Im Mai 1882, neun Monate nach seinem Tanz mit Eders einziger Tochter, heiratete Albert in der Pfarrkirche seines Heimatortes die junge Wienerin Anna Svoboda.
Im Dorf sorgte die eilige Hochzeit des jungen Brugger mit der Städterin für Gesprächsstoff, viele vermuteten, dass eine Schwangerschaft dahintersteckte. Albert war im Winter mehrmals in Wien gewesen und jedes Mal verändert zurückgekommen. Die Gerüchte zerstreuten sich erst, als über den Sommer kein wachsender Bauch sichtbar wurde.
Anna war zwanzig und die zweitälteste Tochter des Tischlermeisters Wilhelm Svoboda, der eine Werkstatt mit über dreißig Angestellten in der Nähe des Lainzer Tiergartens besaß. Seine Kunden waren wohlhabende Leute, für sie fertigte er Wohnmöbel aller Art. Einen Namen hatte er sich mit hochwertigen Sekretären, Schränken und Vitrinen aus Tropenholz gemacht.
Albert hatte Anna bei einem Essen im Kreis der Familie kennengelernt, zu dem ihn Svoboda nach ihrer geschäftlichen Besprechung eingeladen hatte. Anna verhielt sich bei diesem ersten Treffen ihm gegenüber derart bezaubernd und charmant, dass ihm Hören und Sehen verging. Sie war groß und schmal, hielt ihren Rücken auffallend gerade, hatte dunkles dichtes Haar, braune Augen und ein verschmitztes Lächeln. Er blieb acht Tage lang in Wien — er hatte einiges für sein neues Geschäft zu regeln — und sah sie beinahe täglich, nicht weil er sich aufgedrängt hätte, sondern weil die Familie ihn stets für den nächsten Tag einlud. Sie besuchten gemeinsam ein Theaterstück, ein anderes Mal saßen sie bei einem Heurigen, dann wieder spazierten sie durch den Park im Lainzer Tiergarten, immer war jemand aus der Familie dabei. Es war offensichtlich, dass sein Interesse für die junge Frau von den Eltern und von ihr selbst nicht ungern gesehen wurde. Wie kann es sein, dachte Albert, dass eine solch hübsche und kluge Frau noch nicht vergeben ist und sich für jemanden wie mich interessiert? Sie weiß, dass ich in einem Dorf in der tiefsten Provinz zu Hause bin. Obwohl sie betonte, dass sie eine Naturliebhaberin war, bezweifelte er, dass der jungen Frau bewusst war, was es bedeutete, das ganze Jahr inmitten der Natur zu leben; ob sie von schneereichen Wintern wusste, in denen es Tage dauerte, um den Weg zumindest ins Dorf freizuschaufeln, in denen man — die Tage kurz, die Nächte lang, kalt und stockdunkel — im Haus festsaß und keine Droschke vorbeikam, die einen vor dem Theater absetzte.
»Schreiben Sie mir bitte«, sagte sie am Abend, bevor er abreiste, zu ihm. »Erzählen Sie frisch von der Leber weg von Ihren Schwestern und von Ihrer Heimat. Bleiben Sie bei der Wahrheit, tragen Sie nicht dick auf.«
In der Hofmühle angekommen, begann Albert zu überlegen, was er wie formulieren könnte, um Anna zu beeindrucken. Eine Woche darauf setzte er sich am Abend in sein Zimmer — in der Stube gab es zu viele Beobachter —, bis spät in der Nacht saß er an seinem Tisch.
Liebste Anna, schrieb Albert im ersten Überschwang und war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob diese Anrede angemessen war bei einer Frau, die man erst vor kurzem kennengelernt hatte, weshalb er beim zweiten Versuch mit Sehr geehrtes Fräulein Svoboda begann, was ihm wiederum eigenartig erschien, da er sie in Wien mit ihrem Vornamen angesprochen hatte. Beim dritten Versuch wurde Liebe Anna daraus, beim vierten Versuch dann wieder Sehr geehrte Anna!
