„Was haltet ihr davon?“, wandte sich Sutter an die anderen, während sie zum Wagen traten und er den Schlüssel aus der Hosentasche kramte. Jedoch ohne ihn hineinzustecken, legte er die Hände aufs Dach und blickte abwartend von einem zum anderen. „Die zwei Morde und jetzt auch noch der Diebstahl von Hesses Familienkiste! Denkt ihr auch, es sind zwei verschiedene Ereignisse?“
„Und das ausgerechnet, nachdem wir bei ihm waren? Das kann doch wohl kein verdammter Zufall gewesen sein!“, knurrte Moretti aufs Höchste erregt.
Mit hochgezogener Augenbraue warf ihm Custer einen verwunderten Blick zu. „Wieso nicht?“
„Jedenfalls war’s jemand, der wusste, dass an diesem Tag die Familienkiste wieder aufgefüllt werden würde!“
„Also doch ein Insider!“, konstatierte Sutter nickend, während er endlich aufschloss.
Custer blickte ihn stirnrunzelnd an, seufzte gottergeben und schickte sich an, seine Kollegen wieder einmal mit einer seiner Erklärungen zu belehren: „Ich weiß ja nicht, was Sie nach unserem Besuch vorgestern gemacht haben, aber ich habe nach der Familienkiste gegoogelt und gelesen, und Hesse hat uns das ja auch erzählt, jedenfalls habe ich es so verstanden, dass das Geld dort drin bleibt und nicht zur Bank gebracht wird. Der Dieb hatte also einfach vielleicht nur Glück, dass mehr drin war als übers Jahr davor! Er braucht das Datum nicht unbedingt gewusst zu haben.“
Moretti antwortete lediglich mit einem weiteren, ausgestoßenen Seufzer, wie er es immer tat, wenn er keine Antwort wusste. „Zwei zu null für Sie“, konstatierte er müde. Vor lauter Elend fühlte er sich wie ausgepumpt: Tag drei, und noch immer kein einziger Anhaltspunkt!
„Was jetzt?“, fragte Sutter, als er sich nach Moretti umdrehte, der das Heck umrundete, während er ihm die Wagentüre aufhielt.
Auf Custers versonnener Miene spiegelte sich leichte Genugtuung. „Ich sagte Ihnen doch gleich, Sie verdächtigen den Falschen, dass es Hesse nicht war!“
Der Kommissar warf dem Grünschnabel einen giftigen Blick zu; seine Rechthaberei ging ihm wieder einmal auf die Nerven. „Wir tun nur unseren Job! Das haben Sie ja eben selbst so schön ausgedrückt!“, knurrte er.
Custer nickte und stieg unaufgefordert auf der Beifahrerseite ein.
Sutter beobachtete es mit verkniffenem Mund. Ihm wäre es lieber gewesen, ihn nicht so nah auf sich zu haben.
„Kari, zurück in die Pathologie! Mal sehen, ob unsere leblose Schöne schon angekommen ist“, lenkte Moretti seine Gedanken zurück auf den Fall, während er einstieg.
Er nickte auf ihn hinunter und wartete, bis er saß, bevor er die Wagentüre zuknallte, sich hinters Steuer klemmte und das Fahrzeug nach dem Wenden auf dem Vorplatz am Spalier der Edelkastanien entlang über die Allee vom Grundstück lenkte.
„Was hoffen Sie bei der Toten denn zu finden?“, durchbrach Custer mit seiner neugierigen Frage nach einer Weile das brütende Schweigen, während sie in zügigem Tempo Richtung Bern zurückfuhren.
Morettis müder Blick zeigte kaum Erwartungen, als er demjenigen des jungen Mannes begegnete, der sich vom Vordersitz zu ihm nach hinten gedreht hatte. Achselzuckend stieß er einen abgrundtiefen Seufzer aus. „Das wissen wir erst, wenn wir’s gefunden haben, mein Junge!“
Dieser blickte ihn irritiert mit gerunzelter Stirn an. „Sie meinen, dass es vielleicht auch nichts sein wird?“
Moretti hasste den Gedanken daran, dass es so sein könnte. Frustriert nickte er. „Wenn wir Pech haben!“, lautete die brüske Antwort, ehe er in sich zusammensank und wieder in tiefes Brüten versank.