Das Attentat

Als wir das Bootshaus erreichten, brachte Vater Klein-My ins Bett, während Mutter in der Küche für uns Brote schmierte. Der Prof und ich setzten uns ins Wohnzimmer und zappten ein bisschen zwischen den Fernsehsendern herum. Wie erwartet gab es nicht viel zu sehen. Es war kurz nach neun und draußen dämmerte es jetzt ein wenig.

»Wird es um diese Jahreszeit hier oben überhaupt noch dunkel?«, fragte ich.

»Ich bin nicht ganz sicher«, antwortete der Prof. »Für Mitternachtssonne ist es vielleicht noch ein bisschen früh und wir sind auch nicht weit genug im Norden. Aber viel dunkler als jetzt wird es wohl kaum.«

»Dann drehen wir nach dem Essen eine Runde auf dem Fjord, ja? Versuchen unser Glück bei den Fischen?«

»Von mir aus gern. Ich habe so selbstleuchtenden Gummiwurmkram gekauft, und den möchte ich gern so schnell wie möglich ausprobieren. Mein Vater sitzt schon zu Hause und wartet auf den Testbericht.«

Nach zwei Broten mit Kabeljau und Mayonnaise, einem Becher Tee und einer Wagenladung Ermahnungen brachen wir auf. Wir sollten Schwimmwesten anlegen und »nicht zu weit rausrudern, Jungs, und nicht im Boot aufstehen« und so weiter. Und als wir mit Schwimmwesten bis zu den Ohren auf dem Anleger standen, brachte Mutter es fertig, sich so heftig von uns zu verabschieden, als ob wir im offenen Boot über den Atlantik rudern wollten.

»Na«, sagte ich, als sie genug geküsst hatte. »Wenn wir uns nicht wieder sehen, dann sollt ihr doch wissen, dass ich euch immer sehr geliebt habe. Ihr habt mir natürlich im Laufe der Jahre auch arg zu schaffen gemacht, aber …«

»Alles klar«, sagte Vater. »Macht, dass ihr wegkommt.«

Der Prof ließ die zehn Pferdchen an und wir verließen den Anleger im Rückwärtsgang.

Der Wind hatte sich jetzt ganz gelegt. Der Fjord war fast spiegelglatt. Der Prof beschleunigte und steuerte zwei Felsenbänke auf der anderen Fjordseite an, zwischen denen hatte Vater nämlich den großen Kabeljau erwischt. Und noch andere dicke Brocken, wenn er uns die Wahrheit erzählt hatte.

Wir warfen wegen der starken Strömung Anker und bald darauf hatte der Prof seine widerlichen Gummiwürmer ausgeworfen. Sie sahen aus wie selbstleuchtender Rotz. Ich selber hielt mich an einen eher konservativen 18-Gramm-Blinker. Warf ihn aus und ließ ihn erst sinken, dann holte ich die Schnur langsam wieder ein. Ich spürte, wie die Strömung die Schnur zittern ließ, und merkte gleichzeitig, dass ich wohl auch ein wenig bebte. Angeln ist einfach spannend. Angeln ist immer spannend. Vor allem auf dem Meer. Der bloße Gedanke an die Wahnsinnswelt, die sich unter unserem Hintern verbirgt.

Quallen und elektrische Aale. Seeigel, Würmer und Tintenfische. Und die großen Wale, die sich gegenseitig über Wälder aus Masten von versunkenen Schiffen ihre Lieder zusingen. Schätze. Die nackten Schädel von Hunderttausenden längst ertrunkenen Seeleuten aller Rassen und Farben. Und natürlich: Mein Kabeljau. Oder meine Meerforelle. Oder irgendetwas anderes, das da unten in der dunklen Tiefe auf mich wartete.

Aber es konnte diesmal ja auch etwas ganz anderes sein. Etwas mit weißem Gesicht. Mit blonden Haaren, die im selben Takt tanzten wie Tang und Algen. Ich schauderte.

