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Sutters Weg führte ihn als erstes geradewegs zu Morettis Büro, nachdem er auf dem Posten eingetroffen war. Dieser hatte seinen Bericht soeben beendet, als er bei ihm an die Türe klopfte und auf sein „Herein“, eintrat. Neugierig blickte ihm Moretti entgegen. „Gibt’s was Neues, das wir noch nicht wissen?“, erkundigte er sich mit hoffnungsvoller Erschöpfung, während er sich über der Braue die Stirn kratzte.
Karl Sutter fuhr mit den Fingern durch sein dunkles Haar, um die vorwitzigen Strähnen aus der Stirn zurückzukämmen, und zuckte vage die Achseln. „Nicht wirklich, Chef. Onkel Theo sagte aus, dass sich Hesse mit vielen anderen Frauen traf und sich mit ihnen verlustierte. Der junge Frank August soll sich danach mit seinem Vater nicht mehr so gut verstanden haben, als es herauskam.“
Moretti erinnerte sich: „Ja, er hat da etwas von Auseinandersetzungen angetönt.“
„Schon. Aber er war nicht der einzige, dem das sauer aufgestoßen ist.“
„Also ein paar Verdächtige?“, horchte er erfreut auf, doch Sutter machte seine Hoffnungen durch sein Kopfschütteln sogleich zunichte.
„Nicht wirklich. Jede Aussage wurde dadurch relativiert, dass keiner dem anderen einen Mord zutrauen würde.“
„Aber Motive gäbe es genug. Hmm...“
„Ja, möglicherweise. Aber ich bezweifle auch, dass der Mörder in direktem Umfeld zu suchen sein könnte.“
Moretti stieß einen ungehaltenen Seufzer aus. Es gefiel ihm nicht, dass die einzigen Hinweise, die sie hatten, ins Leere führen sollten. Er brauchte Resultate, und er brauchte sie schnell! „Behalten wir diese Möglichkeit jedenfalls im Hinterkopf. Wie sieht’s mit allfällig außerehelichen Kindern aus?“
„Da gibt es ein paar, mindestens ein Dutzend“, erklärte Sutter nickend. „Der Alte scheint bedenkenlos seinen Samen überall verspritzt zu haben. Ich habe ihre Adressen bekommen. Diese Kinder werden durch die alljährliche Familienkiste finanziell unterstützt, obwohl sie offiziell in der Familie nicht als vollwertige Mitglieder anerkannt sind.“
„Darin wäre vielleicht ein Motiv zu suchen.“
Bezweifelnd zuckte er die Achseln. „Vielleicht. Es war allerdings von keinem bekannten Disput zwischen jemandem die Rede.“
„Dann wird also gezahlt, um dem Klatsch aus dem Weg zu gehen!“, knurrte Moretti verächtlich. Das sah den reichen Schnöseln ähnlich! Es war alles erlaubt, sie nahmen sich alles heraus, solange nur nichts an die Presse drang!
Sutter nickte zur Bestätigung, schränkte mit seiner Aussage jedoch gleich wieder ein: „Sofern ein Vaterschaftstest die Familienangehörigkeit bestätigt hat, ja.“
„Und wer hat die Tests bezahlt?“ Vielleicht lag ja da das Motiv, wenn jemand es sich gar nicht leisten konnte!
Doch auch diese Überlegung machte ihm Sutter zunichte: „Hesse selbst.“
„Er wollte damit jeder negativen Schlagzeile aus dem Weg gehen!“, knurrte Moretti.
„Aber nein!“
Als Sutter abwehrend den Kopf schüttelte, sank er frustriert in sich zusammen. Er stellte die Ellbogen auf dem Tisch auf, legte die Finger ineinander und stützte das Kinn auf den Händen auf, während dieser ihm die Sachlage zu erklären begann.
„Er stand zu jeder seiner ungewollten Vaterschaften, auch wenn die Kinder keine Möglichkeit haben, in den Kreis der Familie aufgenommen zu werden. Aber sie sind alle finanziell abgesichert, sie können die besten Schulen besuchen, jeden gewünschten Beruf erlernen...“
„Das klingt nach einem tollen Vater!“, mokierte er sich über seine Hände hinweg.
Sutter nickte. „Dafür, dass sie gänzlich auf ihn verzichten müssen, ja.“
„Dann haben wir hierbei also auch kein wirkliches Motiv!“
„Sieht nicht so aus“, murmelte Sutter entschuldigend.
„Dann können wir nur hoffen, dass Marti und Fiala etwas mehr Licht ins Dunkle bringen können!“ Entnervt seufzte Moretti ein weiteres Mal auf, bevor er seinen Frust lautstark ausstieß: „Verschissener geht’s wirklich nicht! Dass das ausgerechnet uns hier passieren muss!“
Diesmal warf ihm sein Beamter einen wütenden Blick zu, der seine Meinung bestätigte, bevor er ihm mit einem tiefen Seufzer gedehnt beipflichtete: „Ja, das hoffe ich auch! Der Scheißkerl muss doch zu fassen sein!“