A ufregung überkam die Halbdrow. Hak nach. Aber vorsichtig. »Wie kann ich sie finden?«
»Nun, ich nehme an, du hast sie schon ein- oder zweimal gesehen. Deshalb regt dich die ganze Sache auch so auf, oder? Du weißt, dass du die Antwort hast, aber sie entgleitet dir immer wieder, nicht wahr?« L’zar zeigte mit einem seiner langen Finger auf seine Tochter und sah sie interessiert durch die Gitterstäbe an.
Woher sollte ich das schon wissen? Ich habe keine Ahnung, wo ich anfangen soll. Cheyenne zwang sich, den Blick nicht von dem Drowgefangenen abzuwenden und wurde von Sekunde zu Sekunde gereizter. »Ich habe das Gefühl, dass du mir gleich sagen wirst, wie ich sie finden kann.«
Kichernd schnupperte L’zar an der Luft, dann trat er von den Gitterstäben weg und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. »Weißt du, es ist unglaublich schwer, den Geruch von Ogerblut und Fellwein vollständig auszuwaschen.«
»Ja, das habe ich bemerkt.«
»Ich wette, du hast noch andere Dinge bemerkt, nicht wahr? Dinge, die diese Menschen in Helmen unmöglich verstehen können. Vielleicht sogar die anderen magischen Wesen, die von diesen Menschen benutzt werden, um Sachen für sie zu erledigen.«
Cheyenne rümpfte die Nase. Das sind Hinweise. Lies zwischen den Zeilen, so wie Mom es dir beigebracht hat . »Alle von ihnen?«
»Hör dir das an! Du durchsuchst so viele dunkle, enge Stellen. Das gefällt mir.« L’zar zwinkerte der Halbdrow zu und ihr lief ein Schauer über den Rücken. »Ja, Cheyenne. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass sie all die Dinge, die du siehst, nicht kennen. Viele Dinge sind an bestimmten Punkten zwischen dieser Welt und der anderen, die ich nicht mehr mein Zuhause nenne, zusammengeführt worden, so wie du. Selbst dann ist es unvermeidlich, dass die wichtigsten Punkte in der Übersetzung verloren gehen.«
Cheyenne steckte ihre Hände in die Taschen ihrer Jacke und schlenderte an der Außenseite der Gitterstäbe entlang. L’zar beobachtete sie aufmerksam und sein kleines Lächeln kehrte zurück. Alles, was er gerade gesagt hat, bedeutet etwas. Er weiß, dass ich in dieser Taverne in Peridosh war oder zumindest in einer Taverne. Das ist einer dieser Orte, an denen sich beide Welten treffen, genau wie die Reservate.
Sie drehte sich um, um wieder an den Stäben entlangzugehen und sah ihren Vater an. L’zar neigte den Kopf zur anderen Schulter und verengte seine Augen. »Mach weiter. Du hast es fast.«
»Kannst du meine Gedanken lesen?«
Er kicherte. »Ganz und gar nicht. Ich kann es sehen .« Der Drow biss sich auf seine dunkle Zungenspitze und setzte ein Lächeln auf, bevor es wieder verblasste.
»Das ist nicht hilfreich.« Sie blickte wieder auf den Stein und ging weiter über den Boden. Was ist mir aufgefallen?
»Wissen die meisten Leute, wer du bist, Cheyenne? Ich meine nicht, wer deine Eltern sind, ich meine dich .«
»Nicht die meisten Leute, nein.« Sie ging weiter auf und ab.
»Warum nicht? Meinst du nicht, dass sie es gutheißen würden?«
Die Halbdrow zuckte zusammen und erstarrte. »Sag das noch mal.«
»Da ist es.« L’zars goldene Augen leuchteten hinter den Gitterstäben hervor und er beugte sich zu ihr, als wolle er sich auf sie stürzen. »Ich sehe es genau dort, bevor es herauskrabbelt. So nah, dass man fast …«
Die Faust des Drow schlug auf die nächstgelegene Eisenstange, was die Kammer mit einem lauten, metallischen Echo erfüllte. Cheyennes Augen richteten sich auf die Stange der Zelle und L’zar schlug erneut darauf ein. Er schlug in einem langsamen, gleichmäßigen Rhythmus darauf ein und das Geräusch von seiner Faust auf dem Metall hallte durch die weite Kammer des Verlieses, bis es alles andere übertönte.
Der Drowgefangene hob die Augenbrauen und hämmerte weiter, wobei ein kleines, wissendes Lächeln seine Mundwinkel anhob.
Wie die anderen magischen Wesen in der Taverne. Und in Res 38. Was ist mir aufgefallen?
»Jemand hat dich angelogen, Cheyenne«, rief L’zar, während er weiter mit seiner Faust gegen das Eisen schlug. »Würden sie das gutheißen?«
Dann machte es Klick.
»Heilige Scheiße«, flüsterte sie und wirbelte herum, um zurück zur Kabine am anderen Ende des Kerkers zu eilen.