Er schrieb über seine Schwester Josephine, die drei Jahre älter war als er und ihm am nächsten stand, über seinen Schwager Vinzenz, der die Mühle und Säge während seiner Abwesenheit gewissenhaft betrieben hatte und es immer noch tat. Den beiden ist es verwehrt geblieben, Kinder zu bekommen, ich weiß von meiner Tante, dass meine Schwester sehr darunter leidet. Ich wünsche ihr, dass sie eines Tages damit ihren Frieden schließen kann. Gerne würde ich mit ihr darüber reden, habe aber bisher nicht die richtigen Worte gefunden. Er erzählte von seiner Tante Rosa, die ihn großgezogen hatte und die seinem Plan, ein Handelsgeschäft zu eröffnen, skeptisch gegenüberstand. Schuster, bleib bei deinem Leisten, hat sie zu mir gesagt, du bist ein Müller. Er schrieb über seine sechs Jahre ältere Schwester Emma, die sich als Einzige an die Mutter erinnern konnte. Bei ihrer Hochzeit mit einem Bauern haben sich mein Vater und meine Tante große Sorgen gemacht. Da er nicht von hier ist, auch nicht aus einem Nachbarort, haben sie wenig über ihn gewusst. Nach der Hochzeit hat sich allmählich herausgestellt, dass er sich bescheidener dargestellt hat. Er besitzt an die dreißig Hektar Grund, betreibt eine Milchwirtschaft und züchtet obendrein Schafe. Die beiden haben drei gesunde Kinder, zwei Söhne und eine Tochter. Emma hat mich am meisten überrascht, als ich sie nach meiner Rückkehr wiedergesehen habe, von allen drei Schwestern wirkt sie am glücklichsten. Er berichtete über die fünf Jahre ältere Katharine, die als Kind die Hübscheste von allen gewesen war und sehr jung ins Nachbardorf geheiratet hatte. Ihr Mann besitzt eine Schmiedewerkstätte. Die beiden haben elf Kinder, die Namen meiner Neffen und Nichten bringe ich jedes Mal durcheinander. Einige haben sie bei der Geburt oder in den ersten Jahren verloren, auch das weiß ich nur von meiner Tante. Sie hat einmal unverblümt gesagt, dass Fini es mit ihrer Kinderlosigkeit besser getroffen hat als Kathi.
Zum Schluss schrieb er über seine Heimat. Die Mühlviertler haben lange ihre Heimat als die vergessene Provinz der Monarchie bezeichnet, und ganz Unrecht haben sie nicht gehabt. Kaum jemand hat sich für ihre Belange, geschweige denn ihr hartes Leben interessiert. Zeitungen aus der Hauptstadt zum Beispiel sind in Böhmen oder im Salzkammergut schneller angekommen als in den Marktgemeinden des Mühlviertels. Doktoren haben davor zurückgescheut, eine Praxis in dieser rauen Gegend zu eröffnen, die Lehrer in den Volksschulen sind auf sich alleine gestellt gewesen, höhere Schulen hat es keine gegeben. Wenn sie etwas benötigt oder auf eine Sanierung der Schule bestanden haben, haben sie sich die Zähne an den Obrigkeiten ausgebissen. Die Mühlviertler haben gehorsam Pachtzins und Abgaben bezahlt, sie sind keine Rebellen. Sie sind arbeitsame Menschen, die Bauern wie die Handwerker, und die Leinenweber, Bierbrauer, Holzhändler und Müller genießen einen guten Ruf bis über die Grenzen des Mühlviertels hinaus, ihre Erzeugnisse sind bekannt und gefragt. Alles Nutzbare hat bis zum Jahr der Revolution der Kirche oder dem Adel gehört. Im Falle von Putzleinsdorf waren dies das Bistum in Passau und die Grafen von Salburg-Falkenstein, die im hoch über dem Donautal thronenden Schloss Altenhof lebten.
