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Raimund Schmidt war Anfang sechzig, sehr hager und sehr grauhaarig. Er lehnte sich in seinem Drehsessel zurück und musterte mich eingehend, nachdem ich ihm gegenüber Platz genommen und ihm meine Story erzählt hatte.

"Es kann sich da nur um ein Missverständnis handeln", meinte Schmidt dann. "Aber das werden wir gleich leicht aufklären können."

Ich hob die Augenbrauen.

"Ich bin gespannt."

"Herr Oswald ist im Moment leider nicht im Hause, aber müsste eigentlich jeden Moment wiederkommen. Wenn Sie sich einen Moment gedulden wollen ..."

"Wenn der Moment keine Ewigkeit dauert!"

"Wollen Sie einen Kaffee?"

"Nein, danke."

Er zuckte die Achseln. "Hätte ja sein können."

Wir warteten fünf Minuten, dann meldete sich die Kossow über das Sprechgerät. "Herr Oswald ist jetzt da", säuselte sie.

"Soll reinkommen", murmelte Schmidt.

Zwei Sekunden später ging die Tür auf, und ein kleiner, gedrungener Mann kam herein, der so gar keine Ähnlichkeit mit dem muskulösen Blondschopf besaß, der mir die Visitenkarte gegeben hatte.

Er reichte mir die Hand.

"Sie sind Oswald?", fragte ich erstaunt.

Er nickte. "Sicher bin ich Oswald."

"Ich kann's nicht glauben!"

"Ich zeige Ihnen gerne meinen Ausweis!"

"Und sonst gibt es niemanden hier, der so heißt?"

Oswald sah mich an, als habe er einen vor sich, der wirres Zeug redete. Vielleicht tat ich das ja auch, ohne es zu ahnen.

"Ich verstehe nicht", meinte er. "Worum geht es hier eigentlich?"

Ich wandte mich an Schmidt. "Dies ist nicht der Mann, der mir begegnet ist."

"Wie sah der denn aus?"

"Groß, blond − wie Arnold Schwarzenegger nach einem ausgiebigen Bleichmittel-Bad."

Schmidt runzelte die Stirn und warf Oswald einen kurzen Blick zu. "Dann hat sich jemand für dich ausgegeben."

"Das könnte jeder sein", meinte Oswald. "Unsere Visitenkarten halten wir schließlich nicht als geheime Verschlusssache."

"Moment", murmelte Schmidt. Er schien nachzudenken. "Wir hatten vor drei Jahren mal einen bei uns, auf den Ihre Beschreibung passen könnte ..." Er wandte kurz den Kopf und sagte an Oswalds Adresse: "Du erinnerst dich sicher. Der Kerl war Bodybuilder. Ich musste ihn feuern. Er hat versucht, Klienten zu erpressen. Das ist kein Problem, wenn man unsere Datei zur Verfügung hat." Schmidt zuckte die Achseln. "Zum Glück entstand kein größerer Schaden für unser Geschäft."

Wie schön für dich!, dachte ich nicht ohne Sarkasmus. Nach dem Schaden für seine Klienten schien er weniger zu fragen. Die bissige Bemerkung, die ich auf den Lippen hatte, verkniff ich mir. Stattdessen fragte ich: "Wie hieß der Kerl?"

"Grossmann. Mike Grossmann."

Da klingelte es natürlich bei mir. Ich fragte: "Sein Vorname ist wirklich Mike? Oder wurde er nur so genannt."

"Nein, er hieß wohl wirklich so."

"Letzte Adresse?"

Schmidt seufzte. "Sie scheinen hartnäckig zu sein. Warum nehmen Sie die Sache so wichtig?"

"Persönliche Gründe", sagte ich knapp, denn ich hatte keine Lust, ihm die ganze Geschichte zu erzählen.

Schmidt schien einen Moment nachzudenken. Dann sagte er: "Frau Kossow wird Ihnen die Adresse geben."

"Ich danke Ihnen."

"Nichts zu danken", erwiderte Schmidt. "Ich habe Ihnen einen Gefallen getan, und Sie tun mir jetzt vielleicht auch einen."

Ich hob die Augenbrauen. "Welchen?"

"Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie Mike Grossmann aufgestöbert haben. Wenn einer vorgibt, im Auftrag unserer Firma zu handeln, dann interessiert uns das brennend ... Das verstehen Sie doch?"

Ich nickte. "In Ordnung", sagte ich.