Bis ihr Essen serviert wurde, hatten Pia und Cavelli weiter über die verschlüsselte Botschaft des Kardinals gesprochen, aber alle Ideen, die sie dazu entwickelten, bald wieder verwerfen müssen. Dann hatten sie nahezu schweigend gegessen. Erst nachdem Pia eine ganze Pizza Salame verschlungen hatte und sich nun über eine Panna Cotta hermachte, wurde sie wieder munter.
»Vielleicht hat Marigonda ja recht. Dass es gar nicht um den letzten Johannes XXIII. geht, sondern um diesen anderen. Was war denn das für einer?«
Cavelli trank einen Schluck Rotwein und lehnte sich zurück. »Der Johannes XXXIII. des zwanzigsten Jahrhunderts hat sich so genannt, um hinter die im Laufe der Geschichte völlig durcheinander geratene Zählweise bei den Johannispäpsten einen offiziellen Schlusspunkt zu setzen. Keineswegs wollte er seinen Namensvorgänger damit ehren, so wie es Johannes Paul II. zum Beispiel durch seine Namenswahl getan hat.«
Pia sah ihn gespannt an. »Warum denn nicht?«
Cavelli nahm einen weiteren Schluck, bevor er antwortete. »Nun, der erste Johannes XXIII. war selbst für mittelalterliche Verhältnisse etwas Besonderes. Ein Superverbrecher, der über massenhaft Leichen ging. Er war ein Gegenpapst und regierte hauptsächlich von Bologna aus, aber außer ihm gab es nicht nur den römischen Papst, Gregor XII., sondern auch noch einen weiteren Gegenpapst. Benedikt XIII., der in Avignon residierte. Es war einer der chaotischsten Momente in der Geschichte der Katholischen Kirche. Beim Konzil von Konstanz im Jahre 1414 versuchte man deshalb, Ordnung zu schaffen, und klagte Johannes seiner Verbrechen an. Dabei ging es allerdings nur darum, ihn loszuwerden, und nicht um Rechtsprechung, denn von über fünfzig Anklagepunkten blieben nur fünf übrig. Allerdings immer noch einschließlich zahlreicher Morde und Vergewaltigungen.«
Pia ließ ihren Löffel sinken. »So ein mieses Schwein. Hat man ihn verbrannt?«
»Nein, er musste als Papst zurücktreten und kam für drei Jahre in Haft.«
Pia grinste ironisch. »Ziemlich guter Deal für ihn.«
»Allerdings, und er wurde sogar noch besser. Nach seiner Haft ernannte man ihm zum Bischof von Frascati.«
»Irre!«
»Genau das. Aber ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass es hier um ihn geht. Wenn er ermordet worden wäre, würde das sicher einige Historiker interessieren, aber ...«, Cavelli suchte nach Worten, »… aber Ihrem Onkel muss es um etwas sehr viel Bedeutenderes gegangen sein.«
Pia nickte. Dann verfielen sie beide in ein nachdenkliches Schweigen.