»Ich hab ihn!«, rief der Prof. »Hoffentlich ist das nicht Anita.« Die Kurbel quietschte, als er versuchte die Schnur einzuholen. Irgendetwas Großes da draußen zog energisch in eine andere Richtung als wir.

»Und gleich beim ersten Wurf! Und das ist keine Sprotte, zum Henker, Mann!«

Unter anderen Umständen hätte ich dem Prof wohl erzählt, dass ich mit gewissen Dingen nur ungern meine Scherze trieb, aber jetzt ließ ich mich mitreißen und vergaß Anita. Der Prof war völlig außer sich. Seine Augen quollen hervor und sein Gesicht war knallrot. Er kurbelte langsam und ruhig und ließ dem Fisch Spielraum, wenn der seinen Rappel kriegte, und die ganze Zeit erteilte er mir kurze nervöse Befehle. »Peter! Einfach sitzen bleiben. Nicht bewegen, Peter.«

»Ich sitz doch ganz still«, sagte ich.

Er überhörte mich einfach und verlegte sich auf Selbstgespräche.

»Ich glaube, wir müssen ihn erst mal richtig müde werden lassen, Prof! Ich glaube, den müssen wir fertig machen. Prof! Wir müssen den richtig fertig machen!«

»Du solltest ihn richtig fertig machen«, sagte ich.

»Halt die Klappe, Peter. Bleib einfach ruhig sitzen und halt die Klappe.«

Es wurde ein ziemlicher Kampf. Es dauerte zehn Minuten. Es dauerte eine Viertelstunde. Der Fisch ruckte heftig und ausgiebig an der Schnur. Der Prof kurbelte, bis ihm der Schweiß ausbrach. Hin und her, her und hin. Nach weiteren zehn Minuten wurde er müde, das konnte ich sehen. Aber ich wusste auch, dass es keinen Sinn hätte, ihm vorzuschlagen, dass ich weitermachen könnte. Ein solcher Vorschlag hätte ihn einfach nur wütend gemacht. Und außerdem: Der bloße Gedanke, der Fisch könnte sich losreißen, während ich die Angel hielt, brachte mir schon eine Gänsehaut ein. Unsere Freundschaft hätte das ganz einfach nicht ertragen.

Der Fisch kam jetzt näher. Nicht nur der Prof war erschöpft. Die Schnur schnitt immer steiler durch das Wasser.

»Da kommt er«, stöhnte der Prof.

Ich fiel auf die Knie und lehnte mich übers Dollbord. Bereit, den Wicht an den Kiemen zu packen, wenn der Prof ihn an die Wasseroberfläche brachte. Und wirklich! Zwei Meter unter uns entdeckte ich im Wasser einen riesigen weißen Bauch, der weite Halbkreise beschrieb.

»Kannst du ihn sehen?«

»Ja«, sagte ich. »Ein dicker Brocken. Bleib ganz ruhig, dann schaffen wir das schon.«

Sekunden später hatte ich den Fisch mit beiden Händen unter den Kiemen gepackt und zog ihn an Bord. Es war ein Seelachs von vier oder fünf Kilo, nicht so groß, wie wir geglaubt hatten, aber ein Seelachs in der Größe ist einfach unglaublich stark, es war also kein Wunder, dass der Prof jetzt kaputt war.

Wir angelten weiter. Ich erwischte zwei schöne Kabeljaus von zwei oder drei Kilo, der Prof erbeutete mit seinem selbstleuchtenden Wurm kleine Seelachse. Gegen halb elf beschlossen wir Feierabend zu machen. Wir hatten mehr als genug Fisch, und Mutter fing sicher schon an sich Sorgen um uns zu machen.

Es war doch um einiges dunkler geworden, als wir den Anleger wieder erreichten. Vater kam, um unseren Fang zu bewundern, verschwand aber sofort wieder im Haus, als wir andeuteten, dass uns Hilfe beim Saubermachen durchaus willkommen sei.

