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Endlose Conquista

Mit dem Fall Tenochtitlans ging das vor Ankunft der Spanier wichtigste, jedoch keineswegs einzige Machtzentrum Mesoamerikas unter. Die Schlachten der zurückliegenden Jahre hatten gezeigt, dass gerade die staatliche Vielfalt und die Rivalitäten untereinander die Möglichkeit boten, ein so einflussreiches Staatswesen wie das der Mexica zu besiegen. Was aber kam nach der Eroberung? Die mit den Spaniern verbündeten indigenen Stadtstaaten hatten ihr Ziel erreicht. Auf den ersten Blick waren sie die Kriegsgewinner, nicht die Spanier, die zwar eine zerstörte Stadt in Besitz genommen, aber nicht die erhofften Reichtümer erobert hatten. Nun stand eine Neuordnung an, bei der die Europäer eine wichtige Rolle spielen konnten, aber nicht unbedingt mussten. Dass sie es taten, lag an der fortbestehenden Dynamik der mesoamerikanischen Staatenwelt und an der Logik der spanischen Kolonisation in der Neuen Welt, die darauf ausgelegt war, die Ressourcen und Arbeitskraft des Landes auszubeuten. Für Cortés war der Krieg mit dem Fall Tenochtitlans daher keineswegs abgeschlossen. Sein Ziel war, die Macht zu konsolidieren und an die Stelle der aztekischen Herrscher zu treten, ja diese in der Schaffung eines einheitlichen Herrschaftsverbands mit einer einheitlichen Religion sogar noch zu übertreffen. Herausforderungen gab es sowohl vor Ort als auch in Europa, wo der Kaiser noch immer nicht entschieden hatte, wie es jenseits des Ozeans weitergehen sollte. Die einfachen Conquistadoren, die unter großen Entbehrungen gekämpft und gelitten hatten, teilten diese hochfliegenden Pläne ihres Generalkapitäns wahrscheinlich nicht. Ihnen ging es um Gold und davon hatte der Triumph nach ihrem Geschmack viel zu wenig eingebracht. Das Zusammenspiel dieser Motive sorgte dafür, dass die Conquista noch Jahrzehnte andauerte und so manchem Beteiligten endlos vorgekommen sein mag.

Die ungestillte Gier nach Gold

Cortés schlug sein Lager im Palast des ehemaligen Herrschers von Coyoacán auf und machte sich an die von ihm so genannte «Befriedung» des Landes.[1] Zweifellos betrachtete er sich als neuen legitimen Herrscher, der nur seinem Kaiser im fernen Europa untertan war. Der gefangene Tlatoani Cuauhtemoc, der pro forma im Amt blieb, bekam den Auftrag, seine Untergebenen anzuweisen, die Toten aus den Trümmern zu bergen und zu begraben. Außerdem sollten Aufräumarbeiten stattfinden und vor allem die Wasserleitung nach Chapultepec wiederhergestellt werden. Um die Brigantinen zu schützen, wurde im Osten der zerstörten Stadt eine Hafenanlage angelegt. Zur Versorgung stützten sich die Spanier auf das Tributsystem der Mexica. Viele Herrscher wie etwa Tetlepanquetzal, der Tlatoani von Tlacopan, der gemeinsam mit Cuauhtemoc in Gefangenschaft geraten war, blieben im Amt oder wurden durch willfährige Vertreter ersetzt. Ortschaften im Tal von Mexiko, die während der Schlacht gezögert hatten, unterwarfen sich nun den neuen Herren. Gehorsam schuldeten sie ab sofort den Spaniern und jeglichen Verdacht des Widerstands erstickten diese im Keim mit Terrormaßnahmen. Noch Wochen nach der Kapitulation wurden willkürlich zahlreiche Ortsherrscher und andere aztekische Amtsträger – vor allem Priester – getötet. Einen Grund für die Verfolgungen bildete die problematische Versorgungslage, weil die geforderten Tributleistungen ausblieben. Dies war jedoch weniger auf eine widerständige Haltung der Erzeuger als vielmehr auf die Zerstörungen durch den langen Krieg zurückzuführen.[2]

Ein weiterer Grund für die Grausamkeiten lag in der Sorge der Spanier, den Aztekenschatz wiederzufinden. Insbesondere die Suche nach dem in der «traurigen Nacht» verloren gegangenen Gold hatte höchste Priorität. Man sammelte eifrig weiter alles ein, was sich finden ließ, was aber «sehr wenig war», wie Bernal Díaz berichtete.[3] Unter den Conquistadoren herrschte Enttäuschung, und es entstand das Gerücht, Cuauhtemoc habe wenige Tage vor dem Fall seiner Stadt alle Schätze im See versenken lassen. Andere vermuteten, der Generalkapitän selbst habe eine große Summe für sich beiseitegeschafft, eine Nachrede, die an Cortés haften bleiben und noch für juristische Probleme sorgen sollte. Angeblich auf Druck seiner Männer und vor allem des königlichen Schatzmeisters Alderete stimmte der Generalkapitän, der die Gefahr dieser Verdächtigungen erkannte, einer Befragung seiner Gefangenen unter der Folter zu.[4]

Tatsächlich gestanden die gemarterten Mexica, denen man unter anderem die Fußsohlen verbrannte, dass einige Schätze im See versenkt wurden und gaben Hinweise auf Verstecke, doch fanden sich nur geringe Mengen Goldes. Selbst die besten spanischen Taucher konnten kaum etwas finden. Cortés erpresste sogar einen seiner engsten Verbündeten, Ixtlilxochitl, der für die Freiheit seines Bruders Coanacoch ein Lösegeld anbot, das den Generalkapitän nicht zufriedenstellte. Daraufhin ließ Ixtlilxochitl alles Gold seiner Heimatstadt Texcoco einsammeln, woraufhin Cortés sich gnädig zeigte und Coanacoch freiließ. Die Gier nach Gold war damit noch immer nicht gestillt. So heißt es im Codex Durán: «Der Marqués [Cortés] ließ noch viele Indios von Hunden zerfleischen, hängen oder lebendig verbrennen, damit sie ihm das Geheimnis offenbarten», doch ohne Erfolg. «Darüber vergossen die Conquistadoren mehr Tränen als über die Untaten, die sie begangen hatten.»[5]

Abb. 23 Códice del Aperramiento

So rief die Aufteilung der Beute große Verärgerung hervor. Cortés ließ das Edelmetall schmelzen und nahm den fünften Teil für den König sowie weitere zwanzig Prozent für sich selbst. Die restlichen sechzig Prozent sollten verteilt werden. Besonders hohe Anteile davon bekamen die Hauptleute zugesprochen. Was übrig blieb, war angesichts der großen Zahl der Conquistadoren so wenig, dass die Soldaten das Geld laut Bernal erst gar nicht annehmen wollten, weil es in keinem Verhältnis zu den Kosten und Gefahren stand, die sie in den vergangenen Jahren getragen hatten. Der Unmut, der unter den alten Gegnern des Generalkapitäns und den Männern von Narváez besonders ausgeprägt war, richtete sich auch gegen Alderete. Der Schatzmeister betonte indes, dass der hohe Anteil von Cortés und die Tatsache, dass dieser weitere Schmuckgegenstände für den Kaiser und seinen Hof zurücklegen ließ, den geringen Umfang der zu verteilenden Beute erklärten. Dagegen behauptete der Generalkapitän, er habe die gesamte Truppe zusammenrufen lassen und um ihr Einverständnis gebeten, woraufhin alle «hocherfreut zugestimmt» hätten.[6]

Dass diese Freude, gelinde gesagt, begrenzt war, davon berichtet Bernal Díaz. Da ist die Rede von Schulden, die die Conquistadoren drückten, weil Feldschere und Apotheker ihre Rechnungen bezahlt haben wollten und die Waren, die Kaufleute nach Vera Cruz brachten, völlig überteuert waren. Außerdem waren Falschmünzer am Werk, die Cortés zur Abschreckung hängen ließ. Schließlich mussten die einfachen Soldaten sogar noch das wenige Gold wieder abgeben, das man ihnen zugesprochen hatte, um für ihre Sklavinnen zu bezahlen. Um einer Rebellion seiner Männer zuvorzukommen und die Hoffnung auf Reichtum am Leben zu halten, schickte Cortés in der Folgezeit Expeditionen ins Hinterland. Die Spanier hatten nämlich aztekische Verwaltungsschriften gefunden, in denen sich Hinweise auf die goldreichen Provinzen fanden.[7]

