Wenn Sie einen aus einzelnen Hedgefonds bestehenden Hedgefonds-Index mit einem aus Dachfonds bestehenden Index vergleichen, wird Ihnen etwas Seltsames auffallen: Normalerweise weist der Dachfonds-Index eine konsequente Underperformance auf. Und zwar sind die Renditen von Dachfonds nicht nur in allen Jahren niedriger, sondern sie sind auch recht beträchtlich niedriger. Ein alljährlicher Performance-Rückstand von fünf Prozent oder mehr ist historisch keine Seltenheit.
Ist die offensichtliche Underperformance der Dachfonds-Manager ein weiteres Beispiel für das, was man als „Eckhardts Diktum“ bezeichnen könnte? Bill Eckhardt ist einer der Fondsmanager, die ich für „Magier der Märkte 2“1 interviewt habe. In diesem Interview behauptete Eckhardt, die Natur des Menschen sei so schlecht auf Trading- und Investment-Entscheidungen abgestimmt, dass die meisten Menschen schlechtere Ergebnisse erzielen als durch zufällige Entscheidungen. Um das klarzustellen: Eckhardt wiederholte nicht die sprichwörtliche Behauptung von Wissenschaftlern, ein Affe, der Dartspfeile auf die Seite des Wall Street Journal mit den Aktienkursen wirft, würde genauso gute Ergebnisse erzielen wie die Fondsmanager. Er vertrat vielmehr, die Affen würden bessere Ergebnisse erzielen! Seiner Ansicht nach veranlasst die angeborene und durch die Evolution verfeinerte Neigung des Menschen, nach Bequemlichkeit zu streben, die meisten Menschen dazu, Trading- und Anlageentscheidungen zu treffen, die schlechter als zufällige Entscheidungen sind. Sollten wir daraus nun schließen, die Dachfonds-Manager sollten ihre Verfahren der Fondsauswahl, der sorgfältigen Prüfung, der Portfoliozusammenstellung und der Überwachung gegen einen Satz guter Darts eintauschen?
Zum Teil lässt sich die Underperformance der Dachfonds durch die zusätzlichen Gebühren erklären. Wenn die Dachfonds mit ihren Investments die gleiche Rendite erzielen würden wie der Durchschnitt der einzelnen Hedgefonds, würde der auf Dachfonds basierende Index trotzdem schlechtere Ergebnisse ausweisen, weil die Dachfonds eine zweite Lage Gebühren verlangen. Die Tatsache, dass Dachfonds Gebühren verlangen, macht sie aber nicht unbedingt zum schlechteren Investment – im Gegenteil, denn diese Gebühren sind die Entschädigung für zwei essenzielle Dienstleistungen, die ein Dachfonds dem Anleger liefert:
1.Diversifizierung. Sehr wenige Privatanleger sind so vermögend, dass sie Hedgefonds-Investments ausreichend diversifizieren können. Wenn man von einer Mindestanlagesumme für Hedgefonds von einer Million Dollar und einem Portfolio aus 20 Hedgefonds ausgeht, braucht der Anleger für ein diversifiziertes Hedgefonds-Portfolio 20 Millionen Dollar. Dachfonds verlangen hingegen viel kleinere Mindestanlagesummen (häufig 100.000 Dollar oder weniger). Somit ermöglichen Dachfonds dem Privatanleger die Diversifizierung. Und man kann mit Recht behaupten, dass die Verminderung des Risikos, die durch die Diversifizierung bewirkt wird, den Anleger für die Dachfonds-Gebühren mehr als entschädigt.
2.Professionelles Management. Die von Dachfonds verwendeten Verfahren der Auswahl, der sorgfältigen Prüfung, der Portfoliozusammenstellung und der Überwachung, die alle zur klugen Investition in Hedgefonds gehören, übersteigen die Fähigkeiten der meisten Privatanleger. Und selbst bei Institutionen, die in der Lage wären, eine eigene Abteilung für Hedgefonds-Investments einzurichten, würden die Kosten für die Zusammenstellung und Betreuung eines Hedgefonds-Portfolios lediglich die Dachfonds-Gebühren durch interne Kosten ersetzen, die überdies noch höher ausfallen können (zumal Institutionen normalerweise einen kräftigen Rabatt auf die Gebühren bekommen).
