Es war Anfang Nachmittag. Morgan Custer war auf der Bank gewesen - um etwas einzuzahlen, wie er den Kollegen erklärt hatte - und er hatte das Mittagessen auswärts zu sich genommen. Als er zurückkehrte, war der Chef noch nicht - oder nicht mehr - da. Vor Ärger verbiss er sich einen Fluch. Er hasste es, wenn der Kommissar ohne ihn eigenmächtige Touren unternahm, von denen er nichts wusste. Er war jemand, der die Kontrolle liebte, und vor allem lag ihm viel daran, dass der kleine Italiener den Fall nicht ohne ihn löste!
Im Stechschritt eilte er von seinem Büro den Gang hinunter zurück zum Empfang, von wo ihm der Pförtner Gerhard Lengacher mit fragendem Blick entgegensah. Er war raspelkurz geschoren, was seiner Meinung nach besser aussah, als eine schüttere Mähne ohne Haar.
„Wo ist Moretti?“, schnauzte Custer mit schneidender Stimme barsch, als er sich nach ihm erkundigte.
Lengacher zuckte mit den Achseln und kratzte sich unter dem stechenden Blick der blauen Augen ungemütlich mit der Linken hinter dem Ohr. „Weiß’ nicht, noch nicht gesehen. Aber es ist Besuch für ihn da!“ Es war ihm unangenehm, dass die Dame auf Moretti warten mussten und dessen Erscheinen ungewiss war.
Custer blieb verwundert stehen und legte mit hochgezogener Augenbraue den Kopf schief. „Wer denn?“
Gerry Lengacher tat es mit einem abweisenden Kopfschütteln ab. „Sie wollte zum Chef!“, erklärte er frostig und bedauerte, es dem Ami überhaupt erzählt zu haben.
Dieser stellte den Kopf gerade und zog beunruhigt die Brauen zusammen. Der Gedanke, dass Moretti Besuch hatte, von dem er nichts wusste, missfiel ihm. Und noch dazu... „Eine Frau? Dieser Heimlichtuer!“, grinste er erheitert, um die Situation aufzulockern.
Stattdessen blickte ihn Lengacher düster an, weil er seiner Meinung nach darauf anspielte, dass der Chef Frauengeschichten hatte. „So ein Blödsinn!“, fauchte er ungehalten.
Custer lächelte entschuldigend. Harmlos erkundigte er sich: „Was will sie denn?“
„Woher soll ich das wissen?“
„Schon gut. Wann kommt er denn zurück?“
Der Portier zuckte mit den Achseln. „Weiß ich auch nicht! Sie hat darum gebeten, auf ihn warten zu dürfen“, erklärte er abwehrend, um dem Ami klarzumachen, dass die Sache damit erledigt sei, stattdessen verbiss sich dieser geradezu in diesen Knochen.
„Wo ist sie?“
„In Morettis Büro.“
Warum in seinem Büro?, fragte er sich, bevor er nickte. „Okay, danke, ich kümmere mich darum.“
„Sie wollte ausdrücklich nur mit Moretti sprechen!“
Custer nickte. „Schon gut, Gerry, ich sehe sie mir nur mal an.“
„Na ja, meinetwegen!“, grummelte dieser mit genervtem Schulterzucken. Mit einem unguten Gefühl blickte er ihm den Korridor hinunter seufzend hinterher, als Custer zu Morettis Büro hinüberging.
Auf einmal fühlte er sich ziemlich beklommen, er hatte einen schalen Geschmack im Mund. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen näherte er sich der Tür und blieb einen Moment lang unschlüssig mit mahlenden Kiefern vor dem Chefbüro stehen. Wer war diese Frau und was wollte sie hier? Und warum wollte sie nur mit Moretti sprechen? Ein unangenehmes Kribbeln rann ihm von den Schläfen über den Nacken herab, weil er an die Möglichkeit dachte, dass... Ihm war, als könnte er den untrüglichen Gestank von Gefahr riechen.
Christina von Lanthen erhob sich aus dem Sessel vor dem Schreibtisch, als die Schritte auf dem Korridor verstummten, und drehte sich zur Türe, in der sie den Kommissar erwartete. Verkrampft hielt sie ihre kleine Handtasche mit verlegener Miene fest, ihr Herz klopfte und sie war froh, ihr düsteres Geheimnis gleich loszuwerden.
