W arte was? Einen Moment mal!« Cheyenne streckte ihre Hand aus und lehnte sich über den Tisch. »Keiner von euch ist über die Grenze gegangen?«
Tate lachte fassungslos. »Machst du Witze? Das wäre wie, ich weiß nicht. Auf der falschen Seite der Straße fahren.«
Bhandi kicherte, während sie ihren Becher an die Lippen hielt und stellte ihn schnell wieder ab. »Das ist der dümmste Vergleich, den ich je gehört habe. Warte. Die von Sir nicht mitgerechnet.«
»Aber ihr seid doch alle, ihr wisst schon …« Cheyenne nahm noch einen langen Schluck schaumigen Grog, um ihre Ahnungslosigkeit zu überspielen. Gibt es dafür überhaupt ein Wort?
»Reinblütige?« Yurik nickte belustigt und sah sie mit einem überlegenen Gesichtsausdruck an. »Echte K-Klasse?«
Tate lachte. »Du bist der einzige Kobold an diesem Tisch, Mann.«
»Genau. Jedenfalls nicht menschlich.« Cheyenne nickte eifrig und ihr Sichtfeld verschwamm. Sie riss die Augen auf und legte eine Hand auf den Tisch, um sich auf dem Stuhl zu stabilisieren.
»Glaubst du, jedes einzelne magische Wesen, das auf der menschlichen Seite lebt, hat die Grenze überquert? So ein Mist.« Bhandi warf ihren Arm über die Stuhllehne und zeigte mit dem Finger auf die Halbdrow, wobei sie hin und her wackelte. »Sag bloß, du hast noch nie ein übernatürliches Wesen getroffen, das in dieser Welt geboren wurde?«
»Doch, habe ich. Eine Freundin von mir ist eine … Fae der vierten Generation hier drüben. Nein, warte. Dritte Generation.« Sie schüttelte den Kopf und warf einen Blick über die Schulter auf die Bar. »Wird hier Wasser serviert?«
»Hast du gerade ›Fae‹ gesagt?« Yuriks gelbe Augen leuchteten in seinem blaugrünen Gesicht. »Echt jetzt?«
»Äh, ja.« Sprich nicht so viel. Lass Ember aus dem Spiel.
»Woah.« Tate rieb sich seinen tätowierten Kopf. »Ich wusste nicht, dass es noch welche gibt.«
»Außer denen, die es auf die menschliche Seite geschafft haben und immer wieder kleine Faebabys bekommen.« Bhandi schüttelte sich und rümpfte die Nase.
»Du solltest sie uns vorstellen, Cheyenne.« Yurik nickte und wedelte mit dem Finger in ihrem Gesicht herum. »Eine Fae im Team zu haben, könnte nützlich sein.«
»Das wird nicht passieren.« Die Halbdrow beugte sich zu ihm und sah ihn mit festem Blick an. Ja, das hat mich sofort nüchtern gemacht. »Nein.«
»Okay, okay. Ich habe die Schwachstelle der Drow gefunden. Tut mir leid.« Yurik lehnte sich in seinem Stuhl zurück und kicherte.
»Wir holen uns keine magischen Wesen von der anderen Seite«, fügte Tate hinzu. »Ich meine, wir bringen die ganze Zeit welche her.«
»Ja, in Handschellen.« Bhandi lachte und nahm noch einen langen Schluck.
»Nur nicht in die Mannschaft. Weißt du?« Tate nickte der Halbdrow verschwörerisch zu.
»Ist dieses Wort hier auch verboten?«, fragte Cheyenne und schaute von einem der dienstfreien Agenten, der die FRoE nicht erwähnen wollte, zum nächsten.
