XLV

Cavelli erwachte durch ein lautes Geräusch von draußen. Er sah auf den Radiowecker auf dem Nachttisch.

07:02

In Rom war es jetzt schon dreizehn Uhr. Cavelli sprang aus dem Bett. Er war seit drei Tagen nicht gejoggt, er spürte, wie es ihm fehlte. Er griff zum Telefonhörer und wählte die Nummer der Rezeption.

»Jefferson-Suite. Ich habe meine Joggingsachen vergessen, können Sie mir aushelfen?«

»Selbstverständlich Sir, ich schicke sofort eine Auswahl in Ihre Suite.«

Zehn Minuten später befand sich Cavelli bereits auf der Straße, die Morgenluft war klar und erfrischend. Er orientierte sich zunächst am Washington Monument und lief von dort auf den Reflecting Pool zu, der sich vor dem Lincoln Memorial über mehr als sechshundert Meter erstreckte. Er umrundete das Becken dreimal, das letzte Mal, so schnell er konnte, und lief dann immer noch im höchsten Tempo die Stufen zum Lincoln Memorial hoch. Keuchend trat er in die Halle mit dem gewaltigen Denkmal von Abraham Lincoln.

Fasziniert starrte er auf die sitzende Statue. Er musste daran denken, dass Lincoln ebenfalls erschossen worden war. Genau wie Kennedy. Cavelli hatte einmal gelesen, dass es eine ganze Reihe von unglaublichen Übereinstimmungen in Leben und Tod der beiden Präsidenten gab. Kennedy hatte dieselbe Karriere wie Lincoln gemacht, in denselben Abständen, nur alles genau hundert Jahre später. Aber damit hörten die Gemeinsamkeiten längst nicht auf. Die Sekretärin von Lincoln hieß Kennedy, die Sekretärin von Kennedy hieß Lincoln. Lincoln wurde im Ford Theatre erschossen, Kennedy in einem Ford Lincoln, in beiden Fällen hieß der nachfolgende Präsident Johnson, eine Woche vor seinem Tod war Lincoln in Monroe, Maryland, gewesen, Kennedy war eine Woche vorher bei Marilyn Monroe gewesen. Es existierten wohl noch eine ganze Reihe weiterer erstaunlicher Übereinstimmungen, aber die fielen Cavelli nicht mehr ein. Es gab allerdings auch einen großen Unterschied: Die Umstände des Lincoln-Attentats wurden schnell aufgeklärt, und alle daran Beteiligten wurden gefasst. Im Fall Kennedy hingegen waren die Hintergründe nie wirklich bekannt geworden.

Und jetzt lag es an ihm und Pia, das zu ändern. Mit einem Mal fühlte sich Cavelli wahnsinnig erschöpft. Langsam ging er die Stufen des Memorial hinunter und trabte in Richtung Hotel, während einige tausend Kilometer entfernt im Hörsaal 3 der Sapienza-Universität neunundfünfzig Studenten auf ihren Professor warteten.