Mit einem heftigen Atemstoß blies Custer die Luft aus den Lungen, bevor er entschlossen die Klinke hinunterdrückte und die Türe aufstieß. Vor Neugier und Anspannung platzte er fast, er musste es ganz einfach wissen!
Christinas Mund öffnete sich.
Er erschrak ebenfalls, als er sie sah, seine Augen weiteten sich. Wie ein Vorhang fiel die Erkenntnis vor ihm herab, ehe er den Mundwinkel zu einem linkischen Grinsen in die Höhe zog: Hallo, Crissi! Du hast mir die Entscheidung gerade abgenommen!
Christina von Lanthen zuckte sichtlich zurück, als er vom Korridor ins Büro trat und die Türe hinter sich schloss. Sie hörte, wie der Schlüssel in seinem Rücken knirschte – er wollte auf Nummer sicher gehen! Custer war groß, er überragte sie sogar um mehr als einen Kopf. Er hatte die Größe von... Sie würgte beim Schlucken und musste die Worte regelrecht aus der Kehle pressen: „Wo ist Kommissar Moretti?“, fragte sie sichtlich nervös, während sie sich fragte, ob sie schreien und auf sich aufmerksam machen sollte. Aber was dann?
Morgan lächelte sie von oben herab an. „Weshalb?“
Sie knetete ihre langen Finger und versagte ihm ihren Blick. Mit einem verzagten, kleinen Lächeln wandte sie den Kopf seitlich hinunter, als wollte sie sich Morettis Bürokram ansehen. Es war eine feminine, fast kokette Geste, als wollte sie ihm etwas schamhaftes auszusprechen verweigern. „Ich habe ihm etwas zu sagen“, wehrte sie dabei mit melodiöser Stimme ab. Es hätte die Szene einer Romanze sein können, in der sie ihrem Geliebten gleich gestehen würde, dass sie schwanger war. Custer hingegen sollte es so verstehen, dass sie ihm ihr kleines Geheimnis nicht mitteilen wollte, doch die Sache funktionierte nicht.
Er stellte sich demonstrativ vor sie hin und sah, wie sie sich furchtsam kleiner zu machen versuchte, indem sie zwar standhaft blieb, aber den Kopf einzog. „Sagen Sie es mir!“, forderte er.
Christina schüttelte abwehrend den Kopf. „Das kann ich nicht!“
Er nickte amüsiert, das Lächeln auf seinem Gesicht gefror. Der Ton seiner Stimme ließ sie frösteln: „Das kann ich mir denken.“
Tief Luft holend, nahm sie all ihren Mut zusammen, um ihm zu zeigen, dass er ihr keine Angst einjagen konnte. „Ich habe Sie gesehen – zusammen mit meinem Vater im Rebberg!“, stieß sie zischend aus.
Doch die Wirkung ihrer Worte verpuffte vor ihm. „Was Sie nicht sagen!“ Er lächelte süffisant.
Zur Bestätigung nickte sie heftig und blickte wütend zu ihm hoch. „Und ich weiß, wer Sie sind!“
„Ach ja?“ Wenig erstaunt hob Custer schauspielernd eine Augenbraue in die Höhe. Es sah herablassend und gleichgültig aus.
Es machte sie wütend, dass er sich nicht vor ihr und dem Grund ihres Hierseins fürchtete. Ihr Kopf und das Kinn schoben sich nach vorn, ihre braunen Augen blitzten ihn an: „Warum haben Sie das getan? Ich weiß, er war ein Ekel, aber warum auf so bestialische, grausame Weise?“
Gleich bei ihrem Anblick war er sich bewusst gewesen, dass sie hergekommen war, weil sie es herausgefunden hatte! Er hatte es in dem Moment gespürt, als er sie und die Furcht in ihrer Haltung erkannt hatte! Mit einem höhnischen Ausdruck in der Miene senkte er den Nacken zu ihr hinab, während er mit zynischer Gelassenheit auf sie hinunter sprach, obwohl sie hastig das Gesicht vor ihm abwandte. Seine Stimme klang nur wie ein Raunen: „Er hat regelrecht darum gebettelt.“
Aufgebracht schoss Christinas Kopf in die Höhe, so dass sie besser zu ihm hochsehen konnte. Eigentümlicherweise verspürte sie keine Angst, als sie sich ihm entgegenstellte: „Das ist nicht wahr!“, blitzte sie ihn erzürnt an. Auf ihrer Stirn entstand eine schmale, steile Falte.
