„Die Frage ist nicht, was er da will, sondern was da ist!“, knirschte Scherrer mit zusammengebissenen Zähnen. Seine zuvor noch euphorische Stimme klang jetzt finster und der Wortlaut bedrohlich.
„Meinetwegen!“, knurrte Sutter unwirsch, sein Herz machte vor Angst einen Satz. Er war so angespannt und nervig, es noch rechtzeitig schaffen zu wollen und noch dazu möglichst keinen Unfall zu bauen, dass er Scherrers Hinhaltetaktik hasste. Aber was er sagte, klang ganz und gar nicht gut! „Was ist da?“ Seine Stimme kratzte wie eine Kreide über eine Schiefertafel.
Der Abteilungsleiter drehte sich nach seinem Computerspezialisten um: „Arno, was ist da, wo Moretti jetzt ist?“
„Patrik, übernimm Moretti!“ Gonzalo machte ihm Platz und setzte sich an den laufenden Computer nebenan, um sich den Stadtplan auf dem Bildschirm zu vergrößern, während Berger an seinen Platz rutschte.
Am neuen Platz ließ er seine Finger wieder behände wie ein Derwisch über die Tasten tanzen, während Scherrer fortfuhr: „Wir denken wahrscheinlich nicht an das Naheliegendste, Kari. Was gibt es im oder beim Münster, dass Custer dorthin will?“
„Den Tatort.“
„Falsch! Er hat eine Geisel bei sich und will, dass Moretti dorthinkommt!“
„Ein neuer Tatort?“
„Er hätte nicht genügend Zeit, um es wie der Schlächter aussehen zu lassen, und wir wissen, der Name ist ihm wichtig!“
Sutter durchlief es siedend heiß beim Gedanken, der ihn nun durchzuckte. Wenn jemand auf der Flucht vor der Polizei war und für sein Handeln Zeit brauchte, dann musste er irgendwo untertauchen können. Nickend, obwohl Franz es nicht sehen konnte, keuchte er vor Entsetzen, als er in den Hörer schrie: „Mein Gott, du hast recht! Custer will nicht ins Münster! Wendet euch an die Grundbücher, Stadtverwaltung oder was weiß ich! Irgend etwas muss dort sein, wo er jetzt ist!“
Scherrer nickte: „Das fürchte ich auch.“
„Was denn?“, erkundigte sich Jordi mit vor Aufregung gerötetem Gesicht, dessen Blicke zwischen Sutter und der Straße hin- und herhuschten.
„Mach’s nicht so spannend, Franz!“, knurrte Mäder von der Autorückbank her genervt.
„Sein Unterschlupf! Und dort stellt er Moretti eine Falle!“
Sutter nickte durchs Telefon: „Hundert pro! Also, wie sieht’s aus?“
Scherrer drehte sich zu Gonzalo nach hinten. Dieser schüttelte den Kopf und bedeutete ihm, dass er noch nicht soweit sei. „Arno telefoniert gerade mit dem Bauinspektorat.“
Gleichzeitig loggte er sich während dem Gespräch mit seinen flinken Fingern in die genannten Websiten der Stadtverwaltung ein.
„Verd...! Er soll sich beeilen, verdammt! Die Zeit läuft uns davon!“
„Ich weiß.“
„He, Moment! Oh mein Gott!“ Während er dies beinahe schrie, fiel die Anspannung sichtlich von Berger ab.
„Was gibt’s?“ Scherrer drehte sich aufgeregt wieder nach ihm um und eilte nach hinten, weswegen Sutter erst mal keine Antwort erhielt.
Der junge Beamte warf seinem Boss einen beruhigenden Blick zu.
„He, was ist los bei euch, verdammt?“, reklamierte Sutter mit verkniffener Miene lautstark, dass sie ihn hören konnten, obwohl Scherrer die Hand mit dem Telefon gesenkt hielt. Er fühlte sich plötzlich schlecht. „Sagt mir endlich einer, was los ist? Die Zeit wird langsam knapp!“, drängte er hässig.
Scherrer nickte, er verstand ihn ja. „Ihr seid fast da“, sagte er, um ihn zu beruhigen, während er den leuchtend piepsenden Punkt auf Bergers Bildschirm verfolgte.
„Moretti fährt wieder weg!“, erklärte dieser in dem Moment. „Dann ist er Gott sei Dank noch am Leben!“, seufzte er erleichtert, doch sein Vorgesetzter schien der Sache nicht zu trauen. Er runzelte perplex die Stirn, ehe er ungläubig ausstieß: „Was zum Henker...?“
„Wohin?“ Sutter keuchte. Er fühlte sich wie auf einer seelischen Achterbahn.