Auch die Hofmühle ist im Besitz der Salburg-Falkensteiner gewesen. Es gibt eine Geschichte darüber, wie die Brugger Pächter der Mühle geworden sind. Ein Grafensohn hat Mitte des 17. Jahrhunderts eine junge Magd geschwängert. Da ihm ihr Wohl am Herzen gelegen ist, hat er eine Ehe mit einem jungen Müllersburschen arrangiert, dieser war ihm durch seine Tüchtigkeit in der schlosseigenen Mühle aufgefallen. Dem frischgebackenen Ehemann, Brugger, hat er auf Lebenszeit die Pacht der Hofmühle, gelegen in der Marktgemeinde Putzleinsdorf, übertragen. Ich würde jetzt gerne dick auftragen und schreiben: Ich habe also, liebe Anna, blaues Blut in mir.
Bei der Geburt, die drei Tage gedauert hat, sind die Frau und der Säugling gestorben. Man hat sich erzählt, dass der Grafensohn bei der Nachricht seine Tränen nicht zurückhalten konnte. Er ist einige Jahre später in der Schlacht bei Mogersdorf gegen die Türken gefallen. Der junge Brugger hat eine Bauerntochter aus dem Dorf geheiratet, den ersten Sohn haben sie auf den Namen des jungen Grafen getauft: Heinrich. Ich weiß von meiner Tante, dass die Großeltern und Urgroßeltern diese Geschichte immer mit Stolz erzählt haben. Die Liebe zwischen dem Grafen und der Magd hat der Familie die Mühle und somit eine Existenz beschert.
Manches hat sich im Laufe der Zeit verbessert, aber für viele ist das Leben hier immer noch karg. Die Sommer sind kurz, die Schneebedeckung hält bis spät in den Frühling hinein an. Der sogenannte böhmische Wind, ein schneidend kalter Nordwind, plagt die Menschen oft von Jänner bis März, und vorher kann es sein, dass der Nebel alles in sein trostloses Grau hüllt. Wir haben kein mildes Klima und kaum nennenswerte Seen oder Berge, weshalb es keine Sommerfrischler gibt, die Mühlviertler bleiben vorwiegend unter sich.
Aber dennoch ist es nicht zu dick aufgetragen, wenn ich behaupte, das Mühlviertel ist schön. Viele glauben es erst, wenn sie es selbst gesehen haben. Aber diese Schönheit ist keine, welche dem Betrachter sofort ins Auge springt, manche sehen sie erst bei einem zweiten, einem dritten Besuch, einige erkennen sie nie. Auch ich habe sie als junger Mensch nicht erkannt und wollte unbedingt fort von zu Hause. Heute staune ich jeden Tag darüber. Wie kann ich die Landschaft beschreiben? Die meisten tun es mit den Worten »sanft hügelig«. Diese sanften Hügel bestehen aus grünen Wiesen, aus Mischwäldern, die im Herbst bunt leuchten, so wie es jetzt der Fall ist, aus dunklen Nadelwäldern, die im Wind mächtig rauschen, aus Bächen, kleinen Flüssen, Fluren, Auen.
Der Herbst ist meine Lieblingszeit. Ich liebe das warme milde Herbstlicht, das alles golden färbt. Letzte Nacht hat es kurz geregnet, ich mag den Duft der regennassen Erde, wenn ich am Morgen das Haus verlasse, den Nebel, der vom Boden aufsteigt.
Ich hoffe sehr, liebe Anna, ich kann Ihnen eines Tages meine Heimat zeigen, und verbleibe mit lieben Grüßen,
Ihr Albert Brugger
Um nicht auf die Idee zu kommen, ihn abzuändern oder gar neu zu schreiben, brachte er am nächsten Morgen den Brief in die Linde — der Gasthof fungierte als Poststelle —, bei manchen Dingen war er sich nicht sicher, ob sie nicht doch unpassend waren, sie einer Dame aus der Stadt, die man kaum kannte, zu berichten. Nachdem er ihn abgeschickt hatte, wurden seine Bedenken größer, und er verfluchte sich selbst. Vermutlich hielt sie ihn nun für geschwätzig, da er so offen über seine Familie berichtet hatte. Und sicherlich war es nicht ratsam, einer jungen Frau, der das Eheleben noch bevorstand, über zu viele Kinder, bei der Geburt verlorene Kinder und Kinderlosigkeit zu schreiben. Was bin ich für ein Idiot!, dachte er. Umgehend schrieb sie ihm zurück, dass sie aufgrund seiner ehrlichen und liebevollen Beschreibungen seine Schwestern und seine Heimat liebend gern kennenlernen würde.
