wollte gern mit Gen. Mischa Wolf sprechen.
Dean Sanger, der „bigshot“, wollte also nicht mehr mit den kleinen Fischen Geschäfte machen. Da mussten die Genossen von der HA II ganz schön geschwitzt haben. Jedenfalls gelang es ihnen, Sanger auf einen höheren Vorgesetzten zu vertrösten, und sie vereinbarten einen konspirativen Treff auf dem Parkplatz Kino Kosmos am 1. November.
Benedict hat Glück, denn er bekommt die Ergebnisse dieses Treffs noch im Laufe des Mittwochs auf seinen Arbeitstisch in der Zentral-Kartei. Seine Befürchtungen, dass es bei einem längeren Gespräch auf einem herbstlich kalten Kino-Parkplatz zu gesundheitlichen Schäden der Beteiligten hätte kommen können, erwiesen sich als unbegründet: das Treffen fand dann doch in einem konspirativen Objekt der HA II/3 statt, und der avisierte, höhere Vorgesetzte war der Gen. Oberstltn. Fiedler, der dem guten Dean Sanger auseinandersetzte, dass das MfS ausschließlich zu dem Zweck Informationen benötigt, um Angriffe der imperialistischen Staaten und ihrer Geheimdienste gegen die DDR, die anderen sozialistischen Staaten und gegen die nationalen Befreiungsbewegungen zu erkennen und zu verhindern, und er dafür um seine Unterstützung gebeten wurde ... im Ergebnis der Diskussion erklärte er, dass seine Bedenken damit zerstreut sind und schlug selbst vor, ein weiteres Treffen konkret zu vereinbaren.
Na bitte, hatten sie die Kuh doch vom Eis gekriegt. Jedenfalls für diesmal. So ganz einfach war das mit dem US-Boy aus Denver also doch nicht gewesen, und richtig schienen sie dem Frieden auch nicht zu trauen. Der vom Herrn Oberstleutnant Fiedler letztendlich abgezeichnete Gesprächsbericht macht auf Hauptkommissar Benedict einen eigenartigen Eindruck. Das Gespräch verlief in einer sehr aufgeschlossenen herzlichen Atmosphäre. „Victor“ äußerte in keiner Form Zweifel oder Bedenken gegenüber den Mitarbeitern des MfS, sondern hinterließ auf Grund seiner eigenen Initiative den Eindruck, dass er in dem beim letzten Gespräch abgesteckten Rahmen gewillt ist, das MfS zu unterstützen. Benedict, gewarnt durch Meißners Worte von den möglicherweise „getürkten“ Aktenvorgängen, klopft diese Sätze misstrauisch immer wieder ab. Wie er es auch dreht, es klingt merkwürdig. Als hätte da jemand nachträglich Absicherungen vorgenommen. Absicherungen für Umstände, deren Eintreffen er befürchtete. Oder von deren Eintreffen er schon wusste.
Es nützt nichts. Er braucht einfach mehr Informationen über die Person dieses Sanger. Alles, was er bis jetzt weiß, hat er aus den Akten des MfS und dem beigefügten Fragebogen zum Antrag auf ständigen Aufenthalt in der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Juli 1973 erfahren. Und das ist dürftig genug.
Kurz vor seinem fünfunddreißigsten Geburtstag war der US-Bürger Dean Sanger, aus Rom kommend, in die DDR übergesiedelt, wo er eine Dolmetscherin geheiratet hatte, was Benedict als sehr praktisch empfand. Hatte dabei wohl auch das hilfreiche Wohlwollen des Ministeriums für Kultur genossen, dass seinen Antrag auf einen DDR-Personalausweis entschieden befürwortete. Warum die offiziellen Stellen der DDR so interessiert an dem Amerikaner waren, ist Benedict noch nicht klar. Auch nicht, wieso Dean Sanger zum Beispiel über Kontakte zur obersten Ebene der PLO verfügte, ja sogar Yasir Arafat persönlich zu kennen schien. Nein, es nützt nichts, er würde heute mal früher Schluss machen.
Der Weg zur U-Bahn ist schweißtreibend. Drückend liegt die feuchte Wärme über den Straßen der DDR-Hauptstadt.
