E ine halbe Stunde später parkten sie auf einem öffentlichen Parkplatz in Union Hill. Vier Türen öffneten und schlossen sich und ließen vier menschlich aussehende magische Wesen heraus. Tate stupste Cheyenne am Arm an und riss sein Kinn hoch. »Es muss ziemlich schön sein, einfach in diesen Look rein- und rauszuschlüpfen zu können, wann immer du willst.«
Die Halbdrow breitete die Arme aus und schaute auf ihre Kleidung hinunter. »Das Gothding?«
»Ha, ha. Sehr witzig.«
Sie lächelte amüsiert und folgte den FRoE-Agenten in Richtung der Parkuhr auf dem Parkplatz. Bhandi tippte das Nummernschild ein und stieß dann einen Seufzer aus. »Scheiße. Hat jemand einen Dollar?«
»Du warst so darauf fokussiert, schnell zu fahren, dass du vergessen hast, Bargeld mitzubringen.« Yurik verschränkte die Arme. »Am Ende muss ich auch noch für alle deine Getränke bezahlen, was?«
Die Trollfrau – momentan eine Brünette mit haselnussbraunen Augen und Sommersprossen – schenkte ihm ein schelmisches Lächeln und klimperte mit den Wimpern. »Das wäre so schön.«
Yurik schaute sie mit einem skeptischen Gesichtsausdruck an, wobei er die Stirn runzelte und die Lippen spitzte. »Okay, jetzt gehst du zu weit.«
»Hier, nimm einfach meine Karte.« Cheyenne steckte ihre Hand in ihre Jackentasche.
»Nö. Heute geht auf uns, Halbdrow.« Tate stupste sie wieder an und zog eine braune Ledergeldbörse aus der Gesäßtasche seiner Jeans. In den menschlichen Händen des Kerls mit den schmutzig-blonden Haaren, der fast genauso groß war wie Cheyenne, sah sie ganz normal aus. Er holte eine Debitkarte heraus und reichte sie Bhandi. »Und ich meine alles. «
»Ihr müsst das nicht tun …«
»Oh, doch , das müssen wir.« Bhandi bezahlte den Parkplatz, drückte Tate die Karte wieder in die Hand und ging auf die Ladenzeile vor ihnen zu. »Versuch heute Abend nicht, auf bescheiden zu tun. Oh, Scheiße.« Der Troll mit der brünetten Maske schaute über seine Schulter und sah Cheyenne stirnrunzelnd an. »Wie heißt du eigentlich?«
Die Halbdrow schluckte, als die Anderen sie ansahen. Ich konnte wohl nicht ewig so weitermachen. »Cheyenne.«
»Cheyenne«, wiederholte Yurik, lächelte und nickte, während sie wieder über die Straße gingen. »Ich dachte eher an Beatrix. Oder Rowena.«
Bhandi und Cheyenne brachen in Gelächter aus. Die andere Frau schubste ihn weg und schüttelte den Kopf. »Du bist ein Idiot, Yurik. Was sind das denn für Namen?«
»Hey, ich kann nichts dafür, was mir in den Kopf kommt.«
Tate sah die Halbdrow stirnrunzelnd an. »Wie die Stadt in Wyoming?«
Sie verdrehte die Augen. »Gleiche Schreibweise und alles. Nein, ich bin in Virginia geboren und aufgewachsen.«
Der Troll mit blondem Haar und blauen, menschlichen Augen kicherte. »Das klingt, als hättest du viel Übung mit dieser Antwort.«
»Du hast ja keine Ahnung.«
Sie hielten vor einem Froyo-Laden, an dessen Schaufenster ein Schild mit der Aufschrift ›Geöffnet‹ hing und an dessen Tischen Gäste saßen. Tate öffnete die Tür und hielt sie für alle auf. Die Agenten traten ein und Cheyenne folgte ihnen, dann starrte sie auf das Innere des Ladens. »Das ist nicht das, was ich erwartet habe.«
Bhandi schenkte der Halbdrow ein breites Lächeln und wackelte mit den Augenbrauen. »Das ist noch gar nichts, Cheyenne. Warte nur ab.«
Sie gingen nach hinten zum Tresen, wo ihnen ein Mann mittleren Alters in einer braunen Tweedjacke zunickte.
»Was geht ab, Tony?«, rief Yurik. »Hattest du eine gute Nacht?«
»Wenn du es als gute Nacht bezeichnest, hier zwölf Stunden lang an sechs Tagen in der Woche Wachhund zu spielen, dann ja. Ich habe viel Spaß dabei.«
»Tut mir leid, dass ich gefragt habe.« Yurik hob entschuldigend beide Hände und ging an der Theke vorbei in den hinteren Teil des Ladens.