Sie sah süß aus, wenn sie wütend war. Er lächelte fasziniert auf sie hinab und brachte ihr sein Gesicht lauernd noch etwas näher: „Aber ich habe euch einen Gefallen getan.“
Sie schluckte und zuckte mit der Achsel, auf einen Schlag war ihre Wut wie weggewischt. „Ja, vielleicht“, gab sie unumwunden ehrlich zu.
„Was gedenkst du jetzt zu tun, verehrte Schwester?“, forschte er verschlagen weiter.
Es klang schrecklich hässlich, dass ausgerechnet er, der Schlächter von Bern, sie Schwester nannte, wo er doch den Vater umgebracht hatte! Es klang völlig verkehrt! „Ich warte auf Moretti“, brachte sie mühsam heraus, als ihr klar wurde, dass er mit ihr spielte. Sie erinnerte sich an Frank Augusts Bericht, wie er ihren Vater vorgefunden und was ihm die Polizei alles für Gräueltaten über den Schlächter berichtet hatte! Schlagartig kehrte die Angst wie ein Hammer zurück und erdrückte sie fast.
Morgan lächelte sie hinterhältig an: „Um ihm alles zu sagen?“
Verzweifelt knetete Christina ihre schmalen Finger. Sie fühlte sich klein und verloren, und das nicht allein durch seine Überkopfgröße. „Alles, was ich möchte, ist, nach Hause zu gehen!“, murmelte sie mit abgewandtem Blick weinerlich.
„Angst, kleine Schwester?“ Seine dunkelblauen Augen glühten vor Bösartigkeit.
„Was sonst?“ Sie hielt den Blick abgewandt und nickte, ohne ihn anzusehen, wie bei einem gefährlichen Hund, der sofort angreifen würde, wenn man ihm in die Augen sah.
„Ich könnte dir einen Deal vorschlagen.“ Seine Stimme klang fast normal.
Überrascht hob Christina den Blick. „Und der wäre?“, fragte sie neugierig.
Ein berechnendes Lächeln huschte über seinen fast lippenlosen Mund. „Mach mich zu deinem Ehemann.“
„Um Gottes Willen!“ Schockiert durch dieses Ansinnen, trat sie einen Schritt von ihm zurück, sie schüttelte den Kopf so heftig, dass ihre dunklen Locken flogen. „Das wäre Unzucht! Zudem habe ich schon einen Ehemann!“
Entsetzt sah sie, wie er gleichgültig lächelnd die Achseln zuckte. „Was soll’s? Entweder er verlässt dich oder...“ Er sprach den Satz nicht aus, doch sie wusste genau, was er damit meinte!
Seine Ignoranz ließ die Wut wieder in ihr auflodern. „Und dann? Bringst du mich auch um, wenn du dich in meine Familie eingeschleimt hast? Bringst du dann jeden um, vor dem du dich fürchten müsstest?“ Es war plötzlich ganz einfach, die Höflichkeitsfloskeln wegzulassen und auszusprechen, was sie dachte.
Custer seufzte tief, bevor er sich in einem Anflug von Bedauern zu entschuldigen versuchte: „Glaub mir, ich habe das alles nicht gewollt! Und deinen dämlichen Bruder habe ich doch vor Moretti zu beschützen versucht!“
„Hast du deshalb die Frau ermordet?“ Ihre Stimme kratzte, und sie konnte es kaum fassen, als er nickte.
„Nur deshalb, Crissi! Ich hab’s nur für Frank getan! Weil Moretti deinen Bruder verdächtigte! Moretti war drauf und dran, ihn als Täter oder Auftraggeber zu verhaften!“
Du verlogener Bastard! Die Fäuste in die Seiten gestützt, beugte sie sich vor und fauchte ihn mit blitzenden Augen an: „Du hast ihn nicht beschützt! Du hast ihn beinah ans Messer geliefert! Du konntest es nicht ertragen, dass Moretti jemand anders für den Mörder hielt als dich!“
Das hätte sie besser nicht sagen sollen, Wut flammte in seinem Blick auf. Unkontrolliert zog Custer auf, seine Faust raste auf Christina zu. Er beobachtete sich und seine Handlung wie in Zeitlupe – und gerade noch im letzten Moment konnte er sich beherrschen, und seine Finger öffneten sich. Anstelle der Faust landete seine flache Hand schmerzhaft in ihrem Gesicht und hinterließ einen feuerroten, brennenden Abdruck.
