Kapitel 2

Voller Stolz stellte Rosa eine Schüssel auf den Tisch, aus der es köstlich duftete.

»Brasato alla milanese, aber er könnte auch Schmorbraten alla Rosa heißen, denn ich habe meine eigene Gewürzmischung für dieses Rezept. Die Signora liebt ihn. Ich habe schon eine Portion für sie abgefüllt, die Emilia morgen mit ins Krankenhaus nehmen kann«, erklärte Rosa, während sie eine Platte mit gebackenem Radicchio und einen Brotkorb dazustellte.

Oda hatte sich frisch gemacht, während die Männer sich geduscht und umgezogen hatten. Während Sandro Rotwein in die Gläser goss, setzte sich Basilio an den Küchentisch und sah zu, wie seine Frau ihm den Teller füllte. Ein entspanntes Abendessen war genau das, was sie alle brauchten, doch als ein Auto auf den Hof fuhr, zuckte Oda zusammen. Das musste Emilia sein, die aus Arezzo zurückkam. Sandro, der den Wagen ebenfalls gehört hatte, schob Oda einen Stuhl hin, setzte sich neben sie und drückte unter dem Tisch ihre Hand.

Es dauerte kaum zwei Minuten und Emilia rauschte in die Küche. »Hätte ich mir ja denken können, dass ich sie hier finde. Was soll das, Sandro?«, fuhr sie ihren Neffen an, ohne die anderen zu begrüßen.

»Guten Abend, Emilia. Wie geht es Nonna?«, fragte Sandro ruhig.

Emilia riss sich das Tuch vom Hals und warf es samt ihrer Handtasche auf einen Stuhl. Eine Wolke teuren Parfums überdeckte für einen Moment den Essensduft und Oda fragte sich, wie Alessias Mutter ihr luxuriöses Äußeres finanzierte, obwohl sie doch keine Arbeit hatte. »Schmorbraten? Das hätte ja nun wirklich nicht Not getan, Rosa. Muss ich dir vorrechnen, wie es um unsere Haushaltskasse bestellt ist?«

Mit säuerlicher Miene setzte Emilia sich ans Kopfende und strich sich die Haare hinter die Ohren, an denen schwerer Goldschmuck glänzte.

Unglücklich holte Rosa Teller und Besteck und legte es vor Emilia auf den Tisch. »Ich hab’s wegen der Signora gekocht. Weil Sie doch morgen wieder hinfahren und dann etwas mitnehmen können …«

»Meine Mutter ist die meiste Zeit bewusstlos und wenn sie etwas isst, sicher keinen fetten Braten. Was für ein Unsinn!«, fauchte Emilia.

Oda hatte Mitleid mit Rosa, die verunsichert eine Scheibe Braten für Emilia abschnitt.

»Rosa, setz dich ruhig, meine Tante reagiert etwas heftig. Das kennen wir ja.« Sandro schoss Emilia einen verärgerten Blick zu. »Du hast meine Frage nicht beantwortet. Ich wäre lieber selbst gefahren, aber wie dir nicht entgangen sein dürfte, haben wir hier mit der Rindergrippe zu kämpfen.«

»Frag doch sie! Sie war doch dort«, erwiderte Emilia schnippisch.

»Emilia, treib es nicht zu weit«, sagte Sandro gefährlich leise. »Oda ist hier, weil Nonna nach ihr gefragt hat. Und du solltest ihr dankbar sein, dass sie so schnell kommen konnte.«

Emilia sah Oda voller Abscheu an. »Was sie hier will, kann ich riechen … Läufige Hündinnen …«

Weiter kam Emilia nicht, denn Sandro war aufgesprungen, packte sie am Arm und zerrte sie mit sich in den Flur. Es folgte ein lauter Wortwechsel, in dem wiederholt Odas Name, jeweils in Begleitung eines Schimpfwortes fiel. Dann knallte eine Tür und Sandro kam schwer atmend zurück. »Bitte entschuldigt diesen Ausbruch, aber das war zuviel.«

Basilio aß stoisch weiter. Rosa räumte Emilias Teller ab und setzte sich kopfschüttelnd zu uns. »Warum tut sie das nur … Ich verstehe sie nicht. Keiner versteht sie.«

