I_Kapitel_27_b.tif

Versuchte einer von ihnen, sich mitten in den Weinstöcken zu verstecken, wo sie am dichtesten waren, zerschmetterte er ihm das Rückgrat und brach ihm das Kreuz wie einem Hund. Wollte sich einer durch Flucht retten, so schlug er ihm den Schädel in Stücke, indem er ihn am Scheitelbein des Hinterkopfes erwischte. Kletterte einer auf einen Baum und dachte, er sei dort in Sicherheit, den spießte er mit seinem Stock am Hintern auf.

Wenn einer, den er von früher kannte, ihm zurief: »Ha, Bruder Jean, mein Freund Bruder Jean, ich ergebe mich«, dann antwortete er: »Es bleibt dir nichts anderes übrig; aber du wirst zugleich deine Seele allen Teufeln ergeben.« Und augenblicklich verpasste er ihm einen Hagel Schläge. Und wenn sich jemand zu der Kühnheit verstiegen hatte, den Kampf von Angesicht zu Angesicht mit ihm durchzustehen, dann demonstrierte er die Kraft seiner Muskeln: er durchbohrte ihm die Brust mit einem Schlag durch Brustkorb und Herz. Andere schlug er kurz unterhalb der Rippen, so dass sich ihnen der Magen auf den Kopf stellte und sie auf der Stelle daran starben. Anderen wiederum schlug er so wüst auf den Nabel, dass ihnen die Gedärme heraustraten. Wieder anderen durchbohrte er quer durch den Hodensack den Mastdarm. Ihr könnt mir glauben, es war das greulichste Spektakel, das man je gesehen hat.

Die einen schrien: »Heilige Barbara!« Die anderen: »Heiliger Georg!« Wieder andere: »O du Schein-Heilige«, und weitere: »Unsere Liebe Frau von Cunault! von Loreto! von Bonne Nouvelle! von La Lenou! von Rivière!«

[133] Einige empfahlen sich dem heiligen Jakob, andere beriefen sich auf das heilige Schweißtuch von Chambéry, das aber drei Monate später so gut verbrannte, dass man nicht einen einzigen Faden davon retten konnte; einige riefen Cadouin an, andere den heiligen Jean d’Angély oder den heiligen Eutrope de Saintes, den heiligen Mexme von Chinon, den heiligen Martin von Candes, den heiligen Clouand von Cinais, oder sie empfahlen sich den Reliquien von Javarzay und tausend anderen kleinen Heiligen. Die einen starben, ohne ein Wort von sich zu geben, die anderen nahmen das Maul voll, ohne zu sterben. Etliche starben schwätzend, andere schwätzten sterbend.

Einige schrien mit lauter Stimme: »Die Beichte! Die Beichte! Confiteor! Miserere! In manus!«

Das Geschrei der Verletzten war so groß, dass der Prior der Abtei mit all seinen Mönchen herauskam; als sie die armen Teufel tödlich verwundet im ganzen Weingarten herumliegen sahen, nahmen sie einigen von ihnen die Beichte ab. Während die Priester sich damit aufhielten, die Beichte abzunehmen, liefen die kleinen Mönchlein zu Bruder Jean und fragten ihn, worin sie ihm wohl behilflich sein könnten. Worauf dieser antwortete, sie sollten diejenigen abmurksen, die bereits am Boden lägen. Daraufhin hängten sie ihre großen Kutten über das nächste Weingeländer und machten sich daran, den bereits tödlich Verwundeten den Garaus zu machen. Und was meint ihr wohl, mit welchen Geräten? Mit schönen kleinen Taschenmessern; das sind diese kleinen halben Messer, mit denen die kleinen Kinder hierzulande die Nüsse schälen.

Dann rannte Bruder Jean mit seinem Kreuzstock zu der Bresche, die die Feinde geschlagen hatten.

[134] Einige Mönche nahmen die Banner und Standarten mit auf ihre Zimmer, um daraus später Hosenbänder zu machen.

Wenn nun jene, die bereits gebeichtet hatten, sich durch diese Bresche auf und davon machen wollten, drosch der Mönch sie mit gewaltigen Schlägen nieder, wobei er sagte:

»Die hier haben gebeichtet und Buße getan, ihnen ist vergeben worden; sie werden ins Paradies eingehen, so gerade wie eine Sichel oder wie der Weg nach Faye.«

Nun, dank seiner Heldenhaftigkeit wurden alle aus dem Heer, die in den Garten eingedrungen waren, niedergemacht; ihre Zahl belief sich auf dreizehntausendsechshundertzweiundzwanzig; Frauen und kleine Kinder nicht mitgerechnet, das versteht sich von selbst.

Niemals hat sich der Einsiedler Maugis mit seinem Pilgerstab so tapfer gegen die Sarazenen geschlagen, über die in dem Heldenlied der Vier Haimonskinder berichtet wird, wie der Mönch mit seinem Kreuzstock angesichts seiner Feinde.

Achtundzwanzigstes Kapitel

Wie Pikrocholos La Roche-Clermault im Sturm einnahm, und wie schwer Grandgousier sich tat, Krieg zu führen

Während der Mönch, wie wir erzählt haben, sich gegen jene schlug, die in den Weingarten eingedrungen waren, durchquerte Pikrocholos mit seinen Leuten in großer Eile die Furt von Vède und eroberte La Roche-Clermault, wo ihm keinerlei Widerstand geleistet wurde. Und da es schon Nacht war, entschloss er sich, in [135] dieser Stadt mit seinen Leuten Quartier zu nehmen und sich von seinem Wutanfall etwas zu erholen.

