Als Eugen zum ersten Mal wieder die Kirche betrat, die Kniebeuge machte und in die Bank rutschte, fühlte er sich in seine Jugendzeit zurückversetzt. Er sah sich um, merkte, dass man ihn verstohlen betrachtete. Es gab einen deutlichen Überschuss an Frauen und alten Männern, die Menschen sahen verhärmt und abgearbeitet aus. Aber da er dasselbe als Jugendlicher gedacht hatte, wenn er in die Gesichter der Dorfbewohner geschaut hatte, konnte er nicht sagen, ob ein Unterschied erkennbar war oder nicht. Kaum saß er, nahm auf der gegenüberliegenden Seite eine junge Frau Platz, durch ihren Ledermantel mit Pelzkragen und ihre Frisur — sie trug ihre Haare offen, hatte sie lediglich an den Seiten bis zu den Ohren mit einem französischen Zopf zurückgeflochten — hob sie sich von den anderen ab. Bevor sie ihren Kopf nach vor zum Altar wandte und ihre Hände faltete, warf sie ihm einen Blick zu.

Nach der Messe huschten die Leute mit eingezogenen Köpfen schnell auseinander — auch seine Eltern eilten sofort nach Hause —, kaum jemand blieb stehen, um sich mit anderen zu unterhalten, so wie Eugen es in Erinnerung hatte. Nach dem sonntäglichen Gottesdienst hatte man sich stets auf dem Marktplatz oder im Gasthof Linde getroffen, für viele, die außerhalb des Dorfes wohnten, war das die einzige Gelegenheit gewesen, mit anderen zusammenzukommen, Neuigkeiten auszutauschen. Ihm warf man wieder neugierige Blicke zu, doch offensichtlich war man zu scheu, ihn anzusprechen. Er hielt Ausschau nach seiner Schwester und war überrascht, sie etwas abseits im Gespräch mit der jungen Frau im Ledermantel zu entdecken, er zündete sich eine Zigarette an, überquerte den Marktplatz — der Schnee knirschte unter seinen Stiefeln — und trat zu ihnen. Die junge Frau drehte sich um, er sah, dass sie auf der linken Wange eine blasse Narbe hatte, sie grüßte ihn und reichte ihm die Hand, ihr Händedruck war fest.

»Du musst Eugen sein«, sagte sie und musterte ihn lächelnd. »Dein Bruder hat viel von dir erzählt.«

Ohne sich selbst vorzustellen, fragte sie ihn, wie es sei, nach so langer Zeit wieder in der Heimat zu sein, und da er nicht sagen wollte, dass sich alles fremd anfühlte, erwiderte er, er freue sich darüber, bei der Familie zu sein und ihr in der schweren Zeit beistehen zu können. Sie verabschiedete sich, bat, Grüße an Albert und Anna auszurichten, und eilte über den Marktplatz davon.

»Wer ist sie?«

»Hast du sie nicht erkannt?«

»Nein.«

»Das war Luzia Eder«, sagte sie, und für einen Augenblick blieb ihm die Luft weg.