Ab 1521 rückten die Truppen in diversen Kampagnen vom zerstörten Tenochtitlan aus, das nun als Mexiko-Stadt wiederaufgebaut wurde, kreisförmig in die nördlichen, westlichen und vor allem südlichen Nachbarregionen vor. Dabei folgten die Conquistadoren den alten Handelsrouten und profitierten somit von indigenem Wissen. Was sie in ihren Berichten in der Regel ebenso wenig erwähnten, war die Tatsache, dass erneut tausende indigene Verbündete an den Feldzügen als Krieger, Träger und Tross teilnahmen. Darunter befanden sich nicht nur die bereits bekannten Verbündeten aus Tlaxcala und Umgebung, sondern nun auch die unterworfenen Mexica. Sie stellten die überwiegende Zahl der Kämpfer, hatten die höchsten Verluste und folgten traditionellen vorspanischen Kriegsvorstellungen und – zielen, ohne dass die Europäer sich dessen bewusst gewesen wären. Cortés sprach den indigenen Herrschern, die die Spanier auf den Kriegszügen begleiteten, einige Privilegien zu. So erhielten sie den Hauptmannsrang und es war ihnen erlaubt, auf Pferden zu reiten. Auch europäische Kleidung durften sie tragen und besonders hochstehenden Adligen gestand Cortés den Titel eines «Don» zu.[8]

Karte 11: Expansionen 1521

Nachdem sich die Goldvorkommen in der Nähe der Hauptstadt schnell erschöpften, entdeckte man schon 1522 im Südwesten in der sogenannten Silberprovinz zwischen Temazcaltepec und Taxco Silbervorkommen. Dort gab es auch Zinn, was als Rohstoff für die Herstellung von Kanonen wichtig war.[9] Außerdem beauftragte Cortés Sandoval, mit einigen hundert Spaniern und mehreren tausend Texcoca unter dem Kommando einiger Brüder von Ixtlilxochitl nach Tuxtepec zu ziehen, wo sie zu Ehren von Cortés einen Ort namens Medellín gründeten. Zweck der Expedition war unter anderem die Bestrafung «rebellischer» Provinzen, die sich während des vergangenen Feldzugs gegen die Spanier gestellt hatten. Von Medellín aus rückte Sandoval weiter nach Coatzalcoalcos vor, wo er Ausschau nach einer geeigneten Alternative zum Hafen von Vera Cruz halten sollte. Obwohl sich die dort lebenden indigenen Völker den Spaniern gegenüber, die unter Diego de Ordás schon 1520 die Region erkundet hatten, freundlich verhalten hatten, leisteten sie nun gegen die Gründung einer Stadt Widerstand, den Sandoval und seine Verbündeten jedoch blutig niederschlugen. In der neuen Stadt Espíritu Santo, die in der Nähe der Coatzalcoalcomündung lag, siedelten sich unter anderem Luis Marín und Bernal Díaz eine Zeitlang an und erhielten reiche Encomiendas zugesprochen. Außerdem unterwarfen die Conquistadoren von hier aus Nachbarprovinzen wie Centla, Tabasco, die Chinantla sowie Gebiete der Zapoteken im heutigen Bundesstaat Oaxaca.[10]

Der Auftrag Pedro de Alvarados betraf den Südwesten. Er zog in die Region von Tututepec, die sich ebenfalls in Oaxaca befand. Dort erbeutete er viel Gold, das er nicht mit seiner Mannschaft zu teilen bereit war, sodass seine Leute eine Meuterei planten. Das Vorhaben wurde allerdings verraten, woraufhin Alvarado zwei Soldaten hängen ließ. Vor Ort gründete er die Stadt Segura de la Frontera, deren Einwohner aus der gleichnamigen Siedlung bei Tepeaca kommen sollten. Über die Beute, die der Hauptmann an Cortés schickte, kam es Jahre später zu einem Rechtsstreit zwischen den beiden.[11] Hauptmann Francisco de Orozco wurde ebenfalls Richtung Süden nach Oaxaca geschickt, wo die Spanier aufgrund der Tributlisten reiche Goldvorkommen vermuteten. Er eroberte zwar formell das Tal von Oaxaca, doch gelang es ihm nicht, den Widerstand der dort lebenden Zapoteken und Mixe vollständig niederzuschlagen. Rodrigo Rangel bekam den Auftrag, die Garnison in Vera Cruz zu verstärken, während Juan Rodriguez de Villafuerte und Juan Álvarez den Befehl erhielten, nach Zacatula an der Pazifikküste zu marschieren.[12]

Mit Cristobal de Olids Auftrag, nach Michoacán zu ziehen, hatte es eine besondere Bewandtnis. Die Nachricht vom Fall Tenochtitlans hatte sich in Mesoamerika schnell verbreitet. Infolgedessen unterwarfen sich nicht nur viele Verbündete der Azteken, auch deren Feinde machten den Siegern ihre Aufwartung. Dazu zählte nicht zuletzt der Cazonci Zinzicha der Tarasken von Michoacán, der eine Gesandtschaft zu den Spaniern schickte, nachdem er im Herbst 1521 bereits drei Gesandte der Spanier unter Antonio Caicedo und wenig später vier weitere unter Francisco Montaño begrüßt hatte. Cortés empfing die Abordnung des Cazonci, die reiche Geschenke brachte, freundlich und ließ die üblichen Übungen seiner Reiter durchführen und die Geschütze abfeuern. Davon waren die taraskischen Gesandten sichtlich beeindruckt und berichteten ihrem Herrscher von den Erlebnissen. Als Olid im Sommer 1522 mit seiner Armee in Michoacán eintraf, hielt sich der Cazonci aus Angst zunächst versteckt. Olid plünderte den Palast in Tzintzuntzan und trug einen ansehnlichen Goldschatz zusammen, den er mitsamt dem Adligen Cuinierangari zu Cortés schickte. Cuinierangari ließ sich später auf den Namen Pedro taufen und schrieb die Geschichte (Relación) von Michoacán auf. Nachdem Olid den Cazonci gefunden hatte, presste er ihm weiteres Gold ab. Letztlich fand sich der Würdenträger dazu bereit, mitsamt dem Schatz nach Tenochtitlan zu ziehen, wo er gastfreundlich behandelt wurde. In der Folgezeit erwies er sich als treuer Untertan der Spanier, denen er seine Tribute abtreten und Arbeitsdienste erweisen musste.[13]

Nach der vermeintlich erfolgreichen «Pacificación» der Tarasken wandte sich Olid nach Westen, wo Álvarez und Villafuerte es versäumt hatten, eine Siedlung anzulegen. In der Provinz Colima an der Pazifikküste führte er verschiedene Feldzüge, um die dortigen kleineren Stadtstaaten zu unterwerfen, die weder zum Reich der Mexica noch zu dem der Tarasken gehört hatten. Erst 1523 wurde dieses Projekt mit Sandovals Gründung der spanischen Stadt Villa de la Concepción de Zacatula, die als Hafen und Werft benutzt wurde, abgeschlossen. Aus Vera Cruz kamen Siedler mit handwerklichen Fähigkeiten für den Schiffbau, die mit Hilfe der Tarasken Ausrüstungsgegenstände wie Anker und Segel heranschafften. Ziel war es, Brigantinen und Karavellen zu bauen, wofür der Holzreichtum der Region ausreichend Material bereitstellte. Cortés, der bereits kleinere Expeditionen in Richtung Westen geschickt und diesen Teil des Pazifiks für sich in Besitz genommen hatte, hatte nämlich große Pläne für das «Mar del Sur», wie man diesen Ozean damals noch nannte. Er wollte Entdeckungsfahrten über See und entlang der Küste in Auftrag geben, um die bereits von Kolumbus gesuchte Passage zwischen den Ozeanen endlich zu finden und einen neuen Seeweg nach Asien zu eröffnen. So schrieb er bereits im dritten Bericht an den Kaiser vom Mai 1522: «… diejenigen, die Kenntnis und Erfahrung von der Seefahrt in den Indias besitzen, sind sich sehr sicher, dass mit der Entdeckung des Südmeers in dieser Region auch viele an Gold, Perlen, Edelsteinen und Gewürzen reiche Inseln sich auftun werden und viele Geheimnisse und bewundernswerte Dinge zu entdecken sind.»[14]

