Im Laufe der Jahrhunderte hat es nur sehr wenige Päpste gegeben, die dem Vatikan so sehr ihren Stempel aufgedrückt haben wie Giuliano della Rovere – besser bekannt als Julius II. Eine seiner ersten Amtshandlungen hatte darin bestanden, unter Androhung schwerster Strafen die Wahl des Papstes durch Bestechung zu verbieten. Eine Praxis, von der er wusste, dass sie bis dato eher die Regel als die Ausnahme gewesen war – schließlich hatte er selbst seine Wahl auf eben diese Weise bewerkstelligt. Er war es auch, der 1506 den Grundstein für den Petersdom legte und die Schweizer Garde zum Schutz des Papstes einführte. Er beauftragte Raffael mit der Schaffung der als Stanzen bekannten berühmten Gemälde in den päpstlichen Gemächern sowie zahlreicher anderer Werke und befahl Michelangelo, die Sixtinische Kapelle auszumalen.
Es wäre allerdings ein Fehler, anzunehmen, dass er ein Freund der Künste gewesen wäre. Mehr noch als ein Mann Gottes war Julius Feldherr, und sein vorrangiges Ziel bestand in der Ausweitung der Macht des Kirchenstaates. Kunstwerke dienten ihm da nur als kostspieliges Symbol dieser Macht. Auch ein Genie wie Michelangelo bekam dies bei mehr als einer Gelegenheit zu spüren. Als er den Papst in einer Statue verewigte, die ein Buch in der Hand hielt, soll Julius gebrüllt haben: »Was soll ich mit einem Buch? Gebt mir ein Schwert!«
Zunächst hatte sich Michelangelo geweigert, den Auftrag zur Ausmalung der Sixtinischen Kapelle anzunehmen – er sah sich als Bildhauer und nicht als Maler –, aber Julius war kein Mann, dem man etwas abschlug. Dies galt selbst für den allseits gefürchteten Cesare Borgia, den Julius bald nach Beginn seines Pontifikats gefangen setzen ließ. Stets trug il terribile, wie man ihn hinter seinem Rücken nannte, einen schweren Stock bei sich, mit dem er auf jeden einprügelte, der das Pech hatte, ihn zu verärgern. Es ist glaubhaft überliefert, dass Michelangelo, der durch das jahrelange Arme-über-den-Kopf-Heben beim Bemalen der Kapellendecke einen Buckel und einen Kropf bekommen hatte, als äußeres Zeichen der Unterwerfung eines Tages mit einem Strick um den Hals vor ihm zu erscheinen hatte. Doch vielen anderen ging es noch schlechter. Die Liste derer, die Julius ohne Bedenken töten ließ, ist lang. Nicht umsonst nannte ihn Martin Luther den Blutsäufer.
Umso erstaunlicher ist die Existenz einer Urkunde, welche seine Heiligkeit am 31. Januar 1513 ausstellen ließ – nur wenige Wochen vor seinem Tod. In dieser Urkunde wurde verfügt, dass ein gewisser Capitano Umberto Cavelli auf päpstlichen Befehl künftig »liberatus ab ullis calamitatibus« – also »frei von allen Nöten« – zu stellen sei. Diese – »in tiefster Dankbarkeit« – ausgefertigte Urkunde galt nicht nur für Umberto Cavelli selbst, sondern auch für seine Familie und alle seine Nachkommen, und sie beinhaltete neben einer geradezu märchenhaft hohen pekuniären Zuwendung auch das Wohnrecht innerhalb des Vatikans sowie eine Reihe weiterer Privilegien. Und obgleich ihre Gültigkeit zwar nicht bis in alle Ewigkeit fortbestehen sollte, sondern lediglich bis zum Jüngsten Gericht, war die Urkunde zweifellos in dem sicheren Glauben ausgestellt worden, dass man nach diesem Ereignis ohnehin keine Verwendung mehr für sie haben würde.
Eingedenk des Umstands, dass sich Julius selbst gegenüber Künstlern vom Range eines Raffael oder Michelangelo überaus knauserig zeigte und dass sein einziges wahres Interesse in der Ausweitung seiner Macht und der Vernichtung seiner Feinde bestand, mag man sich fragen, mit welchen Taten Umberto Cavelli sich so viel päpstliche Gnade verdient haben mochte.