Christinas Kopf flog zur Seite, doch durch den gebremsten Schlag blieb sie zumindest auf den Beinen. Mit wallender Mähne fuhr sie wütend zu ihm herum: „Du kannst mir keine Angst machen!“, fauchte sie. „Ich sitze hier und warte auf Moretti, so lange wie es mir beliebt!“
Er lächelte schmal.
„Das Haus ist voller Polizisten! Sie werden dich schnappen, wenn du mich entführst!“
„Sei dir da nicht so sicher!“
„O doch, das bin ich!“
Er beugte sich mit einem spotttriefenden Grinsen zu ihr hinunter, dass sein Gesicht nahe an ihres herankam, obwohl sie den Kopf wieder wegdrehte. „Soll ich dir zeigen, wie es funktioniert?“, spottete er selbstsicher.
Christina warf ihm einen vorwurfsvollen, hasserfüllten Blick zu. „Hast du wieder so einen teuflischen Plan, wie als du Vater umgebracht hast?“
Das Lächeln in seinem Gesicht war wirklich teuflisch. Und er empfand ihren Vorwurf als Lob. „Der war gut, nicht wahr?“
Sie seufzte und schüttelte betrübt den Kopf. „Beinah wären wir dir sogar dankbar gewesen!“, warf sie ihm nun offen vor.
„Gern geschehen.“
„Nicht, weil du ihn umgebracht hast, sondern weil ich dachte, da ist mal ein Polizist, dem meine Familie nicht egal ist!“
Schlagartig wurde seine Miene ernst, als er sich bewusst wurde, was er getan hatte. Zumindest sie wäre ihm wohlgesinnt gewesen!, stellte er mit Betrübnis fest. „Ist sie auch nicht!“, entgegnete er ruhig.
Christina nickte. „Ja, aber nur aus berechnenden Gründen! Nicht aus der Selbstlosigkeit heraus, die ich zuerst an dir vermutete!“, wetterte sie verbittert.
Da war er wieder, dieser Vorwurf, und der tat mehr weh, als er gedacht hatte. „Ich bin kein hinterlistiger Mörder!“, protestierte er auf ihre anklagende Körperhaltung.
„Aber du bist es geworden! Und du wirst wieder töten! Mich – und jeden, der sich dir in den Weg stellt! Wer es einmal getan hat, für den ist ein weiteres Mal kein Problem mehr, nicht wahr? - Ist es nicht so?“, bohrte sie, als er auf ihre Frage zuerst schwieg.
Mit gesenktem Kopf blickte er sie von unten herauf an. „Du hättest nicht herkommen sollen!“, grollte er mit tiefer Stimme. Es hörte sich an, als täte es ihm wirklich leid.
„Ich bereue es selbst zutiefst!“, nickte sie.
„Ich begann dich zu mögen, gleich als ich dich sah.“
„Ich werde nie deine Frau werden! Du willst gar nicht mich, nicht wahr?“, stieß sie vorwurfsvoll aus.
Seine Brauen zogen sich finster zusammen, seine Stirn umwölkte sich, er hatte genug. „Wir sollten jetzt gehen!“, knurrte er unwillig. Seine Finger schlossen sich derb um ihren Arm.
„Wohin?“ Schlagartig kehrte die Angst in ihre Miene zurück. Die Angst vor ihm!
Er genoss es, seine Schwester so zu sehen. Er hatte seinen Vater so gesehen, kurz bevor es mit ihm zu Ende ging. Und Madeleine, bevor er sie erschossen hatte. Es bedeutete Macht, und dass er alles mit ihr tun konnte, was er wollte! „An einen Ort, wo wir ungestört sind.“ Mit der Hand griff er in ihr weiches Haar.
Christina drängte zurück und schüttelte abwehrend den Kopf, dass ihre Locken durch seine Finger gezogen wurden. Der Griff seiner Hand lockerte sich jedoch nicht. „Ich möchte nicht! Bitte, lass mich gehen und verschwinde!“
Er nickte unerwartet heftig, seine Stimme klang vorwurfsvoll, fast böse: „Das hatte ich vor! Ich wollte niemanden mehr töten! Ich hatte meine Spuren so gelegt, dass ich niemanden mehr hätte töten müssen! Wenn du nicht aufgetaucht wärst! Deinetwegen kann ich das jetzt nicht mehr! Was musstest du auch nur so neugierig sein!“
„Jemand anderer wird Vaters Beweise finden, die ich gefunden habe!“, stieß sie mit Überzeugung heftig aus, während sie an seiner Hand rüttelte.
