II_Kapitel_22.tif

Während sie das Papier öffnete, um zu sehen, um was es ging, streute er ihr an verschiedene Stellen seine Spezerei, besonders aber in die Falten ihrer Ärmel und ihres Kleides, und sagte zu ihr: »Madame, die armen Verliebten fühlen sich nicht immer wohl in ihrer Haut. Was mich angeht, so hoffe ich, dass die schlimmen Nächte, die Pein und der Verdruss, die mir die Liebe zu Euch bereitet, mir bei den Qualen im Fegefeuer angerechnet werden. Betet wenigstens zu Gott, er möge mich mein Elend mit Geduld ertragen lassen.«

Kaum hatte Panurge zu Ende geredet, als auch schon alle Hunde, die in der Kirche waren, zu ihr hinliefen wegen der Spezerei, die er bei ihr verstreut hatte. Große und kleine, dicke und dünne, [372] alle kamen herbei, fuhren ihre Feuchtrute aus, schnüffelten an ihr und pissten sie voll. Es war die größte Schweinerei, die die Welt je gesehen hat.

Panurge machte ein paar zögerliche Anstalten, die Hunde zu verjagen, verabschiedete sich dann von der Dame und zog sich in eine der Kapellen zurück, um von dort das Schauspiel zu betrachten, denn die elenden Köter hielten sich dran, ihr auf die Kleidung zu pinkeln: Ein großer Windhund pisste ihr auf den Kopf, andere auf die Ärmel, wieder andere auf ihr Hinterteil; die kleinen pinkelten ihr auf die Schuhe, so dass die Frauen, die in der Nähe waren, ihre liebe Mühe hatten, sich in Sicherheit zu bringen.

Und Panurge hörte nicht auf zu lachen, und er sagte zu einem der Hohen Herren der Stadt: »Ich vermute mal, dass die Dame dort läufig ist oder dass irgendein Windhund sie kürzlich gedeckt hat!«

Und als er sah, dass alle Hunde um sie herum knurrten, so wie sie es bei einer läufigen Hündin tun, machte er sich auf, um Pantagruel zu holen.

In allen Straßen, in denen er auf Hunde traf, gab er diesen einen Fußtritt und sagte: »Wollt ihr nicht mit euren Kumpels zur Hochzeit gehen? Los, vorwärts, vorwärts, zum Teufel, vorwärts!«

Als er bei der Unterkunft angekommen war, sagte er zu Pantagruel: »Meister, bitte, schaut Euch doch einmal an, wie alle Hunde des Landes um die schönste Dame der Stadt herum sind, sie wollen sie alle berammeln!«

Pantagruel stimmte dem gern zu und sah sich das Schauspiel an, das er sehr unterhaltsam und originell fand.

Aber das Beste kam bei der Prozession, bei der mehr als [373] sechshunderttausendundvierzehn Hunde um sie herum gesehen wurden, die ihr tausendfachen Ärger bereiteten; überall, wo sie vorbeiging, folgten die neu hinzugekommenen Hunde ihrer Spur und pinkelten auf die Stellen, die ihre Kleider berührt hatten. Alle blieben stehen, um dieses Spektakel zu betrachten, wie die Hunde ihr bis zum Hals gingen und ihre schöne Kleidung ruinierten. Sie wusste sich nicht mehr anders zu helfen, als sich in ihr Wohnhaus zurückzuziehen, und schon waren die Hunde hinter ihr her; sie versteckte sich im Haus, und die Kammerzofen hielten sich vor Lachen.

Als sie das Haus betreten und die Türe hinter sich abgeschlossen hatte, liefen alle Hunde aus einem Umkreis von einer halben Meile Entfernung herbei und bepissten ihre Haustüre derart, dass ein Bach entstand, auf dem die Enten hätten bequem schwimmen können. Es handelt sich um denselben Bach, der nunmehr durch Saint-Victor läuft, womit Gobelin seinen Scharlach einfärbt, dank der speziellen Eigenschaften der Hundepisse, so wie es einst unser Meister d’Oribus öffentlich verkündet hat.

Gott steh euch bei, der Bach hätte eine Mühle mahlen lassen können, wenn auch nicht diejenigen auf dem Bazacle von Toulouse.

[374] Dreiundzwanzigstes Kapitel

Wie Pantagruel Paris verließ, weil er erfahren hatte, dass die Dipsoden das Land der Amauroten überfielen, und warum die Meilen in Frankreich so kurz sind

Kurze Zeit darauf erfuhr Pantagruel, dass sein Vater Gargantua von Morgane ins Land der Feen versetzt worden war, so wie seinerzeit Ogier und Arthur; gleichzeitig erfuhr er, dass die Dipsoden, als sie von dieser Versetzung hörten, ihre Grenzen verlassen und einen Großteil des Landes Utopia verwüstet hätten und nunmehr die große Stadt der Amauroten belagerten. Daraufhin verließ er Paris, ohne sich von irgendjemandem zu verabschieden, denn die Angelegenheit drängte, und so kam er nach Rouen.

Unterwegs stellte Pantagruel fest, dass die Meilen in Frankreich im Vergleich zu denen anderer Länder viel kürzer waren, und er fragte Panurge nach Grund und Ursache hierfür. Der erzählte ihm eine Geschichte, von der der Mönch Marotus du Lac in den Gestes des Roys de Canarre berichtet, und führte aus:

»In früheren Zeiten waren die Länder weder in Meilen, noch in Miliaria, noch in Stadien oder in Parasangen unterteilt, bis König Pharamond dies auf folgende Art und Weise vornahm: Er suchte einhundert schöne stramme Burschen aus, die wohlbeherzt waren, und einhundert schöne pikardische Mädchen, und ließ sie acht Tage lang auf das beste verpflegen und verköstigen. Dann rief er sie zu sich, teilte jedem jungen Mann sein Mädchen zu, gab jedem eine ordentliche Summe Geld für die Ausgaben, und befahl ihnen, sich zu verschiedenen Orten hier und dort zu begeben, und überall dort, wo sie ihre Mädchen flachlegten, einen Stein aufzustellen, und das wäre dann eine Meile.

[375] Und so machten sich die Gefährten fröhlich auf den Weg, und da sie gut in Form waren und Muße hatten, bohnerten sie an jedem Ende eines Feldes, und deshalb sind die Meilen in Frankreich so kurz.

Aber als sie einen langen Weg hinter sich gebracht hatten, schon schlapp wie die armen Teufel waren und kein Öl mehr auf der Lampe hatten, pinselten sie nicht mehr so oft und begnügten sich (ich rede wohlgemerkt von den Männern) mit einem armseligen Einmal am Tag. Und daher kommt es, dass die Meilen in der Bretagne, in den Landes, in Deutschland und in anderen Ländern so lang sind.

Andere geben andere Gründe an, aber das scheint mir doch der beste zu sein.«

Dem stimmte Pantagruel wohlwollend zu.

Von Rouen aus gelangten sie nach Honfleur, wo sich Pantagruel, Panurge, Epistemon, Eusthenes und Carpalim an Bord eines Schiffes begaben.

Während sie auf günstigen Wind warteten und ihr Schiff abdichteten, erhielt Pantagruel ebendort einen Brief von einer Dame aus Paris (die er eine gute Weile ausgehalten hatte) mit folgender Anschrift:

Dem Geliebten der Schönen und dem Untreuesten der Tapferen

P.N.T.G.R.L

[376] Vierundzwanzigstes Kapitel

Über den Brief, den Pantagruel von einer Dame aus Paris per Boten bekam, und über die Erklärung eines Wortes, das in einen goldenen Ring eingraviert war

Als Pantagruel die Anschrift gelesen hatte, war er höchst erstaunt und fragte den Boten nach dem Namen der Absenderin des Briefes. Er öffnete ihn, fand aber nichts Geschriebenes darin, sondern lediglich einen Ring aus Gold mit einem glattgeschliffenen Diamanten. Daraufhin rief er Panurge zu sich und zeigte ihm das Ganze. Der sagte ihm, dass das Blatt Papier wohl beschrieben sei, aber dies mit so viel Geschick, dass man keine Schrift darauf erkennen könne.