Ende 1522 zog Cortés nach Pánuco im Gebirge der Huasteca Alta im äußersten Norden des heutigen Bundesstaats Veracruz. Sein Kontrahent Garay aus Jamaika, der seit 1521 in königlichem Auftrag handelte und den Titel eines Adelantado von Pánuco trug, hatte seinen Hauptmann Diego de Camargo dort hingeschickt. Der Generalkapitän, der auch diese Region für sich beanspruchte, wollte ihm unbedingt zuvorkommen. Außerdem wurde ihm berichtet, dass sich die Provinz im Aufstand befand, was angesichts der Tatsache, dass sie nie den Mexica tributpflichtig gewesen war, eine spezifisch cortesianische Rechtsauffassung war. Da seine Hauptleute zu dem Zeitpunkt alle unterwegs waren, zog Cortés die restlichen Truppen zusammen und setzte sich in Marsch, wobei die kleine Schar der Spanier von tausenden aztekischen Kriegern verstärkt wurde. Bei den schweren Kämpfen gegen die Huaxteken kam es zu erheblichen Verlusten vor allem unter den Mexica. Während der Auseinandersetzung stießen die Männer zufällig auf die abgeschlagenen Köpfe einiger Männer Camargos. Die Überlebenden hatten sich nach Vera Cruz durchgeschlagen. Erst nach wochenlangen Gefechten konnte die Truppe den indigenen Widerstand brechen. Cortés gründete daraufhin Ende Dezember 1522 die Villa de Santesteban del Puerto, die heutige Ortschaft Pánuco, die eine Garnison von einhundertdreißig mit Encomiendas versehenen Stadtbürgern (Vecinos), darunter einige Reiter und Armbrustschützen, unter Pedro Vallejo als Hauptmann umfasste. Hier wie in den anderen Regionen verfolgten die Eroberer die Strategie, aufständische Kaziken zu hängen und willfährige an ihre Stelle zu setzen. Cortés entstanden durch die Expedition hohe Kosten, die er später erfolglos von der Krone zurückforderte. Dabei blieb die Bedeutung Malinches, die die Details der indigenen Interessenkonstellationen am besten verstand, groß. Sie war es, die im Zweifelsfall riet, welche alten Eliten abzusetzen und welche neuen und Gefügigen einzusetzen waren.[15]

Trotz aller Fortschritte kamen die Eroberungen in Mesoamerika in den 1520er-Jahren noch keineswegs zum Ende. In manchen Regionen stießen die Spanier und ihre Verbündeten, die weiterhin die Hauptlast der Kriege trugen, auch auf den hartnäckigen Widerstand der indigenen Bewohner. Das galt zum Beispiel für Yucatán, dessen Eroberung unter Francisco de Montejo und später seinem Sohn gleichen Namens sich ab 1527 über Jahrzehnte hinzog. Erst nach mehreren erfolglosen Kampagnen kam sie 1547 nach der Niederschlagung eines Aufstands in Valladolid zumindest in den Augen der spanischen Chronisten formell zum Abschluss. In Wirklichkeit bewahrten sich jedoch zahlreiche Maya-Gruppen noch über Jahrhunderte ihre Autonomie. Nicht zuletzt die Feldzüge nach Norden zeigten, dass es sich hier um riesige Territorien handelte, die die Conquistadoren – wenn überhaupt – so nur ansatzweise durchstreiften und für ihren König in Besitz nahmen. Weder der Präsident der ersten Audiencia Nuño de Guzmán, der 1530/31 einen besonders brutalen Eroberungszug in Michoacan führte, noch Vizekönig Antonio de Mendoza erreichten letztlich die gewünschte «Befriedung». Immer wieder kam es zu Aufständen und im äußersten Norden blieb die spanische Herrschaft bis zum Ende der Kolonialzeit so punktuell, dass es sich eher um einen theoretischen Anspruch denn um eine Tatsache handelte.[16]

Konsolidierung der Herrschaft

Trotz der keineswegs abwegigen Sorge aufgrund der Gefahr eines Aufstands der Conquistadoren drohte Cortés die größte Bedrohung seines Machtanspruchs nicht von seinem Umfeld in Neu-Spanien, sondern vielmehr aus dem Mutterland. Seine Sache hatte sich nach der Entsendung der Boten 1520 nicht verbessert. Umwälzende Veränderungen in Europa verlangten die gesamte Aufmerksamkeit des Hofes. Im Mai 1520 musste Kaiser Karl V. Spanien verlassen. Denn einerseits stand noch seine Krönung aus, die in Aachen durchgeführt werden sollte, und andererseits drohte durch das Wirken Martin Luthers eine Kirchenspaltung. Galt schon Karl selbst in Spanien als Fremdkörper, so brachte man seinem Statthalter Adrian von Utrecht, dem späteren Papst Hadrian VI., noch weniger Achtung entgegen. Die wichtigsten Städte Kastiliens lehnten sich, angeführt von den Ratsherren, den Comuneros, gegen die als Fremdherrschaft wahrgenommene Regierung auf und forderten die Einschränkung der Macht der Krone und die Wiederherstellung alter Rechte der Ständeversammlung.[17]

Zwar verloren durch den Aufstand der große Gegenspieler von Cortés in Spanien, der für die Indienpolitik zuständige Bischof Fonseca, und damit auch die Fürsprecher von Gouverneur Velázquez vorübergehend an Macht und Einfluss, jedoch waren unter diesen Umständen keine grundlegenden Entscheidungen des Kaisers und seiner Berater zu erwarten. Cortés’ Vater Martín zog sich daraufhin nach Medellín zurück, um abzuwarten. Nach der Niederlage der Städte in der Schlacht von Villalar im April 1521 kehrte Fonseca zurück an die Schaltstellen der Macht und übernahm erneut die Kontrolle der die Indias betreffenden Politik. Weil Hernández Portocarrero angeblich Jahre zuvor eine Dame verführt hatte, ließ Fonseca diesen wichtigsten Beauftragten von Cortés in den Kerker werfen, wo jener auch bald verstarb. Derweil trafen im Herbst Ordás und Mendoza mit dem zweiten Briefbericht sowie neuen Geschenken in Sevilla ein und berichteten dort erstmals über die Pracht Tenochtitlans. Es gelang ihnen, die für die Bestechung des Hofes und für den Vater von Cortés bestimmten Gelder an der Casa de la Contratación vorbeizuschmuggeln. Nur den Anteil des Königs und weitere Gelder Sandovals ließ man in Sevilla zurück, wo sie beschlagnahmt wurden. Heimlich begaben sich die beiden Gesandten nach Medellín, um nicht in die Fänge der Häscher Fonsecas zu geraten, der Anweisung gegeben hatte, alle Gesandten von Cortés festzunehmen. Von dort reisten die Prokuratoren weiter nach Vitoria zum Regenten Adrian von Utrecht, dem sie Cortés’ Briefe übergaben. Adrian ließ sich überzeugen und erlaubte den beiden sogar, Anzeige gegen Bischof Fonseca vor dem Kronrat zu erstatten. Zunächst führte dies jedoch zu nichts, und als Adrian im Januar 1522 zum Papst gewählt wurde, hatte er andere Dinge zu tun, als sich um Cortés’ Anliegen zu kümmern.[18]

Einige Monate zuvor hatte Bischof Fonseca gegenüber Adrian durchgesetzt, dass sein Vertrauter Cristóbal de Tapia, der das Amt eines Inspektors des Königs (Veedor) in Santo Domingo innehatte, die Regierungsgewalt in den neuen Ländern übernehmen sollte. Die bereits am 11. April 1521 ausgestellten Instruktionen trafen im Spätsommer in Santo Domingo ein. Die dortige Audiencia hatte kein Interesse daran, Cortés’ Unternehmungen zu stören, doch Tapia setzte sich über die Bedenken hinweg und reiste nach Vera Cruz. In den Instruktionen hieß es, Velázquez habe alle Entdeckungsfahrten und Eroberungen finanziert und in Auftrag gegeben, sein Untergebener, Cortés, jedoch habe sich über seine Befugnisse hinweggesetzt, indem er sich zum Generalkapitän hatte wählen lassen. Auch Narváez wurde für sein Verhalten gegenüber dem Richter Ayllón schwer gerügt. Tapia bekam den Auftrag, die Beschuldigten «wegen ihres Ungehorsams» festzunehmen, nach Spanien zu überführen und ihren Besitz einzuziehen. Alle Untertanen des Kaisers wurden dazu verpflichtet, dem neuen Statthalter Tapia Gehorsam zu leisten und ihn zu unterstützen.[19]

Der neue Bürgermeister von Vera Cruz, Gonzalo de Alvarado, einer von Pedros Brüdern, nahm die im Namen des Kaisers ausgestellten Vollmachten ehrfurchtsvoll entgegen. Allerdings behielt er sich und den Angehörigen des Stadtrats eine Prüfung der Dokumente vor. Tapia war schließlich völlig unbekannt und man müsste erst prüfen, wie er an die Dokumente gekommen war, argumentierte Alvarado. Außerdem riet man Tapia, selbst ins Landesinnere zu reisen und sich mit Cortés zu treffen. Zunächst kam es zu einem Briefwechsel, bei dem Cortés anbot, mit Tapia in Texcoco zusammenzukommen. Allerdings gab es ein Problem, denn Tapia hatte auch an den königlichen Schatzmeister Alderete geschrieben, welcher sich mit Olid zusammentat. Beide waren über Cortés’ Führung und die Verteilung der Beute verärgert und plädierten daher für die vorbehaltlose Anerkennung des neuen Gouverneurs. Gemeinsam mit einigen weiteren früheren Vertrauten von Velázquez planten sie sogar eine Verschwörung.[20]