Am frühen Morgen nahm er die Wälle und die Burg im Sturm ein. Er verschanzte sich aufs beste und versorgte sie mit allen erforderlichen Vorräten. Er gedachte, hier seine Zuflucht einzurichten, wenn er von einer zweiten Seite angegriffen würde, denn dieser Ort war sowohl von seinen Befestigungsanlagen als auch von seiner natürlichen Lage und seiner Umgebung her schwer einzunehmen.

Nun, lassen wir sie dort, wo sie sind, und kehren wir zu unserem guten Gargantua zurück, der sich in Paris befindet und sich dort mit großem Eifer dem Studium der Wissenschaften und der körperlichen Ertüchtigung widmet; kehren wir zurück zum guten alten Grandgousier, seinem Vater, der sich nach dem Abendessen an einem schönen, hellen und großen Feuer die Eier wärmt und auf die Kaminwand mit einem abgebrannten Stock, mit dem man das Feuer schürt, Zeichen malt und, während er auf die gerösteten Kastanien wartet, seiner Frau und seiner Familie Geschichten aus alten Zeiten erzählt.

In diesem Moment traf einer der Hirten, die die Weinberge bewacht hatten, bei ihm ein; er trug den Namen Pillot und erzählte in allen Einzelheiten von den Gewalttaten und Plünderungen, die Pikrocholos, der König von Lerné, in seinen Ländereien und Besitzungen begangen hatte. Wie er das ganze Land geplündert, verwüstet und ausgeraubt hatte, bis auf den Klostergarten von Seuilly, den Bruder Jean des Entommeures zu seiner großen Ehre gerettet hatte. Gegenwärtig sei der genannte König in La Roche-Clermault, wo er sich mit seinen Leuten höchst eilfertig verschanze.

[136] »Oje, oje!« sagte Grandgousier, »was ist denn das, liebe Leute? Träume ich, oder ist es wahr, was man mir sagt? Pikrocholos, mein Freund seit uralten Zeiten, Stammes- und Bundesgenosse, greift mich an? Wer bringt ihn dazu? Wer stachelt ihn auf? Wer stiftet ihn an? Wer hat ihm diesen Rat gegeben? Oh, oh, oh, mein Gott, mein Heiland, hilf mir, erleuchte mich, rate mir, was zu tun ist! Feierlich beteuere ich, ich schwöre Dir – und sei mir gnädig –, noch nie habe ich ihm ein Leid angetan, noch jemals seinen Leuten Schaden zugefügt, genauso wenig seine Ländereien geplündert; im Gegenteil, mit Leuten habe ich ihm ausgeholfen, mit Geld, mit Rat und Tat, immer zu seinem Besten habe ich gehandelt. Dass er mir eine solche Schmach antut, das kann ihm nur der Teufel eingegeben haben. Guter Gott, Du blickst in das Innerste meines Herzens, Dir kann nichts verborgen bleiben; sollte er total verrückt geworden sein und solltest Du ihn mir hierher geschickt haben, um ihm sein Hirn zurechtzurücken, dann gib mir die Kraft und die Mittel, ihn mit Zucht und Ordnung wieder unter das Joch Deines heiligen Willens zu schaffen.

Ho! ho! ho! meine lieben Leute, meine Freunde und treuen Diener, muss ich euch noch damit belästigen, mir zu helfen? Mein Gott! Mein Alter verlangt geradezu nach Ruhe, und zeit meines Lebens habe ich nach nichts so gestrebt wie nach Frieden; aber nun sehe ich doch, dass ich meine armen, müden und schwachen Schultern mit dem Harnisch beladen und die Lanze und den Streitkolben in meine zitternden Hände nehmen muss, um meinen armen Untertanen beizustehen und sie zu schützen. Dies ist nur recht und billig, denn von ihrer Arbeit lebe ich, und dank ihrem Schweiß werden ich, meine Kinder und meine Familie ernährt.

[137] Dessen ungeachtet werde ich nicht eher in den Krieg eintreten, als bis ich nicht alle Möglichkeiten und Wege für eine friedliche Lösung genutzt habe. Dies ist mein fester Entschluss.«

Daraufhin ließ er seinen Rat zusammenrufen, dem er das Problem so darlegte, wie es sich stellte. Man beschloss, einen klugen Mann zu Pikrocholos zu schicken, um herauszubekommen, warum er den Frieden gebrochen habe und in Länder eingefallen sei, auf die er keinerlei Anspruch habe. Ferner wurde beschlossen, dass man Gargantua und seine Leute holen solle, damit sie das Land im Notfall schützten und verteidigten. Das Ganze fand Grandgousiers Beifall, und er ordnete an, dass der Beschluss so ausgeführt werde. Gleichzeitig schickte er seinen Diener, den Basken, los, damit dieser Gargantua schleunigst herbeihole, und gab ihm einen Brief mit, der folgenden Wortlaut hatte:

Neunundzwanzigstes Kapitel

Der Inhalt des Briefes, den Grandgousier an Gargantua schrieb

Der Eifer, mit dem Du Deine Studien betreibst, ließe es geboten erscheinen, dass ich Dich noch lange nicht in Deinen philosophischen Überlegungen unterbräche, hätte nicht der Dünkel unserer Freunde und früheren Verbündeten mich nunmehr um den Frieden meines Alters gebracht. Da nun aber ein unseliges Schicksal will, dass ich von denen bedroht werde, denen ich am meisten vertraute, sehe ich mich gezwungen, Dich zurückzurufen, damit Du den Leuten beistehst und die Güter schützt, die Dir gemäß geltendem Recht anvertraut sind.