 

Ich wollte gerade dem größeren Kabeljau den Bauch aufschlitzen, als wir ein seltsames Geräusch hörten. Metall gegen Metall, schrill und scheußlich. Dann kam ein kurzer Knall, als sei irgendetwas mitten durchgebrochen.

»Was war das denn?« Der Prof blickte mich aufgeregt an.

»Keine Ahnung. Das kam irgendwo aus dem Hafen.«

In Richtung Pizzeria lagen dicht an dicht die Boote. Fischerboote, Fischkutter und einzelne Sportboote. Ein Wald aus Masten. Wir rannten von unserem Anleger weg und bewegten uns vorsichtig im Schatten von Lagerhäusern und Geräteschuppen am Kai entlang. Ab und zu blieben wir stehen und sahen uns die Boote an, die wir schon passiert hatten, aber in denen war nichts zu sehen und alles war ganz still.

»Vielleicht sind zwei Boote im Liegen gegeneinander gestoßen«, meinte ich.

»Sei nicht so blöd«, sagte der Prof. »Bei diesem Wetter? Das Wasser hier drinnen ist doch spiegelglatt.«

Und dann sahen wir es. Nicht weit von uns weg loderten zwei blauweiße Blitze auf, ich wartete auf den Knall der Explosion, aber der blieb aus.

»Das war auf dem großen Segler dahinten!«, sagte der Prof und rannte los.

Das Boot, das er meinte, war von der Sorte, von der gewöhnliche Sterbliche nur träumen können. Ein riesiger Segler aus Holz, mit zwei Masten. Als wir nahe genug gekommen waren, sahen wir, dass das Boot Marlene hieß und aus Lübeck kam.

»Was jetzt?«, fragte ich und schnappte nach Luft.

»Keine Ahnung. Wir können doch nicht einfach an Bord hüpfen.«

Wir gingen am Boot entlang. Blank poliertes Holz, funkelndes Messing und ordentlich aufgerollte Taue. Alles sauber und korrekt.

»Gehen wir zurück«, sagte ich. »Ehe wir uns total lächerlich machen. Außerdem fürchte ich, dass sich die Möwen unseren Fang sichern.«

»Gehen wir lieber in die Pizzeria und schlagen Alarm!«, sagte der Prof und streckte die Hand aus. »Sieh dir das da an!« Mit »das da« meinte der Prof die Tür zur Kajüte. Sie war aufgebrochen. Ursprünglich war sie mit einem Riegel mit Hängeschloss versehen, aber der Riegel war aus dem Holz gerissen worden und die Tür war jetzt angelehnt.

»Du bleibst hier«, flüsterte der Prof. »Ich laufe zur Pizzeria und sage Bescheid. Die müssen die Polizei holen.«

Ich nickte und zog mich wieder in den Schatten zurück. Besonders wohl fühlte ich mich nicht. Ich wusste ja nicht, wer sich da unten zu schaffen machte. Das Geräusch der Schritte des Prof verlor sich hinter mir in der Dunkelheit.

Und dann war es ganz still. Kein einziges Geräusch war zu hören, nur die Wellen, die gegen Bootsrumpf und Pier glucksten.

Eine oder zwei Minuten vergingen. Nichts. Oder? Doch! Etwas kratzte in meinem Ohrenschmalz. Das Geräusch von … vorsichtigen Schritten. Von hier aus konnte ich die aufgebrochene Kajütentür nicht sehen, aber wenn ich mich nicht sehr irrte, dann stammte das Geräusch von dort. Langsam näherte ich mich dem Schiff wieder.