Als Cortés davon erfuhr, sagte er die Reise nach Texcoco ab und begründete dies in einem weiteren Schreiben an Tapia mit der angeblich bestehenden Gefahr eines Aufstands, sollte er sich aus dem Tal von Mexiko entfernen. Stattdessen wollte er seinen Vertrauten, Bruder Pedro de Melgarejo, zu Tapia schicken. Nach einigem Hin und Her waren es aber schließlich die Vertreter der Stadträte von Tenochtitlan, Segura de la Frontera und Vera Cruz, die die Papiere Tapias prüfen sollten. Pro forma baten sie den Generalkapitän, in Coyoacán zu bleiben, damit der Frieden dort gewahrt bleibe. Die genannten Stadträte waren natürlich enge Vertraute von Cortés und gehörten zu seinen führenden Offizieren. Es handelte sich um Vázquez de Tapia, Jorge de Alvarado, Francisco Álvarez Chico und Simón de Cuenca, die den Rat von Vera Cruz repräsentierten, Cristóbal del Corral als Vertreter von Segura de la Frontera, Andrés de Monjaras für Medellín, Pedro de Alvarado, den Cortés zum Oberbürgermeister von Tenochtitlan ernannt hatte, sowie Sandoval und einige weitere als Vertreter des Generalkapitäns.[21]

Das Treffen fand Weihnachten 1521 in Cempoala statt. Nach Prüfung der Dokumente wurden diese für echt befunden und Cortés’ Männer behandelten Tapias Leute respektvoll. Allerdings wollten sie den Anweisungen nicht Folge leisten, bevor sie nicht Einspruch erhoben hatten, denn aus den Papieren sprach eindeutig der Geist Fonsecas, dem es nur darum ging, Diego Velázquez zu begünstigen. Außerdem argumentierten die Ratsherren, Tapia sei ungeeignet für das Gouverneursamt, weil er die Verhältnisse vor Ort nicht kenne und zweifellos eine Rebellion der indigenen Bevölkerung auslösen werde. Tapias legalistische Gegenargumente wurden nicht anerkannt. Schließlich gab der Inspektor nach, worauf er von Cortés mit einigen Sklaven und Pferden belohnt wurde. Dafür sollte sich Tapia schnellstmöglich nach Santo Domingo einschiffen. Als er nach dem Erhalt eines Briefes von Alderete zögerte, halfen Sandoval und Vázquez de Tapia mit sanfter Gewalt nach und beförderten ihn an Bord des nächsten Schiffs nach Santo Domingo.[22]

Nachdem Cortés diese Bedrohung seiner Macht glücklich überstanden hatte, bestrafte er alle, die auch nur den Verdacht erregt hatten, sich Tapias Anspruch unterwerfen zu wollen. Unter anderem fiel Olid in Ungnade, wenngleich er durchaus noch militärische Aufträge wie den Zug nach Michoacán erhielt. Kaum waren diese Maßnahmen zur Konsolidierung von Cortés’ Herrschaft durchgesetzt, als ein Schiff aus Kuba unter dem Befehl von Juan Bono de Quejo, einem von Narváez’ Anhängern, denen man die Rückreise gestattet hatte, in Vera Cruz ankam. Wie Bernal Díaz berichtet, glaubte Bono de Quejo, dass Tapia Cortés als Gouverneur abgelöst hatte. Er war ausgestattet mit Beglaubigungsschreiben und sogar mit Blankovollmachten von Bischof Fonseca, die allen Unterstützern Tapias große Wohltaten versprachen. Jedoch kam Bono de Quejo zu spät und stellte für Cortés, der ihn denn auch freundlich empfing, keine Gefahr mehr dar.[23]

In der Zwischenzeit war es Alonso de Ávila gelungen, die Sache von Cortés vor der Audiencia in Santo Domingo erfolgreich zu vertreten, wobei ihm die Bestechungsgelder des Generalkapitäns sicherlich gute Dienste leisteten. Ávila war seinerzeit mit Portocarrero und Montejo aufgebrochen und bei einem Zwischenhalt auf Hispaniola geblieben. Inspektor Tapia fiel bei seiner Rückkehr in Ungnade, während die Audiencia Cortés ermächtigte, ganz Neu-Spanien zu erobern, Sklaven zu brandmarken und die indigenen Arbeitskräfte per Encomienda zu verteilen. Diese weitreichenden Zugeständnisse sollten so lange gelten, bis die endgültige Entscheidung des Kaisers eintraf. Damit hatte Cortés ein wichtiges Teilziel erreicht, denn Velázquez konnte ihm zunächst nicht mehr gefährlich werden. Der Generalkapitän dankte Ávila, indem er ihn im April 1522 zum Oberbürgermeister der neuen Stadt Mexiko ernannte und ihm eine großzügige Encomienda zusprach. Zu den engeren Vertrauten von Cortés zählte Ávila jedoch nicht, vielmehr wollte er ihn immer «möglichst weit von sich fern halten».[24]

Was nun noch fehlte, war die Bestätigung des Kaisers. Im Mai 1522 beendete Cortés seinen dritten ausführlichen und für die Veröffentlichung bestimmten Briefbericht, in dem er die Eroberung Tenochtitlans detailliert beschrieb. Er fügte dem noch einen weiteren persönlichen Brief an Karl V. hinzu, in dem er über das Schweigen der Krone klagte:

«… seit mehr als drei Jahren habe ich eurer Majestät und eurem Indienrat immer von den wichtigen Vorgängen in eurem Dienst berichtet und bis jetzt keine Antwort erhalten. Der Grund dafür ist, so glaube ich, dass meine Briefe und Berichte wegen der großen Entfernung oder der Nachlässigkeit der Personen, die für meine Angelegenheiten zuständig sind, nicht ankamen …»[25]

Die Papiere für den Kaiser ergänzte Cortés mit einer Vollmacht für seinen Vater und Geld zu dessen Verfügung. Auch die Conquistadoren schrieben einen Brief an den Kaiser, in dem sie Velázquez, Fonseca, Tapia und Garay anklagten, den erfolgreichen Abschluss des Kriegs gefährdet zu haben, sowie um die Entsendung von Missionaren und vor allem um die Würdigung der Verdienste von Cortés baten. Hinzu kam ein Schatz, der sich mit dem aus der ersten Sendung messen konnte. Gold, Edelsteine, Perlen, Kunsthandwerk wie vor allem Federmosaiken, seltsame Raritäten wie etwa riesige Knochen und drei lebendige Jaguare wurden eingeschifft. Einige Indigene zählten ebenso zur Ladung wie der Schatz des Cazonci aus Michoacán. Nicht nur der Kaiser selbst wurde beschenkt, der aufgrund der enormen Ausgaben für seine Kaiserwahl beim Augsburger Familienunternehmen der Fugger hoch verschuldet war. Zu den Beschenkten zählten alle Mitglieder des Kronrats inklusive der Gegner von Cortés wie vor allem Bischof Fonseca sowie hohe Adlige. Zudem bedachte der Generalkapitän wichtige Kirchen und Klöster in seinem Heimatland. Die Empfänger waren klug ausgewählt, handelte es sich doch um politisch einflussreiche Persönlichkeiten und Institutionen.[26]

Cortés beauftragte Ávila und seinen Leibwächter Quiñones mit dem Transport der wertvollen Fracht auf zwei Karavellen. Auf einem dritten Schiff, das Abschriften der Briefe, die Botschaften für Martín Cortés und kleinere Schmuckstücke an Bord hatte, reiste unter anderem der Sekretär des Generalkapitäns, Juan de Ribera. Die drei Karavellen legten am 22. Mai 1522 ab. An Bord war mit Alderete auch ein mittlerweile erbitterter Gegner des Generalkapitäns, der jedoch nach wenigen Tagen an einer Lebensmittelvergiftung starb. Auf hoher See kam es zu einem Zwischenfall mit einem der Jaguare, der aus seinem Käfig ausbrach und einige Seeleute tötete und verletzte. Als die Schiffe bereits die Azoren erreicht hatten und dort einen Zwischenhalt machten, fiel Quiñones einer Messerstecherei zum Opfer. Schließlich wurde die Flotille auf dem letzten Teilstück der Reise vom französischen Piraten Jean de Fleury angegriffen, der im Auftrag des Admirals Jean Ango aus Dieppe unterwegs war. Fleury brachte die beiden Schatzschiffe auf und schaffte sie nach Dieppe, wo das Gold wahrscheinlich eingeschmolzen wurde und die Spur der weiteren Schmuckstücke sich verliert. Ávila geriet in französische Gefangenschaft. Nur das Schiff mit Ribera konnte sich nach Spanien retten, wo es im November 1522 eintraf.[27]

