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Er ließ dem Pathologen nur wenig Zeit, um zu neuen Resultaten zu kommen. Er versuchte sich zu beschäftigen, doch das war in Anbetracht der mangelnden Hinweise und Umstände ziemlich schwierig. Schließlich genehmigte er sich einen starken Kaffee, um ein wenig zur Ruhe zu kommen, doch nach kaum einer Stunde hielt er es dann doch nicht mehr länger aus. Als er aus dem Büro eilte, prallte er beinahe mit Custer zusammen, der ihm wie ein Bullterrier am Rockzipfel hing und schon wieder mit einer Frage zu seinen Akten bei ihm hatte anklopfen wollen. Inzwischen war Moretti seiner schon ziemlich überdrüssig, und vor allem hatte er seine ständige Besserwisserei satt, die er bei jeder sich bietenden Gelegenheit vorbrachte. „Sie schon wieder?“, knirschte er mit verkniffener Miene unwirsch.

Der Blondschopf nickte. „Yes, sorry. Ich hätte da noch mal eine Frage.“

„Wenden Sie sich an Bircher bei der Information, oder an Ihren Vorgesetzten Scherrer, ich habe jetzt keine Zeit!“

„Kann ich mitkommen?“

Abwehrend schüttelte Moretti den Kopf und ließ ihn stehen.

Custer blickte ihm missmutig hinterher, als er den Korridor hinunterging, weil er einen anderen Job erledigen sollte. Er ärgerte sich, dass Moretti ihn abgewiesen hatte, dabei hätte er nur zu gern gewusst, wohin er ging und was er vorhatte. Es wäre ja schließlich möglich gewesen, dass er dadurch etwas Wichtiges verpasste!

Wenig später tauchte Moretti auf dem Weg zur Pathologie schon wieder unten in den Kellerräumen auf. Nebeneinander lagen die Leichen auf den Seziertischen; an ihrer Lage hatte sich in der Zwischenzeit nichts verändert. „Hallo, Marti. War Scherrer schon hier, um ein Foto für die Kartei von unserer Schönen zu machen?“, erkundigte er sich über den Stand der Dinge.

Hans Marti nickte. „Vor etwa einer halben Stunde. Er hat was von einem Statement gefaselt, zu dem er das Foto veröffentlichen will.“

„Ja. Wir suchen Zeugen, die wissen, wer sie ist.“

„Hoffentlich findet sich jemand.“

„Das wollen wir hoffen. Gibt’s sonst was Neues, Doktor?“, erkundigte er sich.

Sehr zu seiner Erleichterung nickte dieser. „Das dürfte Sie interessieren, Paolo.“

„Was denn?“ Neugierig trat er näher.

„Beide Opfer lagen schon am Boden, als sie geschlagen wurden.“ Marti schob eine große Lupe über von Hesses Leichnam. Darunter war ersichtlich, dass die Stelle seitlich der linken, kleinen Rippen einen Bluterguss aufwies.

Moretti beugte sich etwas weiter vor, um durch die Lupe zu sehen, dann blickte er verstört zu Marti hoch. Er sah wohl die Verletzung, aber er konnte sich keinen Reim darauf machen.

Der Pathologe deutete mit dem Finger auf die Stelle und kreiste sie halbwegs ein. „Diese unregelmäßig verfärbten Aufwerfungen hier ...“, er blickte Moretti an, bevor er grinsend erklärte: „... ein Fußabdruck!“

Diesem klappte baff der Unterkiefer herab. Er war erstaunt, dass man aus einem gewöhnlichen Bluterguss so was herauslesen konnte. „Er wurde getreten?“

Marti nickte halb vergnügt. „Mit einem ziemlich schweren Schuh.“

Moretti warf ihm erwartungsvoll einen raschen Blick zu; die Spannung war fast knisternd zu hören. „Genügend Profilspuren?“

Bedauernd schüttelte Marti den Kopf. „Nein, es genügt nicht mal für ein Auswahlverfahren.“

Morettis angespannte Schultern fielen an ihm herunter, Enttäuschung malte sich auf seinem rundlichen Gesicht. „Zu schade! Sonst irgendwelche Hinweise auf den Täter?“

Marti zuckte nichtssagend die Achseln, aber er war mit seinen Meldungen noch nicht am Ende: „Wie man’s nimmt. Ein paar Hautfetzen unter den Fingernägeln ...“

Wieder spannte sich Morettis Körper an, sein Rückgrat streckte sich vor Aufregung durch. „DNA?“

„Ja. Aber eine Sackgasse“, nickte er, er musste ihn auch diesmal wieder enttäuschen.

Moretti seufzte tief, er war betrübt bis ins Mark. „Also niemand aus unserer Kartei?“

„Nein, leider“, bedauerte Marti kopfschüttelnd.

Moretti hatte genug von den negativen Nachrichten. Er war an einem Punkt angekommen, an dem er beinahe verzweifelte. „Versuchen Sie es weiter!“, ordnete er an, während er sich umdrehte und zum Gehen wandte.

„Na klar!“ Marti war fast ein wenig eingeschnappt. Das war ja logisch!