Der Druck seiner Finger verstärkte sich eher noch. Siegessicher lächelte er auf sie herab: „Die du sicher wohlweislich mitgebracht hast.“
„Aber es sind doch nur Kopien!“, keuchte sie verzweifelt.
„Denkst du, ich bin so blöd, dass ich dir das glaube?“, knurrte er beleidigt.
Christina ergab sich und hielt still. Für einen Moment wallte wieder die Wut in ihr hoch, die ihre Angst verdrängte. „Du bist ein Idiot! Es hätte nicht soweit kommen müssen! Und meine Beweise sind doch Kopien! Frank wird die Originale finden und dann Moretti anrufen, und dann werden sie wissen, dass du es bist! Sie werden hinter dir her sein und dich jagen, du wirst bis an dein Lebensende nirgends mehr vor ihnen sicher sein!“, versuchte sie ihn eindringlich zu überzeugen.
Doch er lächelte lediglich mit seiner ruhigen Bösartigkeit. „Bis dahin bin ich längst über alle Berge! Und selbst wenn, Schwesterlein, dich nehme ich mit! Egal, wohin die Reise geht, du bist meine Lebensversicherung!“ Völlig unerwartet ließ er sie los, doch ihre Hoffnung erstickte er im Keim. Stattdessen hakte er seine Hand unter ihrer Achsel ein und zog sie zu sich heran.
Christina stemmte sich mit den Fäusten gegen ihn und riss sich los. „Bitte, ich möchte nicht! Lass mich gehen und ich werde keiner Menschenseele etwas sagen!“, flehte sie. Sie hätte ihm im Moment alles versprochen, wenn er es ihr nur geglaubt hätte!
Was natürlich nicht der Fall war, und eigentlich hatte sie es auch nicht erwartet, aber trotzdem gehofft. Seine Antwort klang böse und jagte ihr eine erneute Gänsehaut über den Rücken: „Für wie dumm hältst du mich? – Zu schade, dass ich dir nicht vertrauen kann! Also, mach keine Dummheiten! Ich würde nicht zögern, dich vor den Augen der Polizei abzustechen!“
Bei der Vorstellung schluckte sie hart. „Das würdest du nicht tun! Du kämst nicht aus dem Gebäude raus!“, stieß sie keuchend vor Entsetzen hervor.
Er lächelte gemein und streckte seine Hand wieder nach ihr aus. „Finde es heraus, Schwesterlein. Wie lange möchtest du noch leben? Und wie schmerzhaft möchtest du sterben?“
„Du bist wahrlich ein Teufel! Damit kommst du nicht durch!“, fauchte sie mit furchtsam verzerrter Miene, während sie tapfer ihre Haltung aufrecht zu halten und ihn weiter zu überzeugen versuchte: „Du hast keine Chance! Moretti wird dich finden und dich zur Strecke bringen!“
Gleichgültig packte er ihren Arm und zerrte sie wieder zu sich her. Er brachte sein Gesicht dicht an ihres heran, bis sie seinen Atem warm auf ihrer Haut spürte, als er zischend sagte: „Der hat ja keine Ahnung, tappt immer noch im Dunkeln!“
Christina war vor Angst einer halben Ohnmacht nahe. „Aber ich sage dir doch, sie werden Vaters Beweise über dich finden!“, wiederholte sie.
„Zu dumm, dass ich dir nicht glaube. Und weißt du, wie egal mir das ist?“ Er lächelte über ihr perplexes Gesicht; damit hatte sie nicht gerechnet. „Du siehst also, liebe Schwester, es ist alles absolut sinnlos, auch wenn du dich sträubst. Ich werde so oder so gewinnen. Du kannst es dir einfach oder schmerzhaft machen.“
Ihre Knie drohten unter ihr nachzugeben, als er sie vor sich her zur Türe schob und den Schlüssel umdrehte, bevor er forderte: „Und jetzt geh voran! Du hast ein Rendezvous mit dem Tod!“