Ludwig

Als sie später das Restaurant nebenan betritt, sitzt er schon neben ihrem Sohn und hat seine Kopfhörer auf. Sie geht zu einem anderen Tisch, trinkt ein Glas Wein, verliert ihre Schüchternheit, redet mit einem Assistenzarzt, der sie an eine Romanfigur erinnert, aber welche, fällt ihr nicht ein. Doch dann kommt der Mann mit dem Kindergesicht, fordert ihren Gesprächspartner mit einer Handbewegung auf, sich zu erheben, und nimmt wie selbstverständlich dessen Platz ein. Was für ein aufgeblasener Fatzke, denkt sie, während er sich vorstellt – Ludwig, Chirurg – und beginnt, Fragen zu stellen. Verärgert von seinem Auftreten, antwortet sie knapp und mit unterdrücktem Groll: Ihr Lieblingsschriftsteller sei Beckett.

Herr im Himmel, sagt Ludwig, Beckett sei auch sein Liebling, er habe ihn erst kürzlich besucht und könne, wann immer April wolle, ein Treffen für sie arrangieren.

Beckett ist keine Touristenattraktion, antwortet sie, unsicher, ob er es ernst meint oder nur einen Scherz mit ihr macht.

Ludwig scheint vorsichtiger zu werden, wägt seine Worte ab, fragt sie nach ihrer Arbeit, bewundert ihren Mut, das sei doch sicher schwierig gewesen, sagt er, Untergrundmappen in der DDR herauszugeben. Sie erklärt ihm, dass es eher Langeweile war als ein politisches

Anderntags ruft ihr Freund an, der sie unbedingt treffen will. Sie vergisst, Ludwig abzusagen. Mit ihrem Freund ist das so eine Sache – April weiß, dass die Beziehung am Ende ist, schafft es aber nicht, ihn zu verlassen.

Monate später fällt die Mauer und Beckett ist tot. Sie schreibt Ludwig eine Karte und fragt ihn nach Becketts Todesstunde.