Und um das herauszufinden, hielt er das Blatt Papier vors Feuer, um zu sehen, ob jemand mit in Wasser gelöstem Ammoniaksalz geschrieben hatte.

Dann legte er es in Wasser, um zu sehen, ob der Brief mit Wolfsmilch geschrieben war.

Dann hielt er es vor eine Kerze, um festzustellen, ob er nicht mir Zwiebelsaft geschrieben worden sei.

Dann rieb er einen Teil des Briefes mit Nussöl ein, um zu sehen, ob man mit Lauge aus Feigenholzasche geschrieben habe.

Dann rieb er einen anderen Teil mit der Muttermilch einer Frau ein, die ihre erste Tochter stillte, um zu prüfen, ob der Brief nicht mit Krötenblut geschrieben worden war.

Dann rieb er eine Ecke mit der Asche eines Schwalbennests ein, um zu sehen, ob er nicht mit Tau geschrieben worden war, den man in Blasenkirschen findet.

[377] Dann rieb er eine andere Ecke mit Ohrenschmalz ein, um zu prüfen, ob er nicht mit Rabengalle geschrieben worden war.

Dann tauchte er ihn in Essig, um zu sehen, ob er mit Springkrautmilch geschrieben worden war.

Dann fettete er ihn mit Fledermausschmalz ein, um zu sehen, ob man ihn nicht mit Walsperma, das man auch graue Ambra nennt, geschrieben habe.

Dann tauchte er ihn vorsichtig in eine Schüssel mit frischem Wasser und zog ihn ganz plötzlich wieder heraus, um zu sehen, ob er nicht mit Federalaun geschrieben worden war.

Als das alles nichts erbrachte, rief er den Boten herbei und fragte ihn: »Sag mal, Kamerad, hat dir die Dame, die dich hierhin geschickt hat, nicht einen Stock mitgegeben?«, denn er dachte dabei, dass es sich um den Kunstgriff handeln könnte, von dem Aulus Gellius berichtet.

Der Bote antwortete ihm: »Nein, mein Herr.«

Da wollte Panurge ihm den Kopf rasieren lassen, um nachzuprüfen, ob die Dame das, was sie sagen wollte, ihm mit einer bestimmten Tinte auf den kahlen Kopf hatte schreiben lassen; aber da er sah, dass der Bote einen üppigen Haarwuchs sein eigen nannte, nahm er davon Abstand, denn es war ihm klar, dass die Haare in so kurzer Zeit nicht so lang hätten wachsen können.

So sagte er zu Pantagruel: »Meister, bei Gottes Allmacht, ich weiß nicht mehr, was ich machen oder sagen soll. Um herauszubekommen, ob hier etwas geschrieben steht, habe ich einen Teil dessen angewendet, worüber der ehrenwerte Francesco di Nianto, der Toskaner, in seinem Buch, in dem er über das Entziffern von unsichtbaren Schriftzeichen schreibt, und das, worüber Zarathustra in Peri Grammato acriton und Calphurnius Bassus in De [378] Literis illegibilibus schreiben; aber ich kann nichts finden, und ich glaube, es bleibt nichts anderes als der Ring. Lasst uns ihn mal ansehen.«

Sie betrachteten ihn also näher und fanden im Inneren des Rings in hebräischer Sprache geschrieben:

LAMAH HAZABTHANI

Sie riefen nach Epistemon und fragten ihn, was das denn heißen sollte; der antwortete ihnen, dass dies hebräische Worte seien, die bedeuteten: Warum hast du mich verlassen?

Woraufhin Panurge sofort sagte: »Ich hab’s! Seht ihr hier den Diamanten? Das ist ein falscher. Das, was die Dame sagen will, ist also folgendes: Sag, falscher Geliebter, warum hast du mich verlassen?«

Pantagruel begriff diese Erklärung auf der Stelle, denn er erinnerte sich daran, dass er sich bei seinem Aufbruch von seiner Dame nicht verabschiedet hatte, was ihn sehr betrübte, und er wäre liebend gern nach Paris zurückgekehrt, um Frieden mit ihr zu schließen.

Aber Epistemon rief ihm den Abschied des Aeneas von Dido in Erinnerung sowie den Ausspruch von Herakleides, dem Tarentiner, der besagte, dass man bei einem Schiff, das vor Anker liegt, die Taue kappen muss, wenn es die Notwendigkeit erfordert, statt seine Zeit damit zu vertun, sie loszumachen. Epistemon riet also Pantagruel, all diese Gedanken fallenzulassen, um seiner Geburtsstadt, die in Gefahr war, zu Hilfe zu eilen.

Eine Stunde später erhob sich denn auch ein starker Wind aus Nordnordwest, den sie mit vollen Segeln nutzten, und sie gingen [379] auf die offene See. So segelten sie in wenigen Tagen an Porto Santo und Madeira vorbei und gingen auf den Kanarischen Inseln an Land.

Von dort brachen sie wieder auf, segelten am Cap Blanc vorbei, am Senegal, am Cabo Verde, an Gambia, am Kap von Sagres, an Meli, und vorbei am Kap der Guten Hoffnung und gingen dann im Königreich Malindi an Land.

Mit starkem Nordwind segelten sie von da aus weiter, fuhren an Meden, Uti und Udem vorbei, an Gelasim, an den Feeninseln, am Königreich Achorien entlang, und schließlich kamen sie im Hafen von Utopia an, der drei Meilen und etwas mehr von der Stadt der Amauroten entfernt lag.

Als sie sich an Land ein wenig ausgeruht hatten, sagte Pantagruel: »Kinder, die Stadt ist nicht weit von hier. Bevor wir jetzt weitergehen, wäre es gut, wir würden uns beraten, was zu tun ist, damit wir es nicht den Athenern gleichmachen, die sich nie berieten, es sei denn, die Sache wäre erledigt. Seid ihr entschlossen, mit mir zu leben und zu sterben?«

»Ja, Herr«, antworteten alle, »Ihr könnt Euch auf uns verlassen wie auf die Finger Eurer Hand.«

»Nun«, sagte er, »es gibt nur einen Punkt, der mir zu denken gibt und der mich unsicher macht. Ich kenne weder die Aufstellung noch die Zahl der Feinde, die die Stadt belagern. Wenn ich sie kennte, würde ich mich mit größerer Zuversicht dorthin begeben. Lasst uns einmal gemeinsam überlegen, wie wir das herausbekommen könnten.«

Daraufhin sagten sie alle einmütig: »Lasst uns vor Ort nachsehen, und Ihr wartet hier auf uns; bevor der Tag zu Ende geht, werden wir Euch sichere Nachricht bringen.«

[380] »Ich, für meinen Teil«, sagte Panurge, »werde in ihr Lager gehen, mitten unter die Wachen und Posten, werde mit ihnen zechen und zu ihrem Nachteil etwas mit dem Degen herumfuchteln, ohne dass auch nur einer mich erkennt; ich werde ihre Geschütze in Augenschein nehmen, die Zelte aller ihrer Heerführer aufsuchen, mitten durch ihre Truppen stolzieren, ohne dass mich einer entdeckt, denn ich bin vom Stamm des Zopiros.«