»Nicht, wenn wir uns den Weg hieraus erkämpfen wollen.« Bhandi schwenkte ihren Becher hin und her und schüttete noch mehr Grog auf den Tisch. »Genauso geheimnisvoll wie du, wenn du so rumläufst, anstatt das H-Wort zu sagen.«
Cheyenne runzelte belustigt die Stirn. »Humanoid?«
»Nein. Das andere.«
»Oh. Verstehe.«
»Die magischen Wesen, die von der anderen Seite kommen, bringen ihre Erwartungen mit, wenn sie über die Grenze kommen«, fügte Yurik hinzu. »Ich habe gehört, dass die Oberen versucht haben, einige aus dem Gebiet zu holen und ihnen Waffen in die Hand zu geben, aber das hat offenbar Probleme verursacht.«
Tate nickte. »Jetzt ziehen sie also aus dem Pool von uns, die noch nie einen Fuß aus diesem irdischen Reich der Menschen gesetzt haben.«
»Bist du jetzt etwa ein Orakel?« Bhandi lachte und lehnte sich über den Tisch. »Wer sagt das? Irdisches Reich der Menschen.«
»Genau das ist es aber«, entgegnete Tate. »Und du würdest ein Orakel nicht erkennen, wenn es dir deine kleine Eskapade vom letzten Monat bis ins kleinste Detail erzählen würde.«
»Hey.« Bhandi knallte ihren Ellbogen auf den Tisch und zeigte dem anderen Troll den Mittelfinger. »Unausgesprochener Pakt, Mann. Was in Peridosh passiert, bleibt in Peridosh.«
»Hm.« Tate drehte sich um und blickte auf die Bar und die restlichen Tische, die sich in der letzten Stunde gefüllt hatten. »Sind wir irgendwo anders?«
Cheyenne nahm einen kleinen Schluck Fellwein und spürte, wie sich ein Kribbeln auf ihren Schultern ausbreitete. Ja, ich glaube, damit bin ich fertig. Stattdessen griff sie nach dem Becher mit Grog. »Was ist letzten Monat passiert?«
Yurik brach in Gelächter aus und lehnte sich so weit zurück, dass die Vorderbeine seines Stuhls den Boden verließen. Er warf sich wieder nach vorne und griff nach dem Tisch. »Scheiße.«
»Nein.« Bhandi sah die beiden anderen Agenten eindringlich an. »Keiner sagt ein verdammtes Wort.«
Tate zwinkerte Cheyenne zu. »Das erzählen wir dir später.«
»Du kleiner …« Bhandi stürzte sich über den Tisch und schleuderte einen Ball aus aufgewühlter, roter Magie in Richtung des Kopfes des anderen Trolls. Sie verfehlte ihn um mindestens einen Meter und der Zauber prallte gegen die Wand im hinteren Teil der Taverne.
»Hey!« Ogsa schlug mit der Faust auf die Theke und zeigte dann auf ihre Gruppe. »Wir hatten eine Abmachung, Bhandi. Zwing mich nicht, dich rauszuwerfen. Ich will nicht , dass sich das vom letzten Monat wiederholt.«
»Alles cool!« Bhandi hob beide Hände neben ihren Kopf und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Kein Problem, hier drüben, Ogsa.«
»Ich beobachte dich, Blankarsch-Bhandi.«
Yurik und Tate drehten bei den Worten komplett durch und brachen in schallendes Gelächter aus. Bhandi lehnte sich schwungvoll gegen die Lehne ihres Stuhls und verschränkte die Arme. Eines ihrer scharlachroten Augen zuckte, als sie die beiden anfunkelte. »Das ist nicht einmal ein bisschen lustig.«
Cheyenne versuchte, ihr Schmunzeln zu unterdrücken. »Hast du wirklich …?«
»Das reicht – auch von dir.« Bhandi zeigte auf sie und warf ihr einen warnenden Blick von der Seite zu. »Ich mag dich, Gothdrow. Aber nicht so sehr.«
Achselzuckend trank Cheyenne ihren Grog weiter, während der Fellwein halb voll in dem stehengelassenen Kupferbecher schwamm. Während die anderen Agenten sich wieder unter Kontrolle brachten, spürte die Halbdrow erneut ein Kribbeln auf ihren Schultern. Sie warf einen Blick in den Becher. Hätte nicht gedacht, dass ich so viel getrunken habe.
»Hey.« Tates übermütiges Lächeln verblasste und er nickte in Richtung der anderen Seite der Taverne. »Schaut nicht hin, aber ich glaube, da hat jemand ein Problem.«
Bhandi drehte sich sofort auf ihrem Stuhl zur Seite und warf einen Blick auf die anderen Gäste.
»Verdammt, Bhandi, ich habe gesagt, du sollst nicht hinschauen.«
»Nein.« Sie winkte ab und drehte sich zurück, um ihren Ellbogen auf den Tisch zu stützen. »Du bildest dir Dinge ein.«
Das Kribbeln auf Cheyennes Schultern wurde stärker und kroch hin und her. Das ist es, was ich spüre.
»Ich glaube nicht, dass sich jemand für dich interessiert, Bhandi.« Yurik warf der Halbdrow einen verstohlenen Blick über die Schulter zu, bevor er sein Gesicht in Richtung seines Bechers neigte. »Sie beobachten Cheyenne.«
»Was?« Bhandi starrte nun die Halbdrow an und stupste ihre neue Freundin an die Schulter. »Beeindruckend. Du hast doch gar nichts gemacht.«
»Hast du in letzter Zeit jemanden verärgert?«, fragte Tate.
Cheyenne sah ihn an und lockerte ihren Griff um den Becher. »Meinst du das ernst?«
Der tätowierte Troll nickte.