„Eine Ecke weiter.“
Sutter musste annehmen, dass er sich wieder von ihnen entfernte.
Scherrer bestätigte seinen Verdacht: „Vor den Eingang vom Münster! Er ist angekommen.“ Die Antwort klang in Sutters Ohren irgendwie merkwürdig, obwohl er seinen Bestimmungsort erreicht hatte. Aber weshalb hatte Moretti angehalten, war stehengeblieben und dann erst einen Moment später weitergefahren? Was hatte er dort, 50 Meter vor dem Portal, gesucht?
Es war, als hätte der Computer wie auf Kommando reagiert und sein Geheimnis ausgespuckt; richtig aber war, dass ihn das nette Fräulein vom Bauinspektorat dorthin geleitet hatte. Gonzalos Rückgrat straffte sich, während er die Fäuste in die Luft warf und jubelnd schrie: „Ich hab’s!“
„Was zum Teufel...?“
„Oh mein Gott!“, stieß Scherrer perplex vor Erschrecken mit geweiteten Augen aus, als er sich über Gonzalos Schulter nach vorne gegen den Bildschirm beugte.
„Wärt ihr wohl so freundlich und würdet euer Wissen mit uns teilen, verdammt?“, fauchte Sutter ungehalten aus der Leitung.
„Das wirst du nicht glauben!“, rief Scherrer durchs Telefon.
Sutter stieß einen genervten Seufzer aus. „Schieß schon endlich los und versuch’s!, und spannt uns nicht auf die Folter!“
Scherrer sagte nur ein einziges Wort: „Ausgrabungen.“
Sutter wurde hellhörig, seine Stirn runzelte sich. „Von was?“ Moretti interessierte sich nicht für Ausgrabungen! Weshalb hätte er also dort anhalten sollen? Oder doch? Das alles war fürchterlich verwirrend und beängstigend. „Was hat dich vorhin so entsetzt?“, forschte er unruhig.
Scherrer seufzte tief auf. Es klang richtiggehend elend. „Ein Gewirr von unterirdischen Gängen und Stollen vergangener Jahrhunderte!“
Wie Synapsen schlossen sich die Schaltkreise in seinem Hirn; Sutter kapierte sofort. „Dann ist Moretti dort unten!“, kreischte er überzeugt.
Seine Mitfahrer blickten ihn perplex an, als wäre er übergeschnappt. „Und sein Wagen vor dem Münster?“, fragte Jordi.
In Sutters Ohren klang die Frage dämlich, und es nervte ihn, dass sie scheinbar nicht wie er kapierten. Seine Kiefermuskeln zuckten vor unterdrückter Anspannung, ehe er knurrend behauptete: „Hundert pro ein Ablenkungsmanöver!“
„Aber Moretti wollte doch dorthin!“, erinnerte Jordi bestürzt.
Scherrer nahm den Faden sofort auf. Der Gedanke war auch in seinen Augen keinesfalls aus der Luft gegriffen. „Ich schicke euch Verstärkung!“, rief er gehetzt ins Mikrofon.
„Ja!“ Sutter nickte, er seufzte vor Erleichterung, dass er seine Gedanken nicht noch lang und breit erklären musste. „Und die Scharfschützen! Ich will keinen einzigen Mann da unten verlieren – außer Custer!“
„Verstanden, ist klar. Der Mistkerl soll sich vor Gericht verantworten müssen!“ Über Funk löste er den Alarm für die Sondereinheit Enzian aus, die mit ihren speziell ausgebildeten Präzisionsschützen auf Geiselnahmen oder koordinierte Festnahmen mit erhöhtem Risiko spezialisiert war.
„Und dann 100 Jahre absitzen!“ Wenn er Moretti was getan hat, bringe ich ihn um!, schwor sich Sutter, aber das war seine Sache. Er warnte seinen befreundeten Vorgesetzten nicht vor. Er wollte keine Standpauke darüber hören, was gut und was falsch war, es reichte, wenn er es danach zu hören bekam! Zudem ging er davon aus, dass Scherrer grundsätzlich mit ihm einer Meinung wäre, es aber als Chef nicht zugeben durfte. Aber eigentlich war es egal, er würde ohnehin so handeln, wie es die Situation erforderte!
„Sind unterwegs! Wartet auf sie!“, befahl Scherrer.
