Sie verließen die Kapelle durch die Tür unter dem Bild und ließen sich im Touristenstrom ein Stockwerk tiefer tragen, dort zog Cavelli Pia am Arm zur Seite.
»Wir gehen hier lang. Ist schneller.«
Er öffnete eine Absperrungskordel zu einem neben der Treppe gelegen weiteren Treppenhaus und ließ Pia passieren. Sie befanden sich auf einem Absatz, von dem eine auf beiden Seiten von Säulen gesäumte Treppe hinunterführte.
»Die berühmte Scala Regia«, erläuterte Cavelli. »Die königliche Treppe. Eigentlich eine total verkorkste, asymmetrische Architektur, die dann Bernini später durch die Säulen optisch getarnt hat. Sehen Sie mal: Nach unten hin werden diese Säulen immer dicker und stehen in größeren Abständen. Dadurch wirkt die Treppe von unten wesentlich länger, als sie in Wirklichkeit ist, beziehungsweise, von hier gesehen, kürzer als in Wirklichkeit.«
Pia kniff ein Auge zu und blickte an den Säulen entlang. »Ich seh’s.«
Sie liefen die Treppe hinunter zu einer riesigen zweiflügeligen Metalltür, an der ein Schweizer Gardist mit Hellebarde Posten stand, traten ins Freie und standen nun auf der nordöstlichen Seite des Petersplatzes.
»Das ist das sogenannte Bronzetor, der offizielle Eingang zum Apostolischen Palast.«
»Ganz schön protzig. Gefällt mir«, erklärte Pia.
Cavelli trat beiseite, um zwei Kardinälen Platz zu machen, die auf dem Weg in den Palast waren. Der Gardist nahm Haltung an und bewegte mit einer geschickten Handbewegung einen kleinen Metallring am Schaft seiner Hellebarde, so dass ein klickendes Geräusch entstand. Pia sah fasziniert zu. Cavelli setzte seine Sonnenbrille auf.
»Salutieren tun sie für alle wichtigen Persönlichkeiten, aber dieses Klicken kriegen nur kirchliche Würdenträger zu hören.«
»Was ist das denn für ein Quatsch?«
»Ein traditioneller Quatsch. Und jetzt gehen wir was essen. Ich habe Hunger, und das Buch braucht noch ’ne Weile, bis es trocken ist. Kommen Sie.«
Pia zögerte. »Wo essen wir? Bei Ihnen? Ich will irgendwohin, wo es besonders ist.«
»Wo ist es denn besonders?«
»Wo es nicht so alltäglich ist.«
»Gerne. Gehen wir.«
»Ist es weit?«
»Geht so.«
»Haben Sie kein Auto?«
»Doch, aber ...« Cavelli kratzte sich am Kinn. »Ich parke ungern mitten in der Stadt.«
Pia lachte ungläubig. »Wieso das denn nicht?«
»Weil ...«, Cavelli machte eine unbestimmte Handbewegung, »... mein Wagen nun mal ein altes Sammlerstück ist, noch dazu ein Cabrio. Wenn es gestohlen wird, kriege ich nie wieder so eins, und ich hänge nun mal dran.«
Pia machte große Augen. »Doll, das will ich sehen.«
Cavelli stöhnte. »Später, jetzt gehen wir essen, okay?«
Pia salutierte wie ein Schweizer Gardist. »Si, Monsignore Cavelli!«
Cavelli lächelte milde. »Don reicht völlig.«