G len fuhr gerade in Cheyennes kleinem Wohnzimmer hoch, als die Mikrowelle piepte. Die Halbdrow holte das dampfende Tablett mit den nicht mehr gefrorenen Enchiladas heraus, die sie beim Supermarkt um die Ecke gekauft hatte. Die Besteckschublade war leer, alle Gabeln lagen entweder in der Spüle oder wahllos irgendwo im Geschirrspüler. Sie zog die Krimskramsschublade in der Küche auf, wühlte darin herum und schnappte sich eine Plastikgabel, die in noch mehr Plastik mit Salz- und Pfeffertütchen eingewickelt war. Noch ein Vorteil von bestelltem Essen.
Sie brachte alles zurück zu ihrem Computer, ließ sich in ihren Stuhl fallen und stellte die Enchiladas ab, damit sie ein wenig abkühlen konnten. Es dauerte nicht lange, bis sie ihre VPN und den Torrent hochgefahren hatte, um sich ins Dark Web zu loggen und schon war sie wieder im Borderlands-Forum, um vor ihrem lang erwarteten Wiedersehen mit Durg noch ein paar Dinge zu suchen. Dieses Mal gehe ich vorbereitet rein.
Sie klickte sich durch die neuesten Themen und suchte nach irgendetwas über die Gegend von Jackson Ward, die gleich auf der anderen Seite des Skateparks war. Eines der Themen, mit dem Titel ›Bombs Underground rastet auf der East Clay aus ‹, fiel ihr auf, weil diese Straße nur wenige Blocks vom Skatepark entfernt war. Aber anscheinend war Bombs Underground eine Heavy-Metal-Band mit Mitgliedern, die alle magische Wesen waren und die in einem winzigen Lokal einen Block von Gnarly’s Pub entfernt spielen sollte. Sie rümpfte die Nase und hinterließ einen Kommentar, nur um zu sehen, was dabei herauskommen würde.
Shyhand71: Klingt nach Spaß. Hey, hat schon mal jemand eine Liste zusammengestellt, wo die Leute sind, die nur magisch sind? Zum Beispiel, um sich zu vernetzen oder so?
In dem Moment, in dem sie die Nachricht abgeschickt hatte, brummte sie angewidert. Ich höre mich an wie eine Idiotin.
Die anderen Nutzer des Borderlands-Forums kamen genauso schnell zu demselben Schluss.
holdmyGrog911: @Shyhand71, w illst du uns alle auf einem Fleck versammeln, damit wir uns an den Händen halten und ein riesiges Ziel für die F-Truppe abgeben können? Sieht so aus, als hätte der Trip zur Erde jemandem alle Gehirnzellen zerstört.
2Magic2Quit: @Shyhand71, sag doch direkt, dass du ein Spitzel bist.
Fists4Daze: @Shyhand71, wir haben die Reservate durchlaufen, Dumpfbacke. Warum sollten wir mehr Augen auf uns richten, wenn sie uns schon im verdammten System haben? Was zum Teufel ist los mit dir?
CrownUndone21: Okay, jeder, der einen neuen Kommentator mit seiner Unsicherheit konfrontiert (und ich bin mir ziemlich sicher, dass @Shyhand71 hier neu ist), sollte sich verdammt noch mal zurückhalten und sich beruhigen. Es war eine unschuldige Frage. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es irgendwo laufende Listen gibt. Vielleicht nicht nach dem Gebiet, in dem die Leute jetzt leben, aber ich glaube, ich habe vor etwa einem Jahr etwas gesehen, in dem die Gruppen nach Beruf geordnet waren, entweder zu Hause oder auf der menschlichen Seite. Ich weiß es nicht mehr. @Shyhand71, ich schaue mich mal um und melde mich hier, wenn ich etwas finde.
CantCuffThis: Ich schließe mich allem an, was @CrownUndone21 gerade zu all den Hatern gesagt hat. Wow, ihr habt euch schnell auf diesen Kommentar gestürzt. Ich dachte, wir sind auf die menschliche Seite gekommen, um dem Blutvergießen zu entkommen und nicht, um hinter Computerbildschirmen zu sitzen und zu versuchen, noch mehr Blut zu vergießen. @Shyhand71 hat gute Gründe für die Frage, vor allem, wenn er oder sie neu ist. Nicht jeder, der die Grenze überquert hat, loggt sich in das verdammte Dark Web ein, um euch Arschlöchern dabei zuzusehen, wie ihr aus den Borderlands einen Zirkus macht. Lasst es sein.