»Ich«, sagte Epistemon, »kenne alle Kriegslisten und alle Großtaten der tapferen Heerführer und Helden vergangener Zeiten und alle Kniffe und Finten der Kriegskunst. Ich gehe dorthin, und selbst wenn ich entdeckt und ausfindig gemacht werde, werde ich ihnen entkommen, indem ich ihnen alles, was mir beliebt, über Euch erzähle und sie es glauben mache, denn ich bin vom Stamm des Sinon.«

»Ich«, sagte Eusthenes, »werde durch ihre Laufgräben trotz der Posten und Wachen zu ihnen vordringen, werde ihnen zu Leibe gehen, ihnen Arme und Beine zerschmettern, und wären sie so stark wie der Teufel, denn ich bin vom Stamm des Herkules.«

»Ich«, sagte Carpalim, »werde zu ihnen gehen, wie die Vögel es tun; denn ich bin so behende, dass ich über ihre Gräben gesprungen sein werde und ihr ganzes Lager durchquert haben werde, bevor sie mich auch nur erblickt haben. Ich fürchte weder Geschoss noch Pfeil, kein Pferd, und möge es noch so leichtfüßig sein, nicht einmal den Pegasus des Perseus oder den des Pacolet; ich entkomme ihnen putzmunter und mit heiler Haut. Ich werde auf den Ähren des Korns gehen, auf den Gräsern der Wiesen, ohne dass sie sich unter mir biegen, denn ich bin vom Stamm der Amazone Camilla.«

[381] Fünfundzwanzigstes Kapitel

Wie Panurge, Carpalim, Eusthenes und Epistemon, die Gefährten des Pantagruel, mit großem Geschick sechshundertundsechzig Reitern den Garaus machten

Während Carpalim noch diese Worte sprach, erblickten sie sechshundertundsechzig Reiter, die gut gerüstet auf gefügigen Pferden herbeipreschten, um nachzusehen, was dies wohl für ein Schiff sei, das gerade im Hafen angelegt hatte, und sie kamen mit verhängten Zügeln herangaloppiert, um die Neuankömmlinge gefangen zu nehmen, wenn sie es denn gekonnt hätten.

Da sagte Pantagruel: »Kinder, zieht euch aufs Schiff zurück. Ihr seht hier einige unserer Feinde herbeieilen, aber ich werde sie erledigen wie die Tiere, und wären sie zehnmal so viele. Zieht euch zurück und vertreibt euch die Zeit damit, uns zuzusehen.«

Darauf antwortete Panurge: »Nein, Herr, es gibt keinen Grund für Euch, dies zu tun; ganz im Gegenteil: zieht Ihr Euch zurück, denn ich werde sie hier alleine vernichten, aber wir haben keine Zeit zu verlieren. Kommt, macht schon!«

Woraufhin die anderen sagten: »Das ist wohl gesprochen, Herr, zieht Euch zurück, wir werden Panurge hier zur Seite stehen, und Ihr werdet sehen, was uns einfällt.«

Da sagte Pantagruel: »Ich bin einverstanden; aber für den Fall, dass ihr ins Hintertreffen geratet, werde ich an eurer Seite sein.«

Daraufhin packte Panurge sich zwei Taue vom Schiff, band sie am Spill auf dem Oberdeck fest, nahm die anderen Enden mit an Land, legte das eine Tau in einem großen Kreis und das andere in einem kleineren Kreis inmitten des großen aus und sagte zu Epistemon: »Geht aufs Schiff, und wenn ich Euch ein Zeichen gebe, [382] dann dreht flink das Spill auf dem Oberdeck und holt die beiden Taue ein.«

Dann sagte er zu Eusthenes und Carpalim: »Kinder, ihr wartet hier, stellt euch den Feinden, gehorcht ihren Anweisungen und tut so, als wolltet ihr euch ihnen ergeben. Aber achtet darauf, nicht in die Kreise der Taue zu treten, haltet euch immer außerhalb.«

Dann eilte er aufs Schiff, nahm sich ein großes Bündel Stroh und ein Fass mit Kanonenpulver, verstreute dieses inmitten der Taue und blieb mit einer Feuergranate in der Hand ganz in der Nähe stehen.

Schon kamen die Reiter in vollem Galopp daher, und die ersten hatten bereits das Schiff erreicht, und da das Ufer besonders glitschig war, stürzten bis zu vierundzwanzig von ihnen samt Pferden zu Boden. Als die anderen dies sahen, kamen sie herbei, weil sie dachten, dass man den Ankömmlingen Widerstand geleistet hätte. Aber Panurge sagte zu ihnen: »Meine Herren, ich glaube, ihr habt euch wehgetan; wir bitten euch um Verzeihung, aber es ist nicht unsere Schuld; es ist vielmehr wegen der Schlüpfrigkeit des Meerwassers, das immer so schmierig ist. Wir ergeben uns euch.«

Gleiches sagten seine beiden Gefährten und auch Epistemon, der sich auf dem Oberdeck aufhielt. Währenddessen ging Panurge auf die Seite, und als er sah, dass sich alle inmitten der Taue befanden und seine beiden Gefährten ebenfalls auf die Seite gegangen waren, um allen Reitern Platz zu machen, die sich drängten, das Schiff zu sehen und das, was wohl darinnen war, rief er urplötzlich Epistemon zu: »Zieh! zieh!«

Epistemon legte los und drehte das Spill, so dass die Taue sich [383] um die Pferde wickelten und sie mühelos samt ihren Reitern zu Boden stürzen ließen; als diese dessen gewahr wurden, zogen sie ihre Schwerter und wollten die Taue durchtrennen. Da legte Panurge Feuer an das Laufpulver, und sie verbrannten alle wie die Seelen der Verdammten. Männer und Pferde, keiner konnte sich retten bis auf einen, der einen Araber ritt, der ihm die Flucht ermöglichte. Als Carpalim ihn erblickte, lief er mit solch einer Schnelligkeit und Gewandtheit hinter ihm her, dass er ihn in weniger als einhundert Schritten eingeholt hatte, sprang auf die Kruppe des Pferdes, packte den Reiter von hinten und brachte ihn zum Schiff zurück.

Nachdem diese Niederlage besiegelt war, war Pantagruel höchst vergnügt und lobte die Geschicklichkeit seiner Gefährten über die Maßen. Er ließ sie sich am Ufer ausruhen, gut essen und ausgiebig zechen. Der Gefangene war dabei in ihrer Mitte; aber der arme Teufel war sich nicht sicher, ob Pantagruel ihn nicht mit Haut und Haaren verschlingen würde. Denn der hätte es genauso einfach gekonnt, wie ihr eine Pille herunterschluckt, so einen gewaltigen Schlund hatte er, und in seinem Mund hätte der arme Teufel nicht mehr bedeutet als ein Hirsekorn im Maul eines Esels.

[384] Sechsundzwanzigstes Kapitel

Wie Pantagruel und seine Gefährten höchst verärgert darüber waren, Pökelfleisch essen zu müssen, und wie Carpalim auf die Jagd ging, um Wildbret zu besorgen

Während sie so zechten, sagte Carpalim: »Beim heiligen Humperich, essen wir denn nie mehr Wildbret? Dieses gesalzene Fleisch macht mich total durstig. Ich bring euch jetzt eine Keule von den Pferden, die wir verbrannt haben, die muss jetzt gut gegart sein.«

Während er aufstand, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, erblickte er am Waldrand einen schönen großen Rehbock, der, wie ich meine, wegen des Feuers, das Panurge veranstaltet hatte, aus dem Dickicht gekommen war.