Allerdings sind die Dachfonds-Gebühren nicht annähernd für die gesamte Performance-Kluft zwischen Indizes aus einzelnen Hedgefonds und Indizes aus Dachfonds verantwortlich. Selbst wenn man die Bruttorenditen der Dachfonds-Indizes (also ohne Gebühren) nähme, lägen sie in den allermeisten Jahren hinter den Indizes aus einzelnen Fonds. Man kann verallgemeinernd sagen, dass die Gebühren der Dachfonds für weniger als ein Drittel der historischen Performance-Lücke zu den Indizes aus einzelnen Fonds verantwortlich sind (die genauen Prozentsätze unterscheiden sich je nach Datenlieferant). Somit stellt sich die Frage, ob die Fondsauswahl der Dachfonds-Manager schlechter ist als eine zufällige Auswahl, immer noch.
Die eigentliche Krux der Erklärung, wieso auf Dachfonds basierende Indizes eine schlechtere Performance aufweisen als Indizes, die aus einzelnen Fonds bestehen, hat etwas mit Verzerrungen der Hedgefonds-Indizes zu tun und diese sind bei Indizes aus einzelnen Fonds viel stärker ausgeprägt. Hier einige dieser Verzerrungen:
•Survivorship Bias (die Verzerrung durch die ausschließliche Betrachtung der „Überlebenden“). Dieser Effekt ist vielleicht die bekannteste Verzerrung, denn er ist seit vielen Jahren Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Studien: Wenn ein Index die „verstorbenen“ Fonds nicht berücksichtigt, neigt er zu einer positiven Verzerrung, denn Fonds mit schlechter Performance stellen mit höherer Wahrscheinlichkeit den Betrieb ein. Einige Indizes sind inzwischen um diese Verzerrung bereinigt, sodass sie an Bedeutung verloren hat – doch wenn sie vorliegt, ist sie nach wie vor signifikant.
•Die Auswahl-Verzerrung. Die Hedgefonds entscheiden selbst, ob sie ihre Zahlen an Datenbanken melden. Da Hedgefonds mit besserer Performance ihre Zahlen mit einer höheren Wahrscheinlichkeiten melden, erzeugt dieser Prozess der selbst bestimmten Auswahl eine positive Verzerrung. Allerdings gibt es hier auch einen ausgleichenden Effekt: Fonds, die besonders gut laufen und deshalb für neue Investoren geschlossen werden, beschließen möglicherweise, keine Zahlen mehr zu melden, um Anfragen neuer Anleger zu vermeiden. Es lässt sich zwar schwer sagen, inwieweit diese beiden Effekte einander ausgleichen, aber aus Sicht eines neuen Anlegers tendiert die Auswahl-Verzerrung nach oben, weil die geschlossenen Fonds ja nicht zum Kreis der potenziellen Investments zählen.
•Die Verzerrung durch Auffüllung oder die „plötzliche Historie“. Wenn ein Fonds erstmals Zahlen an einen Indexanbieter übermittelt, meldet er häufig auch die Performance-Zahlen seit seiner Auflegung. Diese aus der Vergangenheit stammenden Zahlen stellen zwar tatsächliche Renditen dar, aber es entsteht dadurch eine Verzerrung, dass Fonds mit guter Performance eher beschließen, ihre Zahlen zu melden. Nehmen wir beispielsweise an, in einem bestimmten Jahr würden 1.000 Hedgefonds den Betrieb aufnehmen und nach zwei Jahren wären 500 davon gut gelaufen und 500 schlecht. Bei den 500 guten ist es wahrscheinlicher, dass sie ihre Zahlen melden. Die Indizes werden dann nur mit ihren Zahlen aufgefüllt (jedenfalls diejenigen Indizes, die eine Auffüllung erlauben), aber die Zahlen der Fonds mit schlechterer Performance finden keinen Eingang. Daher geben die historischen Zahlen von Indizes, die nachträglich aufgefüllt wurden, die tatsächliche Performance der momentan existierenden Fonds zu hoch an.