„Verstanden“, nickte Sutter verhalten, bevor er den Kontakt unterbrach. Er hielt das Steuer mit aller Kraft mit beiden Händen und jagte den VW Passat heulend die Jungfraustrasse hinunter gegen die Aare.
Nach der Schleife außerhalb der Altstadt rückte vor ihnen der Fluss wieder ins Blickfeld, wenig später donnerten sie, dem Blaulicht sei Dank, mit weiterhin überhöhter Geschwindigkeit über die pflastersteinbesetzte Kirchenfeldbrücke. Obwohl die Fahrt vom Polizeirevier bis zum Münster gerademal acht Minuten gedauert hatte, kam ihnen die Zeit wie eine Ewigkeit vor.
Ungeduldig zappelte Mäder auf dem Rücksitz herum, bis er schließlich nach kaum zwei Minuten die Kurzwahltasten seines Handy drückte und es nervös ans Ohr hielt. Erleichtert atmete er auf, als sich der Chef am anderen Ende erneut meldete. „Wie sieht’s aus? Gibt’s schon was Neues, das uns weiterhilft?“, erkundigte er sich angespannt.
Sutter drehte um ein paar Zentimeter den Kopf, um das Gespräch besser mithören zu können. Mäder stellte auf Lautsprecher, aber die Verbindung war schlecht.
Franz Scherrer schüttelte den Kopf. „Wir arbeiten daran. Wo seid ihr?“
„Wir sind fast da. Der Verkehr ist ziemlich dicht.“
„Und in dieser Nebelsuppe kann man auch nichts sehen!“, beklagte Sutter sich, dem sein Talent zum Rallyefahrer einmal mehr nützlich war. Trotz Blaulicht und Sirenen musste er sich mit scharfen und teilweise halsbrecherischen Manövern seinen Weg über die stark befahrenen Strassen der Metropole bahnen. Immer wieder drückte er auf die Hupe, und er ärgerte sich, dass sie trotz für normale Autofahrer unerlaubter Höchstgeschwindigkeit viel zuwenig schnell vorwärts kamen.
„Ich möchte wirklich zu gern wissen, wie Custer das mit dem Empfehlungsschreiben gemacht hat“, nahm Mäder den Gesprächsfaden wieder auf, um den Kontakt nicht abbrechen zu lassen.
Scherrers Stimme klang grell vor Ärger, als er antwortete: „Ich hatte Krämer darauf angesetzt! Es ist zum Kotzen! Schau mal im Internet nach, da kannst du alle möglichen Papiere sehen und mit etwas Geschick herauskopieren!“
Sutter warf Mäder über die Schulter einen hastig geseufzten Seitenblick zu, Mäder und Jordi wurden blass. „Scheiße!“, entfuhr es dem Rotschopf.
„Das Internet als Ort des Verbrechens?“
Scherrer schüttelte den Kopf. „Nein, der Planung. Und nun ratet mal, was wir noch gefunden haben?“
„Was denn?“ Sutters Stimme klang müde.
„Wo haben wir die erste Leiche gefunden?“
Sie hatten alle drei keine Lust auf Ratespiele. „Im Münster!“, knurrte Mäder düster.
Scherrer nickte aufgeregt. Diesmal klang seine Stimme sehr zufrieden. „Bingo! Und keine Überwachungskamera hatte was drauf!“
Sutter horchte auf. Er musste sich auf den Verkehr konzentrieren und schaltete diesmal nicht sofort: „Mach’s kurz! Worauf willst du hinaus?“, seufzte er ungehalten.
Mäder sog begreifend die Luft ein und antwortete, ehe der Abteilungsleiter mit seiner parat war: „Es muss einen unüberwachten Zugang geben.“
„Bingo! Und nun seht mal, was Willi in Kommissar Internet noch gefunden hat! Er schickt’s euch aufs Handy. Jetzt.“
Mäder holte Krämers Mail herein und zeigte es Sutter, indem er den Arm zwischen den Sitzen nach vorne streckte. Dem sackte vor Verblüffung die Kinnlade herab. „Die Baupläne des Münsters?“, zischte er ungläubig.
Scherrer nickte. „Genau. Und was drunter ist!“
„Oh Mann, Wahnsinn! Und so was ist öffentlich zugänglich?“ Sutter musste den Blick von Mäders Display nehmen und sich wieder auf die Straße konzentrieren, wo die Häuserfronten nur so an ihnen vorbeiflogen.