»Und jetzt ist sie wieder im Spiel«, rief L’zar hinter ihr. »Zeig’s ihnen!«
Die Halbdrow wurde schneller, als sie sich der Kabine näherte und klopfte mit der Hand an die Tür. L’zar lachte hinter ihr, während er gegen die Eisenstange schlug.
Die Tür surrte und der Wächter stieß sie auf, um sie einzulassen. »Diesmal kein Safeword, was?«
»Ich habe es nicht gebraucht. Letztes Mal habe ich es auch nicht wirklich gebraucht.« Cheyenne erreichte die gegenüberliegende Tür mit zwei großen Schritten und versuchte, sie aufzustoßen. »Hey, drück schon den Knopf. Wir müssen los.«
»Was zum Teufel sollte das, Neuling?« Rhynehart sah sie an und blickte dann unsicher durch das Fenster auf den Kerker und den verrückten Drow, der eine Art Nervenzusammenbruch zu haben schien.
»Ich weiß, wo ich die Kinder finde.« Der Wachmann öffnete die Tür und Cheyenne schlug dagegen, bevor sie in den schmalen, steinernen Gang trat.
Rhynehart folgte ihr schnell und der Wachmann zog die Tür wieder zu. »Das ist doch Schwachsinn. Der Drow hat nichts über die Kinder gesagt und auch nicht, wer sie entführt hat. Ich habe alles gehört, Mädel. Nur ein Haufen verrücktes Gerede.«
»Ja. So hat es sich angehört, hm?« Die Fahrstuhltüren öffneten sich gerade rechtzeitig, damit sie das Gitter ohne anzuhalten zur Seite schieben und hineinstürmen konnte. Sie machte sich nicht die Mühe, es hinter Rhynehart zu schließen, bevor sich die Fahrstuhltüren schlossen und sie sich in Bewegung setzten.
»Was für ein Spiel spielst du dann, Cheyenne?«
Sie wandte sich dem FRoE-Agenten zu und schüttelte den Kopf. »Kein Spiel. Da bin ich mir sicher.«
Er verschränkte seine Arme und lehnte sich gegen die Wand des Aufzugs. »Dann spuckst du es besser gleich aus.«
Die Halbdrow lachte und fuhr sich mit der Hand durch ihr schwarz gefärbtes Haar. »In der FRoE gibt es einen Maulwurf.«
»Einen was ?«
»Einen Verräter. Spion. Doppelagenten. Was auch immer.«
»Du bist genauso verrückt wie L’zar.«
»Ich bin nicht verrückt!« Mit geballten Fäusten zwang sich Cheyenne zu atmen. Ohne diesen Anhänger würde ich völlig durchdrehen. »Wer war im Torturm auf Res 38, als du mich dorthin gebracht hast? Der Kobold.«
»Verdammt, Neuling, ich kenne nicht von jedem verdammten Agenten den Namen.«
»Nun, das solltest du. Denn das ist der Typ, den wir finden müssen, um die Kinder zu finden.«
»Das ist wirklich lustig.« Rhynehart schaute sie finster an. »Ich werde nicht in meiner eigenen Organisation auf Verbrecherjagd gehen, nur weil du einen Namen aus dem Hut gezaubert hast. Oder ein Gesicht. Wie auch immer.«
»Rhynehart, er ist es.«
»Nö. Tut mir leid. Ohne Beweise kann ich dich nicht beim Wort nehmen. Aus meiner Sicht sieht es so aus, als würdest du einfach wahllos jemanden aussuchen.«
»Nein, du verstehst das nicht.« Die Halbdrow starrte an die Decke des Aufzugs und versuchte, die Frustration zu unterdrücken, die sie überkam. »Okay, ich werde versuchen, es für dich zu erklären. Die FRoE rekrutiert nur magische Wesen, die auf der Erde geboren wurden, richtig?«
Er runzelte die Stirn. »Ja. Solange ich das hier mache, ja.«
»Es gibt einen großen Unterschied zwischen den Leuten, die hier geboren wurden und den Leuten, die die Grenze überquert haben. Klar, sie sind alle magisch, haben dieselben Rassen und wissen, wie die Grenze und die Reservate funktionieren. Aber es gibt viele Dinge, die über die Grenze gebracht wurden, von denen die magischen Wesen, die hier geboren wurden, nichts wissen.«
»Oh, ja? Was zum Beispiel?«
»Wusstest du , was es bedeutet hat, als sie in Res 38 angefangen haben, auf Sachen rumzuhämmern?«
Rhynehart hob sein Kinn und sah sie mit gerunzelter Stirn an, als wäre er tatsächlich beleidigt. »Nein. Und du auch nicht.«
»Ja, aber ich muss nicht wissen, was es bedeutet. Ich muss nur den Unterschied zwischen den magischen Wesen von der anderen Seite und denen kennen, die deine Leute als FRoE-Agenten anheuern.«
»Okay, jetzt hast du mich komplett verloren.«
»Der Kobold im Torturm, Rhynehart! Er ist einer von euch oder zumindest tut er so. Ich war gestern Abend mit Yurik und den anderen unterwegs und dort ist das Gleiche passiert. Ein Haufen magischer Wesen hat angefangen, auf Metallkram zu hämmern und keiner der Agenten wusste, worum es ging. Aber der Kobold in Res 38? Er wusste es ganz sicher.«
Der Aufzug kam zum Stehen und Cheyenne wäre durch die sich langsam öffnenden Türen gestürmt, wenn der Anhänger nicht gewesen wäre. Als sie endlich offen waren, stürmte sie über den Linoleumboden zum Metalldetektor.