»Nein, da hast du Recht, Rosa. Keiner versteht sie, nicht einmal sie selbst. Das ist ihr größtes Problem«, meinte Sandro. »Dein Essen schmeckt wie immer göttlich, danke Rosa.«

Die Haushälterin errötete und schob Sandro die Fleischschüssel zu. Nachdem alle gesättigt waren und Rosa als Nachtisch Pfirsiche auf den Tisch gestellt hatte, sagte Basilio: »Ich bleibe heute Nacht hier. Das Kalb braucht später noch einmal Schleimlöser gegen den Husten. Das Antibiotikum allein schaffte das nicht.«

»Du hast heute genug getan, Basilio. Ich mache das. Ihr beiden fahrt nach Hause und erholt euch. Morgen liegt wieder viel Arbeit vor uns.« Sandro trank seinen Rotwein aus und erhob sich.

»Aber Signore …«, protestierte Basilio.

»Keine Widerrede. Wir sehen uns morgen.« Sandro klopfte seinem Mitarbeiter auf die Schulter, küsste Rosa auf die Wange und nahm zwei Gläser und die angebrochene Weinflasche mit. Er schien zu erwarten, dass Oda ihm folgte.

An der Treppe zum ersten Stock berührte sie seine Schulter. »Ich muss noch fahren …«

Er sah sie müde an. »Ach, Oda. Es ist zu spät, du hast einen langen anstrengenden Tag hinter dir, genau wie wir alle, und ich lasse dich nicht gehen.« Bei den letzten Worten hob er eine Braue.

»Ich bin aber nicht wegen, ich meine, was Emilia …«, stotterte sie verlegen.

»Denkst du, ich hätte dich sonst angerufen? Komm bitte mit ins Wohnzimmer. Ich möchte mit dir sprechen.« Ohne auf ihre Antwort zu warten ging er die Treppe hinauf.

Was war nur los mit ihr? Einer Emilia sollte es nicht gelingen, ihr Selbstvertrauen durch unverschämte Beleidigungen zu untergraben. Aber es war nicht nur das, sie musste lernen, Menschen zu vertrauen. Und Sandro war kein leichtfertiger Mann, das wurde ihr bei jeder ihrer Begegnungen klarer. Im Treppenhaus und auf dem Flur war es dunkel, doch aus dem Wohnzimmer, Nellas Salon, wie Oda den Raum mit dem Kamin nannte, schien Licht. Sandro stand vor dem Kamin und betrachtete das Porträt seines Großvaters.

»Mach bitte die Tür zu«, sagte er, als er ihre Schritte hörte.

Leise drückte sie die Tür ins Schloss und ging auf ihn zu. Im schwachen Lichtschein einer Stehlampe wirkte sein Gesicht weicher und entspannter. Er reichte ihr ein Glas Wein und stieß mit ihr an. »Salute, Oda!«

»Salute, auf Nella!«

Er lächelte und wandte sich wieder dem Porträt zu. »Alcide Gambetti. Er ist zu jung gestorben. Nonna musste alles allein durchkämpfen. Eine Frau sollte nicht allein durchs Leben gehen müssen.«

»Niemand sollte das.«

»Nein, das ist wahr. Ich denke nur, dass es für eine Frau besonders schwer ist, einen Hof allein zu führen und drei Kinder großzuziehen.«

»Nella ist eine ganz besondere Frau. Du hast Glück, sie zur Großmutter zu haben. Wo genau habt ihr sie gefunden? Ich kann es mir immer noch nicht vorstellen. Es passt nicht zu ihr.«

Er nippte an seinem Glas. »Das habe ich auch gedacht, aber so war es. Sie ist ja auch nicht mehr die Jüngste. Auch wenn man es ihr nicht ansieht. Sie wird einundachtzig. Es war schon sehr merkwürdig. In der letzten Zeit ist sie öfter allein spazieren gegangen oder hat sich von mir oder Alessia in die Stadt mitnehmen lassen. Sie hat nie gesagt, was genau sie unternommen hat. Besorgungen. Das war alles. Vor drei Tagen dann hörte ich sie am Telefon mit jemandem diskutieren. Als sie mich sah, legte sie auf. Am Nachmittag sagte sie, dass sie sich anschauen wollte, wo man die Fasane am besten auswildern könne. Aber sie wollte unbedingt allein gehen. Und als wir nach zwei Stunden nichts von ihr hörten, sind Basilio und ich mit Bruno auf die Suche gegangen und fanden sie oben im Wald. Es gibt eine Lichtung mit einem ziemlich steilen Abhang und ausgerechnet dort ist sie hingefallen und abgerutscht.«