Scherrer konnte nicht anders als schon wieder zu nicken. „Ja, leider. Wenn wir es gefunden haben, dann wusste es Custer schon vor uns!“
„So eine Scheiße!“, stieß Mäder wütend aus, bevor er sich korrigierte: „Ich meine, es ist toll, was ihr gefunden habt, aber das ist ja ein Riesennetz von unterirdischen Stollen und Gängen!“
„Dann gibt es also eine Verbindung zwischen den Stollen der Ausgrabungen und dem Münster“, sinnierte Sutter. Der Gedanke daran machte ihn wütend. Und noch mehr, dass sie nicht schon längst auf diese Idee gekommen waren!
Der Freund nickte befriedigt. Sie hörten, wie er grinste und das Lob mit Genuss für sich einheimste: „Genau! Und irgendwo dort unten liegt unser Tatort!“
„Moretti hatte recht mit dem Täterprofil!“, knurrte Sutter düster. Das Herz schlug ihm vor Angst bis zum Hals, dass sie es trotz allem nicht rechtzeitig schaffen würden. „Es wäre eine gute Idee gewesen, wenn der Killer nicht in unseren eigenen Reihen gewesen wäre.“
„Leider ja!“, bestätigte Scherrer durchs Mikro.
Es entstand eine länger, unangenehme Pause, in der keiner etwas sagte und doch niemand den Kontakt unterbrechen wollte.
Sutter nahm die nächste Kurve. Ihr Weg führte zurück in die Altstadt. Über die Kirchenfeldbrücke überquerten sie erneut die Aare. Aus der Hotelgasse bog er rechts um die letzte Kurve in die Münstergasse ab und hatte nun freie Sicht auf den Münsterplatz. Doch vor dem Portal standen andere Fahrzeuge, nur nicht dasjenige von Moretti. „Verdammt! Fehlanzeige!“, zischte er ungehalten.
„Was ist los?“, fragte Mäder verdattert.
„Da ist nichts! Morettis Wagen ist weg!“
„Shit! Franz, wo ist Morettis Wagen abgeblieben?“, knirschte Mäder ins Telefon.
„Was ist los?“ Dessen Stimme klang mehr als verständnislos.
„Morettis Wagen ist weg!“
Scherrer runzelte irritiert die Stirn. „Shit!“, entfuhr es ihm. „Dann muss er ihn weggefahren haben!“ Das war der nächstliegende Gedanke.
Bis ihn Jordi zunichte machte: „Aber wie? Ihr hattet ihn doch die ganze Zeit auf dem Bildschirm!“
Das war allerdings wahr. Ein Kontrollblick auf Bergers Display zeigte, dass der kleine Piepser auf dem Parkplatz immer noch blinkte. Scherrer sah hilfesuchend zu seinem spanischen IT-Supporter hinüber. „Keine Ahnung. Arno, kannst du was sehen? Der Wagen muss da stehen!“, fauchte Scherrer beunruhigt.
Patrik Berger erhob sich und überließ dem kleinen Spanier wieder seinen Sessel. Während er ihm über die Schulter sah, hackte dieser heftig auf seiner Tastatur herum.
Sutter rollte langsam über den Platz. Er hatte bereits einen Verdacht. Mit Argusaugen streifte sein Blick die einzelnen Autos und den Boden rundherum. Es dauerte keine zwei Minuten, dann wurde er fündig: „Mist, er hat das Radio mitsamt den Kabeln rausgerissen!“
„Das erklärt das Fehlen des Wagens. Aber wo ist Moretti?“
„Woher soll ich das wissen? Los, sucht ihn! Und versucht Moretti zu erreichen! Warum dauert das so lang?“, fauchte Scherrer entnervt.
„Moretti ist telefonisch immer noch nicht erreichbar! Er nimmt einfach nicht ab!“, rief Sami Zemeckis aus der anderen Ecke hilflos.
Scherrer nickte begreifend. „Dann müssen wir davon ausgehen, dass nicht er es war!“
„Kannst du ihn orten, Arno?“, drängte Sutter, dem das Verschwinden des Wagens nicht gefiel.
„Bin schon dabei.“ Sie hörten, wie er flink auf der Tastatur herumtippte, ehe er sich mit einer negativen Nachricht wieder zu Wort meldete: „So, wie’s aussieht, liegt der Volvo ein paar hundert Meter neben euch in der Aare!“
„Wo?“ Sutters Stimme war fast nur ein Schrei. Über seinen Rücken rieselte eine Gänsehaut. Hatte Custer gerade versucht, Moretti zu ertränken? Und wenn ja, wie? Die Aare lag nicht in direkter Nähe oder Verbindung mit dem Münster! „Verdammt! Wo genau? Kannst du mit der Wärmebildkamera noch ein Lebenszeichen darin ausmachen? Kannst du Moretti orten?“, stieß er gehetzt heraus.