Fists4Daze: @CrownUndone21, @CantCuffThis, wollt ihr jetzt Friedenswächter sein? Ich hätte vor zwei Monaten, als mein Laden überfallen wurde, verdammt viel Unterstützung gebrauchen können. Oh, ja, stimmt ja. Jeder ist plötzlich ein verdammter Held, wenn er sich hinter seiner Tastatur als einer aufspielen kann.
»Woah.« Cheyenne hob ihre Hände von der Tastatur und beobachtete, wie ein Kommentar nach dem anderen eintrudelte. »Da habe ich einen wunden Punkt getroffen, hm?«
Achselzuckend lehnte sie sich über die Tasten und gab noch einen Kommentar ab. Andernfalls würde sie wirklich wie ein weiterer Troll aussehen, der versuchte, Stress zu machen, wo es nicht nötig war.
Shyhand71: @CrownUndone21, @CantCuffThis, danke. Ich werde weiter suchen. Meldet euch bei mir, wenn ihr etwas findet, das helfen könnte. Wir können die Fachsimpeleien außen vor lassen.
CantCuffThis: @Shyhand71, ja, ignoriere diese Typen einfach. Sie schütteln wahrscheinlich immer noch den Geruch des Reservats ab, aus dem sie gerade rausgeflogen sind. Du hast einen guten Punkt angesprochen. Es ist gut, ein Auge darauf zu haben, wie wir uns gegenseitig helfen können.
Mit einem Nicken klickte Cheyenne sich aus diesem Thema heraus, da sie ihre Zeit nicht damit verschwenden wollte, die anderen wütenden Kommentare zu lesen, die ihr jemand hinterlassen hatte. Sie suchte im Forum nach etwas über Jackson Ward, aber bevor sie die Ergebnisse sortieren konnte, erschien ein privates Chatfenster in der oberen Ecke ihres Monitors.
Sie hatte etwas von gu@rdi@n104 erwartet, von dem sie jetzt wusste, dass es sich um den Nachtpirscher Corian handelte, vor allem, weil der Typ immer im Borderlands-Forum zu sein schien, wenn sie dort war und ihr normalerweise eine Nachricht schickte. Aber diese neue Nachricht kam direkt von dem Benutzernamen CrownDown4What.
»Wer zum Teufel ist das?« Die Halbdrow hatte den Namen noch nie in einem der offenen Themen oder Kommentar-Threads gesehen, obwohl sie natürlich nicht alle durchgelesen hatte. Die Nachricht war jedoch noch verwirrender.
CrownDown4What: Ich habe gerade deinen Kommentar über Listen von Leuten in bestimmten Gebieten gesehen. Vielleicht kann ich dir helfen, wenn du mir sagst, warum du suchst.
»Hm.« Cheyenne legte den Kopf schief, runzelte die Stirn, rückte dann etwas näher an den Schreibtisch heran und begann wieder zu tippen.
Shyhand71: Ich dachte nur, es könnte hilfreich sein. Ich bin sicher, dass andere Leute es schätzen würden, wenn sie wissen, in welche Art von Nachbarschaft sie gehen. Wo sie Freunde finden. Von wem man sich fernhalten sollte.
CrownDown4What: Nun, du bist bestimmt nicht der Erste, der auf diese Idee kommt. Bist du in eine neue Gegend gezogen oder so?
Shyhand71: Irgendwie schon. Ich will nur sichergehen, dass ich nicht alles auf eine Karte setze, bevor mir jemand reinpfuscht.
CrownDown4What: Ich verstehe dich. In welcher Gegend?
Shyhand71: Jackson Ward. Hauptsächlich die Nordseite.
Ihr neuer Freund brauchte über eine Minute, um zu antworten. Cheyenne wartete geduldig und hoffte, dass derjenige, der es war, genug Mumm hatte, ihr zu sagen, dass sie abhauen sollte, wenn er keine Lust hatte, sich weiter mit ihr zu unterhalten. Dann tauchte aber eine neue Nachricht am Ende des Chats auf.
CrownDown4What: Vielleicht hilft dir das. Es ist ein Teil einer längeren Liste, zu der ich Zugang habe und das ist nur eine Liste von vielen. Wenn du weitere Fragen hast, bin ich für dich da.
Cheyenne seufzte genervt. Warum konnten die Leute das nicht einfach in den Gruppenchat schreiben, anstatt sie die ganze Arbeit machen zu lassen?