[138] Denn, so ohnmächtig, wie die Waffen draußen sind, wenn guter Rat im Hause fehlt, so nichtig ist das Studieren und so unnütz der Rat, wenn er nicht zu gegebener Zeit mit Tapferkeit ausgeführt und in die Tat umgesetzt wird.

Meine Absicht ist nicht zu provozieren, sondern zu beschwichtigen, nicht anzugreifen, sondern zu verteidigen, nicht zu erobern, sondern meine treuen Untertanen und meine Erblande zu schützen, in die Pikrocholos ohne Grund und Anlass eingefallen ist. Tag für Tag treibt er sein wahnwitziges Unterfangen und begeht unerträgliche Ausschreitungen an freien Menschen.

Um seine tyrannische Wut zu mäßigen, habe ich es als meine Pflicht angesehen, ihm all das anzubieten, von dem ich annahm, dass es ihn zufriedenstellen könnte; mehrfach habe ich ihm in aller Freundschaft Leute gesandt, um zu erfahren, durch was oder durch wen er sich so beleidigt fühle. Aber ich habe keine andere Antwort erhalten als den erklärten Willen, mich herauszufordern, und dass er einen berechtigten Anspruch darauf habe, sich in meinen Ländereien niederzulassen. Das hat mich davon überzeugt, dass der ewige Gott ihn seinen freien Willen und seinen eigenen Verstand hat selber steuern lassen. Wenn dieser nicht immerwährend von göttlicher Gnade erleuchtet wird, kann sein Verhalten nur schlecht sein. Gott hat ihn, der feindliche Absichten hegt, mir hierher gesandt, damit ich ihn in die Pflicht nehme und ihn zur Besinnung bringe.

Wenn Du diesen Brief gelesen hast, so kehre, so schnell wie Du kannst, zurück und eile herbei, nicht so sehr, um mir zu helfen (gleichwohl diese Ehrerbietung Sohnespflicht ist), sondern den Deinen, die Du mit Fug und Recht schützen kannst.

Unser Unterfangen wird mit so wenig Blutvergießen wie [139] möglich durchgeführt werden; und wenn es machbar ist, werden wir dank effektiverer Mittel, Fallen und Kriegslisten alle retten und sie fröhlich wieder heimwärts schicken.

Vielgeliebter Sohn, der Friede Christi, unseres Erlösers, sei mit Dir.

Grüße Ponokrates, Gymnastes und Eudämon von mir.

Den 20. September

Dein Vater Grandgousier

Dreißigstes Kapitel

Wie Ulrich Gallet zu Pikrocholos gesandt wurde

Nachdem der Brief diktiert und unterschrieben war, ordnete Grandgousier an, dass sein Staatsrat Ulrich Gallet, ein kluger und scharfsinniger Mann, dessen Tüchtigkeit und weisen Ratschlag er in verschiedenen strittigen Fragen erprobt hatte, sich zu Pikrocholos begebe, um ihm darzulegen, was sie beschlossen hatten.

Der ehrenwerte Gallet brach noch zur selben Stunde auf und fragte, nachdem er die Furt überquert hatte, den Müller, wie es um Pikrocholos bestellt sei. Er antwortete ihm, dass dessen Leute ihm weder Huhn noch Henne gelassen und dass sie sich in La Roche-Clermault verschanzt hätten. Er rate ihm, nicht weiterzugehen, wegen der Wachen, denn sie seien äußerst gewalttätig.

Dies glaubte er gern und übernachtete bei dem Müller.

Am nächsten Morgen begab er sich mit einem Trompeter vor das Tor des Schlosses und verlangte von den Wachen, dass man [140] ihn mit dem König zu dessen Wohl sprechen ließe. Als der König hierüber unterrichtet war, gestattete er keineswegs, dass man ihm das Tor öffne, sondern begab sich selbst auf den Wall und rief dem Abgesandten zu: »Was gibt’s? Was wollt Ihr mir sagen?« Worauf dieser folgendermaßen zu ihm redete:

Einunddreißigstes Kapitel

Die Rede von Gallet an Pikrocholos

»Einen berechtigteren Grund zum Schmerz können Menschen nicht haben, als wenn ihnen von dort, woher sie mit Recht Huld und Wohlwollen erwarteten, Kummer und Schmerz zugefügt wird. Und nicht ohne Grund (wenn auch zu Unrecht) haben viele, denen solches widerfahren ist, diese Abscheulichkeit für weniger erträglich gehalten als ihr eigenes Leben und, sofern sie weder durch Gewalt noch durch ein anderes Mittel Abhilfe schaffen konnten, sich selber des Lebens beraubt.