Als der graue Wartburg der MUK neben ihm hält, ist er zuerst erleichtert, aber es ist nicht Meißner, sondern Oberleutnant Engel, der ihm die Wagentür aufhält.
„Nanu, haben Sie auf mich gewartet?“
„Nee, nee. Hatte zufällig hier in der Nähe zu tun. Kann ich Sie irgendwohin mitnehmen?“
„Ja, in die Beimler-Straße. Ist der Meißner da?“
„Hm. Wohl der Einzige. Schätze, die meisten waren heute auch an der Ackerstraße!“
„Wieso? Was war da los?“
„Presse mäßiger Mauerabbau mit Freibier und allgemeiner Verbrüderung. War ganz lustig.“
Benedict ist sich nicht sicher, wie er Engels Äußerung einschätzen soll. Ist er nun dafür oder dagegen. Merkwürdiges Zusammentreffen. Wirklich nur zufällig? Oder hatte ihn der Meißner in die Normannenstraße geschickt?
„Sagen Sie mal, Herr Engel, haben Sie schon mal was von einem Dean Sanger gehört?“
Belustigt schlägt der Oberleutnant mit einer Hand auf das Lenkrad, so als hätte der Mann aus dem Westen einen besonders guten Witz gemacht. „Haben Sie schon mal was von Dean Sanger gehört!!! Dean Sanger! Verdienter Oktoberklub-Sänger des Volkes! Amerikanischer Friedensfreund und lieb Kind der sozialistischen Tattergreise. Mensch, Herr Benedict! Sie werden kaum eine FDJlerin von Aue bis Zinnowitz finden, die früher nich’n nasses Höschen bei seinem Anblick bekommen hat!“
„Früher?“
„Na ja, is’ vorbei. Dean Sanger ist ja vor ’n paar Jahren gestorben. Wie kommen Sie denn gerade auf den?“
Benedict hat Glück. Sie haben die Einfahrt des VP-Präsidiums in der Beimler-Straße erreicht, und Engel ist anderweitig in Anspruch genommen. Mit einem „TONI 177, beende Funkbeziehung!“, meldet er sich bei der Zentrale zurück.
Hauptkommissar Meißner reißt erstaunt die Augen auf, als Benedict so unverhofft in der MUK auftaucht. Als Benedict ihm sagt, dass Engel ihn ganz zufällig an der Normannenstraße auf gegabelt hat, scheint er sich noch mehr zu wundern. Darüber wiederum ist Benedict erstaunt, da er aber im Moment ganz andere Dinge im Kopf hat, verfolgt er es nicht weiter.
„Können Sie mir nähere Auskünfte über einen gewissen Dean Sanger geben?“
Verblüfft starrt Meißner den Düsseldorfer an. „Dean... Sanger?“
„Ja. Diesen Amerikaner, der in die DDR eingeheiratet hat. Muss ’ne ziemliche Nummer bei euch gewesen sein!“
„Nu, der ist doch tot. Was woll’n Se denn mit dem auf einmal?“
Dass diese Frage kommen musste, war Benedict klar. Die Antwort, die er sich schon zurechtgelegt hatte, kommt daher leichthin und mit einem belanglosen Unterton.
„Der Raschke-Fuchs war auf den angesetzt gewesen. Hat wahrscheinlich nichts mit seinem Tod zu tun, aber aus Gründen der Ermittlungsvollständigkeit ... können Sie mir dazu mehr sagen? Auch die Umstände von Dean Sangers Tod sollen ja ein bisschen zwielichtig gewesen sein. Der ist ja wohl... angeblich ertrunken. In einem See, hier in der Nähe?“
„Dean Sanger...“
Die Art, wie Meißner den Namen im Munde herumdreht, lässt Benedict aufmerksam zuhören. Engels merkwürdiger Ausbruch vorhin im Wagen hatte seine Sinne bereits geschärft, so dass ihm nun die feinen Nuancen in Meißners Antwort nicht entgehen. So spricht man keinesfalls den Namen eines bewunderten Freundes oder geachteten Künstlers aus. Eher schon den eines beneideten Rivalen und ... eine gewisse Vorsicht, ja blockierende Zurückhaltung notiert Benedict. War es falsch gewesen, sich an Meißner zu wenden?