Dort hatte sich in der Zwischenzeit einiges verändert. Der Kaiser, seit Juli 1522 wieder im Land, verlegte den Hof in seine Hauptstadt Valladolid. Zu diesem Zeitpunkt wusste man bereits seit rund drei Monaten von der Eroberung Tenochtitlans. Endlich bekam Karl V. die ersten Briefe von Cortés zu lesen. Um dessen Streit mit Velázquez zu verhandeln, berief er eine Kommission ein, der Bischof Fonseca nicht mehr angehörte, was sicherlich nicht zuletzt auf den Einfluss von Papst Hadrian zurückzuführen war. Auch Fonsecas Schützlinge verloren ihre Ämter. Das Wort in der Sonderkommission führte der italienische Großkanzler Mercurino Gattinara. Die Mitglieder prüften die ihnen vorliegenden Schriftstücke und verhörten Augenzeugen, wobei Fürsprecher und Gegenspieler von Cortés zu Wort kamen. Letztlich war die erfolgreiche Eroberung ausschlaggebend, doch auch die Tatsache, dass Velázquez Anweisungen der Audiencia von Santo Domingo missachtet hatte, sprach für Cortés. So entschied die Kommission zu seinen Gunsten und sprach ihm die Herrschaft in Neu-Spanien zu, während der Gouverneur sich einem Untersuchungsverfahren unterziehen musste.[28]

Die vom Kaiser am 15. Oktober 1522 in Valladolid unterzeichneten Bestätigungen und Anweisungen waren ausführlich, denn sie bildeten die Grundlage für die Regierung Neu-Spaniens. In der Ernennungsurkunde werden Cortés die politische, militärische und juristische Herrschaft über das neue Land übertragen, das der Kaiser nun auch offiziell als Neu-Spanien bezeichnet. Zudem erhielt er die Titel eines Gouverneurs, eines Generalkapitäns und eines obersten Richters mit den Befugnissen, alle Ämter in Neu-Spanien zu besetzen beziehungsweise Amtsträger zu entlassen. Ferner sprach Karl V. ihm sein vollstes Vertrauen aus und sagte ihm zu, jegliche Handlungen von Velázquez gegen ihn zu verbieten. Wichtig war darüber hinaus die Aufforderung, die «Indios» gut zu behandeln und in Glaubensfragen zu unterrichten.[29]

Waren diese Bestimmungen ganz in Cortés’ Sinn, so enthielt bereits das zweite Schreiben einige Punkte, die zu Konflikten führen konnten. So kündigte der Kaiser die Entsendung seiner Beamten Alonso de Estrada als Schatzmeister (Tesorero), Gonzalo de Salazar als Verwalter (Factor), Rodrigo de Albornoz als Buchhalter (Contador) und Pedro Almíndez Chirino als Inspektor (Veedor) an. Diese Beamten waren angehalten, Cortés’ Autorität zu achten, der umgekehrt dazu verpflichtet wurde, sie gut zu behandeln und zu respektieren. In einem weiteren Erlass legte Karl V. die Besoldung seiner Beauftragten fest. Cortés selbst wurde ein deutlich geringeres Gehalt zugesprochen als den königlichen Beamten. Schließlich folgten im Juni 1523 spezifische Instruktionen, die den Umgang mit der indigenen Bevölkerung in den neu eroberten Gebieten betrafen und in denen die Zuteilung (Repartimiento, Encomienda) der indigenen Bevölkerung verboten wurde.[30]

Als kurze Zeit nach der Unterzeichnung der Dokumente das Schiff mit Ribera und den neuesten Berichten in Spanien eintraf, verbreiteten sich die Nachrichten von Cortés’ Erfolgen in ganz Europa. Pietro Martire beschrieb die Ereignisse in Neu-Spanien eindringlich. Obwohl der Großteil des Schatzes verloren war, zeigte sich der italienische Humanist beeindruckt von den aztekischen Kunstgegenständen, die Ribera ihm zeigte, und von den Vorführungen eines gestellten Kampfes mitsamt Opferung eines Menschen der mitgeführten Mexica in Originalkostümen. Insbesondere das Ballspiel mit Bällen aus Gummi versetzte ihn in Erstaunen.[31] Aus der europäischen Perspektive war der Held der an einen Ritterroman anmutenden Geschichte von der Eroberung der Hauptstadt des exotischen Reichs der Mexica eindeutig Hernán Cortés. Für den Moment schien sein Ruhm unantastbar.

Dieser Ruhm sprach sich in Spanien und Europa schnell herum. Bereits die Ausstellung der sogenannten Gastgeschenke Moteuczomas, die Kaiser Karl V. in Spanien und in den spanischen Niederlanden zeigen ließ, erregte großes Aufsehen. Albrecht Dürer, der die Gegenstände 1520 in Brüssel betrachtete, schrieb staunend in sein Tagebuch:

«Auch hab ich gesehen die Ding, die man dem König aus dem neuen gülden Land hat gebracht; ein ganz güldene Sonnen, einer ganzen Klafter breit, desgleichen ein ganz silbern Mond, auch also groß, desgleichen zwo Kammern voll derselbigen Rüstung, desgleichen von allerlei Waffen, Harnisch, Geschütz, wunderbarlich Wehr, seltsamer Kleidung, Bettgewand und allerlei wunderbarlicher Ding zu männiglichem Brauch, das so viel schöner anzusehen ist dann Wunderding. Diese Ding sind alle köstlich gewesen, dass man sie beschätzt um hunderttausend Gulden wert. Und ich all mein Lebtag nichts gesehen, das mein Herz also erfreuet hat als diese Ding. Dann ich hab darin gesehen wunderliche künstliche Ding und
hab mich verwundert der subtilen Ingenia der Menschen in fremden Landen. Und der Ding weiß ich nit auszusprechen, die ich do gehabt hab.»[32]

Nicht alle Betrachter waren so kunstsinnig wie der Maler oder der Humanist Pietro Martire. Die Goldgegenstände wurden bald eingeschmolzen, die anderen wanderten als Exotika in fürstliche Bibliotheken, Schatzkammern und Kuriositätenkabinette.[33]

Neben den nur kurz für eine ausgesuchte Öffentlichkeit zugänglichen Objekten sorgten vor allem die Briefberichte von Cortés für die Verbreitung seiner Berühmtheit. Zwar hatte der Conquistador seine Briefe als fällige Rechenschaftslegung gegenüber dem König, aber auch mit dem Bemühen um die Rechtfertigung seiner Taten geschrieben, doch fanden sich darin auch viele beschreibende Passagen, die durchaus an ein breiteres Publikum gerichtet waren. Dabei betonte er die Schönheit und Macht Tenochtitlans und des Aztekenreichs ebenso wie die Disziplin und Vernunft in den gesellschaftlichen Strukturen der Mexica, obwohl sie seiner Meinung nach Barbaren waren, weil sie Gott nicht kannten. Der Vergleich mit der eigenen europäischen Gesellschaft drängte sich auf und Pietro Martire, einer der frühesten Leser von Cortés’ Briefen, kam zu dem Schluss, dass zum Beispiel der Gesichtsschmuck der Azteken mit Ohrpflöcken und Unterlippenpiercings zwar für europäische Betrachter seltsam anmutete, dass es sich dabei aber letztlich um eine reine Geschmacksfrage handelte: «An diesem Beispiel sehen wir, in wie törichter Weise die Menschen ihrem eigenen Vorurteil erliegen und wie sehr wir uns alle falschen Vorstellungen hingeben.»[34]

Der Verlag des deutschstämmigen Jacob Cromberger in Sevilla veröffentlichte den zweiten und dritten Briefbericht 1522 und 1523, der vierte erschien 1525 in Toledo. Schnell wurden die Publikationen mit reißerischen Überschriften in diverse europäische Sprachen übersetzt. Im Februar 1524 etwa erschien eine lateinische Ausgabe in Nürnberg, der die erste bildliche Darstellung Tenochtitlans in Europa beigefügt war. Als die Publikation der Briefberichte 1527 auf Betreiben von Pánfilo de Narváez verboten wurde, hatten sich der Ruhm von Cortés und seine Version der Eroberung bereits weithin verbreitet. Das Publikationsverbot wurde zwar im selben Jahr schon wieder aufgehoben, doch kam es rund zweihundert Jahre lang zu keiner Neuauflage in Spanien und erst 1770 erschien die erste mexikanische Ausgabe.[35]

Abb. 24: Karte von Tenochtitlan 1524 (Hernán Cortés, Praeclara Ferdinandi Cortesii De nova maris Oceani Hyspania Narratio …, Nürnberg 1524, o. S.)