In den darauffolgenden Monaten reiste Albert sechsmal nach Wien und traf bei diesen Besuchen Anna täglich, im März hielt er bei ihrem Vater um ihre Hand an. Vorher sprach er mit ihr darüber, und sie fiel ihm um den Hals. Die Osterfeiertage verbrachten die Svobodas im Mühlviertel, um Alberts Familie kennenzulernen und das Aufgebot zu bestellen, nicht nur die Eltern und die Brüder waren mitgekommen, sondern auch die ältere Schwester mit ihrem Gatten und der kleinen Tochter. Das junge Ehepaar verhielt sich Albert und seiner Familie gegenüber herablassend, was den Eltern offensichtlich unangenehm war, sie versuchten es durch besondere Freundlichkeit auszugleichen. Alberts Familie legte sich ins Zeug, um den Wienern schöne Tage im Mühlviertel zu bereiten, geflissentlich sahen sie über das Benehmen der beiden hinweg.
»Ich freue mich für dich. Ich bin überzeugt, wir werden gute Freundinnen«, sagte seine Schwester Josephine zu ihm, nachdem die Svobodas wieder abgereist waren. Anna hatte ihr und Vinzenz ein Geschenk mitgebracht, sie hatte sich lange mit ihr unterhalten und sich als aufmerksame Gesprächspartnerin erwiesen, beim Abschied hatte sie sie herzlich umarmt.
»Wo ist der Haken?«, fragte Rosa und betrachtete ihren Neffen prüfend, er lachte: »Sei nicht so misstrauisch, Tante, es gibt keinen.«
Mit der Ehe erhielt Alberts Leben einen neuen Sinn, er spürte eine Zufriedenheit, die er vorher nicht gekannt hatte. All sein Hadern mit der Stumpfsinnigkeit eines sesshaften, beständigen Lebens war wie weggewischt. Wenn er früh erwachte und die Schlafende betrachtete, dachte er manchmal: Gehört sie wirklich zu mir?
Noch vor der Hochzeit war mit einem Anbau des Hauses begonnen worden, der alte Teil sollte Josephine und Vinzenz vorbehalten bleiben. Albert hatte genaue Vorstellungen, den neuen Trakt hatte er gemeinsam mit dem Zimmermeister geplant, viele helle geräumige Zimmer, darunter ein eigenes Nähzimmer für seine Frau, eine Veranda vor dem Haus, so wie er sie an den Südstaatenvillen gesehen hatte.
Rosa erlebte die Fertigstellung nicht mehr, sie starb im Jänner 1883. Sie hatte sich seit Tagen schwach und kränklich gefühlt und war eines Morgens im Bett geblieben. Als Josephine nach ihr sah, bat Rosa sie, ihre Geschwister zu holen, wenige Stunden darauf tat sie im Beisein ihrer drei Nichten und ihres Neffen den letzten Atemzug. Sie wurde im Familiengrab neben ihren Eltern, dem Bruder und ihrer Schwägerin Alberta bestattet, besonders Josephine trauerte lange, Rosa und sie waren sich sehr nahegestanden. Beim Leichenschmaus — das halbe Dorf war eingeladen, Albert wollte sich beim Begräbnis seiner geliebten Tante nicht lumpen lassen — schwelgten die Geschwister in Erinnerungen. Sie erzählten, dass ihnen vor vielen Jahren die Tante aus der Stadt wie ein Engel vorgekommen war, der zum richtigen Zeitpunkt auf die Erde herabgestiegen war.
