[249] Vorwort des Verfassers

Erlauchteste und tapferste Helden, edle Herren und andere, die ihr euch freudig allen ehrenwerten und ehrbaren Beschäftigungen hingebt, ihr habt unlängst die Großen und Unschätzbaren Chroniken des gewaltigen Riesen Gargantua gesehen, gelesen und bedacht; und als wahre Gläubige besaßt ihr die Artigkeit, alles zu glauben, was darinnen stand, und so habt ihr so manches Mal eure Zeit damit verbracht, den ehrenwerten Damen und Edelfräulein lange und schöne Erzählungen daraus darzubieten, wenn ihr sonst nichts mehr zu sagen wusstet. Dies gereicht euch zu großem Lob und ewigem Gedenken.

Ginge es nach mir, so sollte ein jeder seine eigene Beschäftigung beiseitelassen, sich nicht um sein Gewerbe kümmern und seine ureigenen Angelegenheiten vergessen, um sich voll und ganz diesen Erzählungen zu widmen, und zwar so, dass sein Geist nicht von außen abgelenkt oder behindert wird, bis er sie auswendig kennt. Wenn nämlich durch einen Zufall die Kunst des Buchdrucks verschwände, und alle Bücher untergingen, könnte ein jeder sie in Zukunft ganz getreu seinen Kindern erzählen und sie so gleichsam mit seiner Hand in die Hände seiner Nachfahren und späteren Geschlechter legen, ganz so wie eine heilige Kabbala. Denn darin ist weitaus mehr gesunde Nahrung, als sich ein grober Haufen von räudigen Großschnauzen vielleicht denkt, der noch viel weniger von diesen kleinen Lustigkeiten versteht als Raclet von den Institutionen.

Ich habe eine Menge hochgestellter und mächtiger Herren gekannt, die, wenn sie auf die Jagd oder auf Entenbeize gingen, und es vorkam, dass trotz der Himmelszeichen das Wild nicht [250] aufzuspüren war, oder der Falke begann, in der Luft zu schweben, weil seine Beute pfeilschnell davonflog, äußerst bekümmert waren, wie man leicht verstehen kann. Ihre einzige Hilfe in der Not, sich darüber hinwegzutrösten und sich nicht schwarzzuärgern, bestand darin, die unschätzbaren Taten unseres Gargantua erneut zu lesen.

Es gibt andere Leute auf der Welt – und dies ist kein Scherz –, die, vom Zahnschmerz schwer gepeinigt und die, nachdem sie all ihr Geld für Ärzte ausgegeben hatten ohne Nutzen, kein zweckmäßigeres Mittel fanden, als die genannte Chronik in zwei warme Wäschestücke zu wickeln, diese mit etwas Hokuspokuspulver zu bestreuen und sie auf die schmerzende Stelle zu legen.

Aber was soll ich erst von den Syphilitikern und Gichtkranken sagen? Wie oft haben wir sie gesehen, wenn sie ordentlich eingesalbt und eingefettet waren, so dass ihre Gesichter glänzten wie die Riegel einer Speisekammer, und die Zähne ihnen klapperten ganz so wie die Tasten einer Orgel oder eines Spinetts, wenn man darauf spielte, und es schäumte ihnen der Rachen wie bei einem Eber, den die Hundemeute in die Tücher gejagt hat! Was machten also jene dann? Ihr ganzer Trost bestand darin, sich eine Seite aus diesem Buch vorlesen zu lassen.

Und wir haben erlebt, wie einige sich mit einhundert Fässern voll alter Teufel einlassen wollten, für den Fall, dass sie keine offensichtliche Erleichterung bei der Lektüre dieses Buches erfahren würden, da man sie gerade in der Vorhölle hielt und sie sich verhielten wie die Frauen im Kindbett, denen man aus dem Leben der heiligen Margareta vorliest.

Ist das etwa nichts? Findet mir doch ein Buch, in welcher Sprache auch immer, aus welchem Fach oder aus welcher [251] Wissenschaft es auch sei, mit solchen Kräften, solchen Eigenschaften und solchen Vorzügen, und ich zahle euch ein Schöppchen Kaldaunen. Nein, meine Herren, nein. Es ist ohnegleichen, unvergleichlich und ohne Beispiel. Dies behaupte ich, bis zum Feuer exklusive. Und diejenigen, die das Gegenteil behaupten wollen, die nennt ruhig Betrüger, Vorbestimmungsgläubige, Heuchler und Lügner.

Es ist wohl wahr, dass man in einigen Büchern höchster Qualität bestimmte verborgene Eigenschaften entdeckt. Hierzu gehören der Saufbold, der Rasende Roland, Robert der Teufel, Fierabras, Wilhelm der Furchtlose, Huon de Bordeaux, Montevieille und Matabrune; aber sie halten einem Vergleich mit dem Buch, von dem wir reden, nicht stand. Die Leute haben sehr wohl durch eigene Anschauung den großen Nutzen und Gewinn erkannt, den sie aus der Chronik des Gargantua ziehen können: denn es sind in zwei Monaten von den Buchdruckern mehr Exemplare davon verkauft worden als Bibeln in neun Jahren.

Ich, der ich als euer untertäniger Sklave euch die Kurzweil noch mehren möchte, offeriere euch nun hiermit ein weiteres Buch vom gleichen Schlag, nur hat es mehr Bestand in der Sache und ist glaubwürdiger als das andere. Glaubt aber nur nicht – es sei denn, ihr wollt euch bewusst irren –, ich spräche darüber wie die Juden von ihrem Gesetz. Ich bin nicht unter einem solchen Stern geboren und ich habe noch nie gelogen oder etwas Unwahres behauptet. Ich spreche darüber wie ein onokrotalischer Spaßvogel, was sage ich, wie ein Drecksnotar leidender Liebender und Papierfresser der Liebschaften: Quod vidimus testamur.

Es handelt sich um die höchst erstaunlichen Taten und Abenteuer des Pantagruel, in dessen Diensten ich stand, seit ich dem Pagenalter entwachsen war bis zum heutigen Tag, an dem er mir [252] freigegeben hat, damit ich mein Kuhland besuchen und herausfinden kann, ob noch irgendeiner meiner Verwandten am Leben ist.

Nun, damit ich mit meinem Vorwort zu Ende komme, bleibt mir nur noch zu sagen, dass ich mich mit Leib und Seele, Eingeweiden und Gedärmen, einhunderttausend Kiepen voller ausgewachsener Teufel ausliefere, wenn ich auch nur mit einem Wort die Unwahrheit sage. Euch soll aber das Feuer des heiligen Antonius verbrennen, die Fallsucht zu Boden schleudern, der Blitzschlag und der Schanker die Beine wegziehen, der mit Quecksilber ordentlich versetzte Rammlerrotlauf, so dick wie Kuhhaar, euch in den Arsch fahren, und ihr sollt wie Sodom und Gomorrha in Feuer, Schwefel und Höllenglut versinken für den Fall, dass ihr nicht alles felsenfest glaubt, was ich euch in der vorliegenden Chronik erzähle.