Der Höhepunkt der Macht

Von den für ihn so positiven Entwicklungen in Europa konnte Cortés Mitte 1522 noch nichts wissen. Es sollte mehr als ein Jahr dauern, bis die königlichen Vollmachten in Mexiko ankamen. Das hielt ihn aber nicht davon ab, sich wie ein Vizekönig zu benehmen. Zwar kleidete er sich meist relativ schlicht in «schwarze Seide», jedoch umgab er sich mit einem großen Gefolge von Kammerherren, Dienern und Beamten. Bei Reisen ritten vier indigene Adlige mit und Beamte mit Amtsstäben gingen ihm voraus. Wie zuvor, wenn der Tlatoani sich näherte, warfen sich die Indigenen nun zu Boden, wenn der Generalkapitän vorbeikam. Wegen seiner enormen Machtfülle zweifelten manche zeitgenössischen Beobachter an seiner Treue zum Kaiser, wenngleich es nach Meinung anderer dazu keinen Anlass gab.[36] Als die königlichen Dokumente im Herbst 1523 endlich eintrafen und im Jahr darauf mit Bischof Fonseca und Gouverneur Velázquez seine beiden hartnäckigsten Widersacher starben, fühlte er sich zweifellos auf dem Höhepunkt seiner Macht.

Cortés hatte das Land Neu-Spanien getauft, um es direkt der Krone unterstellt zu wissen. In seiner Ernennungsurkunde zum Gouverneur wurden die Grenzen des neuen Landes nicht genau umrissen. Das war wegen der fehlenden geographischen Kenntnis der Region auch gar nicht machbar. Die Möglichkeit, zu expandieren und neue Städte zu gründen, war ein fester Bestandteil des kolonialen Programms. Auch die Verwendung des Wortes «Neu» bei der Benennung von Orten oder Territorien sollte sich als Modell in vielen europäischen Sprachen durchsetzen und die Verbundenheit mit der alten Heimat demonstrieren. Nach der Konsolidierung ihrer Herrschaft ging es den Spaniern und ihren Verbündeten nun darum, dieses «neue» Spanien und die Reichtümer, die man vor allem im Süden vermutete, zu vergrößern. Außerdem gab es auch nach Velázquez’ Tod noch potenzielle Konkurrenten wie etwa den seit 1514 als Gouverneur von Darién im heutigen Panama amtierenden Pedro Arias de Avila, genannt Pedrarias, und vor allem den ehrgeizigen Garay.[37]

Nach seinen Fehlschlägen stellte Garay 1523 nochmals eine Armada aus einem Dutzend Schiffen und mehr als achthundert Soldaten zusammen und dieses Mal befehligte er persönlich die Truppe. Ende Juli landete er nördlich von Pánuco am Río Palmas und gründete die Stadt Garayana. Von dort aus schlugen sich Garay und seine Männer auf dem beschwerlichen Landweg nach Santesteban del Puerto durch. Trotz des freundlichen Empfangs, den Cortés’ dortiger Statthalter Vallejo dem vorausgeschickten Stellvertreter von Garay, Gonzalo de Ocampo, bereitete, entwickelten sich in der Folgezeit Auseinandersetzungen zwischen den Spaniern. Gerade zu diesem Zeitpunkt, am 13. September 1523, überbrachten zwei Cousins von Cortés, Rodrigo de Paz und Francisco de las Casas, die königlichen Vollmachten sowie einen Erlass, der es Garay untersagte, sich in Pánuco anzusiedeln.[38]

Cortés schickte daraufhin sofort eine Gesandtschaft unter dem Befehl Alvarados und Sandovals zu Garay und lud ihn nach Tenochtitlan ein, wo er ihn respektvoll und gastfreundlich, «als einen wirklichen Bruder», empfing. Noch während seines Aufenthalts starb Garay Ende Dezember 1523 plötzlich unter ungeklärten Umständen an einer Magenverstimmung. Laut Cortés hatte der «Bruder» sich die Nachricht, dass die Huaxteken den Unfrieden unter den Spaniern zu einem Aufstand genutzt hatten, «so zu Herzen [genommen], dass er vor Kummer erkrankte, und zwar so sehr, dass er binnen drei Tagen aus dem Leben schied.»[39] Damit war ein weiterer ernsthafter Konkurrent aus dem Weg geräumt, während in der Provinz Pánuco der Krieg gegen die Huaxteken besonders grausam geführt wurde. Auf beiden Seiten kam es zu hohen Verlusten, doch letztlich konnten sich die Spanier mit ihren Verbündeten durchsetzen. Die Anführer der Huaxteken wurden bei lebendigem Leib verbrannt.[40]

Sowohl bei den Kriegszügen in Pánuco wie auch bei anderen Unternehmungen blieb die Beteiligung indigener Conquistadoren von großer Bedeutung. Die Tatsache, dass sie auch nach dem Fall Tenochtitlans bereit waren, an der Seite der Spanier zu kämpfen, zeigt, dass es ihnen nicht nur darum ging, das aztekische Joch abzuwerfen und freudig das Christentum anzunehmen, wie sie später in ihren Chroniken oft behaupteten. Vielmehr hatten sie auch die Eroberung von Land und Sklaven im Blick. Für die verbündeten Tlaxcalteken etwa war das Christentum, dessen Verbreitung Cortés und seine Männer immer proklamierten, eine Religion, die auf Eroberung basierte, wie so viele vorspanische Glaubensvorstellungen auch. Ihre Beteiligung an den Kriegen und Triumphen dokumentierten sie bildlich viele Jahrzehnte später in den großen Darstellungen der Lienzos von Tlaxcala, Quauhquechollan und Analco. Auch die Truppenkontingente der Mexica, die nun an vielen Kriegszügen teilnahmen, waren keineswegs nur Geiseln, die mitgeführt wurden, um einem Aufstand in der Hauptstadt vorzubeugen, sie verfolgten eigene Ziele, um sich in der neuen Mächtekonstellation einen Platz zu schaffen.[41]

Die Kooperation sollte erneut Erfolg haben, als Cortés seinen Vertrauten Alvarado mit der Eroberung Guatemalas und der Erkundung einer Meeresverbindung zwischen dem Golf von Mexiko beziehungsweise dem Karibischen Meer und dem «Südmeer» beauftragte. Gleichzeitig ging es dem frisch zum Gouverneur beförderten Cortés darum, seine Einflusssphäre so weit wie möglich nach Süden auszudehnen sowie an die Reichtümer der Region zu kommen, von denen er 1521 erstmals gehört hatte. Schon 1522 hatte er zwei spanische Kundschafter mit einigen indigenen Begleitern zu den Maya geschickt. Angeblich kamen daraufhin Gesandte der K’iche und der Kaqchikel nach Tenochtitlan und schworen der Krone Gefolgschaft. Wenig später beschwerten sich dann spanische Verbündete in Soconusco über Angriffe der Maya. Dies soll letztlich ausschlaggebend für Cortés’ Entscheidung gewesen sein, Alvarado am 13. Dezember 1523 zu entsenden.[42]

Alvarado, der bereits 1522 tief nach Oaxaca vorgestoßen war und dann die Region um Tututepec an der Pazifikküste «befriedet» hatte, sammelte indigene Verbündete in den Nachbarregionen und in Oaxaca. Mit ihnen gemeinsam zog er über den Isthmus von Tehuantepec entlang der pazifischen Küste in Richtung Guatemala. Dieser Feldzug lässt sich auch als Fortsetzung der vorspanischen Expansion unter Moteuczoma ins kakaoreiche Soconusco verstehen, denn der Tlatoani hatte wohl bereits einen Angriff auf die Region geplant. Pedro de Alvarado hatte also Verbündete aus vielen Städten unter seinem Kommando, die – wiederum mit eigenen Anführern – im Dezember, der klassischen Kriegssaison vor der regenreichen Erntezeit, ins Feld zogen. Durch die Seuchen hatte sich die Zahl der indigenen Verbündeten insgesamt zwar verringert, aber immer noch beteiligten sich tausende Nahua, Zapoteken und Mixteken an diesem Feldzug als Träger, Soldaten, Offiziere und Siedler mit eigenen spezifischen Zielen.[43]