Auf der Stelle lief er mit solch einer Geschwindigkeit hinter ihm her, dass man hätte meinen können, es handele sich um einen gewaltigen Armbrustbolzen; er hatte ihn im Nu erwischt, und während er lief, reckte er beide Hände in die Luft und fing vier große Trappen,

sieben kleine Trappen,

sechsundzwanzig graue Rebhühner,

zweiunddreißig rote,

sechzehn Fasane,

neun Schnepfen,

neunzehn Reiher,

zweiunddreißig Ringeltauben.

Mit seinen Füßen erlegte er zehn oder zwölf Hasen oder Karnickel, die schon recht groß waren,

achtzehn sich paarende Sumpfvögel,

[385] fünfzehn kleine Wildschweine,

zwei Dachse,

drei große Füchse.

Dann schlug er dem Rehbock mit dem Haudegen auf den Schädel, tötete ihn, und indem er ihn herbeitrug, sammelte er die Hasen, Sumpfvögel und Wildschweine ein, und sobald er in Hörweite war, rief er: »Panurge, mein Freund, Essig, Essig!«

Der gute Pantagruel war der Meinung, er habe Herzschmerzen, und ordnete an, man möge ihm Essig zurechtmachen. Aber Panurge hatte schon verstanden, dass es Hasen zum Verschnabulieren gab, und er machte den edlen Pantagruel darauf aufmerksam, dass Carpalim einen schönen Rehbock auf den Schultern trug und den ganzen Gürtel mit Hasen verbrämt hatte.

Epistemon verfertigte augenblicklich im Namen der neun Musen neun schöne Holzspieße nach antikem Vorbild; Eusthenes half, die Tiere abzudecken, und Panurge stellte zwei Kampfsättel der Reiter so auf, dass sie als Feuerbock dienten; sie ernannten ihren Gefangenen zum Bratkoch, und so brieten sie ihr Wildbret in dem Feuer, in dem die Reiter verbrannten.

Und dann langten sie mächtig zu, mit viel, viel Essig. Zum Teufel derjenige, der sich da zurückhielt; es war eine wahre Freude, ihnen beim Prassen zuzusehen.

Da sagte Pantagruel: »Wollte Gott, jeder von euch hätte zwei Paar Falkenglöckchen am Kinn und ich hätte an dem meinigen die großen Turmglocken von Rennes, von Poitiers, von Tours und von Cambrai, dann könnten wir der Bewegungsfähigkeit unserer Mäuler entsprechend ein gelungenes Morgenständchen abliefern.«

[386] »Aber«, warf Panurge ein, »ich glaube, es ist besser, wenn wir uns ein bisschen um unsere Angelegenheit kümmern und nachdenken, auf welche Art und Weise wir unsere Feinde bezwingen können.«

»Das ist wohl gesprochen«, sagte Pantagruel. Und deshalb fragte er ihren Gefangenen: »Mein Freund, sag uns hier und jetzt die Wahrheit und belüg uns in keinem einzigen Punkt, wenn du nicht willst, dass wir dir bei lebendigem Leib das Fell über die Ohren ziehen, denn ich bin derjenige, der die kleinen Kinder frisst. Erzähl uns mal genau, wie die Aufstellung der Armee aussieht, Zahl und Stärke der Soldaten.«

Worauf der Gefangene antwortete: »Um Euch die Wahrheit zu sagen, Herr, es gehören zur Armee: dreihundert Riesen, die mit Quaderstein gerüstet und außerordentlich groß sind, jedoch nicht so groß wie Ihr, bis auf einen, der ist ihr Anführer und heißt Loup Garou; der ist mit einer Rüstung versehen, die auf zyklopischen Ambossen verfertigt wurde. Dann gehören dazu einhundertdreiundsechzigtausend Fußsoldaten, alle mit Koboldsfellen ausgerüstet, lauter starke und mutige Leute; elftausendvierhundert Mann schwere Kavallerie; dreitausendsechshundert Doppelrohrkanonen und unzählige kleine Kanonen, vierundneunzigtausend Pioniere, einhundertfünfzigtausend Nutten, so schön wie Göttinnen …«

»Die sind für mich«, warf Panurge ein.

»Darunter Amazonen, Mädchen aus Lyon, Paris, Tours, Angers, Poitiers, normannische und deutsche; die sind aus aller Herren Länder und sprechen alle Sprachen.«

»Nun ja«, sagte Pantagruel, »ist der König denn auch dabei?«

»Ja, Herr«, antwortete der Gefangene, »er ist höchstpersönlich [387] anwesend, wir nennen ihn Anarchos, König der Dipsoden, was so viel heißt wie durstige Leute, denn Ihr habt noch niemals so durstige Leute gesehen, die so gern so viel trinken, und sein Zelt wird von Riesen bewacht.«

»Das reicht«, sagte Pantagruel. »Vorwärts, Kinder, seid ihr bereit, mit mir zu gehen?«

Worauf Panurge antwortete: »Möge Gott den niederschmettern, der Euch im Stich lässt. Ich habe schon darüber nachgedacht, wie ich sie für Euch alle um die Ecke bringe, wie die Schweine, so dass ihre Haxen dem Teufel nicht entwischen können; aber eines gibt mir doch ein wenig zu denken.«

»Und das wäre?« fragte Pantagruel.

»Ich frage mich, wie es mir gelingen kann, alle Regimentshuren, die da sind, am heutigen Nachmittag zu knaddeln, ohne dass mir auch nur eine entwischt, die ich nicht gnadenlos durchgerammelt hätte.«

»Ha, ha, ha«, lachte Pantagruel.

Und Carpalim sagte: »Beim neunschwänzigen Teufel! Bei Gott, die eine oder andere werde ich auch stopfen!«

»Und ich, was ist mit mir?« sagte Eusthenes, »seitdem wir Rouen verlassen haben, ist mein Zeiger nicht in die Höhe gegangen; er soll auf zehn oder elf Uhr oder noch höher gehen, dann hab ich ihn knallhart wie hundert Teufel.«

»Verlass dich drauf«, sagte Panurge, »du kriegst die rundesten und die pummeligsten.«

»Was denn?« sagte Epistemon, »alle gehen reiten, und ich soll den Esel führen? Der Teufel soll den holen, der das tut. Wir werden vom Kriegsrecht Gebrauch machen: Qui potest capere capiat.«

[388] »Nein, nein«, sagte Panurge, »bind deinen Esel an einem Haken fest und geh reiten wie alle anderen.«

Der gute Pantagruel lachte zu all dem und sagte dann zu ihnen: »Ihr macht wohl die Rechnung ohne den Wirt! Ich habe die große Befürchtung, dass ich euch, bevor es Nacht wird, in einem Zustand erlebe, in dem ihr keine große Lust mehr auf Zeiger habt und wo man auf euch mit Spießen und mit Lanzen herumreitet.«

»Genug jetzt«, sagte Epistemon, »ich schaffe sie Euch her, zum Braten oder zum Sieden, zum Frikassieren und um Pastete daraus zu machen. Es sind ihrer noch lange nicht so viele, wie Xerxes einst hatte, denn der hatte dreißig mal hunderttausend Krieger, wenn ihr dem Bericht von Herodot und dem von Pompeius Trogus glauben wollt, und trotzdem hat Themistokles ihn mit wenigen Leuten besiegt. Nun macht Euch um Gottes willen keine Sorgen.«

»Scheiße, Scheiße aber auch«, sagte Panurge, »mein Hosenlatz alleine wird die Männer wegbürsten, und der heilige Balletrou, der darinnen wohnt, alle Frauen.«

»Dann vorwärts, Kinder«, sagte Pantagruel, »lasst uns losgehen.«

[389] Siebenundzwanzigstes Kapitel

Wie Pantagruel in Erinnerung an ihre Heldentat ein Siegeszeichen errichtete, und Panurge ein weiteres zum Andenken an die Hasen. Und wie Pantagruel aus seinen Fürzen die kleinen Männer und aus seinen Schleichfürzen die kleinen Frauen erschuf. Und wie Panurge einen dicken Stock auf zwei Gläsern zerbrach

»Bevor wir hier aufbrechen«, sagte Pantagruel, »möchte ich an diesem Ort in Erinnerung an die Heldentat, die ihr vollbracht habt, ein schönes Siegeszeichen errichten.«

Unter lautem Jubel und kleinen Heimatliedchen stellten sie einen großen Holzpfahl auf, an den sie folgendes hängten: einen Kampfsattel, ein Stirnblech, verschiedenen Zierrat, Steigbügelriemen, Sporen, ein Panzerhemd, eine stählerne, vollständige Rüstung, eine Streitaxt, einen Stoßdegen, einen Panzerhandschuh, einen Streitkolben, Armharnische, Beinharnische, einen Halskragen und allen Zierat, der zu einem Triumphbogen oder zu einem Siegeszeichen gehört.