»Und sie ist seitdem nicht mehr ganz bei Bewusstsein gewesen?«

»Die Ärzte meinen, dass sich durch den Sturz ein Gerinnsel im Gehirn gebildet hat, das für ihr unzusammenhängendes Gefasel verantwortlich ist. Aber so wirr fand ich nicht, was sie sagte. Allerdings schien es nur um die Vergangenheit zu gehen. Sie sprach von Alcide und einer Schuld, dann wieder von Victor und Dante und sie rief nach dir. Immer, wenn sie klar schien und mich erkannte, sagte sie, dass ich dich anrufen soll. Du wüsstest, um was es geht.« Er stellte sein Glas ab und sah sie an.

»Aber ich weiß es doch auch nicht! Ich habe mit ihr über Victor, meinen Großvater gesprochen. Und sie hat zumindest angedeutet, dass da etwas zwischen ihnen war. Aber sobald ich nachhakte, hat sie Ausflüchte gesucht. Es muss etwas passiert sein im Sommer 1944. Da wurde das Foto gemacht, das du gesehen hast. Und über Alcide hat sie mir genau dasselbe gesagt. Er hätte eine Schuld auf sich geladen. Bitte, glaub mir, ich weiß nicht, um was es geht! Ich wünschte, ich wüsste es!«

Das war nicht gelogen. Nur Dante hatte sie nicht erwähnt und schließlich war sie ihm nicht begegnet. »Wer aus eurer Familie weiß denn mehr über Alcide?«

Seufzend nahm Sandro Oda ihr Glas aus den Händen und zog sie zu sich auf das Sofa. Sie kuschelte sich in seinen Arm und merkte, wie müde sie war.

»In unserer Familie herrschen, wie sagt man, Kommunikationsengpässe. Mein Vater hat sich nie mit meinem Großvater verstanden. Er ist mit fünfzehn nach Mailand gegangen. Emilia war zu jung. Nur Ugo, der Älteste, hatte einen besseren Draht zu Nonno. Na ja, bis der erfuhr, dass sein Sohn schwul ist.«

»Weiß Alessia eigentlich von Nellas Unfall?«, murmelte sie.

»Ich nehme an, Emilia hat es ihr gesagt.«

Da war Oda sich nicht sicher und nahm sich vor, Alessia morgen anzurufen. »Wo lebt dein Onkel?«

»In Bibbona. Er vermietet und verkauft Innendekoration. Lampen, Stoffe, Gläser …«

Sie legte ihren Kopf auf seine Brust und lauschte seiner Stimme, doch die Worte erreichten sie bald nicht mehr. Der gleichmäßige Schlag seines Herzens war alles, was sie noch wahrnahm, bevor sie einschlief.

Am nächsten Morgen erwachte Oda auf dem Sofa vor dem Kamin und streifte eine Wolldecke ab, die Sandro ihr umgelegt haben musste. Als sie ans Fenster trat und die Flügel öffnete, um die warme Morgenluft hereinzulassen, wurde hinter ihr die Wohnzimmertür aufgerissen.

»Sie …« Emilia spuckte das Wort förmlich aus und blieb in der Tür stehen. »Schließen Sie die Läden vor dem Fenster, sonst ersticken wir hier drinnen. Es gibt hier nämlich keine Klimaanlage.«

»Guten Morgen, Emilia«, sagte Oda freundlich.

»Ich weiß nicht, was Sie vorhaben, aber schauen Sie sich ruhig um. Auf Geld brauchen Sie hier nicht zu hoffen«, ätzte Emilia, die unschlüssig in der Tür verharrte.