Und nun passierten zwei Dinge ungefähr gleichzeitig. Ich stolperte über eine Eisenstange und fiel voll auf die Nase, aber ehe ich den Beton knutschte, hörte ich noch, dass jemand an Land sprang und die Beine in die Hand nahm. Ich landete auf der rechten Schulter, es tat verdammt weh, aber rasch hatte ich mich wieder aufgerappelt. Doch, wie gesagt - nicht rasch genug. Als ich aufstand, sah ich gerade noch, wie ein dunkler Rücken um die Ecke eines Lagerhauses bog. Ich vergewisserte mich, dass meine Schulter noch an Ort und Stelle saß, und setzte aus blindem Instinkt dem Einbrecher hinterher.

Ich geriet in eine enge Gasse zwischen zwei Lagerhäusern und auch hier war es ziemlich dunkel. Außerdem standen überall blaue Heringstonnen, Stapel aus Holzkästen und allerlei Eisenkram herum, und deshalb kam ich nur mit Mühe weiter. Vor mir konnte ich eilige Schritte und ziemliches Geklapper hören, der Dieb schien auf seiner Flucht mit allem Möglichen zusammenzustoßen. Ich muss ja zugeben, dass ich mich beim Warten am Anleger ein bisschen gefürchtet hatte, aber jetzt brachten die Schmerzen in der Schulter mich in Wut und ich wollte mir diesen Mistkerl krallen, selbst wenn das meine letzte Tat in diesem Leben wäre. Das Laufen war hier schwierig, der pure Zickzacklauf. Ich schaffte es einfach nicht schneller, weil überall der Müll herumlag. Der Blick nach vorn war fast die ganze Zeit versperrt, es war das reine Labyrinth. Ich tröstete mich damit, dass es für den Dieb wohl kaum viel leichter sein konnte, aber das war doch ein magerer Trost. Vermutlich kannte er sich hier ja gut aus. Ich hatte es wohl kaum mit der internationalen Mafia zu tun. Vermutlich eher mit einem lokalen Kleinverbrecher mit Al-Capone-Ambitionen.

Ratlos blieb ich am Ende der Gasse stehen. Ich hatte eine schmale Straße erreicht und vor mir lag eine stillgelegte Tankstelle. Niemand war zu sehen und die Straße teilte sich bei der Tankstelle. Rechts oder links? Ich entschied mich für links und das war richtig so, denn als ich in den beiden verrosteten Zapfsäulen vorbeikam und um die nächste Ecke bog, sah ich einen Moment lang einen Jackenärmel, der auf dem Hinterhof hinter einem riesigen Öltank verschwand. Und damit hatte ich ihn. Denn um Platz für den Tank zu schaffen, hatte ein Stück vom dahinter liegenden Berg weggesprengt werden müssen. Der Berg war wie ein Brötchen in zwei Teile geschnitten worden und die Schnittfläche zeigte auf mich. Sie ragte hinter dem Tank zwanzig Meter lotrecht auf. Und damit musste der Schlaukopf doch in der Falle sitzen. Ich ließ mir jetzt Zeit. Schlich vorsichtig auf den Tank zu. Horchte. Nichts. Dann holte ich tief Luft und trat mit zwei langen Schritten zur Seite, so dass ich in die Nische schauen konnte.

Und wieder geschahen zwei Dinge fast gleichzeitig. Ein blauweißer Blitz blendete mich fast vollständig, ich sah nur noch Monde und Sterne. Und während ich den Kopf schüttelte und mit den Augen zwinkerte, um herauszufinden, wo im Universum ich mich befand, wurde ich ungefähr mitten in den Eiern von einem Stiefel getroffen. Ich ging in die Knie, presste beide Hände auf den Schritt, wollte schreien, hatte aber keine Stimme, musste kotzen und schaffte das nicht. In diesem Moment tat die Wirklichkeit so unbeschreiblich weh, dass ich nur noch sterben wollte. In der Ferne hörte ich eilige Schritte, sie verloren sich in der Dunkelheit wie vor einigen Minuten die Schritte des Prof. Ich hatte alles vermasselt. Mehr gab es zu dieser Sache nicht zu sagen.

Als ich wieder durch die enge Gasse wackelte, hörte ich den Prof meinen Namen rufen. Ich hatte nicht genug Kraft zum Antworten.

