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Bach war mit Hesse im Schlepptau kaum den Korridor gegen den Empfang hinunter verschwunden, als Morgan Custer aus der Versenkung zurückkehrte und um die Ecke zu Gonzalos Büro einbog. Die Männer hörten die Schritte im Gang und drehten sich zur Tür, bevor er daran vorbeihuschen konnte.

„Wo waren Sie denn jetzt schon wieder?“, knirschte Scherrer an Morettis Stelle ungehalten, den vor Frustration jetzt alles und jedes ärgerte, weil der Zeuge dermaßen versagt hatte und ihre Hoffnungen erneut eingestürzt waren.

Dieser war noch zu sehr in seinem Elend gefangen und mit den Gedanken daran beschäftigt, was ums Himmels Willen er seinen Vorgesetzten von der Stadtverwaltung nun berichten und wie Sutters überstürztes Großaufgebot begründen sollte, als dass er auf so etwas Nebensächliches in dem Moment überhaupt reagiert hätte.

Custer blieb stehen und drehte sich nach ihnen um. Er grinste vergnügt, als er sich umbesann und in die Türfüllung des Büros trat. „Langsam fange ich an, mir Gedanken zu machen, weil Ihr mich ständig vermisst!“

Sie warfen ihm beleidigte und genervte Blicke zu, die er links liegen ließ und ungefragt kommentierte: „War nur für kleine Jungs. Was habe ich diesmal verpasst?“

„Ich würde mal was gegen die schwache Blase unternehmen! Jedesmal, wenn’s spannend wird, sind Sie nicht da!“, beschwerte Sutter sich.

Mit einem tiefen Seufzer deutete Moretti mit der Hand auf Gonzalos Bildschirm. „Unseren neuen Picasso!“

Arno Gonzalo schob sich mit dem rollenden Bürostuhl ein paar Zentimeter zur Seite, um ihn besser darauf blicken zu lassen und zeigte ihm das Phantombild.

Custer wurde zuerst blass, dann rot, weil er sich zuerst einen Moment zurückhielt und nur seine Nasenflügel und Bauchmuskeln zuckten, ehe er lauthals loslachte. „Aber... das bin ja ich!“, grölte er belustigt und schlug sich vor Vergnügen mit der flachen Hand auf den Schenkel.

„Oder Hesse oder sonst jemand! Kriegen Sie sich wieder ein, das ist überhaupt nicht lustig!“, knurrte Moretti mit Zornesfalten wütend, während er sich abrupt umwandte, um zu seinem Büro zurückzukehren.

Custer nickte höflich und verschluckte sich beinahe im Versuch, seine Erheiterung abzuwürgen. „Entschuldigung. Mein Witz war wohl an der falschen Stelle. Was jetzt?“, fragte er.

Moretti stieß einen tiefen Seufzer aus. Er drehte sich wieder nach ihnen um. „Die einzigen Anhaltspunkte, die wir haben, wissen wir bereits seit zwei Tagen!“

„Ja, eins achtzig und schlank! Jetzt suchen wir nach einem großen Blonden!“

„Nicht gerade viel, wenn ihr mich fragt.“

Die Männer stießen grunzende Laute aus, um ihren Frust loszuwerden, Scherrer stieß Gonzalo mit dem Ellbogen genervt an.

Custer blickte die Umstehenden offen an und zuckte aufmunternd mit der Achsel. „Na, immerhin, das engt den Kreis der Verdächtigen doch wohl etwas ein.“

Sutter warf ihm einen genervten Blick zu. „Das hilft uns überhaupt nicht weiter! Es gibt Tausende von Einwohnern, die auf unser Phantombild passen!“

„Wir stehen noch immer ganz am Anfang!“, fauchte Scherrer zornig. „Und haben noch immer nicht mehr als ein Bild von ihm!“

„Vielleicht erkennt ihn ja trotzdem jemand, wenn wir es veröffentlichen“, schlug Gonzalo hoffnungsvoll vor.

Custer warf dem Chef einen undefinierbaren Blick zu.

Moretti zuckte die Achseln: „Das werden wir wohl schon bald erfahren“, seufzte er. Auch er war von der Wirkung dieses Dutzendgesicht-Bildes enttäuscht.

„Hoffentlich nicht mit einer weiteren Leiche!“

Moretti seufzte und bereitete dem Schlagabtausch ein jähes Ende: „Zumindest haben wir wieder ein Puzzleteil mehr! Jetzt suchen wir nach einem großen Blonden mit einem großen Schuh! Kari, Sie wissen, was Sie zu tun haben! Custer, Sie kommen mit mir! Wir sehen uns nochmal die Videobänder der Basilika an.“

„Schon wieder?“, murrte Custer wenig erbaut.

Moretti nickte.

„Aber das haben wir doch schon mal gemacht! Dabei ist kein Mensch, der eine Leiche mit hineinträgt!“

„Ist mir egal!“ Morettis Nicken erfolgte diesmal mit Nachdruck: „Jetzt, wo wir wissen, wie er aussieht, sollten wir einen großen Blonden doch weiß Gott nicht übersehen, oder?“

Und Scherrer pflichtete ihm als Vorgesetzter mit strenger Stimme bei: „Bis Sie sich bewiesen haben, sind Sie als Ausländer vorerst einem Lehrling gleichgestellt, der die Underdog-Arbeiten auszuführen hat!“ Er benutzte das englische Wort für Untergebenen mit voller Absicht, um Custer unwiderlegbar darauf hinzuweisen, dass er nichts anderes als das war.