„Moretti nicht, aber den Wagen. Er liegt gerade vor euch, unterhalb der Münsterplattform!“
„Was?“ Die Männer glaubten sich verhört zu haben.
Die Münsterplattform war eine dem Münster vorgelagerte, rechteckige Terrasse am Abhang zur Aare. Das Geviert lag parallel zum Kirchenschiff, war fast 70 Meter tief und maß in der Breite am nördlichen Ende bei der Kirchenmauer 85 und am südlichen Ende zur Aare hin 86 Meter. An der Südostecke erhob es sich 31,5 Meter über die darunter liegende Badgasse, und dahinter lag unter ihm die Aare.
Sutter hielt den Wagen an und stürzte hinüber an die Mauer, um hinunterzusehen.
Der Grundstein zur Terrasse war 1334 gelegt worden, doch der Bau der Stützmauern hatte sich bis 1514 hingezogen. Bis zur Berner Reformation von 1528 war die Aufschüttung des Gevierts hinter den Stützmauern noch nicht vollendet gewesen; es hatte noch 14 Meter unter dem heutigen Niveau gelegen und eine Schutthalde gebildet. 1986 war es bei Grabungsarbeiten auf der Münsterplattform zum Berner Skulpturenfund gekommen, einem spektakulären Fund von Heiligenstatuen, die beim Bildersturm aus dem Münster entfernt und auf die Schutthalde geworfen worden waren. Bis 1531 hatte die Plattform als Friedhof und danach als Parkanlage gedient. Sie war umgeben von Balustraden aus Sandstein, mit Rosskastanien bepflanzt und wurde zur Aare hin von zwei Eckpavillons abgeschlossen.
Sutter konnte sich kaum vorstellen, wie der Wagen da runter gekommen sein sollte!
„Kein Wärmebild, Franz“, riss ihn Arno Gonzalo aus seinen durcheinanderwirbelnden Gedanken. „So schnell kühlt ein Körper nicht ab, der Wagen ist leer.“
Erschüttert vor Erleichterung, ließen die Männer die Schultern fallen. „Gott sei Dank!“, stieß Sutter aus. Er warf den Kopf in den Nacken und überlegte. „Wie sieht’s aus mit Morettis Handy?“
Sami Zemeckis, der kleine Grieche, verneinte: „Fehlanzeige. Ich habe keinen Sensor auf dem Schirm.“
Sutter hatte nichts anderes erwartet. Er wusste, wo Moretti sich befand – metertief unter der Erde in Custers verdammtem Rattenloch! „Ja, aber dann muss er ihn woanders hingebracht und den Wagen entsorgt haben!“, knurrte er vor Aufregung und Angst grantig. „Arno, wo stand er, als du ihn beim ersten Mal geortet hast?“
„Bei drei Uhr.“
Sutter drehte sich um und lehnte sich, die angewinkelten Ellbogen obenauf und den Rücken an die kalte Mauer gedrückt, zurück und blickte in die angegebene Richtung. „Was ist da?“, fragte er.
„Die Baustelle“, erklärte Scherrer.
„Das sehe ich auch! Was passiert da?“
„Da finden Ausgrabungen statt. Ein paar Archäologen haben ein paar alte Stadtmauern und Häuserruinen gefunden.“
„Auch einen Eingang?“, fragte Sutter hellhörig.
Scherrer nickte. „Sieht so aus. Ein Eingang, mehrere Kammern und viele abzweigende Gänge. Ihr müsst vorsichtig sein! Die Stollen könnten einsturzgefährdet sein! Und überall könnte Custer lauern und mit einer MP auf euch warten!“
„Wo bleiben die Scharfschützen?“
„Sind unterwegs. In zwei Minuten sind sie bei euch.“
„Okay, gut, danke. Wir sehen uns mal um. Drückt uns die Daumen!“
„Und Zehen und sämtliche anderen Glieder, ist doch klar, Mann! Bringt uns den alten Chef zurück! Nicht auszudenken, wie öd es ohne Moretti werden würde!“
Sutter knirschte wütend mit den Zähnen. Es wäre nicht nötig gewesen, die Gedanken noch stärker auf das erwartete Szenario zu lenken!
„Seid ums Himmels Willen vorsichtig!“
Als wenn ihm das nicht selbst in den Sinn gekommen wäre! „Das werden wir!“, bestätigte er knapp.