*
„BIS FREITAG!“
„Bis Freitag?“
„Ja. Bis dahin kann ich Ihnen vielleicht etwas besorgen. Über diesen ... Sanger!“
Nein, „Victor“ war keine leichte Nuss für die Leute vom MfS gewesen. Armer Hauptmann Raschke. Er hatte da mit Sanger einen kompletten Flop fabriziert. Langfristig schien ihm das aber nicht geschadet zu haben, denn er war ja später als OibE eingesetzt worden. Oder war das ein Abschiebeposten gewesen?
Desillusioniert hatten Raschkes Obere im März 1978festgestellt: Für eine inoffizielle Zusammenarbeit mit Sanger bestehen keine Möglichkeiten. Im November des gleichen Jahres kam dann die kalte Dusche für die Leute von der Firma. Ein richtiger Hammer von ganz hoch oben, der in einem bürokratisch formulierten Abschlussvermerk seinen Niederschlag fand: Durch die Leitung der HA II wurde bekannt, dass Sanger im ZK (Büro Honecker) Beschwerde führte, dass er aufgefordert wurde, gegen die PLO zu arbeiten, was nicht den Tatsachen entsprach. Generalmajor Kratsch, Leiter der HA II wies an, die Zusammenarbeit mit S. abzubrechen. Auch bei Anrufen des S. keine weiteren Treffs zu organisieren. Aus diesem Grunde wurde zu ihm befehlsgemäß der Kontakt abgebrochen. Aus diesem Grunde erfolgt eine Archivierung der Unterlagen. Raschke, Major.
Benedict legt die Abverfügung zur Archivierung des Vorgangs zurück auf den Schreibtisch und pfeift leise durch die Zähne. Trotz der Pleite mit Sanger ist Freund Raschke also befördert worden. Na gut. Ging wahrscheinlich automatisch. Aber dieser Ami... ein Wort von ihm beim ZK, und das MfS spurte. Irgendwie stimmte das nicht mit seiner bisherigen Sicht der Dinge überein. Aus der Flut der Medienberichte über diese Organisation hatte er den Eindruck gewonnen, dass das MfS als Staat im Staate machen konnte, was es wollte. Die Tatsache aber, dass ein Wink aus dem ZK genügte, um die Leute kuschen zu lassen ... das deutete doch daraufhin, dass die Firma nur ausführendes Organ war. Wie hatte Meißner gesagt? Schild und Schwert der Partei.
Freitag Vormittag stößt der Hauptkommissar dann aber völlig überraschend auf einen weiteren Sanger-Vorgang in den Akten des nun wehrigen Majors Raschke. Der hatte sich für die ihm beigebrachte Niederlage bei Sanger gerächt. Benedict bezweifelt, dass Dean Sanger je erfahren hat, wer ihm sein PLO-Filmprojekt in der DDR vermasselt hat. Der gesammelte Schriftverkehr zwischen der DDR-Filmgesellschaft DEFA, der Abteilung Internationale Verbindungen des ZK und dem Mitglied des Politbüros Prof. Kurt Hager über Dean Sangers geplanten Film „Tel Zataar“ zeigt deutlich die Einflussnahme des MfS. Jedenfalls wird Dean Sangers Filmscript trotz Fürsprache Yasir Arafats abgelehnt. So ist das eben, wenn man kleinen Leuten auf die Füße tritt. Jedenfalls kann Benedict sich am Freitag wieder auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren. Raschke ist wieder in der Hauptabteilung XX „politisch-ideologische Diversion“ gelandet.
Was er über Sanger aus den Akten erfahren hat, ist immer noch wenig genug. Im Grunde genommen weiß er über ihn nicht mehr als am vergangenen Montag, wo er einen Bekannten in der Musikredaktion des WDR angerufen hatte. Der hatte auf seine Frage nach einem amerikanischen Sänger namens Dean Sanger aus Denver lakonisch geantwortet: „Da fällt mir nur Johnny Denver ein, aber wer um Himmels willen soll Dean Sanger sein?“
Ja. Wer um Himmels willen ist Dean Sanger.