•Die Verzerrung durch Schließung. Wenn die Performance eines Fonds sehr schlecht wird und ihn die Verluste veranlassen, den Betrieb einzustellen, ist die Übermittlung seiner Zahlen an die Index-Datenbanken das Letzte, was ihn interessiert. Deshalb kommen die Monate, in denen Fonds, die dichtgemacht haben, ihre schlechteste Performance erzielt haben, meistens überhaupt nicht ans Tageslicht. Beachten Sie, dass dieses Problem auch dann besteht, wenn ein Index um die Verzerrung durch die Überlebenden bereinigt ist (der Fonds kann immer noch in der Datenbank enthalten sein, aber die Renditen der letzten Monate vor seinem Tod liegen womöglich nicht vor).
•Die Allokations-Verzerrung. Die meisten Indizes gehen von der Annahme einer gleichmäßigen Gewichtung aus, was einer monatlichen statistischen Neugewichtung entspricht. In einem konkreten Portfolio nimmt das Gewicht gut laufender Fonds dank ihrer Gewinne zu und das Gewicht schlecht laufender Fonds sinkt. Die Berechnung eines gleichmäßig gewichteten Index geht jedoch stillschweigend davon aus, dass die Erträge der Gewinner auf die Verlierer umgeschichtet werden. Falls zwischen den verschiedenen Strategien eine Tendenz der Rückkehr zum Mittelwert besteht, verbessert dieses monatliche Rebalancing die Performance. In der Praxis lässt sich dieser Vorteil durch monatliche Neugewichtung jedoch aufgrund der Rücknahme- und Zeichnungsfristen sowie sonstiger Hindernisse nicht realisieren.
Manche Indizes unterliegen allen genannten Verzerrungen (zumindest für einen Teil ihres Track Records), andere schließen die Verzerrung durch Auffüllung und durch Überlebende ab einem bestimmten Abgrenzungszeitpunkt aus. Der springende Punkt ist allerdings, dass bei Dachfonds-Indizes – wie die Wissenschaftler William Fung und David Hsieh dargelegt haben – die Verzerrungen der Hedgefonds-Indizes entweder wegfallen oder wesentlich gedämpft ausfallen.2 Betrachten wir nun die vorgenannten Verzerrungen noch einmal aus Sicht eines Dachfonds:
•Das Survivorship Bias. Auf einzelne Fonds bezogen entfällt diese Verzerrung auf Dachfonds-Ebene, weil die Ergebnisse dahingeschiedener Fonds von den historischen Daten von Dachfonds weiterhin wiedergegeben werden. Wenn ein Dachfonds früher in einen mittlerweile geplatzten Fonds investiert hatte, verschwindet dieser Fonds zwar aus gewissen Datenbanken, aber im Track Record des Dachfonds erscheinen seine Verluste nach wie vor. Zwar kann auf der Ebene der Dachfonds ein Survivorship Bias entstehen (durch ausgefallene Dachfonds), aber der Effekt fällt viel milder aus als bei einzelnen Fonds, weil der Unterschied zwischen einem ausgefallenen und einem aktiven Dachfonds viel kleiner ist.
•Die Auswahl-Verzerrung. Auf einzelne Fonds bezogen entfällt diese Verzerrung auf der Ebene der Dachfonds, weil sich die Ergebnisse eines Fonds auch dann in den Zahlen eines Dachfonds niederschlagen, wenn er sich dafür entschieden hat, keine Zahlen zu melden. Auf Dachfonds bezogen wirkt sich die Auswahl-Verzerrung positiv wie negativ viel mäßiger aus. Die negative Verzerrung dürfte bei einem Dachfonds zu vernachlässigen sein, denn die meisten Dachfonds melden ihre Zahlen auch nach der Schließung weiterhin, um die Vermarktung anderer Dachfonds-Produkte unter dem gleichen Dach zu fördern.
•Die Verzerrung durch Auffüllung. Auf Einzelfonds bezogen entfällt diese Verzerrung bei Dachfonds-Zahlen, weil die Ergebnisse der Zielfonds nur ab dem Zeitpunkt der Investition eingehen. Und auf der Dachfonds-Ebene wirkt sie sich viel gemäßigter aus, weil aufgefüllte Dachfonds-Zahlen nicht radikal vom aktuellen Durchschnitt der Dachfonds abweichen.