Am Anleger war der Bär los. Ich hatte den Eindruck, dass der halbe Ort auf den Beinen war. An Bord des Seglers stand das Paar, das früher am Abend versucht hatte sich um Anitas Vater zu kümmern, zusammen mit einem Typen, den ich noch nicht gesehen hatte. Die Frau hatte einen Fuß auf die Reling gestellt und winkte abwehrend mit der Hand, offenbar war sie in ein eifriges Gespräch mit Leuten unten am Kai vertieft. Ich erkannte mehrere Leute, die ich schon in der Pizzeria gesehen hatte. Dafür, dass gerade auf ihrem tollen Kahn eingebrochen worden war, wirkte die Frau ziemlich lässig. Ich sah den Prof am Rand der Menge herumwuseln und noch immer schrie er meinen Namen in die Frühlingsnacht.

Ich fand meine Stimme wieder. »Komme schon«, presste ich heraus.

Der Prof packte mich. »Wie siehst du denn aus? Du bewegst dich ja wie ein Greis!«

»So komme ich mir auch vor. Ich hab eine reingesemmelt gekriegt, das ist alles.«

Ich erzählte, was mir in den letzten Minuten widerfahren war.

»Ich hab doch gesagt, du sollst hier warten!«, sagte er wütend. »Das hätte gefährlich werden können. Wenn der Typ nun eine Knarre gehabt hätte und keine Kamera? Oder ein Messer?«

»Kamera?«

»Hat er dir auch einen Tritt in die Birne verpasst? Meinst du, er hat dir den Blitz einer Salatgurke in die Fresse gefeuert?«

»Tut mir Leid«, sagte ich. »Das ging alles so schnell. Hatte noch keine Zeit, um mir kluge Gedanken zu machen.«

Natürlich hatte der Prof Recht. Natürlich hatte jemand ein schönes Porträtfoto von mir gemacht, als ich meinen Kopf vorgestreckt hatte. Natürlich hatte jemand auf dem Schiff Fotos gemacht. Deshalb hatten wir auf der Wasseroberfläche die blauweißen Blitze gesehen. Der Dieb hatte ganz einfach vergessen die Vorhänge zuzuziehen. Oder es war ihm egal gewesen. Aber warum machte sich jemand die Mühe, in ein Segelboot einzubrechen, um das Inventar zu fotografieren? Ich fragte den Prof.

»Hast du noch mit anderen als mir gesprochen?«, fragte der eifrig.

»Nein«, sagte ich. »Nicht mal mit mir selber.«

»Okay. Dann hör gut zu: In zwei Minuten werden wir von jeder Menge neugieriger Leute verhört werden. Und die Polizei ist auch schon unterwegs. Wir werden alles genau erzählen, nur die Blitze erwähnen wir nicht.«

»Warum nicht?«, fragte ich.

»Weil ich es sage, du Trottel. Ich habe jetzt keine Zeit, um das genauer zu erklären.«

Nein, das hatte er nicht. Wir wurden in die Menschenmenge hineingesogen, und ehe wir piep sagen konnten, standen wir vor der Reling der Marlene aus Lübeck. Die drei Leute an Bord reichten uns der Reihe nach die Pfote und bedankten sich in gebrochenem Norwegisch.

»Hat er was geklaut?«, fragte der Prof.

»Nein«, antwortete die Frau, die mir beim Hände schütteln verraten hatte, dass sie Schultz hieß. Offenbar konnte sie am besten Norwegisch. »Rein gar nichts. Das mit dem Schloss ist ja ärgerlich, aber so schlimm ist es auch wieder nicht. Das lassen wir morgen reparieren. Aber ich möchte euch noch einmal danken. Wenn ihr nicht so schnell gewesen wärt …« Sie schüttelte den Kopf und lächelte. »Wir haben wirklich allerlei Geräte an Bord, die wir nur ungern verlieren würden.«

»Ja, ja«, sagte einer der Fischer in der Menge. »Jetzt kommt jedenfalls Antoniussen. Der Polizeichef. Es ist schon besser, wenn der sich die Bescherung mal ansieht.«

»Ach, das ist doch wirklich nicht nötig.« Frau Schultz wand sich und redete auf Deutsch auf die beiden anderen ein.

