H ey, Yurik.« Cheyenne griff nach der Lehne des Fahrersitzes und beugte sich vor. »Kannst du mich an dem Einkaufszentrum von heute Morgen absetzen?«
»Das im Umbau?«
»Ja. Da steht mein Auto.«
»Komm schon, Cheyenne.« Bhandi winkte betrunken mit der Hand. »Wenn wir zur Basis zurückkehren, zücke ich die Karten. Ich habe eine Glückssträhne gegen Kinzuro und ich werde ihm alles nehmen, was er hat.«
Tate schnaubte. »Was hat der Typ dir getan?«
»Gar nichts. Er verliert einfach und kommt immer wieder zurück. Hey, Cheyenne. Kannst du gut pokern?«
»Ich weiß es nicht.«
»Was ? Eine Gothdrow sprengt einem Oger die Hand, aber sie spielt nicht Poker?« Bhandi hob ihren Kopf nicht vom Fenster, aber ihre Stimme wurde lauter. »Bist du sicher, dass du auf dieser Seite geboren wurdest?«
»Nicht jeder auf dieser Seite pokert.« Die Halbdrow lehnte sich in ihrem Sitz zurück und starrte nachdenklich aus dem Fenster.
»Für jemanden, der noch nie gespielt hat, hast du ein verdammt gutes Pokerface.« Tate kicherte.
»Bist du nun dabei oder nicht?«, fragte Bhandi.
»Nein, danke. Ich mache Schluss für heute.«
»Vor acht Uhr dreißig?«
Yurik schlug Bhandi mit einem Handrücken gegen den Arm. »Mach mal halblang, ja?«
»Was, willst du auch zurück auf die Basis und dein Kissen umarmen?«
»Vielleicht. Klingt besser, als hier zu sitzen und zuzusehen, wie du nüchtern wirst.«
»Das wird nicht passieren, Yurik. Ich habe genügend Grog getrunken, um die ganze Nacht durchzuhalten.«
Tate schnaubte. »Du hast genug getrunken, um die ganze Woche durchzuhalten.«
Bhandi seufzte, sagte aber nichts weiter und im Auto herrschte wieder Stille.
Zehn Minuten später lenkte Yurik den Range Rover auf den Parkplatz des Einkaufszentrums und parkte einige Plätze von Cheyennes Ford Focus entfernt.
»Das ist dein Auto?«, fragte Bhandi.
»Ja.« Die Halbdrow schnallte sich ab.
Die Trollfrau lachte. »Ist schon mal jemandem aufgefallen, dass Leute so aussehen wie ihre Autos?«
»Das ist bei Hunden so, Grog-Hirn.« Tate schüttelte den Kopf.
Cheyenne lachte leise und fasste nach dem Griff der hinteren Beifahrertür. »Inwiefern sehe ich aus wie mein Auto?«
»Du bist ganz schön grob, Gothdrow.« Mit einem Grunzen nahm Bhandi ihren Kopf vom Beifahrerfenster und drehte sich mühsam um, damit sie die Halbdrow anlachen konnte. »Aber du erledigst den verdammten Job, nicht wahr?«
»Sieht so aus. Du wirst doch nicht versuchen, mich zu umarmen, oder?«
Die Agenten lachten und Bhandi sackte wieder in ihren Sitz. »Es ist so schwer, dich nicht zu mögen.«
»Danke fürs Mitnehmen.« Cheyenne klopfte auf die Rückenlehne von Yuriks Sitz. »Und für den Fellwein. Den habe ich gebraucht.«
»Ha. Ja, das geht auf mich, jederzeit.«
»Oh, klar, sie bekommt einen Freifahrtschein.«
»Bhandi, wenn du ein Leben lang kostenlose Getränke hättest, weiß ich nicht, was zuerst passieren würde – dass du jeden einzelnen Tropfen auf dieser Seite der Grenze trinkst oder dass du bei dem Versuch, genau das zu tun, tot umfällst.«
»Hey, warum sich für eines entscheiden? Wenn ich so ein Ziel erreichen würde, würde ich glücklich sterben.«
Cheyenne schüttelte den Kopf, während sie leise lachte und die Tür aufstieß. Dann stieg sie aus dem Range Rover. »Habt eine gute Nacht, Leute.«
»Fahr vorsichtig, Cheyenne.« Tate hob seine Hand zum Abschied. »Wir sehen uns.«
»Ja.« Sie schloss die Tür und ging zu ihrem Auto, als der schwarze FRoE-Wagen über den Parkplatz wegfuhr. Als sie sich auf den Fahrersitz setzte und ihre Schlüssel in das Zündschloss steckte, ließ sie ihren Kopf gegen die Kopfstütze fallen. »Verrückt.«
Dann verdrängte sie den Gedanken und machte sich auf den Weg zurück zu ihrer Wohnung. Ein kurzer Blick auf die Uhr am Armaturenbrett ließ sie seufzen. Es ist erst acht Uhr dreißig. Genug Zeit, um Arbeit zu erledigen.