Tate klopfte mit den Fingerknöcheln auf den Tresen. »Sollen wir dir etwas bringen, Großer?«
»Ja, gib mir eine Gehaltserhöhung, ja?«
Der blonde Troll schoss Tony mit zwei Fingerpistolen zu und zwinkerte. »Ich werde meine Augen danach offen halten.«
»Ich wette, das wirst du.«
Bhandi erreichte die Tür im hinteren Teil des Ladens als Erste und riss sie mit einem Ruck auf. Sie hielt sie für die anderen auf und bedeutete ihren Begleitern, sich zu beeilen. Auf dem Zettel, der an die Holztür geklebt war, stand in großen, roten Buchstaben: ›Nur für Mitarbeiter. Zutritt verboten.‹
Cheyenne warf einen Blick auf Tate und zeigte auf die Tür. »Ich schätze, das gilt nicht für uns, hm?«
»Selbst wenn es so wäre, willst du diejenige sein, die Bhandi sagt, dass sie da nicht reingehen kann?«
»Gutes Argument.«
Sie sah aus wie eine Tür zu einem Lagerraum oder vielleicht zu einem Büro, aber es war keines von beidem. Cheyenne betrat den winzigen Raum mit den FRoE-Agenten und die Tür schloss sich mit einem Klicken hinter ihnen. Dann schlossen sich vor ihnen zwei Metalltüren, die das gleiche gebürstete Silber wie der Boden und die Wände hatten und sich in der Mitte trafen. Die Halbdrow öffnete den Mund und hielt inne, bevor ihr die Frage doch herausplatzte: »Sind wir gerade in einen Aufzug gegangen?«
Yurik schob seine Unterlippe vor und nickte. »Ja. Ich würde sagen, das fasst es ziemlich gut zusammen.«
»Das ist nicht irgendein Aufzug.« Bhandi klopfte auf die Metallwand, als der Kasten um sie herum ruckelte und sich nach unten bewegte. »Cheyenne, das ist der Aufzug zum besten Basar diesseits der Grenze.«
»Oh, klar«, spottete Yurik. »Als ob du irgendetwas hättest, mit dem du es vergleichen könntest.«
»Hey, ich habe die Geschichten gehört. Ich bin nicht die erste Person, die ihn in den höchsten Tönen lobt.«
»Du verbringst zu viel Zeit damit, diesen alten Bauern zuzuhören, die etwas von ›früher‹ faseln.« Yurik verzog das Gesicht und Tate lehnte sich kichernd gegen die Wand des Aufzugs.
»Glaubst du, dass sie auf der anderen Seite Schweine haben? Wirklich?« Bhandi schaute den muskulösen Kobold an, der wie ein Typ der 1970er-Jahre gekleidet war und schüttelte den Kopf. »Halt dein Maul, bevor ich dir das blöde Metallstück aus dem Gesicht reiße.«
Yurik warf ihr einen verletzten, beleidigten Blick zu, seine Augen weiteten sich und er hob seine menschlich aussehende Hand zu dem viel kleineren Ring durch seine menschlich aussehende Nasenscheidewand. »Das ist kein blödes Metallstück.«
»Denkst du.« Bhandi presste die Lippen zusammen, um ein Lachen zu unterdrücken und drehte den schwarzen Ring an ihrem Zeigefinger, bevor sie ihn abzog. Die Luft flimmerte vor ihr und dann hatte sie wieder komplett violette Haut und scharlachrote Zöpfe. Sie rollte die Schultern zurück und neigte den Kopf hin und her. »Oh, Mann. Viel besser.«
»Ich bitte dich.« Yurik grunzte und mühte sich ab, seinen Ring abzunehmen, während Tate seinen sauber von seinem kleinen Finger abstreifte und ihn in seine Vordertasche steckte. »Du kannst einen Illusionszauber nicht spüren.«
»Aber ich kann mich besser fühlen , wenn ich weiß, dass ich besser aussehe .« Bhandi steckte ebenfalls ihren Ring ein. »Du könntest das verstehen, wenn du dir die Mühe machen würdest, dir neue Kleidung zu kaufen. Zum Beispiel welche aus diesem Jahrhundert.«
Der schwarze Ring löste sich schließlich von Yuriks Daumen und dann hellte sich sein dunkles Haar auf und verwandelte sich in den Streifen eines gelben Zopfes auf seinem blaugrünen Kopf. Der Ring in seiner Nase vergrößerte sich um mehr als das Dreifache und auch er steckte seinen Fingerring ein. »Ich bin mit der Wahl meiner Kleidung sehr zufrieden, vielen Dank. Seit wann scherst du dich um Mode?«
Bhandi zuckte mit den Schultern. »Tu ich nicht. Aber es ist mir scheißegal, ob ich dir auf den Sack gehe.«
Cheyenne warf einen Blick an die Decke des Aufzugs und tastete mit ihren Augen alle vier Wände ab, ohne einen einzigen Knopf oder einen der kleinen Bildschirme zu sehen, die anzeigten, in welchem Stockwerk sie sich befanden. »Wie weit fahren wir nach unten?«
Tate schnalzte mit der Zunge. »Weit genug. Außerdem ist das Ding echt langsam.«
»Das muss an den ganzen Schutzwällen liegen, oder?« Yurik seufzte und verschränkte seine Finger, die er ausstreckte, um seine Knöchel zu knacken. »Es kommt mir vor, als wären wir schon seit Wochen nicht mehr hier unten gewesen.«
Bhandi verschränkte die Arme. »Hm. Vielleicht liegt es daran, dass wir seit Wochen nicht mehr hier unten waren.«
»Hey.« Tate stupste Cheyenne wieder mit dem Handrücken an. »Du hast keine Maske zum Abnehmen, aber du solltest … du weißt schon.«
Der Troll deutete auf sein Gesicht und zuckte mit den Schultern.