So ist es also kein Wunder, wenn der König Grandgousier, mein Herr und Gebieter, ob deines rasenden und feindlichen Einfalls von großem Unmut erfasst ist und fassungsloses Unverständnis zeigt. Es wäre in der Tat ein Wunder, wenn die unerhörten Ausschreitungen, die du und deine Leute in seinen Landen begangen haben, ihn nicht erschüttert hätten. Hier habt ihr keine Unmenschlichkeit ausgelassen, und das schmerzt ihn so sehr, wie es einen Sterblichen nicht bitterer schmerzen kann, da er seit jeher seine Untertanen in aufrichtiger Zuneigung geliebt hat. Jenseits aller menschlichen Vorstellungskraft schmerzt es ihn aber noch [141] mehr, dass all diese Schand- und Missetaten von dir und den Deinen begangen worden sind. Ihr, du und deine Vorfahren, hattet doch seit Menschengedenken und seit uralten Zeiten Freundschaft mit ihm und seinen Vorvätern geschlossen und sie bis auf den heutigen Tag beiderseitig als eine geheiligte unverbrüchlich aufrechterhalten. Ihr habt sie bewahrt und gepflegt, so dass nicht nur er und die Seinen, sondern auch ausländische Völker wie die im Poitou, in der Bretagne, in Maine, oder die, die jenseits der Kanarischen Inseln und Isabella wohnen, es für genauso leicht erachteten, das Firmament einzureißen oder Abgründe über den Wolken zu errichten, wie euer Bündnis zu zerstören. Sie haben dies bei all ihren Unternehmungen so sehr gefürchtet, dass sie, aus Angst vor dem einen, niemals gewagt haben, den anderen herauszufordern, zu reizen oder ihm Schaden zuzufügen.

Mehr noch: diese geheiligte Freundschaft hat auf dem Erdenrund einen solchen Ruf erlangt, dass es nur wenige Menschen auf dem Kontinent und den Inseln des Ozeans gibt, die nicht mit allem Eifer danach gestrebt hätten, in diesen Bund aufgenommen zu werden, und dies zu Bedingungen, die ihr selber gestellt hättet. Sie schätzten euer Bündnis ebenso hoch wie ihre eigenen Länder und Besitztümer; so kam es, dass seit Menschengedenken kein Fürst und keine Bundesgenossenschaft, seien sie noch so gewaltig und kühn, es jemals gewagt haben, ich sage nicht einmal eure Länder zu überfallen, sondern auch nur die eurer Verbündeten. Und wenn sie unversehens, nach voreiligem Ratschluss, einen Angriff gegen sie in die Wege geleitet hatten, so ließen sie auf der Stelle davon ab, sobald sie den Namen und die Geltung eurer Allianz vernahmen.

Welch ein Wahnsinn hat dich denn jetzt gepackt, dass du jedes [142] Bündnis brichst, alle Freundschaft mit Füßen trittst, alles Recht verletzt, indem du als Feind seine Länder überfällst, ohne im geringsten von ihm oder den Seinen beleidigt, gereizt oder provoziert worden zu sein? Wo bleiben Treu und Glauben? Wo bleibt das Gesetz? Wo bleibt die Vernunft? Wo bleiben Menschlichkeit und Gottesfurcht? Glaubst du vielleicht, dass solche Missetaten den himmlischen Geistern und Gott, dem Allmächtigen, der unsere Taten gerecht vergilt, verborgen bleiben? Wenn du es aber glaubst, dann irrst du dich, denn es kommt alles vor Gericht. Wollen vielleicht ein verhängnisvolles Geschick oder der Einfluss der Sterne deinem Wohlbefinden und deiner Ruhe ein Ende setzen? So haben alle Dinge ein Ende und ein Ziel, und wenn sie ihren Höhepunkt erreicht haben, dann brechen sie unten zusammen, denn in einem solchen Zustand können sie nicht länger verbleiben. Dies ist das Ende all derer, die nicht mit Vernunft und Maß mit ihrem Glück und Wohlgedeihen umgehen.

Nun, wäre dies vorherbestimmt und sollte nunmehr deinem Glück und deiner Ruhe ein Ende gesetzt werden, musste es dann sein, dass dies geschah, indem du meinem König Unrecht zufügtest, ihm, der dir zu deiner Stellung verholfen hat? Wenn dein Haus einstürzen sollte, musste es dann auf den Herd dessen stürzen, der es hergerichtet hatte? Dies geht so weit über die Grenzen der Vernunft, dies ist so weit von jedem gesunden Menschenverstand entfernt, dass es kaum von irgendeinem Menschen verstanden werden kann. Es wird auch den Fremden unglaubhaft bleiben, bis der Beleg unbestreitbarer Tatsachen ihnen beweist, dass denjenigen nichts in der Welt heilig ist, die sich von Gott und der Vernunft losgesagt haben, um ihren bösen Neigungen zu folgen.

Wenn deinen Untertanen und deinem Land von unserer Seite [143] irgendein Schaden zugefügt worden wäre, wenn wir deinen Feinden eine Gunst erwiesen hätten, wenn wir dir in deinen Schwierigkeiten nicht hilfreich zur Seite gestanden hätten, wenn durch uns dein Name und deine Ehre Schaden erlitten hätten, oder wenn, um es besser zu sagen, der Geist der Verleumdung, der versucht, dich zum Bösen zu verführen, dir mit seinen Trugbildern und seinem Blendwerk eingegeben hätte, dass wir dir Dinge angetan, die unserer alten Freundschaft unwürdig sind, dann hättest du als erstes nachforschen müssen, was denn nun Wahres daran ist, und dich dann an uns wenden; wir hätten dir solche Genugtuung gegeben, dass du allen Grund zur Zufriedenheit gehabt hättest.