Auf dem Heimweg dachte Eugen an die letzte — und im Grunde einzige — Begegnung mit Luzia Eder, damals war sie acht Jahre alt gewesen und hatte gemeinsam mit seiner Schwester die Volksschule besucht. Die beiden konnten einander nicht ausstehen, was hauptsächlich an Luzia lag, die keine Gelegenheit ausließ, Elisabeth zu hänseln. Als seine kleine Schwester eines Tages wieder heulend am Mittagstisch saß und sein Vater entschied, weder mit den Eder noch mit dem Lehrer darüber zu sprechen, was zwischen den Mädchen vorgefallen war, sondern erneut abzuwarten, beschloss Eugen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Wenn seine Schwester sie ihm nicht genau beschrieben hätte, er hätte nicht gewusst, welches der Mädchen Luzia war, sie war ein gewöhnliches Kind, ein Bauernkind unter vielen, nichts Besonderes, er hätte Emils und Hedwigs Tochter nicht erkannt. Seitdem das Kind in der Hofmühle abgeholt worden war, hatte er es nur wenige Male mit Friedrich Eder und seiner Frau Veronika in der Kirche oder im Gasthaus gesehen, jede Begegnung war mehr als flüchtig, man ging aneinander vorbei und nickte dem anderen zu. Wenn er ohne seine Eltern auf die Eder traf, erkannte er sie zumeist nicht einmal, die Dorfleute interessierten ihn nicht besonders. Er wusste bei vielen nicht, wer sie waren, wie sie hießen, wo sie wohnten, was sie ausmachte, im Gegensatz zu seiner Tante Josephine, die zu jedem Gesicht eine Klatschgeschichte kannte oder mitunter auch ein Urteil fällte: »Das ist genauso ein Tunichtgut wie sein Vater« oder: »Das sind rechtschaffene Leute« oder: »Das ist eine ganz liederliche Person.« Wenn er jedoch im Beisein seiner Eltern auf das Ehepaar traf, war es unmöglich, sie nicht zu erkennen, denn die Anspannung, der innere Aufruhr der beiden, wenn sie die Eder erblickten — selbst wenn es nur aus der Entfernung war —, übertrug sich auf ihn. In der ersten Zeit war es besonders schlimm gewesen, Eugen hatte mit ihnen gelitten, sein ganzer Körper hatte ihm wehgetan.

Was ihn erstaunte, war das Gefühl, das er während des Gesprächs mit dem Mädchen empfand: Er fand sie unsympathisch. Wie kann ich ein achtjähriges Kind unsympathisch finden?, fragte er sich und gab sich sogleich selbst die Antwort: Es lag daran, dass sie nichts an sich hatte, das ihn an Emil und Hedwig erinnert hätte — was auch immer das hätte sein mögen —, sie war eine Eder, musterte ihn mit hochmütigen Augen und zusammengepressten Lippen. Sieh mal an, dachte er, die großbäuerliche Hochnäsigkeit blitzt ihr schon aus den Augen. Er musste sich ins Gedächtnis rufen, dass ein Kind vor ihm stand, ansonsten hätte er sich vermutlich hinreißen lassen, etwas Grobes zu sagen. Eugen bemühte sich um Freundlichkeit, denn ihm war bewusst, sollte Luzia zu Hause von der Begegnung erzählen — er hoffte, sie würde es nicht tun —, würde es den Eder Aufwind geben, wenn sie dabei aufgebracht oder gar verängstigt wirkte. Er bückte sich, um nicht auf sie herabschauen zu müssen, und bat sie eindringlich, zu seiner Schwester Elisabeth nicht mehr solche Dummheiten zu sagen, diese wäre sehr verletzt gewesen und hätte geweint.

»Warum kommst du denn überhaupt auf die Idee, so etwas zu behaupten?«, fragte er lächelnd und versuchte seiner Stimme einen sanften Klang zu geben.

»Vorgestern haben wir im Deutschunterricht über verschiedene Berufe gesprochen. Jeder, der wollte, hat etwas sagen können, und Elisabeth hat von ihrem älteren Bruder Carl erzählt, der Müller ist. Sie hat genau erklärt, was ein Müller macht.« Sie betrachtete ihn prüfend. »Bist du Carl?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin Eugen.«

»Der Lehrer hat zum Schluss gesagt: Danke, Elisabeth, das war sehr gut, übrigens habe ich schon von vielen gehört, dass die Hofmühle die beste Mühle im Ort ist, sie mahlt das Mehl am feinsten. Ich habe zu Hause beim Essen dann gefragt, warum wir nicht in der Hofmühle mahlen lassen, sondern in der Bergmühle, und dann hat mein Großvater gesagt: Weil die Brugger deinen Vater auf dem Gewissen haben und auch deine Mutter. Ich habe Friedrich und Veronika gefragt, ob das stimmt, meine Tante wollte nichts sagen, aber der Onkel hat gesagt: Dein Großvater hat Recht. Ich habe gesagt: Wieso, was genau ist passiert, was haben sie denn getan? Aber dann haben sie nichts mehr gesagt.« Sie begann tatsächlich zu schniefen, das kleine Biest, wollte sie von sich ablenken und Mitleid erregen?