Vor den Spaniern waren bereits ihre Krankheiten in Guatemala eingetroffen, und das große Sterben hatte begonnen. Rund drei Jahre später stießen die Verbündeten im Hochland auf harten Widerstand der K’iche. Mehrere Schlachten konnten Alvarado und seine Truppen im Februar 1524 für sich entscheiden und die Hauptstadt der K’iche, Q’umarkaj, zerstören. Bereits Ende 1523 hatten sie mit den Kaqchikel, die wiederum mit den K’iche verfeindet waren, neue Parteigänger gefunden. Um die Invasoren schnellstmöglich wieder loszuwerden, erklärten sich die Kaqchikel pro forma bereit, die Hoheit des spanischen Königs anzuerkennen und Tribute zu überlassen. Wegen der exzessiven Tributforderungen kam es aber bereits ab August 1524 zum Krieg, der sechs Jahre andauerte. Zudem mussten die Verbündeten die zahlreichen unabhängigen Maya-Städte einzeln bekämpfen und unterwerfen. Erst um 1530 erreichten die Truppen eine vorübergehende «Befriedung» des Hochlands. Viele mesoamerikanische Verbündete wurden bewusst in den eroberten Maya-Gebieten angesiedelt, um durch die ethnische Differenzierung eine gewisse Kontrolle zu gewährleisten. In weiten Teilen des heutigen Guatemalas war die Conquista damit jedoch noch lange nicht abgeschlossen.[44]

Abb. 25: Lienzo von Quauhquechollan

Die an Guatemala angrenzende Nachbarregion Hibueras (auch Higueras), das heutige Honduras, war ebenfalls ein Ziel der Expansion nach Süden, denn Cortés hatte vom vermeintlich großen Reichtum dieser Länder erfahren. Angeblich hängten die Indigenen dort statt der üblichen «Bleigewichte mit Kupfer vermischte Goldstücke» an ihre Netze.[45] Außerdem hoffte Cortés gerade dort die Passage zu finden, nach der schon Kolumbus gesucht hatte. Parallel zu Alvarados Zug über Land bekam Cristóbal de Olid den Auftrag, mit sechs Schiffen am Golf von Mexiko entlang nach Hibueras zu segeln, wo sich die beiden Truppenteile dann vereinigen sollten. Ein weiterer Grund, diesen Feldzug durchzuführen, bestand darin, dass Gil González de Ávila, der Eroberer von Costa Rica und Nicaragua und ein Günstling von Bischof Fonseca, sich von Pedrarias unabhängig gemacht hatte und ebenfalls 1524 Honduras erreichte. Auf seiner Fahrt nach Süden machte Olid einen Zwischenhalt in Kuba, wo er Pferde einkaufen sollte. Dort forderte ihn sein alter Förderer Velázquez auf, sich von Cortés loszusagen und die Eroberung von Honduras gemeinsam mit ihm durchzuführen. Damit setzte sich Velázquez über die königlichen Anweisungen hinweg. Als Olid die Küste von Hibueras erreichte, gründete er dort die Hafenstadt Triunfo de la Cruz.[46]

Als Cortés von der Intrige erfuhr, wollte er in der ersten Wut gar nach Kuba fahren, um Velázquez festzunehmen und nach Spanien zu schicken, wie er dem König freimütig berichtete. Im Juni 1524 sandte er eine Flotte von fünf Schiffen unter dem Befehl seines Vetters Francisco de las Casas nach Honduras, um Olid festzunehmen. Wegen eines Schiffbruchs vor der Küste fiel Las Casas ebenso wie Gil González in die Hände von Olid, der sich so sicher fühlte, dass es den beiden wenig später in der Ortschaft Naco gelang, ihn anzugreifen und schwer zu verletzen. Nach dem Anschlag ließen Las Casas und González Olid verurteilen und hinrichten. Die beiden Spanier waren bereits auf dem Rückweg nach Mexiko, als der ungeduldige Cortés sich Mitte Oktober, kurz nachdem er seinen vierten Briefbericht abgeschlossen hatte, selbst auf den Weg machte.[47]

Die Expedition nach Hibueras sollte eine der härtesten, längsten und fruchtlosesten Unternehmungen nach der Eroberung von Tenochtitlan werden. Um einem Aufstand vorzubeugen, nahm der Gouverneur neben Cuauhtemoc und Tetlepanquetzal die Mitglieder des gesamten aztekischen Hochadels mit, welche die Conquista überlebt hatten. In Chalco schloss sich ein Kontingent von rund dreitausend indigenen Kriegern aus dem Hochtal sowie aus Michoacán unter dem Kommando Ixtlilxochitls den Spaniern um Cortés an, der sich mit großem Hofstaat und seinen besten Männern, darunter Sandoval und Bernal Díaz, sowie einigen Geistlichen auf den Weg machte. Schalmeien-, Flageolett- und Posaunenspieler, Falkner und sogar eine große Schweineherde wurden mitgenommen, wie Bernal berichtete. Natürlich war auch Malinche wieder mit dabei, die auf diesem Marsch mit dem Hauptmann Juan Jaramillo verheiratet wurde, da Cortés offenbar genug von seiner Konkubine hatte. Es war ein besonders prächtiger Eroberungszug, der den Ruhm des Gouverneurs bis in den tiefen Süden von Neu-Spanien und weiter strahlen lassen sollte.[48]

Tatsächlich wurde die Armee auf ihrem Weg durch die bereits eroberten Provinzen aufwendig empfangen und gefeiert. Jedoch sollte das Hochgefühl ihres Anführers bald verfliegen, denn der weitere Marsch war alles andere als einfach. Gegen den Rat der Indigenen, die auf die fehlenden Landwege hinwiesen, wollte der Gouverneur über Tabasco und Campeche quer durch das tropische Tiefland des Petén nach Honduras vordringen. Dabei musste die Truppe oft im strömenden Regen immer wieder zahllose kleinere und größere Flüsse, Urwälder, Sümpfe und Bergketten überwinden. Die ortsansässigen indigenen Gemeinschaften waren geflüchtet und hatten keinerlei Lebensmittel zurückgelassen, sodass die Armee bald Hunger litt. Die Entbehrungen waren so groß, dass es Tote und Verzweifelte gab, die zurückblieben. Selbst die Musik der Instrumentalisten stieß den Soldaten bald sauer auf. «Es war mehr wert, Mais zu essen zu haben als Musik», schrieb Bernal.[49]

Als die ausgezehrte Truppe südlich der Laguna de Términos wieder in gastfreundlichere Gefilde kam, ereignete sich ein folgenschwerer Zwischenfall. Angeblich soll ein Indigener namens Mexicalcingo nach dem Empfang der Taufe Cortés erzählt haben, dass Cuauhtemoc und die anderen Adligen über einen Angriff gegen die Spanier gesprochen hätten und die dort lebenden Maya aufwiegeln wollten. Cortés ließ die Angeklagten Cuauhtemoc, Tetlepanquetzal und Cohuanacotzin wahrscheinlich foltern, woraufhin sie gestanden. Daraufhin verurteilte der Gouverneur sie zum Tode und ließ sie Ende Februar 1525 in der Ortschaft Acalan hängen. Laut Alva Ixtlilxochitl handelte es sich bei der Hinrichtung um Mord, denn die Anschuldigungen seien alle falsch gewesen. Diejenigen, die die Unruhen in der Hauptstadt, von denen später noch zu sprechen sein wird, zu verantworten hatten, hätten die Lügen in die Welt gesetzt, um von den eigenen Untaten abzulenken. Ob das so war, lässt sich nicht mehr feststellen. Jedoch erschien selbst Bernal Díaz, der die Version vom Verrat der Mexica-Fürsten ansonsten stützte, die harte Strafe übertrieben und ungerechtfertigt.[50]

Die Expedition war danach noch viele Wochen unterwegs durch das Gebiet der Chontal und Itza Maya. Viele weitere Mühen und Verluste mussten hingenommen werden, ehe die Männer endlich an ihrem Ziel in Honduras anlangten, nur um festzustellen, dass das gesamte Unternehmen umsonst gewesen war. Darüber hinaus litten die wenigen Bewohner der von Gil Gonzalez gegründeten spanischen Stadt Not und waren alle krank, weswegen sie der ausgehungerten Truppe nichts zu bieten hatten. Cortés überging diese Tatsachen in seinem Bericht geflissentlich und erwähnte dafür nur, wie er weitere Erkundungen im Hinterland der Region unternahm und Ende 1525 die Hafenstädte Trujillo und Natividad de Nuestra Señora gründete. Auf der Rückreise über das Meer im April 1526 erfuhr Cortés bei einem Zwischenhalt in Kuba, dass man ihn in der Hauptstadt für tot hielt. Am 24. Mai 1526 traf er in Vera Cruz ein und am 19. Juni, nach mehr als anderthalb Jahren, kehrte er nach Mexiko zurück, wo ihn seine Anhänger triumphal empfingen.[51]