Aber, allmächtiger Gott, was tust du? Willst du als arglistiger Tyrann das Reich meines Herrn plündern und verwüsten? Hast du ihn für so feige und für so erstarrt gehalten, dass ihm der Wille, oder für so arm an Leuten, Geld, weisem Rat und Kriegskunst, dass ihm das Können fehlte, um sich deinen willkürlichen Angriffen zu widersetzen?

Verlasse augenblicklich diesen Ort, auf dass du dich im Laufe des morgigen Tages für immer in dein Land zurückgezogen hast, und dies, ohne unterwegs irgendeine Gewalttätigkeit zu verüben; zahle eintausend Goldbesam als Entgelt für die Schäden, die du in diesen Landen verübt hast: Die erste Hälfte zahlst du morgen, die zweite an den Iden des kommenden Mai. Bis dahin lässt du uns als Geiseln die Herzöge von Tournemoule, von Basdefesses, von Menuail, sowie den Prinzen von Gratelles und den Vizegrafen von Morpiaille.«

[144] Zweiunddreißigstes Kapitel

Wie Grandgousier um des Friedens willen die Fladen zurückgeben ließ

Damit schwieg der ehrenwerte Gallet. Auf all seine Ausführungen antwortete Pikrocholos nichts weiter als: »Kommt her und holt sie euch, kommt sie euch nur holen! Hier sind lauter weiche Säcke, die seichen euch schon in die Wecken.«

Daraufhin kehrte Gallet zu Grandgousier zurück. Er fand ihn barhäuptig und kniend in einem Winkel seines Gemachs vor, wo er zu Gott betete, er möge doch die Wut von Pikrocholos besänftigen und ihn wieder zur Vernunft bringen, ohne dass man Gewalt anwenden müsse.

Als er seinen treuen Boten heimgekehrt sah, fragte er ihn: »Nun, mein Freund, mein lieber Freund, welche Neuigkeiten bringt Ihr mir?«

»Es ist alles in heller Unordnung«, antwortete Gallet, »dieser Mann ist ganz und gar von Sinnen und von Gott völlig verlassen.«

»Aber mein Freund«, sagte Grandgousier, »welchen Grund gibt er denn für diese Schandtaten an?«

»Er hat mir keinerlei Grund angegeben«, antwortete Gallet, »in seiner Wut hat er mir nur ein paar Worte von Brot gesagt. Ich weiß nicht, ob man vielleicht seinen Fladenbäckern irgendein Unrecht zugefügt hat.«

»Das möchte ich aber genau wissen«, sagte Grandgousier, »ehe ich beschließe, was weiter zu tun ist.«

Also befahl er, dass man dieser Sache nachgehe, und es stellte sich als Tatsache heraus, dass man den Leuten von Pikrocholos einige Fladen mit Gewalt abgenommen und dass Marquet einen [145] Schlag mit einem Knüppel auf den Kopf bekommen hatte; dass jedoch alles auf Heller und Pfennig bezahlt worden sei und dass der genannte Marquet zuerst Frogier mit seiner Peitsche an den Beinen verletzt habe.

Der gesamte Rat war der Ansicht, dass er sich mit aller Kraft zu wehren habe. Trotz alledem sagte Grandgousier: »Da es sich hier nur um ein paar Fladen handelt, werde ich versuchen, ihn zufriedenzustellen, denn es widerstrebt mir einfach zu sehr, in einen Krieg zu ziehen.«

Er erkundigte sich, wie viele Fladen man genommen hatte, und als er erfuhr, dass es vier oder fünf Dutzend waren, befahl er, noch in derselben Nacht fünf Karrenladungen davon zu backen. Eine dieser Karrenladungen sollte aus Fladen bestehen, die aus feinster Butter, herrlichem Eigelb, schönem Safran und edelsten Gewürzen gemacht waren, und diese sollte für Marquet sein. Er gab ihm als Entschädigung siebenhunderttausendunddrei Philippstaler, damit er die Barbiere bezahle, die ihn verarztet hatten, und darüber hinaus gab er ihm den Meierhof La Pomardière auf ewige Zeiten als Freigut für ihn und die Seinen. Gallet wurde damit beauftragt, alles an seinen Zielort zu bringen und zu übergeben. Unterwegs ließ er an der Weidenwiese anhalten, ließ Mengen an Büscheln von Binsen und Schilfrohr abschneiden, mit denen er die Karren rundherum ausstaffieren ließ, und ebenso alle Kärrner; er selbst hielt ein solches Büschel in der Hand, um augenfällig zu machen, dass sie nur um Frieden baten, und dass sie gekommen waren, um diesen auszuhandeln.