»Das ist immer so, wenn ich nach meinen Eltern frage! Niemand will mir etwas erzählen, ich weiß nichts über sie.«

Eugen beruhigte sie. Er erklärte ihr, dass niemand schuld am Tod ihrer Eltern sei, Dinge passierten nun mal, weil das Leben so war, wie es war. Und während er diese Worte zu ihr sagte, staunte er darüber, wie problemlos ihm diese Binsenweisheit über die Lippen kam und wie gern er sie selbst geglaubt hätte.

Nachdem Luzia aus der Schule verschwunden war, eilte Eugen durch das Dorf und bog in den Feldweg ab, der zum Ederhof führte. Als er den Alten erblickte, der den Weg entlanghinkte, verlangsamte er seinen Schritt. Es stimmte also tatsächlich, was Josephine erzählt hatte: Der alte Eder begleitete seine Enkelkinder zur Schule, wobei er jedoch am Ortseingang, vor dem Marktplatz, stehenblieb und ihnen nachschaute, bevor er den weiten Weg zum Hof wieder zurückging.

Er holte ihn ein und blieb vor ihm stehen, sodass der alte Mann einen Bogen um ihn hätte machen müssen, hätte er weitergehen wollen. Obwohl er wusste, dass Johann Eder Alter und Schlagfluss zugesetzt hatten, fragte er sich dennoch, wie es möglich war, dass in der Vergangenheit so viele Menschen vor dem Mann Angst gehabt hatten. Eder war einen Kopf kleiner als Eugen, seine ganze Gestalt wirkte verhutzelt, die linke Hälfte des Gesichts war schrecklich verzerrt, Auge und Mundwinkel hingen herab.

»Weißt du, wer ich bin?«, fragte Eugen.

Eder machte eine Bewegung mit dem Kopf, die er nicht deuten konnte.

»Falls du es nicht weißt, ich heiße Brugger«, mit einem Ruck packte er den Stock und schleuderte ihn ins Feld hinein.

»Stell dir vor, Eder, du stirbst aus heiterem Himmel«, sagte er ruhig. »Niemand hätte Zweifel daran, dass ein weiterer Schlagfluss dir den Garaus gemacht hat. Oder dein Herz einfach aufgehört hat zu schlagen. Kein Mensch käme auf den Gedanken, dass«, er machte eine kleine Pause, »dir etwas anderes zugestoßen sein könnte.«

Eugen trat hinter ihn, hielt mit der rechten Hand Eders rechten Arm fest und presste die linke Hand auf Nase und Mund des Alten, nach einer Weile ließ er ihn wieder los, der Alte taumelte, versuchte das Gleichgewicht zu finden und rang nach Luft.

»Aber wer sollte so etwas schon einem wehrlosen alten Mann antun?«

Eugen beugte sich vor, sein Gesicht befand sich unmittelbar vor dem Eders.

»Wenn du deiner Enkeltochter noch einmal den Blödsinn erzählst, dass meine Familie schuld am Tod ihrer Eltern sei, kann es durchaus sein, dass dir etwas zustößt«, sagte er drohend. »Ich habe gehört, du hast sie gern, was mich natürlich freut, übrigens auch meine Eltern. Ich nehme an, du möchtest sie und deinen Enkelsohn aufwachsen sehen.«

Er tippte grüßend an seine Kappe und spazierte gemächlich ins Dorf zurück, als er sich umdrehte, sah er, wie Eder ins Feld hineinwankte, um seinen Stock zu holen.

Am Abend saß Eugen wieder lange in der alten Stube mit Carl beisammen, sein Bruder strahlte Einsamkeit aus, Verlorenheit, Verzweiflung.

»Geh noch nicht«, bat er, als Eugen zu Bett gehen wollte, »ich war so viel allein im letzten Jahr. Bitte bleib noch bei mir sitzen und erzähl mir von deinem Leben in Übersee. Ich hör dir gern zu, dann sind die Stimmen in meinem Kopf zumindest für eine Weile still.«

Weit nach Mitternacht machte er sich auf den Weg zurück in sein Zimmer, er sah Licht im Wohnzimmer, klopfte und trat ein, seine Schwester — im Nachthemd, mit einer Decke bis zur Hüfte — lag auf dem Sofa, sie rauchte, vor ihr auf dem Tisch standen eine leere Flasche Wein und ein Glas.