Sie schaltete den Bunker wieder ein, weil sie keine Ahnung hatte, wer dieser CrownDown4What war und zu schlau war, sich nicht abzusichern. Ein Link war zwar ein Link, aber im Dark Web konnte er auch alles andere sein.
Sobald sich ihr benutzerdefiniertes Programm vollständig geöffnet hatte, klickte sie auf den Link und lud CrownDown4Whats kleines Geschenk über einen Bit-Torrent herunter – und schon war sie drin. Fünf Sekunden später war die neue Datei getestet und von allem befreit; sie war genauso sauber wie die Datei, die gu@rdi@n104 ihr bezüglich Durg geschickt hatte und sie war genauso klein.
Eine Liste von Namen und Rassen, die nach ›Klasse‹ geordnet waren, nahm eine dreiviertel Seite ein. Einige von ihnen hatten Adressen und bei einigen waren dahinter Berufe aufgeführt. Anscheinend gab es in Jackson Ward insgesamt nur etwa zwanzig andere magische Wesen, nicht nur in der Nordseite. Sie überflog die Liste erneut und klickte zurück auf den Chat.
Shyhand71: Das ist auf jeden Fall hilfreich. Wie lange ist es her, dass diese Liste aktualisiert wurde?
CrownDown4What: Etwa zwanzig Sekunden. Mein System ist ziemlich gründlich.
Shyhand71: Schön. Hast du irgendwelche Tipps, wie ein Anfänger Zugang zu so einem System bekommt?
CrownDown4What: Du musst nicht so tun, als ob du nicht wüsstest, was du tust. Die Art und Weise, wie du meine Fragen beantwortest, beweist genug. Ich wünschte, ich könnte mehr helfen, als nur ab und zu eine Liste zu schicken. Allerdings habe ich das System selbst gebaut. Ich bin nicht darauf aus, Partner hinzuzuziehen.
»Wie überraschend.« Die Halbdrow konnte nicht anders, als ein bisschen beeindruckt zu sein, wenn CrownDown4What die Wahrheit sagte. Sieht so aus, als wäre ich nicht die Einzige, die sich mit fortgeschrittenem Programmieren auskennt.
Shyhand71: Das ergibt Sinn. Ich weiß die Datei trotzdem zu schätzen.
CrownDown4What: Mach dir keine Sorgen. Sag mir Bescheid, wenn du in eine andere Gegend kommst und die gleichen Informationen benötigst. Irgendwann bekommst du den Dreh raus, wie du diese Dinge selbst herausfinden kannst. Wenn du so lange auf der Erde bist wie ich, wirst du richtig gut darin, die Vogelperspektive zu behalten.
Shyhand71: Nur so zum Spaß: Wie lange bist du schon hier?
CrownDown4What: Länger als die Vereinbarung existiert. Viel mehr kann ich dazu nicht sagen.
Shyhand71: Okay. Ich melde mich wieder.
CrownDown4What: Klingt gut.
Cheyenne lehnte sich in ihrem Bürostuhl zurück und las ihr Gespräch noch einmal durch. Länger als die Vereinbarung, hm? Also, bevor ich geboren wurde und bevor die FRoE angefangen hat, ihre eigenen Listen zu erstellen. Wer ist dieser Typ?
Das machte sie neugierig, aber im Moment stand es nicht im Vordergrund. Sie hatte die Informationen, die sie über Durgs Nachbarschaft wollte und sie hatte etwas Zeit totzuschlagen, dank ihres neuen Freundes aus dem Borderlands-Forum. Erst mal keine blöden Schnitzeljagden. Ich mag diesen Typen.
Sie benötigte eine weitere Viertelstunde, um die Adressen auf der Liste mit dem Gebiet von Jackson Ward abzugleichen, in dem Durg lebte. Es gab noch andere Orks in der Gegend und alle waren mindestens vier Blocks vom Haus ihrer Zielperson entfernt. Diejenigen mit aufgelisteten Jobs arbeiteten meist auf der anderen Seite von Richmond. Wenn sie sichergehen wollte, dass die meisten von ihnen nicht im Weg waren, würde sie bis morgen warten, die Uni schwänzen und den Bastard mitten am Tag aufsuchen.
Cheyenne rieb sich die Stirn und warf einen Blick auf ihren Rucksack, der auf dem Boden neben der halbhohen Wand des Küchentresens lag. Ich kann nicht ständig schwänzen. Die meisten Leute sind an einem Sonntagabend sowieso zu Hause.
Vor allem der Ork, dem sie heimzahlen wollte, was er Ember angetan hatte.