Als sie am Tor angelangt waren, baten sie darum, mit Pikrocholos im Auftrag Grandgousiers sprechen zu dürfen. Pikrocholos wollte sie unter keinen Umständen hereinlassen, ebenso [146] wenig mit ihnen sprechen, und ließ ihnen mitteilen, dass er verhindert sei. Sie sollten aber das, was sie zu sagen hätten, Hauptmann Toucquedillon übermitteln, der gerade dabei war, auf der Schlossmauer ein Geschütz auf die Lafetten zu setzen.

Der brave Gallet sprach ihn folgendermaßen an: »Mein Herr, um euch die Möglichkeit zu geben, diese Auseinandersetzung zu beenden und jedweden Vorwand zu nehmen, nicht zu unserem alten Bündnis zurückzukehren, erstatten wir euch hiermit die Fladen, die die Ursache dieses Streites sind. Fünf Dutzend haben unsere Leute davon genommen; wir haben stattlich dafür gezahlt. Wir lieben den Frieden so sehr, dass wir euch jetzt fünf Karrenladungen davon zurückgeben, von denen die eine hier für Marquet ist, der sich am meisten beklagt. Um ihn vollends zufriedenzustellen, übergebe ich ihm darüber hinaus siebenhunderttausendunddrei Philippstaler, und als Schadensersatz, den er beanspruchen könnte, überlasse ich ihm auf ewige Zeiten den Meierhof La Pomardière als Freigut für ihn und die Seinen; hier ist die entsprechende Urkunde. So lasst uns, im Namen Gottes, von nun an in Frieden leben, zieht frohen Mutes in eure Länder zurück und verlasst diesen Ort hier, auf den ihr, wie ihr sehr wohl anerkennt, keinerlei Anspruch habt, und lasst uns wie ehedem Freunde sein.«

Dies alles berichtete Toucquedillon Pikrocholos, wobei er ihn aber zuhends aufhetzte, indem er ihm sagte:

»Diesen Bauernlümmeln sitzt die Angst im Nacken. Grandgousier, dieser armselige Säufer, scheißt sich vor Angst in die Hose. In den Krieg zu ziehen, das ist nicht seine Sache; aufs Flaschenleeren versteht er sich besser. Ich bin der Meinung, wir behalten die Fladen und das Geld und beeilen uns, uns hier zu verschanzen und weiter unser Glück zu machen. Ja glauben die denn [147] vielleicht, dass sie es hier mit einem Trottel zu tun haben, dass sie Euch mit Fladen ködern? Das kommt nur daher, dass Ihr sie früher so gut behandelt habt und so vertraulich mit ihnen umgegangen seid, und nun erscheint Ihr in ihren Augen als verächtlich: wer gut zum Pack ist, den schlägt es; schlagt das Pack, und es ist gut zu Euch.«

»Dann werden sie’s auch kriegen«, rief Pikrocholos, »beim heiligen Jakob! Macht es so, wie Ihr es gesagt habt.«

»Auf eines muss ich Euch noch hinweisen«, sagte Toucquedillon. »Wir sind hier schlecht verproviantiert und mit Lebensmitteln nur spärlich versehen. Wenn Grandgousier uns jetzt belagert, würde ich mir auf der Stelle alle meine Zähne bis auf drei ausreißen lassen und Euren Leuten ebenso: selbst dann wären wir sehr schnell mit unseren Vorräten am Ende.«

»Wir haben genug zum Essen«, entgegnete Pikrocholos. »Sind wir zum Essen hier oder zum Kämpfen?«

»Zum Kämpfen natürlich«, sagte Toucquedillon. »Aber nur mit vollem Wanst wird gut getanzt, und wo der Hunger regiert, die Kraft sich verliert.«

»Genug geschwätzt jetzt«, antwortete Pikrocholos. »Sackt alles ein, was sie mitgebracht haben.«

Daraufhin nahmen sie das Geld, die Fladen, die Ochsen und die Karren und schickten sie, ohne ein Wort zu sagen, nach Hause, bis auf die Aufforderung, nur ja nicht wieder so nahe heranzukommen; den Grund hierfür würde man ihnen morgen sagen.

So kehrten sie unverrichteter Dinge wieder zu Grandgousier zurück und erzählten ihm alles, was vorgefallen war. Sie fügten hinzu, dass sie bar jeder Hoffnung seien, jene zum Frieden zu bewegen, es sei denn durch einen offenen und unerbittlichen Krieg.

[148] Dreiunddreißigstes Kapitel

Wie einige Hofmeister des Pikrocholos diesen durch voreiligen Ratschlag in allergrößte Gefahr brachten

Nachdem sie die Fladen eingesackt hatten, erschienen der Herzog von Menuail, der Graf von Spadassin und Hauptmann Merdaille und sagten zu ihm:

»Majestät, heute machen wir Euch zum glücklichsten und ritterlichsten Fürsten, der je seit dem Tode Alexanders von Makedonien gelebt hat.«

»Bedeckt euch, bedeckt euch«, sagte Pikrocholos.

»Untertänigsten Dank, Majestät«, sagten sie, »wir tun nur unsere Schuldigkeit. Hört, was wir Euch vorschlagen: Ihr lasst einen Hauptmann mit einer kleinen Schar Leute als Garnison zum Schutze dieses Platzes hier, der uns sowohl von seiner natürlichen Anlage her als auch von den Schutzanlagen, die auf Eure Anordnung errichtet worden sind, als außerordentlich stark erscheint. Eure Armee teilt Ihr in zwei Heereshälften, so wie Ihr es am besten zu tun versteht. Der eine Teil wird sich auf Grandgousier und seine Leute stürzen. Schon beim ersten Angriff wird er mir nichts, dir nichts in die Flucht geschlagen. Dort rafft Ihr haufenweise Geld zusammen, denn davon hat dieser gemeine Kerl jede Menge; wir sagen bewusst gemeiner Kerl, denn ein adliger Fürst besitzt niemals auch nur einen Pfennig. Geld anhäufen tut nur das gemeine Pack.