* * *
Der Pizzakarton von Mellow Mushroom in ihrer Hand ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen und ihr Magen knurrte, als sie den Flur entlang zu ihrer Wohnung ging. Ihre Schlüssel klirrten in ihrer Hand, bevor sie die Haustür aufschloss, dann trat sie ein und erstarrte. »Nicht schon wieder.«
Die Rätselkiste hatte sich ein weiteres Mal aus ihrem Rucksack befreit und schwebte vor ihr in der Luft. Cheyenne trat die Tür hinter sich zu und ließ ihre Schlüssel und die Pizza auf den Küchentresen neben dem Korb mit der von Trollen gefertigten Unterwäsche fallen. Ihre Schuhe fielen polternd gegen die Tür, als sie sie abstreifte, dann öffnete sie den Pizzakarton und zog das erste große, fettige Stück heraus. »So kann man einen Tag beenden, wie … au!«
Die Pizza fiel ihr aus der Hand und sie drehte sich zu der leuchtenden, schwebenden Puzzleschachtel. Sie vibrierte in der Luft und das leise Brummen wurde immer lauter. Cheyenne schaute darauf und verrenkte ihren Arm so, dass sie die schmerzende Stelle am Rücken reiben konnte. Wahrscheinlich ist das nur noch vom Kampf.
Sie schüttelte den Kopf und wollte sich wieder umdrehen, aber plötzlich schoss die Drow-Vermächtnisbox einen Pfeil aus goldener Magie ab – diesmal auf ihre Schulter. Die Halbdrow zuckte zusammen und zischte: »Ernsthaft?«
Die Kiste fing an, sich zu drehen und alle Teile außer dem, das sie arretiert hatte, wirbelten in alle Richtungen. Als die Kiste zwei weitere winzige, magische Angriffe auf sie abfeuerte, entlud sich die Hitze ihrer Drowmagie in Cheyennes Körper und sie duckte sich zur Seite. Die goldenen Pfeile hinterließen verkohlte Löcher in der Theke.
Sie ging zurück ins Wohnzimmer und die schwebende Kiste folgte ihr. »Das ist nicht meine Vorstellung von …«
Eine weitere goldene Explosion schoss auf sie zu und Cheyenne hob ihre Hand. Der schwarze Schild erschien, kurz bevor der Angriff der Vermächtnisbox mit einem metallischen Klingeln abprallte. Sie legte den Kopf schief und lächelte stolz. Das wird ja immer einfacher.
Dann sprühte ein Hagelschauer aus goldenen Funken aus dem wirbelnden, brummenden Kupferkasten. Die Halbdrow duckte sich und rannte durch ihr winziges Wohnzimmer, während die Angriffe wie eine Maschine die Rückwand des Flurs und des Badezimmers trafen.
»Hör auf damit!« Sie brachte einen weiteren Schild von der Länge ihres Körpers vor sich hoch und die goldenen Angriffe prallten an dem durchscheinenden, schwarzen Zauber ab. Verkohlte Löcher erschienen in dem verfilzten Teppich, den Wänden und der Decke. Die Halbdrow warf einen weiteren Schild vor Glen, knurrte dann die Vermächtniskiste an und hob beide Hände. »Ich sagte, du sollst aufhören!«
Das schwarze Licht eines weiteren Schildes entstand um die Kiste herum und erfüllte ihre Wohnung mit hellen Funken und gedämpftem, goldenem Licht. Die Box wirbelte weiter umher und magische Pfeile sprühten auf den Schild, der sie umgab. Die Angriffe prallten ab und das Ding gab endlich auf. Die Kiste schwebte also bewegungslos in ihrem Schild. Dann verschwand der Schild und eine weitere Ebene mit geätzten Runen glitt langsam und mit leisem Klicken an ihren Platz, bevor sie neben der ersten einrastete. Die beiden verschlossenen Ebenen leuchteten von innen auf, dann fiel die Rätselkiste mit einem dumpfen Knall auf den Boden.
Cheyenne beäugte das Ding und ging langsam über den Teppich. »Bist du fertig?«
Die Kiste antwortete, indem sie … wie eine Kiste auf dem Boden lag.
Die Halbdrow winkte ihren Schild und den, den sie zum Schutz von Glen hochgezogen hatte, herunter und hob die Box auf. Das Metall war kühl in ihren Händen. Sie drehte sie um und lächelte erstaunt. Sieht so aus, als würde ich diese dummen Drowprozesse doch noch in den Griff bekommen.
Sie nahm die Kiste mit zum Küchentresen und legte sie in den Korb mit den bunten Trollgeschenken, bevor sie sich ihre Pizza wieder schnappte. Beim ersten Bissen schloss sie die Augen und seufzte, während sie kaute. Fellwein, Schlägereien und Fast Food. Ich glaube, ich habe gerade die Dreifaltigkeit gefunden.
Cheyenne stand an der Küchentheke und verschlang das erste Stück, nahm das zweite und schnappte sich eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und ihren letzten sauberen Teller, bevor sie zu ihrem Bürostuhl ging. Sie schaltete Glen und den Monitor ein und trank einen halben Schluck Wasser, während sie wartete.
Als sie sich in das Darknet einloggte und sich in das Borderlands-Forum klickte, fühlte sie sich fast so gut, als hätte sie einen weiteren von diesen widerlichen Energieriegeln gegessen. Die Halbdrow zog ihren Stuhl an den Schreibtisch und atmete scharf ein. »Au.«
Sie rieb sich den unteren Rücken, der viel mehr schmerzte als ihre Rippen, die sie sich wahrscheinlich geprellt hatte. Die ganze Magie und die Tatsache, von einem Ork zerquetscht und von einem Troll geschlagen worden zu sein, schmerzen am meisten. Ihre Hand bewegte sich zur unteren Schublade ihres Schreibtisches, aber sie hielt inne und schüttelte den Kopf. Matties Heilrezepte können warten.
Als sie wieder auf das Borderlands-Forum schaute und die ersten fünf Beiträge auf ihrem Monitor sah, weiteten sich ihre Augen. Woah. Die Borderlands sind gerade explodiert.