»Es tut mir leid, Emilia, was auch immer es ist, dass Sie an mir stört …«

»Mich stört?«, fragte Emilia schneidend. »Sie sind ein Zumutung für mich! Tauchen hier auf, drängen sich zwischen mich und meine Familie und werfen sich meinem Neffen an den Hals, dass es direkt widerwärtig ist!«

Mit gestrafften Schultern erwiderte Oda sehr ruhig: »Das ist Ihre Meinung, aber Sie haben kein Recht, mich zu beleidigen. Ich glaube, Sie sind eifersüchtig. Eifersüchtig, weil Ihre Mutter es vorzieht, einer Fremden zu vertrauen. Vielleicht arbeiten Sie zuerst an Ihren eigenen Problemen, damit haben Sie ganz sicher genug zu tun. Ich denke da vor allem an Ihre Tochter. Oder ist Alessia Ihnen egal? Das wäre sehr traurig. Zumindest hat sie eine Mutter. Ich habe meine verloren, als ich fünf Jahre alt war.«

»Sie wissen überhaupt nichts über mich. Was hat meine Mutter Ihnen erzählt? Dass ich eine faule Schlampe bin?«, schrie Emilia.

»Wir haben nicht über Sie gesprochen. Außerdem ist es nicht meine Art, über andere Leute herzuziehen. Ich möchte Ihnen auch nicht länger im Weg sein. Entschuldigung.« Sie machte Anstalten, an Emilia vorbei zu gehen, die mit einem erstickten Wutschrei davon stürmte.

Im kleinen Badezimmer am Ende des Flures ließ Oda das Wasser auf sich prasseln, um die Müdigkeit aus ihren Gliedern zu spülen. Und wenn Victor und Nella ein Kind zusammen hatten? Diese Möglichkeit bestand immerhin. Während sie sich abseifte, überdachte sie das gestrige Gespräch mit Sandro. Ugo war Nellas Ältester, was bedeutete, dass Sandros Vater nicht Victors Sohn sein konnte. Absurd!

Nach der Dusche fühlte sie sich klarer und ging ins Haus hinunter, wobei sie vorsichtig nach Emilia Ausschau hielt. Aus der Küche war nur das Radio zu hören und es roch nach Kaffee und warmem Brot. Rosa stand mit mehligen Händen am Küchentisch und knetete einen Teig, in den sie bei jedem Umschlagen einige Kräuter warf.

»Buongiorno, Rosa.« Es war gerade halb neun und die unermüdliche Haushälterin bereitete schon wieder das Essen vor.

»Buongiorno.« Sie deutete mit dem Kopf zur Kaffeemaschine. »Bedienen Sie sich. Ich muss den Teig durchkneten, sonst wird er hart.«

Oda drückte das Kaffeepulver im Sieb fest und wartete, bis die Maschine ratternd ihre Pflicht erfüllte. »Was ist mit dem Kalb? Geht es ihm besser?«

Rosa schüttelte den Kopf. »Nicht gut. Basilio hätte hier bleiben sollen.«

Armer Sandro, dachte Oda, stellte die leere Tasse in die Spüle und ging nach draußen. Es mussten bereits über zwanzig Grad sein. Ende Juni war das keine Seltenheit und die Temperaturen würden bis zum August weiter steigen. Bruno hatte keine Zeit für Oda, denn er schnupperte und kratzte an einem Holzstapel herum. Basilio saß vor dem Stall auf einem Holzklotz und beschnitt einer Ziege die Hufe.

»Buongiorno«, sagte Oda.

Basilio antwortete ohne aufzusehen mit einem Grunzen. Oda trat ans Gatter und suchte nach Sandro. Am anderen Ende der Weide gab es einen Unterstand, unter den die empfindlichen Chianinarinder sich vor Sonne und Regen flüchten konnten. Die kleine Herde hatte sich lose um den Unterstand versammelt und etwas Blaues schimmerte zwischen den hellen Tierleibern. Sorgfältig verschloss sie das Gatter hinter sich und ging über die staubige Weide. Das Gras fühlte sich schlapp unter ihren Sandalen an und die Hufe der Rinder hatten aufgerissen, was noch von der Grasnarbe übrig gewesen war.

Je näher Oda den Tieren kam, desto stärker wurde ihre Befürchtung, dass dort etwas nicht stimmte. Die Kälber standen zwischen den Muttertieren, von denen einige an den Grashalmen rupften, während die anderen wiederkäuten. Langsam, um die Tiere nicht zu erschrecken, trat sie zwischen ihnen hindurch und fand Sandro in einem blauen Hemd auf dem Boden sitzend. In den Armen hielt er das Kälbchen, das am Abend die Infusion erhalten hatte.