»Ich konnte nicht schlafen«, sagte sie entschuldigend und richtete sich auf.

»Stört es die Eltern nicht, wenn du im Haus alles vollqualmst?«

Sie zuckte mit den Schultern. Er setzte sich zu ihr, zündete sich ebenfalls eine Zigarette an und musterte sie. Ihre Zahnlücke sieht bezaubernd aus, dachte er, sie sieht bezaubernd aus. Unter dem Nachthemd zeichneten sich wohlgeformte Brüste und eine schmale Taille ab, die dunkelbraunen dichten Locken fielen ihr auf die Schultern, hingen ihr wirr ins Gesicht, sie strich sie zurück, ihre grünen Augen schimmerten dunkel. Sie sollte nach Wien zurückgehen, mit jungen Leuten zusammen sein, ihr Leben genießen, was tut sie hier auf dem Land, bei den alten Eltern in dem heruntergekommenen Haus? Dann fiel ihm ein, dass er sich in einem Land befand, das sich bis vor wenigen Wochen im Krieg befunden hatte, das obendrein besiegt worden war, die Situation in der Großstadt war vermutlich wesentlich schlimmer als auf dem Land, wo es zumindest genug zu essen und Brennholz gab. Sie holte noch eine Flasche Wein und ein Glas aus der Küche, schenkte ihm und sich ein und setzte sich wieder.

»Warum hast du nicht geschrieben, dass Carl am Leben ist?«, fragte er.

Sie betrachtete ihn forschend: »Wärst du dann gekommen?«

»Vermutlich nicht, oder?«, sagte sie, als er nichts erwiderte. »Fühlst du dich hintergangen? Wir dachten alle, dass es Vater guttun würde, wenn du dich endlich wieder blicken lässt, auch wenn es nur für kurze Zeit ist. Es war sein größter Wunsch, dich noch einmal zu sehen. Außerdem wussten wir nicht, ob Briefe geöffnet und gelesen werden. Also bitte verzeih mir meine Finte.«

Sie schwiegen eine Weile.

»Seit wann bist du mit Luzia Eder befreundet? Ihr wart in der Schule wie Katz und Maus.«

»Wir sind nicht mehr in der Schule.«

»Als Kind war sie ein Ekel.«

»Sie war nie ein Ekel. Du übertreibst. Wir haben uns gegenseitig gehänselt, was zwischen Kindern völlig normal ist.«

Eugen sah ihr zu, wie sie ihr Glas in einem Zug leerte, sich eine weitere Zigarette anzündete und gierig an ihr zog, sie legte dabei den Kopf in den Nacken und schloss für einen Moment die Augen. Sie hat die genauen Hintergründe damals nicht gekannt und tut es auch heute noch nicht, dachte er. Woher sollte sie auch? Sie war nach Emils Fortgehen geboren worden und zu Ostern 1895, als das Schreckliche mit Hedwig passiert war, erst wenige Wochen alt gewesen. Niemand in der Familie hatte über die beiden gesprochen, weshalb auch Gustav, der zu dem Zeitpunkt fünf gewesen war, später kaum mehr etwas von den jungen Leuten gewusst hatte, die er als kleines Kind so gerngehabt hatte. Es sollte Gras über die Sache wachsen, so die Worte des Pfarrers und einiger anderer Leute, die damals vermittelt und beschwichtigt hatten, das sei zum Besten für alle, besonders für das kleine Mädchen. Die Eltern hielten sich daran, weder redeten sie mit anderen — geschweige denn mit ihren Kindern — noch miteinander über den Tod des jungen Paares, der lange Zeit wie ein Damoklesschwert über ihrer Familie hing und ihre Ehe beinahe zerbrechen ließ. Vor allem nach Hedwigs Suizid war der Vater wochenlang außer sich gewesen, die Mutter völlig gebrochen.