Währenddessen wird die andere Hälfte nach Aunis marschieren, gegen Saintonge, Angoumois, Gascogne, ebenso gegen den Périgord, Médoc und die Landes. Da sie auf keinen Widerstand stoßen, werden sie Städte, Schlösser und Burgen einnehmen. In [149] Bayonne, in Saint-Jean-de-Luz und in Fuenterrabía werdet Ihr Euch aller Schiffe bemächtigen, und während Ihr dem Küstenverlauf nach Galizien und Portugal folgt, plündert Ihr alle Seestädte bis hinauf nach Lissabon, wo Ihr Nachschub an all der Ausrüstung bekommen werdet, die einem Eroberer zusteht. Potztausend! Spanien wird sich ergeben, denn das sind doch alles nur Bauernlümmel! Dann fahrt Ihr durch die Meerenge von Sevilla, und dort richtet Ihr zum ewigen Ruhm Eures Namens zwei Säulen auf, die herrlicher sind als die des Herkules, und diese Meerenge wird in Zukunft das Pikrocholinische Meer heißen. Habt Ihr das Pikrocholinische Meer hinter Euch, kommt Barbarossa und wird Euer Sklave.«

»Ich werde ihm Gnade widerfahren lassen«, sagte Pikrocholos.

»Aber sicher doch«, antworteten sie, »vorausgesetzt, dass er sich taufen lässt. Ihr werdet die Königreiche von Tunis, von Biserta, von Algier, von Bône, von Cyrene verheeren, kühn und mutig das gesamte Berberland. Dann zieht Ihr weiter und bringt Mallorca, Menorca, Sardinien, Korsika und die anderen Inseln des Ligurischen und Balearischen Meeres in Eure Hand. Folgt Ihr linker Hand der Küste, unterwerft Ihr das Narbonensische Gallien, die Provence und das Land der Allobroger, Genua, Florenz, Lucca und schließlich und endlich Rom. Der arme Herr Papst stirbt jetzt schon vor Angst.«

»Bei meiner Treu«, sagte Pikrocholos, »den Pantoffel werde ich ihm aber nicht küssen.«

»Habt Ihr Italien genommen, so sackt Ihr noch Neapel, Kalabrien, Apulien und Sizilien ein, und Malta gleich mit. Ich würde mir wünschen, dass sich diese Witzbolde von Rittern, die früher [150] auf Rhodos saßen, Euch widersetzten, um zu sehen, ob sie noch Druck auf der Blase haben!«

»Ich würde aber noch gerne nach Loreto gehen«, sagte Pikrocholos.

»Nichts da, nein, nein«, sagten sie, »das wird auf dem Rückweg erledigt! Von dort aus erobern wir erst einmal Kreta, Zypern, Rhodos und die Kykladen und fallen dann über Morea her. Und schon haben wir’s. Heiliger Trinian, Gott schütze Jerusalem, denn die Macht des Sultans kann sich mit Eurer nicht messen.«

»Also werde ich«, sagte er, »den Tempel Salomons bauen lassen.«

»Noch nicht«, entgegneten sie, »wartet noch etwas. Seid niemals so voreilig in Euren Unternehmungen. Wisst Ihr, was Augustus immer sagte? Festina lente. Erst müsst Ihr noch Kleinasien haben, Karien, Lykien, Pamphylien, Kilikien, Lydien, Phrygien, Mysien, Bithynien, Carrasia, Satalia, Samagaria, Kastamuni, Luga, Sebasta bis hin zum Euphrat.«

»Werden wir denn Babylon und den Berg Sinai sehen?« fragte Pikrocholos.

»Das ist momentan nicht nötig«, antworteten sie. »Ist es denn nicht genug Schinderei, das Kaspische Meer durchquert zu haben und durch die zwei Armenien und die drei Arabien geritten zu sein«?

»Meine Güte, da werden wir ja verrückt«, sagte er, »die armen Leute!«

»Was ist los?« fragten die anderen.

»Was sollen wir denn nur in diesen Wüsten trinken? Denn Kaiser Julian und sein gesamtes Heer sind dort vor Durst umgekommen, so wie man berichtet.«

[151] »Wir haben schon für alles vorgesorgt«, antworteten sie. »Neuntausendundvierzehn große Schiffe habt Ihr im Syrischen Meer, die mit den besten Weinen der Welt beladen sind. Die sind bereits in Jaffa eingetroffen. Ebenso sind dort zweiundzwanzighunderttausend Kamele und sechzehnhundert Elefanten, die Ihr auf der Jagd in der Umgebung von Sidjilmàssa gefangen habt, als Ihr nach Libyen kamt, und darüber hinaus habt Ihr noch die ganze Karawane von Mekka in Eure Hand gebracht. Ist Euch nun nicht reichlich Wein geliefert worden?«