Ihr Mann lächelte nur und sagte auf Deutsch: »Ein Dummerjungenstreich. Das schaffen wir schon.«

»Was hat er gesagt?«, fragte ich den Prof.

»Dass sie das selber erledigen. Komisch eigentlich, wenn sie keine Anzeige machen, dann blecht doch die Versicherung nicht.«

»Sie haben sicher keinen Bock auf den Papierkram«, sagte ich. »Und Geld haben sie wahrscheinlich genug.«

Der Prof gab keine Antwort. Er war in Gedanken versunken.

Antoniussen traf ein. Ein großer Mann mit silbergrauen Haaren und Schnurrbart, der gar nicht nach einem Arm des Gesetzes aussah. Ich hätte ihn mir eher als Märchenonkel vorstellen können. Er begrüßte herzlich die beiden Schultzes, die jetzt auch auf dem Kai standen. Die drei schienen sich schon zu kennen.

»Was für eine verdammte Kiste!«, hörte ich ihn sagen. Er drehte sich zum Prof und zu mir um. »Habt ihr die Sache gemeldet?«

»Ja«, sagte der Prof. »Wir kratzen hier gerade Fische sauber. Und dann haben wir komische Geräusche gehört. Als wir herkamen, sahen wir das zerstörte Schloss. Ich bin in die Pizzeria gelaufen. Peter hat hier gewartet. Das heißt …«

Ich erzählte, was passiert war, vergaß aber nicht, was der Prof gesagt hatte, und verschwieg die Blitzerei.

»Du hast ihn also nicht richtig gesehen?«

»Ich habe ihn überhaupt nicht gesehen. Nur als Schatten. Und ein Stück Jackenärmel.«

»Wie geht es dir denn jetzt? Tut es noch weh?«

»Das hört schon wieder auf. Mir geht's gut.«

»Mistkerl. Ich finde, es reicht jetzt.« Er wandte sich an Frau Schultz. »Und es fehlt wirklich nichts?«

»Nein, nichts. Geld und Pässe hatten wir bei uns und alles andere ist noch an Ort und Stelle.«

»Hm. Dann habt ihr Glück gehabt. Diese Jungs sind genau im richtigen Moment gekommen. Ich werde mir mal das Schloss ansehen.«

Herr Schultz wollte etwas sagen, aber seine Frau schüttelte unmerklich den Kopf. Das sah ich, weil ich ihr gerade ins Gesicht sah. Sie gingen an Bord und in diesem Moment kam der Dritte im Bunde aus der Kajüte. Er blieb auf der Treppe stehen und rauchte, während die drei anderen das zerstörte Schloss untersuchten. Antoniussen machte sich Notizen, dann war er bereit zum Aufbruch. »Ihr wohnt drüben bei Pettersen, ja?«

»Ja«, sagten der Prof und ich im Chor.

»Gut. Nur für den Fall, dass ich noch einmal mit euch reden muss. Also, Leute. Die Party ist vorbei. Jetzt gehen wir alle schlafen, damit wir morgen wieder frisch und munter sind. Ist das abgemacht?«

Einige lachten und die meisten wanderten wieder zur Pizzeria. Es war halb zwölf, sie hatten wohl noch Zeit für ein letztes Glas. Oben bei einem Bootsschuppen stand eine bekannte Gestalt. Der wortlose Tor. Er zeigte dieselbe unergründliche Miene wie früher am Abend. Aber diesmal blickte er nicht Anitas sternhagelvollen Vater an.

Diesmal sah er mir voll ins Gesicht.