POSTSCRIPTUM ZU TEIL 2: SIND DIE HEDGEFONDS-RENDITEN EINE FATA MORGANA?

Als dieses Buch in die Lektoratsphase ging, stieß ich auf das folgende verblüffende Zitat:

„Wenn alles Geld, das jemals in Hedgefonds investiert wurde, stattdessen in Schatzwechsel gesteckt worden wäre, wären die Ergebnisse doppelt so hoch gewesen.“

– Simon Lack

Diese erste Zeile aus Simon Lacks Buch „The Hedge Fund Mirage“ (John Wiley & Sons 2012) könnte durchaus das vernichtendste Urteil sein, das je über die Geldanlage in Hedgefonds gefällt wurde. Aber stimmt sie auch? Nun – sie ist eine wahre Aussage zur falschen Frage. Lack hat beschlossen, folgende Frage in den Blick zu nehmen: „Wie viele Dollar haben die Anleger mit Hedgefonds verdient?“ Die angemessene Frage lautet aber: „Wie viel hätte ein Privatanleger verdient, wenn man von den Renditen des Hedgefonds-Index ausgeht?“1

Die Performance der Hedgefonds an den Dollar zu messen, die insgesamt damit verdient wurden – wie es Lack tut –, ist aus zwei Gründen grundfalsch:

1.Die Anleger sind unglaublich schlecht darin, ihre Investments zu den richtigen Zeitpunkten einzugehen und zurückzunehmen, und die Bestimmung der Performance anhand des kumulierten Dollarbetrags, den sie eingenommen haben, schiebt die Schuld für die schlechten Timing-Entscheidungen den Managern in die Schuhe. Lack kam zu dieser Schlussfolgerung, weil das Jahr, in dem die Hedgefonds ihre mit Abstand schlechteste Performance erzielten – das Jahr 2008 –, mit einem relativen Höhepunkt des verwalteten Vermögens (AUM = Assets Under Management) zusammenfiel. Lack schreibt: „Im Jahr 2008 haben die Hedgefonds mehr verloren, als sie in den zehn Jahren davor insgesamt an Gewinn erzielt haben.“ Aber wessen Fehler ist das? Wer ist schuld daran, dass die Investitionen in Hedgefonds unmittelbar vor dem schlechtesten Jahr der Branche einen Höhepunkt erreicht haben? Wenn ein Privatanleger die ganze Zeit in einen Dachfonds mit Renditen investiert gewesen wäre, die ungefähr denen eines Index entsprachen, hätte dann der Verlust des Jahres 2008 seine Gewinne der zehn vorangegangenen Jahre ausgelöscht? Natürlich nicht. Die Renditen wären nicht von der Tatsache beeinflusst worden, dass sich in dem Jahr vor dem großen Rückgang der Fonds viele Anleger dafür entschieden haben, Geld in Hedgefonds zu investieren.

Stellen Sie sich einmal vor, man würde die Aktienrenditen nicht nach den Renditen der Aktienindizes berechnen, sondern anhand der Renditen, die die Anleger mit Aktien erzielt haben. Aber das brauchen wir uns gar nicht vorzustellen, denn Dalbar, Inc. veröffentlicht jedes Jahr einen Bericht, der die Renditen der Anleger mit der Rendite des S&P 500 vergleicht. Der Dalbar-Bericht 2012 ergab, dass die Aktienanleger in den 20 Jahren, die 2011 endeten, eine durchschnittliche kumulierte Jahresrendite von 3,49 Prozent erzielt hatten, der S&P 500 hingegen 7,81 Prozent – eine Differenz von 4,32 Prozentpunkten pro Jahr. Sollten wir daraus etwa schließen, dass die Renditen des Aktienmarkts in diesem Zeitraum um vier Prozent geringer waren als gemeldet? Natürlich nicht. Alle Privatanleger und alle Institutionen hätten durch ein Index-Investment die Rendite des Index erzielen können. Die Tatsache, dass es den Anlegern als Gruppe genommen viel schlechter ergangen ist, weil sie ihre Aufstockungen und Rücknahmen schlecht getimt haben, ist für den einzelnen Index-Anleger irrelevant.

2.Da das verwaltete Vermögen (AUM) der Hedgefonds schon seit langer Zeit dramatisch wächst, fallen die letzten Jahre übermäßig stark ins Gewicht. Das kann sich zwar in beide Richtungen auswirken, aber da bis vor Kurzem das Jahr mit dem größten AUM das Jahr 2008 mit seiner äußerst schlechten Performance war, entsteht eine Verzerrung nach unten, wenn man die Ergebnisse nach dem kumulierten Dollarbetrag bemisst.

Und wie haben sich nun die Hedgefonds-Renditen im Vergleich zu den Schatzwechseln entwickelt? Wenn man denselben Hedgefonds-Index verwendet wie Lack, den HFRX Global Index, und dasselbe Anfangsjahr, nämlich 1998, ergibt sich für den Hedgefonds-Index eine durchschnittliche kumulierte Jahresrendite von 5,49 Prozent. Die Rendite der Schatzwechsel belief sich auf 2,69 Prozent. Aus den Zahlen geht also hervor, dass die Renditen der Hedgefonds mehr als doppelt so hoch waren wie die der Schatzwechsel und nicht, wie Lack behauptet, halb so hoch. Es ist zugegebenermaßen nicht sonderlich beeindruckend, wenn man die Rendite von Schatzwechseln um 2,8 Prozentpunkte im Jahr übertrifft. Bedenken Sie jedoch, dass der S&P 500 im gleichen Zeitraum bei weitaus größerer Volatilität und weitaus größeren Drawdowns nur eine um ein Prozent höhere durchschnittliche kumulierte Jahresrendite hatte als die Schatzwechsel.

Ich finde zwar, dass Lacks Beurteilung der Performance von Hedgefonds auf falschen Annahmen basiert und darum unzutreffend ist, aber ich möchte nicht, dass diese Äußerung als grundsätzliche Kritik an seinem Buch „The Hedge Fund Mirage“ ausgelegt wird. Im Gegenteil: Mit Ausnahme der Bestimmung der Hedgefonds-Performance – auch wenn das zugegebenermaßen eine ziemlich große Ausnahme ist – stimme ich mit vielen anderen Meinungen, die Lack in seinem Buch äußert, grundsätzlich überein, unter anderem:

Die Gebühren von Hedgefonds sind im Verhältnis zu dem Wert, den sie den Anlegern liefern, zu hoch (auch wenn das eine unvermeidliche Folge des Gesetzes von Angebot und Nachfrage ist).

Die Frühgeschichte der Hedgefonds-Renditen ist für heutige Anleger ohne Belang, denn diese Renditen wurden erzielt, als die Hedgefonds-Branche noch viel kleiner war. Da die Hedgefonds inzwischen so sehr gewachsen sind und so viel mehr Konkurrenz um die Ausnutzung derselben Ineffizienzen herrscht – und da viele Hedgefonds zu groß sind, um aus weniger liquiden Trading-Gelegenheiten Vorteil zu ziehen –, ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Branche an ihre Renditen der frühen Jahren wieder herankommt.

Auch wenn institutionelle Anleger fast ausnahmslos in große Hedgefonds investieren, lassen die vorliegenden Daten die Vermutung zu, dass kleine Hedgefonds eine bessere Performance bringen als große.

1 Für den Hedgefonds-Index gehen wir von einem Dachfonds-Index aus, der nicht den zahlreichen Verzerrungen eines Index unterliegt, der direkt auf den Renditen der Manager basiert (wie in Kapitel 14 erläutert).