»Doch, sicherlich«, sagte er, »aber er war nicht frisch und kühl.«

»Heiliger Strohsack, ein Held, ein Eroberer, der nach der Weltherrschaft strebt und trachtet, kann doch nicht immer seine Bequemlichkeit haben. Gott sei gepriesen, dass Ihr und Eure Leute heil und wohlbehalten bis zum Tigris gekommen seid!«

»Aber«, fragte er, »was macht denn die andere Hälfte unseres Heeres, das diesen alten Säufer Grandgousier vernichtet hat?«

»Die ruhen sich auch nicht aus«, antworteten sie; »denen werden wir schon bald begegnen. Die haben Euch die Bretagne erobert, die Normandie, Flandern, den Hennegau, Brabant, Artois, Holland und Zeeland. Sie haben den Rhein überquert und die Schweizer Söldner und Landsknechte besiegt, und ein Teil von ihnen hat Luxemburg, Lothringen, die Champagne, Savoyen bis nach Lyon hin unterworfen. Hier sind sie auf Eure Besatzungen gestoßen, die von ihren Eroberungen im Mittelmeer zurückgekehrt sind, und dann haben sie sich in Böhmen versammelt, nachdem sie Schwaben, Württemberg, Bayern, Österreich, Mähren und die Steiermark verwüstet haben; daraufhin haben sie sich wie wild auf Lübeck gestürzt, auf Norwegen, aufs Schwedenreich, auf Dänemark, Gotland, Grönland, die Hansestädte bis hin zum [153] Eismmeer. Hierauf haben sie die Orkney-Inseln erobert und dann Schottland, England und Irland unterjocht. Von dort segelten sie durch die Ostsee, marschierten quer durch das Gebiet der Sarmaten und haben dort Preußen, Polen, Litauen, Russland, die Walachei, Transsylvanien und Ungarn, Bulgarien und die Türkei besiegt und unterworfen und sind nun in Konstantinopel.«

»Dann wollen wir uns doch so schnell wie möglich zu ihnen begeben«, sagte Pikrocholos, »denn ich will auch Kaiser von Trapezunt sein. Wollen wir denn nicht all diese Hundesöhne von Türken und Mohammedanern abmurksen?«

»Was zum Teufel sollen wir denn sonst tun?« antworteten sie. »Und ihr Hab und Gut und ihre Ländereien schenkt Ihr denen, die Euch redlich gedient haben.«

»Das verlangt schon die Vernunft«, sagte er. »Das ist nur recht und billig. Ich schenke euch Carmania, Syrien und ganz Palästina.«

»Ah«, sagten sie, »wie gütig Ihr doch seid. Habt ergebensten Dank. Gott möge es Euch allezeit wohl ergehen lassen.«

Bei dieser Unterredung war ein betagter Edelmann zugegen, der seine Tüchtigkeit in mancherlei Wagnissen unter Beweis gestellt hatte und der ein erfahrener Kriegsmann war. Er trug den Namen Echephron und meinte, nachdem er diese Reden gehört hatte: »Ich habe die große Befürchtung, dass dieses Unterfangen dem Schwank von dem Milchtopf ähnelt, mit dem ein Schuster im Traum seinen Reichtum macht; als der Topf dann in Scherben ging, hatte er nichts mehr zum Mittagessen. Was wollt Ihr eigentlich mit all diesen herrlichen Eroberungen bezwecken? Was ist denn das Ziel all dieser Mühsal und Widrigkeiten?«

»Das Ziel ist«, sagte Pikrocholos, »uns behaglich auszuruhen, wenn wir wieder daheim sind.«

[154] Darauf entgegnete Echephron: »Und wenn es der Zufall will, dass Ihr nicht nach Hause kämt? Denn der Weg ist lang und gefährlich. Wäre es da nicht besser, sich schon jetzt auszuruhen, ohne sich diesen Gefahren auszusetzen?«

»Mein Gott«, sagte Spadassin, »das ist ja ein schöner Spinner! Da können wir uns ja gleich in einer Ecke am Kamin verstecken und dort unser Leben mit den Frauen zubringen und unsere Zeit darauf verwenden, Perlen einzufädeln oder zu spinnen wie seinerzeit Sardanapal. Wer nichts wagt, gewinnt weder Pferd noch Maultier, so sagte bereits Salomon.«

»Und wer zu viel wagt«, antwortete Echephron, »der verliert Pferd und Maultier, so entgegnete bereits Markolf.«

»Genug jetzt!« sagte Pikrocholos, »reden wir von etwas anderem. Alles, was ich fürchte, sind lediglich diese Teufelslegionen von Grandgousier. Wenn die uns in den Rücken fallen, während wir in Mesopotamien sind, was dann?«

»Ganz einfach«, antwortete Merdaille, »Ihr schickt den Moskowitern einen kleinen netten Stellungsbefehl, und schon rücken im Handumdrehen vierhundertfünfzigtausend Elitesoldaten ins Feld. Oh, wenn Ihr mich bei dieser Gelegenheit zu Eurem Leutnant macht, dann töte ich einen Kamm um eines Krämers willen. Ich beiße, ich schlage, ich haue, ich fange, ich töte, ich widerrufe.«

»Auf, auf«, rief Pikrocholos, »macht alles bereit, und wer mich liebt, der folge mir.«