Christina von Lanthen war kaum mehr in der Lage, zu gehen, ihre Beine fühlten sich an wie amputiert und wollten ihr nicht mehr gehorchen. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, so dass sie erwartete, die Polizisten am Schalter könnten es wie eine Trommel gegen die Rippen hämmern hören, als Custer sie an ihnen vorbeiführte. Sie öffnete den Mund, um nach Hilfe zu rufen, doch sein Griff um ihren Arm verstärkte sich sofort. Obwohl sie davon ausgehen musste, dass er sie auf dieselbe, brutale Art töten würde wie ihren Vater und das Mädchen, war sie trotzdem nicht in der Lage, sich seinem Willen zu entziehen. Sie fühlte sich in seinem Bann und ihrer Angst so gefangen, dass sie zwar wusste, dass sie um Hilfe hätte rufen können oder sollen, aber es dennoch nicht tat, obwohl sie nicht wusste weshalb.
Custer führte sie grob am Arm den Korridor hinunter gegen den Ausgang zu.
Der Portier warf ihnen einen langen, fragenden Blick zu und zog verwundert die Augenbrauen in die Höhe. „Sie wollen schon wieder gehen?“, erkundigte sich Gerry Lengacher irritiert, weil Moretti ja bisher noch nicht zurückgekehrt war.
Custer in ihrem Rücken grinste heiter. Er fragte sich, wann sie es herausfinden würden. Die dämlichen Schweizer waren ja so blind! Kein Wunder, dass man ihnen auch in der Politik jeden Unsinn verkaufen konnte und sie es für bare Münze nahmen!
Christina von Lanthen blickte den Portier nur mit überdimensioniert großen Augen an. Ihr Mund öffnete sich, als ihr Custer rasch über den Mund fuhr: „Ich fahre mit Frau von Lanthen zum Tatort ins Münster. Sie möchte sehen, wo wir ihren Vater gefunden haben. Dort werden wir sicher auch Kommissar Moretti antreffen.“
Gerhard Lengacher nickte mit einem erleichterten Grinsen. „Das trifft sich ja gut, dann kann Frau von Lanthen ja doch noch mit ihm sprechen“, sagte er beruhigt.
Custer grinste zurück, aber aus einem anderen Grund. „Ja, das ist in der Tat sehr erfreulich. Besten Dank, dass Sie Frau von Lanthen zu mir geschickt haben.“
Der Portier öffnete den Mund, um zu protestieren: „Eigentlich nicht zu Ihnen...“
Custer machte einen Schritt vorwärts und zog mit der Rechten an Christinas Arm. „Kommen Sie, wir wollen den Kommissar nicht zu lange warten lassen!“, erklärte er grob an die junge Frau gewandt, indem er das Gespräch brüsk abbrach. Er drückte ihr die Linke nachdrücklich in den Rücken und drängte sie mit seinem Körper zum Weitergehen.