•Die Verzerrung durch Schließung. Bezogen auf einzelne Fonds entfällt diese Verzerrung in den Dachfonds-Zahlen, weil sich ihre Daten so lange niederschlagen, bis der Dachfonds seine Anteile zurückgibt, auch wenn der Zielfonds keine Zahlen mehr meldet. Wenn beispielsweise ein Fonds innerhalb kurzer Zeit 60 Prozent Verlust macht und dann schließt, werden die 60 Prozent Verlust zwar vermutlich nicht an die Fonds-Datenbanken gemeldet, aber in den Ergebnissen aller Dachfonds, die in den Fonds investiert waren, schlagen sie sich nieder. Und auf der Ebene der Dachfonds dürfte die Verzerrung durch Schließung minimal ausfallen, denn selbst ein erfolgloser Dachfonds implodiert nicht plötzlich, sondern gerät eher aufgrund schleppender Performance oder mangelhafter Werbung in Vergessenheit.
•Die Allokations-Verzerrung. Bezogen auf Einzelfonds entfällt diese Verzerrung in den Zahlen von Dachfonds, weil sie auf den tatsächlichen Investment-Niveaus basieren. Auf der Dachfonds-Ebene dürfte sie minimal ausfallen, weil Dachfonds viel heterogener zusammengesetzt sind, was einen etwaigen Effekt der Rückkehr zum Mittelwert dämpft.
Hiermit ist das Paradoxon der Underperformance von Dachfonds gelöst. Es bedeutet nämlich nicht, dass die Dachfonds im Durchschnitt eine schlechtere Performance als der Durchschnitt der einzelnen Fonds brächten, sondern dass die Dachfonds-Indizes viel weniger positive Verzerrungen beinhalten als Indizes aus einzelnen Fonds.
Investment-Missverständnis 38: Hedgefonds-Indizes liefern einen brauchbaren Näherungswert für die Performance von Hedgefonds.
In Wirklichkeit: Aufgrund mehrerer Verzerrungen geben Hedgefonds-Indizes, die auf einzelnen Fonds basieren, die Performance deutlich zu hoch an. Bei einem Vergleich eines typischen Hedgefonds-Index mit Indizes traditioneller Investments (zum Beispiel Aktienindizes) fällt die relative Performance der Hedgefonds meist dramatisch zu hoch aus. Das heißt, dass die tatsächliche Performance der Hedgefonds nicht annähernd so gut ist, wie es die typischen Indizes vermuten lassen.
Indizes aus einzelnen Hedgefonds geben aufgrund mehrerer Verzerrungen der Datenbanken die Performance tendenziell deutlich zu hoch an. Durch die Verwendung solcher Indizes kommen unrealistische Erwartungen an die Renditen von Hedgefonds auf. Durch Dachfonds-Indizes werden diese Verzerrungen beseitigt oder zumindest stark gedämpft, sodass sie ein viel getreueres Bild der Performance von Hedgefonds liefern. Wenn man als Anleger beurteilen will, wie sich die Aufnahme von Hedgefonds in ein Anlageportfolio auswirken würde, sollte man als Näherungswert für diesen Sektor daher Dachfonds-Indizes benutzen. Und wann sollte man Hedgefonds-Indizes verwenden, die aus einzelnen Fonds bestehen? Meiner Meinung nach nie.3
1 Kulmbach, Börsenmedien 2006.
3 Diese Bemerkungen gelten für breit angelegte Hedgefonds-Indizes. Was Sektor-Hedgefonds angeht, so existieren sie nur auf einzelne Fonds bezogen. Obwohl die Sektor-Indizes aus allen dargelegten Gründen verzerrt sind, kann man sie für Vergleiche untereinander verwenden, wenn man von der vereinfachenden Annahme ausgeht, dass sie von den Verzerrungen ungefähr gleich stark beeinflusst werden. Tatsächlich haben wir bei unserer Analyse der Performance von Hedgefonds in Kapitel 3 solche Vergleiche angestellt.