»Okay, wie zum Teufel soll das beweisen, dass das unser Mann ist? Vielleicht hat er zu lange im Reservat gelebt, hm? Vielleicht hat er die Geschichten gehört und dachte, er könnte bei einem alten Brauch von der anderen Seite mitmachen.«
»Nun, das ist der andere Teil.« Cheyenne blieb vor dem Metalldetektor stehen, als der nächste Wachmann eine Hand hob.
Er beugte sich zu dem Funkgerät an seiner Schulter. »Donahue, sie sind gerade wieder aufgetaucht. Ja , ich bin mir sicher. Sie stehen direkt vor mir.«
Rhynehart blickte sie verwirrt an und steckte achselzuckend die Hände in die Taschen. »Ich warte immer noch auf den anderen Teil.«
Die Halbdrow rieb sich die Stirn. Es ist eine Sache, etwas zu wissen. Jetzt muss ich es in klare, einfache Worte für den Kerl fassen. »Wer weiß noch von der Baustelle, die wir gestern in die Luft gejagt haben?«
»Nur die von uns, die reingegangen sind. Und Sir.« Der Mann kaute auf seiner Unterlippe. »Niemand sonst musste es wissen.«
»Genau und hast du jemanden dorthin zurückgeschickt, nachdem wir dort abgehauen sind?«
»Nein. Selbst wenn ich das getan hätte, hätte es nichts mehr gegeben, was jemand hätte finden können.«
»Fast nichts. Aber ich …«
Tür 4 surrte und öffnete sich mit einem Klirren, sodass ein wütender Sir herauskam. »Ich habe dich den ganzen Weg hierher gebracht, damit du dich noch einmal mit diesem verdammten Drow zusammensetzen kannst, Halbdrow und wie lange warst du da unten? Zwanzig Minuten? Erzähl mir nicht, dass du L’zar in zwanzig Minuten dazu gebracht hast, wie ein Vogel zu singen.«
»Er hat nicht gesungen«, murmelte Rhynehart.
»Hört mir einfach zu !« Die Halbdrow sah die beiden Männer eindringlich an und obwohl der Anhänger ihre Fähigkeit, in den Drowmodus zu schlüpfen, dämpfte, hielten Sir und Rhynehart den Mund und hörten zu. »Ich habe gestern einen Wichtel gesehen, der Sachen von der Baustelle dabei hatte – einen Rucksack und eine Halskette. Nicht die Art, die man überall sieht.«
»Oh, jetzt bittest du die Wichtel um Hilfe, was?« Sir breitete seine Arme aus. »Für wie dumm hältst du uns eigentlich?«
»Ziemlich dumm, wenn ihr mir nicht zuhört. Der Wichtel meinte, er habe das Zeug aus einem abgerissenen Gebäude. Er hat gesagt, ein Kobold habe ihm erklärt, er könne aus den Trümmern nehmen, was er wolle.«
»Es gibt viele Kobolde in Virginia, Neuling.«
Cheyenne lehnte sich zu ihm und hob die Augenbrauen. »Die meisten tragen aber keine schwarzen Hüte mit einer Achtunddreißig auf der Vorderseite.«
Rhyneharts Augen weiteten sich und eine Röte kletterte seinen Hals hinauf. »Verdammter Mistkerl.«
Er drehte sich entschieden von der Halbdrow weg und stapfte zurück durch den Metalldetektor. Cheyenne rannte hinter ihm her und Sir warf seine Hände in die Luft. »Ein Haufen verdammter Hühner, die hier herumlaufen. Wem wurde noch nicht der Kopf abgeschlagen?«
Rhynehart trat an das Fenster aus gehärtetem Glas heran, klopfte auf den Tresen und nickte dem Beamten auf der anderen Seite zu. »Kannst du die Dienstbücher von hier aus erreichen?«
»Ja. Was brauchst du?«
»Ich kann mich nicht an seinen Namen erinnern. Ein Kobold-Agent, der am Torturm für Res 38 arbeitet …«
Das Blut, das durch Cheyennes Ohren rauschte, übertönte so ziemlich alles, als Rhynehart überprüfte, was sie ihm gerade gesagt hatte. Er wird herausfinden, dass ich recht habe. Ich weiß, dass ich recht habe.
Sir trat neben sie und murmelte: »Du solltest hoffen, dass du weißt, was du tust.«
»Dann sind wir ja schon zu zweit, oder Carson?«
Sirs Augen zuckten, als sie seinen Namen sagte, dann trat er zur Seite, um sich neben Rhynehart zu stellen und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. »Major Carson, Cheyenne. Zwing mich nicht, dir das noch einmal zu sagen.«