Das kranke Kalb hustete und Schleim rann ihm aus der Nase. Sandro hob den Kopf und Oda erschrak, als sie die Verzweiflung in seinen Augen sah. »Heute Nacht schien es ihm besser zu gehen. Das Medikament hatte angeschlagen und jetzt sieh es dir an.« Er schüttelte den Kopf. »Dottore Cencio kommt gleich.«

Sie hockte sich neben ihn und streichelte dem hübschen Tier über Kopf und Hals. Aus seinen Lungen war ein rasselndes Geräusch zu hören. »Es klingt wie ein lungenkranker Mensch.«

Sandro sagte mit belegter Stimme: »Ich pflege sie gesund und dann bringe ich sie zum Schlachthof. Ich kann das nicht, Oda.«

Sie strich ihm über die Wange. »Dann solltest du damit aufhören.«

Er rang verzweifelt nach Worten. »Diese Herde ist Nellas Kapital. Der Hof wird kaputt gehen, wenn wir die Hälfte der Tiere verlieren. Ich kann das nicht zulassen, ich habe ihr versprochen, dass sie hier bleiben kann, aber …«

»Sandro, solange sie im Krankenhaus liegt, kannst du nichts entscheiden. Sie wird wieder gesund und dann überlegt ihr gemeinsam, wie es weitergehen soll.« Als er schwieg, sagte Oda voller Überzeugung: »Sie wird gesund.«

»Was macht dich so sicher?«

»Es ist nicht ihre Art, Dinge ungeklärt zurückzulassen.«

»Der Dottore ist da!«, rief Basilio vom Gatter zu ihnen herüber.

Sandro stand auf und nahm ihre Hand. »Willst du Nonna noch besuchen? Emilia ist nicht den ganzen Tag dort.«

Es klang mehr wie eine Bitte, so als wollte er ihr den Anblick des leidenden Tieres ersparen.

»Ich habe mir eine ganze Menge für heute vorgenommen und mache mich auf den Weg. Denkst du, dass Emilia heute Vormittag im Krankenhaus ist?«

Aber sein Blick war schon auf den Veterinär gerichtet, der von Basilio durch das Gatter gelassen wurde. »Ja, sie sagte so etwas. Grüß Nonna von mir. Ich werde sie heute Abend besuchen, egal, was passiert.« Er seufzte und ging Dottore Cencio entgegen, der mit seiner Tasche und besorgter Miene auf sie zueilte.

Basilio dagegen war die Ruhe selbst, stoisch schien er alles so zu nehmen, wie es kam.

»Ich fahre nach Arezzo«, sagte Oda.

»Rosa hat etwas für die Signora. Wenn es Ihnen nichts ausmacht?« Er griff nach einem Eimer.

»Nein, natürlich nicht.«

Er nickte und ging davon.

Mit Plastikbehältern voller Schmorbraten, eingelegten Pfirsichen und Focaccia erreichte Oda wenig später die Kreuzung vor Monte San Savino. Auf der Spur, die in die Stadt führte, hielt ein Sportwagen mit offenem Verdeck. Der Fahrer sah in ihre Richtung und drückte auf die Hupe. »Ciao, Oda! Seit wann sind Sie wieder hier? Warum haben Sie mich nicht besucht? Ich bin schwer beleidigt!«

Niemand anderer als Stefano Luzzati teilte sich ihr lautstark mitten auf der Kreuzung mit.

»Ich bin noch einige Tage hier.«

»Großartig, ich lade Sie zum Essen ein!«

»Daraus wird wohl nichts, aber ich komme in der Enoteca vorbei, versprochen!«

Die Ampeln sprangen um und die Leute hinter ihnen drückten sofort auf die Hupe. Sie befanden sich mitten im morgendlichen Verkehrschaos, was Stefano nicht zu stören schien. Er gestikulierte, ihm in die Stadt zu folgen, doch Oda schüttelte den Kopf und bog Richtung Schnellstraße ab. Die Autobahn brachte Oda nach Siena und von dort nach Colle di Val d’Elsa. Casole d’Elsa war nur wenige Minuten von dort entfernt, doch heute blieb für den Abstecher keine Zeit. Ihr Ziel war die Küste.