Dann schrieb Pantagruel zum ewigen Gedenken folgendes Triumphgedächtnis:

Hier kam die Heldenhaftigkeit ans Licht

Von tapferen und mutigen vier Recken,

Sie war’n vernunftbewehrt, gepanzert nicht,

Als wollten Fabius und Scipio sie erwecken.

Sechshundertundsechzig starke Filzlauszecken

Verbrannten sie, als wär es trockner Zunder.

[390] Um König, Läufer, Bauer, Turm zu schrecken,

dass List mehr wert als Stärke ist, was Wunder.

Denn die Victoria,

Das weiß ein jeder ja,

Ist Gunst von oben,

Der Consistoria,

Wo herrscht in Gloria

Der Höchste droben.

Da mag der Stärkste noch so toben,

Er gibt’s nur denen, die ihm nah.

Zu Glück und Ehren wird derjenige erhoben,

Der an ihn glaubt, in ihm den Retter sah.

Während Pantagruel dieses Sprachkunstwerk verfasste, befestigte Panurge an einem großen Pfahl die Hörner, das Fell und die Vorderfüße des Rehbocks; dann fügte er die Ohren von drei Häschen dazu, den Bürzel eines Karnickels, die Kinnbacken eines Hasen, die Flügel von zwei kleinen Trappen, die Füße von vier Ringeltauben, ein kleines Fläschchen mit Essig, ein mit Salz gefülltes Horn, ihren hölzernen Bratspieß, eine Spicknadel, einen erbärmlichen, völlig durchlöcherten Kessel, eine Schleifkanne für die Sauce, eine Salzmeste aus gebrannter Erde und einen Becher aus Beauvais.

In Anlehnung an die Verse und das Siegeszeichen von Pantagruel schrieb Panurge folgendes:

Hier saßen ärschlings jüngst bei Kerzenlicht

Vier muntre Zecher, Humpen auszuschlecken,

Zu Bacchus’ Ehren, voller Zuversicht.

Sie tranken nicht, sie soffen wie aus Becken.

[391] Ein Hasenrücken tät besonders schmecken,

Auch Schlegel, Bürzel ließen sie sich munden.

Mit Salz und Essig tät man ihn bedecken,

Und hat ihn skorpionengleich geschunden.

Donner und Doria,

Nicht illusoria,

Bei Hitzeproben,

Sind Potatoria

Poculatoria,

Wird schwer gehoben.

Das Hasenessen würd’ verschoben,

Ohn Essigpromemoria,

Allein der Essig tötet die Mikroben,

Exceptio peremptoria.

Da sagte Pantagruel: »Kommt, Kinder, wir haben uns hier lange genug mit Essen aufgehalten, denn man sieht eher selten gute Prasser, die auch gute Gefechte abliefern. Schatten sollen nur die Kriegsfahnen spenden, Dampf nur die Pferde, und klacken sollen nur die Harnische.«

Da lächelte Epistemon und sagte: »Den besten Schatten gibt die Küche, den besten Dampf die Pasteten und den besten Klang die Becher.«

Worauf Panurge sagte: »Den besten Schatten geben die Bettvorhänge, den besten Dampf die Titten und das beste Klacken die Säcke!«

Dann stand er auf, ließ einen Furz, tat einen Sprung und einen Pfiff und rief fröhlich mit lauter Stimme: »Es lebe allzeit Pantagruel!«

[392] Als Pantagruel dies sah, wollte er es ihm gleichtun; aber von dem Furz, den er ließ, erbebte die Erde in einem Umkreis von neun Meilen, und aus der verpesteten Luft dieses Furzes brachte er mehr als dreiundfünzigtausend kleine Männer hervor, lauter verunstaltete Zwerge, und mit einem Schleichfurz produzierte er ebenso viele kleine verkümmerte Frauen, wie ihr sie an vielen Orten sehen könnt; sie wachsen nicht mehr, und wenn, dann nach unten, so wie Kuhschwänze, oder in die Breite, wie die Steckrüben aus dem Limousin.

»He, was ist das!« sagte Panurge, »so einträglich sind Eure Fürze? Bei Gott, das sind ja schöne Halbmännergestalten und schöne Schleichfurzweiber: die muss man zusammentun, das gibt dann Schmeißfliegen!«

Das tat dann Pantagruel auch und nannte sie Pygmäen und schickte sie alle auf eine nahe gelegene Insel, wo sie sich seitdem stark vermehrt haben; aber die Kraniche führen fortwährend Krieg gegen sie, gegen die sie sich jedoch mutig wehren. Denn diese kleinen Männlein (die man in Schottland Striegelmännchen nennt) sind leicht cholerisch. Der physiologische Grund ist der, dass sie ihr Herz nah an der Scheiße haben.

Panurge nahm sich nunmehr zwei gleich große Gläser, die dort standen, füllte sie bis obenhin mit Wasser und setzte ein jedes auf einen Schemel, die er in fünf Fuß Abstand zueinanderstellte. Dann nahm er den Holzschaft eines Wurfspießes von fünfeinhalb Fuß Länge, legte ihn auf die beiden Gläser, so dass die beiden Holzenden gerade noch auf den Rändern der Gläser zu liegen kamen.

Dann nahm er sich einen großen Pfahl und sagte zu Pantagruel und zu den anderen: »Meine Herren, schaut einmal, wie leicht wir [393] unsere Feinde besiegen werden; denn so wie ich diesen Holzschaft hier auf diesen Gläsern zerbreche, ohne dass diese beschädigt oder zerbrochen werden und ohne dass auch nur ein Tropfen Wasser verlorengeht, genauso werden wir die Schädel der Dipsoden zerschmettern, ohne dass einer von uns verwundet wird oder wir irgendeinen Verlust erleiden. Aber, damit ihr nicht glaubt, hier sei Zauberei im Spiel, bitte ich Euch, Eusthenes, schlagt mit diesem Pfahl mit aller Kraft genau in die Mitte.«

Das tat Eusthenes, und der Holzschaft zerbrach glatt in zwei Teile, ohne dass auch nur ein Tropfen Wasser aus den Gläsern spritzte. Dann sagte er: »Ich kenn da noch ein paar andere; kommt, wir können unserer Sache sicher sein.«

Achtundzwanzigstes Kapitel

Wie Pantagruel auf außergewöhnliche Art und Weise die Dipsoden und die Riesen besiegte

Nach all diesen Reden ließ Pantagruel den Gefangenen zu sich rufen und entließ ihn mit folgenden Worten: »Geh zu deinem König ins Lager und berichte ihm über das, was du gesehen hast; sag ihm, er soll sich bereithalten, meine Ankunft morgen gegen Mittag feierlich zu begehen. Denn sobald meine Galeeren eingelaufen sind, das heißt spätestens morgen früh, werde ich ihm mit achtzehnhunderttausend Kriegern und siebentausend Riesen, die alle größer sind als ich, zeigen, dass er irrsinnigerweise und gegen jegliche Vernunft mein Land überfallen hat.«

Pantagruel tat so, als habe er noch ein großes Heer zur See.

