LIX

Im Telefonhörer war nur noch das Freizeichen zu hören. Langsam legte Cavelli auf und setzte sich auf den Stuhl vor dem kleinen Schreibtisch. Pia stand schweigend neben dem Bett und kaute auf ihrer Unterlippe herum.

Dann wandte sie sich abrupt an Cavelli. »Warum macht er das? Warum trifft er sich mit uns? Was hat er davon?«

Cavelli legte die Stirn in Falten. »Da fallen mir gleich mehrere Gründe ein ...«

»Als da wären?«

»Bestmöglicher Grund wäre: Den Mann plagt seit Jahrzehnten ein schlechtes Gewissen, und er ist froh, dass es nun endlich vorbei ist.«

»Unwahrscheinlich, wenn er reinen Tisch machen wollte, könnte er das jederzeit tun, dazu braucht er uns nicht.«

»Vielleicht ist er froh, endlich mit jemanden darüber zu reden, der sein Geheimnis kennt.«

»Schon vergessen? Er hat meinem Onkel alles gebeichtet.«

Cavelli nickte. Pia hatte natürlich recht, da hatte wohl mehr die Hoffnung aus ihm gesprochen als der Verstand. »Gut, kommen wir zu den weniger erfreulichen Möglichkeiten: Er will wissen, was wir wissen.«

»Und wenn er es dann weiß?«

»Tja, das ist die Frage. Vielleicht hat er sich noch gar nicht entschieden und hofft, dass wir nur einen vagen Verdacht haben, der ihm nicht gefährlich werden kann.«

»Warum wollte er dann, dass wir in sein abgelegenes Ferienhaus kommen?«

»Richtig. Andererseits war er sofort bereit, sich mit uns an einem öffentlichen Ort zu treffen. Vielleicht wäre das Ferienhaus einfach nur bequem für ihn gewesen, schließlich ist er nicht mehr der Jüngste.«

»Möglich ...« Pia kaute wieder auf ihrer Lippe herum.

»Er kann uns schließlich nicht in einer frei zugänglichen Kirche erschießen. Da könnten jede Menge Zeugen sein.«

Pia nickte. »Zumal es eine katholische Kirche ist. Und als Columbusritter ist er Katholik, er müsste also sogar damit rechnen, dass Menschen dort sind, die ihn kennen.«

»Wahrscheinlich will er uns so beweisen, dass er uns nichts tun will.«

»Trotzdem, wohl ist mir nicht dabei.«

»Mir auch nicht, aber was können wir tun? Eine Waffe hab ich nicht.«

Pia schüttelte den Kopf. »Ich auch nicht, und ich will auch keine. Und ich will auch niemand anderen mit hineinziehen, solange wir nicht ganz sicher sind.«

»Seh ich genauso.«

»Aber wir können dort auch nicht völlig schutzlos auftauchen.«

»Irgendeine Idee?«

Pia schüttelte den Kopf. »Nein, aber geben Sie mir mal das Handy.«

Cavelli griff in seine Jackentasche und reicht es ihr. Pia nahm es und tippte darauf herum. Dann holte sie ihr Smartphone aus der Handtasche und gab auch dort etwas ein. Sie stand auf und hielt Cavelli das Handy hin. »Das nehmen Sie, dann können wir uns erreichen, falls wir aus irgendeinem Grund getrennt werden – man weiß ja nie. Drücken Sie mal auf diesen Knopf.«

Cavelli nahm das Handy und betätigte die Taste. Einige Sekunden später vibrierte Pias Smartphone. »Und Ihre Nummer wiederum habe ich bei mir gespeichert.«

Cavelli nickte und verstaute das Handy erneut in seiner Jackettasche. Pia setzte sich aufs Bett, ließ sich auf den Rücken fallen und starrte mit verschränkten Armen an die Decke.

»Wissen Sie, was ich mich gerade frage, Don?«

»Was denn?«

»Warum trifft er sich erst heute Abend mit uns? Warum nicht früher?«

»Das könnte viele Gründe haben, Pia, vielleicht hat er einen Termin.«

»Vielleicht.«

»Und man darf nicht vergessen, wie alt Rearden ist, vielleicht braucht er einfach sein Mittagsschläfchen.«