»Ja, die Liste ist ziemlich lang. Aber ich war noch nie hier, also weiß ich nicht, warum …« Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass mich magische Wesen aufgespürt haben.
»Warum was?« Bhandi wedelte mit einer Hand vor dem Gesicht der Halbdrow. »Erde an Cheyenne. Du kannst den Satz nicht nicht zu Ende bringen.«
Die Halbdrow sah die Agenten an und zuckte mit den Schultern. »Ist egal.«
»Vielleicht aber auch nicht, wenn die Kerle sich entscheiden, noch einen Zahn zuzulegen.« Yurik senkte sein Kinn und starrte denjenigen, der es war, direkt an. »Bis jetzt ist es nur der Todesblick.«
»Ja, aber der hat noch nie jemanden getötet.« Cheyenne schaute auf ihren Grog und ließ den Becher vollständig los. Jetzt bin ich völlig nüchtern. Denke ich.
»Das wäre möglich, wenn einer von ihnen ein Raug wäre.«
Cheyenne verschluckte sich vor Überraschung. »Was?«
»Oh, ja.« Auch Tate hatte sich Yurik angeschlossen und starrte ihren mysteriösen Beobachter mit einem bösen Blick an. »Ein Raug kann dich zu Boden bringen, wenn er dich nur richtig anschaut.«
Die Halbdrow murmelte: »Das wäre gut zu wissen gewesen.«
»Was, bevor du mit einem Raug zu Abend gegessen hast, hm?« Bhandi lachte glucksend. »Der war gut.«
»Nein, ich habe nicht mit ihm zu Abend gegessen. Aber er hat einen Haufen … Zweige gegessen?« Cheyenne rümpfte die Nase, schüttelte den Kopf und versuchte, das warnende Kribbeln in ihren Schultern abzuschütteln.
»Echt jetzt?« Bhandi beugte sich zu ihr hinüber und die Grogdämpfe, die von ihr ausgingen, waren fast so stark wie die des Fellweins. »Du hast mit einem Raug rumgehangen?«
»Ja, der zufällig ein Orakel ist.« Cheyenne starrte auf den Tisch. Na toll. Das Kribbeln wird stärker und ich fange an, Dinge auszuplaudern.
»Ohne Scheiß? Hey.« Bhandi schlug auf den Tisch. »Habt ihr das gehört?«
»Nicht jetzt, Bhandi.« Tate verengte seine Augen und seine Stimme wurde zu einem warnenden Knurren.
»Ein verdammter Raug . Ihr zwei Dummköpfe glaubt nicht, dass das …«
»Halt die Klappe«, zischte Yurik.
»Die Trollfrau drehte sich um, um hinter Cheyenne zu schauen, und seufzte. »Scheiße.«
Ein Schatten fiel über Cheyenne und den Großteil des Tisches. Die Halbdrow drehte sich nicht um, aber ihre Fäuste ballten sich in ihrem Schoß.
»Schön, dich hier zu sehen, mór úcare .«
Ich kenne die Stimme nicht. Aber den Namen habe ich auf jeden Fall schon mal gehört.
»Privater Tisch, Arschloch.« Tate starrte das magische Wesen an, das hinter Cheyenne stand und ballte seine Faust fester um seinen Becher.
»Ich habe nicht mit dir geredet.« Es kam als langsames, grollendes Knurren heraus. »Ich bin wegen der Drow hier.«
»Heute Abend bist du das nicht.« Yurik deutete auf die andere Seite der Bar und seine gelben Augen blitzten im Licht der Deckenlampe. »Geh zurück zu deinen Kumpels und beende den Abend mit guten Entscheidungen. Zum Teufel, trink noch eine Runde auf meine Kosten und dann ist gut.«
Das bedrohliche magische Wesen hinter Cheyenne lehnte sich nah genug an sie heran, dass sie seinen Atem in ihrem Nacken spüren konnte. »Ich spreche mit dir, mór úcare . Zeig doch wenigstens ein paar Manieren, hm?«
Sie starrte auf die Wand zwischen Tate und Yurik. »Vielleicht, wenn du dir erst die Zähne putzt. Ich schätze, niemand hat dir gesagt, dass das auf der menschlichen Seite eine Art Priorität ist. Selbst, wenn du jemandem im Nacken sitzt.«
»Du redest ganz schön viel Scheiße für jemanden, der sich nicht umdrehen und mir ins Gesicht sehen will.«
Langsam hob die Halbdrow ihre Hände und legte sie auf den Tisch. Yurik legte den Kopf schief, während die anderen Agenten auf das Arschloch hinter ihr starrten. »Geht es dir gut?«
»Ich habe gerade Fellwein getrunken, Mann. Mir geht’s hervorragend.«