[394] Der Gefangene aber antwortete, dass er sich ihm als Sklave unterstelle und dass er sehr zufrieden sei, niemals mehr zu seinen Leuten zurückzukehren, sondern vielmehr an der Seite Pantagruels gegen sie zu kämpfen, und er bat ihn bei Gott, er möge ihm dies erlauben.

Dem wollte Pantagruel nicht zustimmen, und so befahl er ihm, auf der Stelle aufzubrechen und sich dahin zu begeben, wohin er gesagt hatte. Er gab ihm eine Dose mit Euphorbia und Grana Gnidia, die in Schnaps eingelegt und zu Mus zerstampft waren, und befahl ihm, sie seinem König zu bringen und ihm zu sagen, dass, wenn er eine Unze davon herunterbekäme, ohne zu trinken, er ihm bedenkenlos Widerstand leisten könne.

Daraufhin bat der Gefangene mit gefalteten Händen, er möge ihn, wenn es zur Schlacht komme, verschonen, worauf Pantagruel sagte: »Wenn du das alles deinem König verkündet hast, leg all deine Hoffnung in Gott, und er wird dich nicht im Stich lassen; denn was mich betrifft, obgleich ich stark und mächtig bin, wie du sehen kannst, und eine Unmenge an Leuten unter Waffen habe, so vertraue ich weniger auf meine Kraft und meine Scharfsinnigkeit als vielmehr auf Gott, meinen Beschützer, der diejenigen nie im Stich lässt, die ihr Sinnen und Hoffen auf ihn setzen.«

Daraufhin bat der Gefangene ihn, bezüglich des Lösegelds eine für ihn alle Umstände berücksichtigende Lösung zu finden, worauf Pantagruel ihm antwortete, es sei nicht seine Absicht, andere auszuplündern oder Lösegeld zu fordern, sondern sie zu bereichern und ihnen die totale Freiheit zu geben: »Nun geh, im Frieden des lebendigen Gottes«, so schloss er, »und meide schlechte Gesellschaft, damit dir kein Unglück widerfahre.«

Als der Gefangene gegangen war, sagte Pantagruel zu seinen [395] Leuten: »Kinder, ich habe dem Gefangenen zu verstehen gegeben, dass wir noch Seekriegsleute haben und dass wir gemeinsam mit ihnen nicht vor morgen mittag angreifen werden, so dass unsere Gegner in lauter Furcht vor einem Großangriff die Nacht damit verbringen werden, sich aufzustellen und zu verschanzen; mein Plan ist aber der, sie im ersten Schlaf anzugreifen.«

Verlassen wir jetzt einmal Pantagruel und seine Gefährten und wenden wir uns König Anarchos und seinem Heer zu.

Als der Gefangene angekommen war, begab er sich zum König und berichtete ihm von der Ankunft eines großen Riesen namens Pantagruel, und wie dieser alle sechshundertneunundfünfzig Reiter besiegt und grausam hatte braten lassen, und wie er allein mit dem Leben davongekommen sei, um diese Nachricht zu überbringen; darüber hinaus sei er von dem erwähnten Riesen beauftragt worden, ihm mitzuteilen, er möge das Mittagessen für den morgigen Tag, so gegen Mittag, vorbereiten, denn dieser habe sich vorgenommen, ihn zu dieser Stunde anzugreifen.

Dann überreichte er ihm die Dose, in der sich das Eingemachte befand. Kaum hatte der König einen Löffel davon heruntergeschluckt, bekam er ein solches Brennen im Hals, das einherging mit der Verschwärung seines Zäpfchens, dass sich ihm die Zunge abschälte und, welches Heilmittel man ihm auch zuführte, er doch nur Erleichterung in fortwährendem Trinken fand; sobald er den Becher vom Mund nahm, brannte ihm die Zunge. Daher tat man nichts anderes, als ihm Wein durch einen Trichter einzuflößen.

Als seine Obersten, Paschas und Wachleute das sahen, probierten sie auch von dieser Spezerei, um herauszufinden, ob sie wirklich so durstmachend sei; aber es erging ihnen nicht anders [396] als ihrem König. Und alle muckelten so gut drauflos, dass die Nachricht die Runde durch das Lager machte, dass der Gefangene zurück sei, dass sie morgen einem Angriff standhalten müssten, und dass sich der König und seine Obersten schon darauf vorbereiteten, gemeinsam mit den Wachleuten, und dass sie söffen wie ein Fass ohne Boden. Da begann ein jeder im Heer zur Flasche zu greifen, zu bechern und zu schütten. Kurz und gut, sie tranken so viel, dass sie wie die Schweine in den Schlaf fielen, kreuz und quer durchs ganze Lager.

Kommen wir zurück zu unserem guten Pantagruel und berichten wir, wie er sich in dieser Situation verhielt.

Als er vom Ort des Siegeszeichens aufbrach, nahm er den Mast des Schiffs wie einen Pilgerstab in die Hand, packte zweihundertsiebenunddreißig Stückfass Weißwein aus dem Anjou, das, was aus Rouen noch übriggeblieben war, und machte an seinem Gürtel das volle Salzfass fest, genauso mühelos wie die Frauen der Landsknechte ihre kleinen Körbe tragen, und so machte er sich mit seinen Gefährten auf den Weg.

Als er in der Nähe des feindlichen Lagers war, sagte Panurge zu ihm: »Herr, wollt Ihr etwas Gutes tun? Dann holt den Weißwein vom Anjou aus dem Mastkorb und lasst uns hier wie die Bretonen trinken.«

Dem stimmte Pantagruel bereitwillig zu, und sie tranken so ordentlich, dass kein Tropfen der zweihundertundsiebenunddreißig Fässer übrigblieb, bis auf eine Feldflasche, einen Trinkschlauch aus gekochtem Leder aus Tours, die Panurge sein Vade mecum nannte, und ein paar Weinhefenreste, um Essig daraus zu machen.

Nachdem sie wie die Löcher gesoffen hatten, gab Panurge dem [397] Pantagruel ein teuflisches Medikamentengemisch, das aus Lithontripon, Nephrokatartikon, eingemachten Quitten mit Kantharidenpulver und anderen harntreibenden Mitteln bestand.

Daraufhin sagte Pantagruel zu Carpalim: »Geht in die Stadt, klettert die Mauer hinauf wie eine Ratte, worauf Ihr Euch ja so gut versteht, und sagt ihnen, sie sollen sofort ausfallen und den Feind so heftig wie möglich angreifen. Und wenn Ihr das gesagt habt, kommt wieder runter, nehmt eine brennende Fackel und steckt alle Lagerzelte in Brand, und dann brüllt Ihr, so laut wie Ihr könnt, mit Eurer gewaltigen Stimme und verlasst dann das Lager.«

»Ja, sicher doch«, sagte Carpalim, »wäre es dann nicht gut, ich würde ihre Geschütze vernageln?«

»Nein, nein«, erwiderte Pantagruel, »aber legt Feuer an ihre Pulvervorräte.«

Carpalim nahm die Anweisung entgegen und machte sich augenblicklich davon; er führte alles so aus, wie Pantagruel es angeordnet hatte, und alle Krieger, die in der Stadt waren, machten einen Ausfall. Und als er die Lagerzelte in Brand gesteckt hatte, ging er so leichtfüßig über die Feinde, dass sie rein gar nichts bemerkten, so fest schliefen sie und so sehr waren sie mit Schnarchen beschäftigt. Er ging zu der Stelle, an der sich ihre Geschütze befanden, und legte Feuer an ihre Munitionsvorräte (was sehr gefährlich war). Das Feuer ging sofort hoch und hätte den armen Carpalim um ein Haar erwischt, und wäre da nicht seine außerordentliche Schnelligkeit gewesen, wäre er wie ein Schwein frikassiert worden; aber er machte sich schneller davon, als ein Armbrustbolzen fliegen kann.