»Ja, dafür solltest du besser wie eine Drow aussehen, Cheyenne«, fügte Bhandi hinzu. »Ich bin mir nicht sicher, ob irgendjemand hier unten weiß, was er mit einem menschlich aussehenden Mädchen anfangen soll. Selbst mit einem Gothmädchen.«
Yurik beugte sich zu der Halbdrow. »Vor allem, weil Halbwesen eigentlich, na ja …«
»Ein Mythos sind?« Cheyenne legte ihren Kopf schief.
»Hör sie dir an.« Yurik zeigte auf sie und nickte. »Du weißt schon einiges. Das muss ich dir lassen.«
»Nun, ich bin nicht von gestern.«
Tate lachte und nickte mit dem Kopf. »Verglichen mit uns, Halbdrow, doch, irgendwie bist du das.«
Cheyenne ignorierte den Seitenhieb, holte tief Luft und ließ die Hitze ihrer Drowmagie von der Basis ihrer Wirbelsäule aufflammen. Ihre Haut verdunkelte sich, ihr Haar wurde knochenweiß und sie stand mit den anderen magischen Wesen – FRoE-Agenten, aber immer noch magisch – da und sah aus wie eine echte Drow.
»Ja, das ist schon besser.« Yurik grinste.
Bhandi starrte auf die Haare der Halbdrow und schüttelte langsam den Kopf. »Ich liebe diese Ohren, Mann.«
Cheyenne lachte. »Ich würde nicht sagen, dass sie meine beste Eigenschaft sind, aber okay. Danke.«
»Was ist denn deine beste Eigenschaft?«, fragte Tate. »Deiner persönlichen Meinung nach.«
Sie starrte ihn an und beschwor eine Kugel aus ihrer schwarzen, knisternden Magie, in deren Zentrum ein violettes Licht funkelte. Der Aufzug füllte sich mit dem Summen des Zaubers, das in einem so kleinen, geschlossenen Raum wirklich laut war. Die Agenten brachen in Gelächter aus, dann kam der Aufzug mit einem quietschenden Ächzen und ruckelnd zum Stehen.
»Okay, steck den Scheiß weg.« Bhandi winkte den Spruch der Halbdrow ab und kicherte wieder. »Wir alle wissen, dass du ein harter Typ bist.«
Tate breitete seine Arme aus. »Hey, das ist ihre beste Eigenschaft.«
Die Aufzugtüren öffneten sich langsam und ließen das erschreckend laute Tuscheln hunderter Stimmen herein, die gleichzeitig sprachen.
Warum habe ich das nicht vorher gehört?
Cheyenne lehnte sich zurück, bevor sich die Türen ganz öffneten und ihre Nasenflügel flatterten. »Uff. Das riecht wie die Wohnung meiner Nachbarn, mal eine Million.«
»Du hast magische Nachbarn, hm?« Bhandi zuckte mit den Schultern. »Ich wette, die essen genau das, was du hier riechst.«
»Das tun sie, ja. Jeden Mittwoch sind sie hier.«
Die dienstfreien Agenten kicherten wieder und verließen schnell den Aufzug. Tate stupste Cheyenne noch einmal an die Schulter, bevor er an ihr vorbeiging. »Das wird dir gefallen.«
Bhandi drehte sich um, breitete die Arme aus und ging mit einem Schmunzeln rückwärts auf den langen, überfüllten Gang zu. »Willkommen in Peridosh, Halbdrow.«