»Ich bin in den ersten Wochen manchmal in der Nacht aufgestanden, um nachzuschauen, ob sie noch in ihrem Bett liegt«, sagte Katharine. »Ich hatte solche Angst, dass ich aufwache, und sie ist nicht mehr da.«
Anna unterstützte Josephine im Haushalt und im Garten und nähte Kleidungsstücke für sich, für Katharines Töchter, die zu ihr kamen, um sich von ihr in Sachen Mode beraten zu lassen. Sie war fleißig und versorgte ihren Ehemann vortrefflich, war umsichtig, was Ausgaben betraf, nie begehrte sie auf, obendrein kleidete sie sich gut, es gab also nichts, worüber er sich hätte beschweren können. Albert staunte darüber, wie schnell sie sich einlebte, nie kam ein jammerndes Wort über ihre Lippen, dass sie ihr Leben in der Großstadt vermisste, oder ihre Familie, ihre Freundinnen, dass sie einsam war. Es muss doch in ihrem Inneren schrecklich aussehen, dachte er und wünschte sich, seine Frau würde sich öffnen und mit ihm darüber sprechen, doch sie war merkwürdig ruhig.
Das Temperament, das sie bei seinen Besuchen in Wien an den Tag gelegt hatte, war verschwunden, es war, als wäre er mit einer anderen Person verheiratet. Wo war die Frau, die ihn derart bezaubert hatte mit ihrem Witz, ihren Betrachtungen über Gott und die Welt? Er stellte fest, dass er wenig von ihr wusste, sie erschien ihm fremd. Sie las Liebesromane, die er als geistlos betrachtete, verlor sich in Träumereien. Wenn er sie fragte, woran sie dachte, schüttelte sie nur den Kopf, sie vertrat keine Meinung über Politik oder anderes. Wie ein Schatten huschte sie im Haus herum, in allem kam sie still ihren Pflichten nach, er wünschte sich, dass sie ausgelassen war, mit ihm lachte oder auch mit ihm stritt. Sie verhielt sich genauso gleichmütig ihm gegenüber wie gegenüber Josephine, Vinzenz und Rosa, sah ihn mit demselben abwesenden Blick an. Manchmal, wenn er abends heimkam, hatte er das Gefühl, sie hatte geweint, doch wenn er sie danach fragte, wich sie ihm aus. Das liegt sicherlich am Heimweh, dachte er, und ihr Stolz hindert sie, darüber zu sprechen. Er wunderte sich, dass keine Freundinnen oder Cousinen kamen, um ein paar Tage oder Wochen bei ihr zu verbringen, sie hatten im Mai geheiratet, den ganzen langen Sommer über kam niemand aus der Stadt, um sie zu besuchen, auch ihre Familie nicht. Anna erhielt kaum Briefe, nur ihre Mutter schrieb hin und wieder. Wenn er geschäftlich in Wien zu tun hatte, wollte sie ihn nicht begleiten, sie lehnte mit den Worten, sie müsse sich ja ohnehin an das Landleben gewöhnen, ab, wenn er in Linz zu tun hatte, ließ sie sich überreden. Seine Fragen, wie es ihr gehe, ob sie ihr Leben in Wien vermisse, beantwortete sie mit einer Passivität, die ihn verunsicherte: »Danke, mein Lieber, mir fehlt nichts.«
Wenn sie in Linz eine Theatervorstellung oder ein Konzert besuchten, taute Anna etwas auf, ebenso wenn er sich ins Zeug legte, indem er von seiner Zeit in der Marine erzählte und dabei Wahres mit Ausgedachtem ergänzte. Er ermunterte sie, die abonnierten Zeitungen zu lesen, und forderte sie auf, über das Gelesene mit ihm zu diskutieren, er wollte, dass sie sich zu bestimmten Dingen eine eigene Meinung bildete. Zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag — ein halbes Jahr nach der Hochzeit — schenkte Albert ihr eine Nähmaschine, sie stieß einen spitzen Freudenschrei aus und umarmte ihn, für ein paar Tage kehrte ihre Lebhaftigkeit zurück.
Im Herbst stellte sich heraus, dass Anna in anderen Umständen war, sie wünschte sich eine Tochter, Alberts sehnlichster Wunsch war, dass beide, Mutter und Kind, die Niederkunft heil überlebten. Als der Arzt mitteilte, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit Zwillinge waren, wurde er panisch vor Angst. Zum selben Zeitpunkt erfuhr er den Grund für Annas monatelange Schwermut, er hatte bei Gott nichts mit Heimweh zu tun.