Als er die Gräben hinter sich gelassen hatte, brüllte er so [398] fürchterlich, dass man hätte glauben mögen, alle Teufel seien los. Bei diesem Lärm wachten die Feinde auf – aber wisst ihr wie –, so benommen wie beim ersten Klang der Frühmette, was man in der Gegend von Luçon Sackkraulen nennt.

Währenddessen begann Pantagruel, das Salz, das er in seinem Fass trug, in die weit offen stehenden Mäuler der Schlafenden zu streuen, und füllte ihre Kehlen so gut, dass die armen Teufel husteten wie die Füchse und schrien: »Ha, Pantagruel, du heizt unser Feuer noch an!«

Da überkam Pantagruel das Bedürfnis zu pissen, und zwar wegen jener Medikamente, die Panurge ihm verabreicht hatte; er pisste so gewaltig und so reichlich in ihr Lager, dass sie alle versoffen, und im Umkreis von zehn Meilen gab es eine einzigartige Überschwemmung; und die Geschichte berichtet, dass, wenn die große Stute seines Vaters auch da gewesen wäre und auch geschifft hätte, es dann eine Überschwemmung gegeben hätte, die noch größer gewesen wäre als die zur Zeit des Deucalion, denn jedes Mal, wenn die Stute pisste, entstand ein Fluss, der größer war als Rhône und Donau zusammen.

Als diejenigen, die den Ausfall aus der Stadt gemacht hatten, dies sahen, sagten sie: »Sie sind alle eines grausamen Todes gestorben; seht, wie das Blut läuft.«

Aber sie täuschten sich, denn sie glaubten, dass der Urin von Pantagruel das Blut der Feinde wäre, denn sie sahen es ja nur im Feuerschein der brennenden Lagerzelte und im schwachen Mondlicht.

Nachdem die Feinde nun wach geworden waren und einerseits ihr Lager in Flammen und andererseits die Überschwemmung und die Pissflut sahen, wussten sie weder, was sie denken, [399] noch, was sie sagen sollten. Einige meinten, es sei das Ende der Welt und das Jüngste Gericht, das durch Feuer vollendet wird; andere, dass die Meeresgötter Neptun, Proteus, Triton und andere sie verfolgten, und dass es sich um salziges Meerwasser handle.

O, wer kann nunmehr berichten, wie Pantagruel mit den dreihundert Riesen verfuhr? O, meine Muse, meine Calliope, meine Thalia, gewähre mir eine Eingebung, lass mich wieder geistreich sein, denn jetzt kommt der unumgängliche Weg der Logik, jetzt kommt die Stolperfalle, jetzt kommt die Schwierigkeit, die entsetzliche Schlacht, die geschlagen wurde, zum Ausdruck zu bringen. Wollte Gott, ich hätte jetzt eine Kanne vom besten Wein, den jene einst trinken, die diese überaus wahre Geschichte lesen werden.

Neunundzwanzigstes Kapitel

Wie Pantagruel den dreihundert Rittern, die Rüstungen aus Quaderstein trugen, und ihrem Heerführer Loup Garou eine schmerzliche Niederlage zufügte

Als die Riesen sahen, dass ihr ganzes Land unter Wasser stand, trugen sie ihren König Anarchos auf ihren Schultern, so gut es ging, aus der Festung heraus, wie einst Aeneas seinen Vater Anchises aus dem brennenden Troja.

Als Panurge sie erblickte, sagte er zu Pantagruel: »Seht dort, die Riesen, die da herauskommen; schlagt doch mit Eurem Mast kräftig drauf, so wie es in der alten Fechtkunst üblich war; [400] jetzt ist es an der Zeit, sich als Ehrenmann zu erweisen. Was uns angeht, so werden wir Euch zur Seite stehen, und Ihr könnt sicher sein, dass ich ihrer eine Menge töten werde. Was auch? David hat doch Goliath auch mühelos erschlagen, und der dicke Geilbock Eusthenes, der so stark ist wie vier Ochsen, wird sich auch nicht lumpen lassen. Nur Mut, lasst gehen, auf Stoß und Hieb.«

Da sagte Pantagruel: »Mut hab ich mehr als genug, aber was denn, Herkules hat sich nie gegen zwei gleichzeitig versucht.«

»Jetzt macht Ihr Euch aber lustig über mich«, sagte Panurge. »Ihr vergleicht Euch mit Herkules? Bei Gott, Ihr habt mehr Kraft in den Zähnen und mehr Verstand im Hintern, als Herkules jemals in Leib und Seele hatte. Jeder Mensch ist so viel wert, wie er sich einschätzt.«

Während sie so sprachen, näherte sich Loup Garou mit all seinen Riesen; als er sah, dass Pantagruel allein war, packten ihn Verwegenheit und Übermut, da er glaubte, das arme kleine Männlein erledigen zu können, und so sagte er zu seinen Riesengefährten: »Bei Mohammed, ihr Flachlandrammler, wenn einer von euch sich untersteht, mit denen hier zu kämpfen, werde ich ihn gnadenlos töten. Ich verlange, alleine zu kämpfen; ihr könnt euch die Zeit vertreiben, indem ihr uns zuseht.«

Also zogen sich alle Riesen mitsamt ihrem König dahin zurück, wo sich die Flaschen befanden, und mit ihnen Panurge und seine Gefährten; Panurge spielte hierbei einen auf Syphilitiker, verzog das Maul, verkrampfte die Finger und sagte mit heiserer Stimme: »Gottverdammt, Kameraden, wir führen keinen Krieg. Gebt uns etwas zu essen, was wir gemeinsam zu [401] uns nehmen können, während unsere Herren und Meister sich schlagen.«

Dem stimmten der König und die Riesen bereitwillig zu und ließen sie mit ihnen schlemmen, währenddessen Panurge ihnen Geschichten von Turpin erzählte, von den Wundern des heiligen Nikolaus und das Märchen vom Klapperstorch.

Loup Garou ging also auf Pantagruel zu und schwang einen Streitkolben, der ganz aus Eisen war und neuntausendsiebenhundert Zentner und zwei Viertelpfunde wog. Er war aus Chalyberstahl, und an seinem Ende befanden sich dreizehn Spitzen aus Diamanten, deren kleinster so groß war wie die größte Glocke der Notre-Dame in Paris – vielleicht fehlte eine Nagelbreite, oder höchstens, auf dass ich nicht lüge, die Breite eines Messerrückens von einem dieser Messer, die man Ohrabschneider nennt, möglicherweise eine Winzigkeit mehr oder weniger – und sie war verzaubert, so dass sie niemals splittern konnte, sondern, ganz im Gegenteil, alles zerstörte, womit sie in Berührung kam.