»Es war komplizierter, glaub mir das.«

»Ich nehme an, du möchtest es mir erzählen.«

»Nur, wenn du es hören willst.«

»Ich will.«

Er erzählte ihr von seinem Zusammentreffen mit der Achtjährigen und ihrem Großvater, und nachdem er alles gesagt hatte, klatschte sie, die Zigarette zwischen den Lippen, dreimal in ihre Hände.

»Mein Held«, sagte sie.

Sie brachte ihm — obwohl zwölf Jahre jünger als er — keinen Respekt entgegen und machte sich offenbar über ihn lustig, er wusste nicht, ob er verärgert oder amüsiert sein sollte. Was für eine dreiste junge Frau sie ist, dachte er.

»Du bist betrunken«, sagte er.

»Mag sein. Sei nicht böse. Weißt du, diese alten Geschichten interessieren mich nicht besonders«, sagte sie und stand auf, sie kam zu ihm und setzte sich — seine Verblüffung ignorierend — auf seinen Schoß.

»Gibt es jemanden in deinem Leben?«, fragte er.

Sie zählte an ihren Fingern ab: »Es gibt Mutter, Vater, Carl, die Hunde, die Hennen. Und jetzt dich.«

»Ob es einen Mann in deinem Leben gibt.«

»Welche Männer? Sie sind entweder tot oder verstümmelt.«

»Vor dem Krieg?«

»Ich war in jemanden verliebt.«

»Erzähl von ihm.«

»Es gibt nicht viel zu erzählen. Ein guter Freund von Gustav hat mir gefallen, und ich glaube, es hat auf Gegenseitigkeit beruht. Wir haben aber nie darüber gesprochen. Er heißt Georg Tichy, kommt aus einer Ärztefamilie, hat einen Bruder und eine Schwester.«

»Was ist mit ihm passiert?«

»Er gilt als vermisst.«

»Wie lange willst du auf ihn warten?«

»Wer hat gesagt, dass ich auf ihn warte?«

»Komm mit mir nach Amerika. Dort wird es dir gefallen.«

»Nie und nimmer. Es gibt hier genug zu tun.«

Bei ihren Worten musste Eugen an seinen Vater denken, der stets Verantwortung gegenüber den Mitmenschen gepredigt hatte und ihnen in jungen Jahren damit auf die Nerven gegangen war.

»Wie der Vater so die Tochter«, sagte er. »Und Carl? Hatte er vor dem Krieg ein Mädchen? Hat jemand auf ihn gewartet?«

»Du hast sie heute nach der Kirche gesehen.«

»Luzia? Luzia Eder?«

Er war derart erstaunt, dass seine Schwester ihn irritiert ansah: »Ist alles in Ordnung?«

»Ich hätte dir das nicht verraten dürfen«, fügte sie hinzu, »Carl wollte es dir selbst sagen.«

»Weiß sie, dass er am Leben ist?«

»Sie ist die Einzige außer uns, die es weiß. Und du?«, fragte sie schläfrig. »Was ist mit dir?«

Zum Glück schlief seine Schwester ein, er wäre nicht in der Lage gewesen, von Caitlin zu erzählen, während seine Gedanken um die überraschende Nachricht kreisten. Er trug sie in ihr Zimmer, sie wachte auf, murmelte verschlafen, es sei gut, dass er nach Hause gekommen war, er legte sie auf das Bett, deckte sie zu und warf ein paar Holzscheite in den Ofen. Die ganze Nacht wälzte er sich herum, er war aufgewühlt wie schon lange nicht mehr, er konnte nicht glauben, dass sein Zwillingsbruder und Emil und Hedwigs Tochter ein Paar waren.

In der Christmette hielt er Ausschau nach Luzia Eder, sie saß in einer der vorderen Reihen, er betrachtete sie von hinten, sie wandte sich um und nickte ihm freundlich zu, anschließend wartete sie vor der Kirche, wünschte allen Frohe Weihnachten. Carl — als Tomáš Daněk — wartete etwas abseits, Eugen beobachtete, dass Luzia im Vorbeigehen kurz nach seiner Hand griff.