So näherte sich also Loup Garou in seiner ganzen Wildheit, und Pantagruel warf einen Blick zum Himmel, empfahl sich Gott aus ganzem Herzen und machte folgendes Gelübde:

»Mein Herrgott, der Du immer mein Beschützer und mein Heiland gewesen bist, Du siehst mich jetzt in höchster Not. Nichts anderes führt mich hierher als der auf der Natur beruhende Eifer, denn Du hast den Menschen auferlegt, sich zu schützen und zu verteidigen, ihre Frauen, ihre Kinder, Land und Familie, und das gilt für den Fall, dass es Dich nicht eigens betrifft, das heißt, den Glauben; denn in einer solchen Angelegenheit willst Du keinen Helfer, es sei denn, er ist katholischer Gehilfe deines [402] Wortes. Hier hast Du uns Waffen und Wehr verboten, denn Du bist der Allmächtige, der Du in Deiner eigenen Sache und da, wo es um Deine eigene Sache geht, Dich unendlich besser verteidigen kannst, als wir es erahnen können, da Du Abertausende von hundert Millionen Legionen von Engeln hast, von denen der Geringste alle Menschen vernichten und Himmel und Erde nach seinem Gutdünken drehen kann, wie es einst dem Heer von Sancherib widerfuhr. So bitte ich Dich also, mir jetzt zu Hilfe zu kommen, denn nur auf Dir ruhen mein Vertrauen und meine Hoffnung, und ich gelobe, dass ich in allen Ländern, sowohl hier in Utopia als auch andernorts, wo ich Macht und Ansehen habe, Dein heiliges Evangelium predigen lassen werde, und zwar makellos rein, schlicht und einfach, ganz und unversehrt, so dass der Unfug, den ein Haufen Heuchler und falsche Propheten angerichtet haben, indem sie durch Menschenwerk und verkommene Hirngespinste die ganze Welt vergiftet haben, in meinem Reich ausgerottet wird.«

Da vernahm man eine Stimme vom Himmel, die da sagte: »Hoc fac et vinces

Als Pantagruel nun sah, wie Loup Garou mit aufgerissenem Maul auf ihn zukam, ging er ihm beherzt entgegen und brüllte, so laut er konnte: »Tod dem Schurken, er soll sterben!«, um ihm mit seinem fürchterlichen Geschrei Angst einzujagen, ganz nach dem Kriegsgebrauch der Lakedämonier. Dann bewarf er ihn mit sechzehn Tönnchen und einem halben Scheffel Salz aus dem Fass, das er am Gürtel trug, und füllte ihm Kehle und Schlund, Nase und Augen.

Wutentbrannt schlug Loup Garou mit seinem Streitkolben zu und wollte ihm den Schädel zerschmettern. Aber Pantagruel war [403] geschickt, gut auf den Beinen und mit gutem Augenmaß. Er ging mit dem linken Fuß einen Schritt nach hinten, aber konnte nicht verhindern, dass der Schlag sein Salzfass traf, das in viertausendsechsundachtzig Stücke zerbrach, und so verteilte sich der Rest des Salzes auf dem Boden.

Als Pantagruel dies sah, breitete er energisch die Arme auseinander, verpasste ihm mit dem dicken Ende seines Mastes wie beim vollendeten Gebrauch der Streitaxt einen Stoß gegen die Brust, zog den Schlag nach links zurück, brachte einen Hieb an und traf Loup Garou zwischen Hals und Kragen. Dann setzte er den rechten Fuß vor und stieß ihm mit dem spitzen Ende des Mastes gegen die Eier, worauf der Mastkorb zerbrach und drei oder vier Weinfässer, die übriggeblieben waren, ausliefen. Loup Garou glaubte, Pantagruel habe ihm die Blase aufgeschlitzt, und der ausfließende Wein sei sein Urin. Pantagruel war damit nicht zufrieden und wollte erneut zuschlagen, nachdem er etwas Abstand genommen hatte. Aber Loup Garou kam mit hoch erhobenem Streitkolben auf ihn zu und wollte ihn mit aller Kraft auf Pantagruel niedersausen lassen, und in der Tat führte er einen solch gewaltigen Schlag aus, dass er den guten Pantagruel vom Schädel bis in die Milz gespalten hätte, wäre Gott ihm nicht zur Seite gestanden. Da Pantagruel blitzschnell reagierte, ging der Schlag rechts vorbei, und der Streitkolben ging mehr als dreiundsiebzig Fuß in die Erde, durch einen Felsen hindurch, aus dem ein Feuer emporflammte, das größer als neuntausendundsechs Schiffstonnen war.

Als Pantagruel sah, dass Loup Garou damit beschäftigt war, seinen Streitkolben, der im Felsen in der Erde steckte, aus dem Boden zu holen, stürmte er auf ihn zu und wollte ihm kurzerhand [404] den Kopf abschlagen; aber unglücklicherweise berührte er mit seinem Mast den Schaft des Streitkolbens, der ja, wie oben erwähnt, verzaubert war.

So brach ihm der Mast drei Fingerbreit über seinem Griff weg, worüber er noch verdutzter war als ein Glockengießer, und er rief lauthals: »Ha, Panurge, wo bist du?«

Als Panurge dies hörte, sagte er zu dem König und den Riesen: »Bei Gott, sie werden sich noch wehtun, wenn man sie nicht auseinanderbringt!« Aber den Riesen ging es so gut, als wären sie bei einer Hochzeitsfeier. Da wollte Carpalim aufstehen, um seinem Herrn zu Hilfe zu kommen, aber einer der Riesen sagte zu ihm: »Bei Golfarin, dem Neffen Mohammeds, wenn du dich hier wegrührst, dann steck ich dich in meinen Hosenboden wie ein Zäpfchen, denn ich hab Verstopfung und kann nicht gut scheißen, es sei denn, ich beiße die Zähne zusammen.«

Pantagruel, der seiner Waffe beraubt war, nahm nun den abgebrochenen Mast in die Hand und schlug blindlings auf den Riesen ein, aber er tat ihm genauso wenig weh, wie wenn ihr einem Amboss einen Nasenflitscher geben würdet.

Derweil zog Loup Garou seinen Streitkolben aus dem Boden, hatte ihn schon herausgezogen und schickte sich an, Pantagruel damit niederzuschlagen; der war jedoch immer in Bewegung und wich allen Schlägen geschickt aus, bis zu dem Augenblick, in dem er, als Loup Garou ihn bedrohte und zu ihm sagte: »Elender Schurke, ich werde dich jetzt kurz und klein schlagen – du wirst nie mehr arme Leute durstig machen!«, ihm einen so gewaltigen Tritt in den Bauch gab, dass er mit den Beinen nach hinten fiel und Pantagruel ihn mehr als eine Bogenschussweite mit dem Hintern über den Boden zog.

[406] Loup Garou spuckte Blut und schrie: »Mahon! Mahon! Mahon!« Bei diesem Schrei erhoben sich alle Riesen, um ihm zu Hilfe zu eilen, aber Panurge sagte zu ihnen: »Meine Herren, geht nicht hin, glaubt mir, unser Herr ist verrückt, er schlägt blindlings drauflos und schaut nicht wohin. Es wird euch übel ergehen.« Aber die Riesen nahmen seine Worte gar nicht zur Kenntnis, weil sie sahen, dass Pantagruel ohne Waffen war.

Als dieser sie herankommen sah, packte er Loup Garou bei beiden Füßen, hob ihn wie einen Spieß in die Luft und schlug den mit Ambossen Gerüsteten auf die mit Quaderstein gerüsteten Riesen und streckte sie nieder, ganz so wie ein Maurer die Steine splittern lässt, und zwar so, dass ein jeder, der sich vor ihm aufhielt, zu Boden geschleudert wurde. Das Bersten der steinernen Harnische machte ein so grauenhaftes Getöse, dass es mich an den Tag erinnerte, an dem der dicke Butterturm von Saint-Etienne in Bourges in der Sonne dahinschmolz.