Grenzen des Erfolgs

Der Marsch nach Hibueras hatte nicht nur eine unbekannte Zahl an Menschenleben, sondern auch viel Geld gekostet, für das Cortés später erfolglos um Rückerstattung bei der Krone bitten sollte. Noch ärgerlicher für ihn war aber das Chaos in der Hauptstadt, das seine Abwesenheit ausgelöst hatte. Die vier königlichen Verwaltungsbeamten waren noch vor seiner Abreise 1524 eingetroffen, woraufhin der Gouverneur Estrada und Albornoz zu Statthaltern bestimmt hatte, während Salazar und Chirinos mit auf die Reise mussten. Als Bürgermeister und oberster Richter blieb Alonso de Zuazo ebenfalls in Mexiko. Die Entscheidung war darauf zurückzuführen, dass die Beamten versucht hatten, Cortés von der Expedition abzuhalten, weil sie Probleme mit der indigenen Bevölkerung in Zentralmexiko befürchteten. Cortés, der ohnehin schlecht auf die Verwalter zu sprechen war, weil sie rund fünfunddreißig Prozent mehr Gehalt bezogen als er selbst, obwohl er doch seiner Meinung nach «zweihundert Mal mehr Kosten» zu tragen hatte, als «alle vier zusammen», setzte sich jedoch kategorisch durch.[52] Ohnehin hatte er in seiner Antwort an den König selbstbewusst angekündigt, die Einmischung in die Regierungsgeschäfte von Beamten aus dem Mutterland ohne Erfahrung vor Ort nicht zu dulden, da dies nur negative Folgen hätte, was man seines Erachtens am Abstieg Hispaniolas erkennen konnte.[53]

Schon auf dem Marsch nach Süden, vor Espíritu Santo, erreichten Cortés Berichte, dass es in der Hauptstadt zum Streit zwischen Estrada und Albornoz gekommen war, woraufhin sich angeblich unter den Mexica Unruhe breitgemacht hätte. Deshalb schickte er Salazar und Chirinos zur Schlichtung des Streits zurück. Gemeinsam mit Richter Zuazo sollten sie die Regierung übernehmen, falls die Streitigkeiten nicht beizulegen waren. Die Befriedung gelang jedoch nicht dauerhaft. Anfang 1525 kam es tatsächlich zu einem Aufstand seitens der Indigenen, den Zuazo brutal unterdrückte. Weitere Zerwürfnisse in der Führungsriege schlossen sich an, in deren Folge Salazar und Chirinos die Macht ergriffen, Zuazo absetzten und nach Kuba verschifften. Nachdem das Gerücht von Cortés’ Tod eingetroffen war, zogen die beiden Beamten die Vermögen der Expeditionsteilnehmer ein, verfolgten die Anhänger des Gouverneurs und ließen seinen Hofmarschall Rodrigo de Paz foltern und hinrichten, um an die angeblich versteckten Schätze zu kommen. Als Ende Januar 1526 wieder Nachrichten von Cortés in der Hauptstadt eintrafen, setzten sich die mittlerweile versöhnten Estrada und Albornoz wieder an die Spitze der Regierung und ließen ihre Kollegen einsperren. Erst nach Cortés’ Rückkehr im Juni 1526 beruhigte sich die Lage.[54]

Die Fehlentscheidung von Cortés und die daraus resultierenden Probleme hatten sich jedoch ebenso nach Spanien herumgesprochen wie der aus Sicht der königlichen Beamten anmaßende Regierungsstil des Gouverneurs. In einer eigens dafür vorgesehenen Geheimschrift verfasste Albornoz ein Schreiben an den König. Nach seiner Meinung führte sich Cortés wie ein Vizekönig auf und er vermutete, dass der Gouverneur große Mengen Goldes versteckt hielt. Die unterschiedlichen Nachrichten nährten die Zweifel an Cortés, die bereits seit dem Streit mit Velázquez im Mutterland bestanden. Aus diesem Grund entsandte die Krone mit Luis Ponce de León einen Untersuchungsrichter nach Neu-Spanien, um eine Prüfung der Amtsführung, eine Residencia, gegen Cortés durchzuführen. Dabei handelte es sich um ein Routineverfahren der spanischen Verwaltung, das nicht mit einem Strafverfahren zu verwechseln ist. Cortés empfing den Richter respektvoll, küsste die königlichen Anweisungen und hielt sie sich über den Kopf, wie es Brauch war. Doch wie auch zahlreiche Besatzungsmitglieder seines Schiffs starb Ponce de León kurz nach seiner Ankunft im Juli 1526 an einer seuchenartigen Krankheit. Daraufhin wurde sein Begleiter Marcos de Aguilar zum Vizegouverneur ad interim bestellt.[55]

Die Residencia war somit zunächst ausgesetzt. Aguilar forderte Cortés im September auf, neben dem Gouverneursamt, das während des Verfahrens ohnehin ruhte, auch seine Ämter als Generalkapitän und Verwalter der indigenen Angelegenheiten auszusetzen. Cortés stimmte zu, weil er dem König und seinem Vertreter gegenüber Gehorsam an den Tag legen musste. Allerdings fühlte er sich, wie er seinem Vater gegenüber eingestand, danach wie in einer «Vorhölle».[56] Schon bald, am 1. März 1527, starb auch Aguilar, worauf der Stadtrat Sandoval und Estrada zu neuen Regenten wählte. Einige Monate danach wurde Estrada auf königliche Anweisung hin zum alleinigen Regenten ernannt, bis im Dezember 1528 die erste Audiencia in Mexiko eintraf und die Regierungsgeschäfte übernahm. Ihr gehörten als Leiter Nuño de Guzmán – der Gouverneur der Provinz Pánuco, der erst seit 1526 in Neu-Spanien war – sowie die Oidoren (Vernehmungsrichter) Juan Ortiz de Matienzo, Diego Delgadillo, Alonso de Parada und Francisco de Maldonado an. Noch während Estradas Amtszeit kam es zum Zerwürfnis mit Cortés mit der Folge, dass der Interimsgouverneur den Conquistador vorübergehend sogar der Hauptstadt verwies. Cortés’ Macht war im Schwinden begriffen.[57]

Seine Aktivitäten hinsichtlich der Erkundung des «Südmeers» und eines neuen Seewegs zu den Gewürzinseln können vor diesem Hintergrund als Gegenmaßnahme verstanden werden, um dem drohenden Bedeutungsverlust zu begegnen. Bereits in seinem Brief an den Kaiser vom Mai 1522, wenige Monate bevor die Reste der Flotte Magellanes’ unter dem Kommando von Juan Sebastián Elcano von ihrer ersten Weltumsegelung zurückkehren sollten, hatte Cortés die Bedeutung dieses Ozeans für Spanien betont. Wie viele seiner Zeitgenossen war er inspiriert von antiken Mythen und der Suche nach dem Goldland, insbesondere dem Land der Amazonen, und erkannte darin eine Möglichkeit, sich auch in Zukunft für die Krone unentbehrlich zu machen. Seinen Vater instruierte er, die Idee am Hof vorzutragen, um den königlichen Auftrag zu erhalten. Fürs Erste ließ Cortés in Zacatula an der Pazifikküste Schiffe bauen, mit denen er später sein Ziel verfolgen wollte. Dem König schrieb er in seinem fünften Briefbericht: «Ich halte diese Schiffe für wichtiger, als ich zu sagen vermag, denn ich bin mir sicher, dass ich damit eure kaiserliche Hoheit zum Herrscher von mehr Königreichen und Herrschaften machen werde, als man sich in unserer Nation bisher vorstellen kann. […] eure Majestät wird davon so viel Vorteile haben, dass Sie, so glaube ich, nichts weiter tun müssen, um Herrscher der ganzen Welt zu werden.»[58]

Den Auftrag bekam Cortés erst 1526, nachdem die Krone im Jahr zuvor schon García Jofre de Loaísa und im selben Jahr Sebastián Caboto auf die Reise geschickt hatte. Die königliche Cédula bestimmte unter anderem die Suche nach den Schiffen von Loaísa und Caboto. Cortés ließ auf eigene Kosten eine Flotte ausrüsten, die er unter das Kommando seines Cousins Álvaro de Saavedra stellte, dem er detaillierte Instruktionen sowie ein Schreiben an Caboto und Loaísa mit auf den Weg gab. Außerdem enthielten die Schriftstücke einen Brief an den «König von Cebú», den Cortés ins Lateinische übersetzen ließ, in der Hoffnung, dass sich vielleicht ein Jude fände, der diese Weltsprache verstand. Ansonsten sollte Saavedra sich einen Araber oder Inder aus Calicut suchen. Dass man bei einem solchen Unternehmen auf die Hilfe von Übersetzern angewiesen war, hatte Cortés während seiner eigenen Hueste gelernt. Ende Oktober 1527 stach die Flottille in See, doch war ihr wenig Erfolg beschieden. Bald nach der Abreise gingen zwei Schiffe verloren und nur das Kapitänsschiff von Saavedra erreichte Asien. Nachdem der Kommandant (im Oktober 1529) und große Teile der Besatzung gestorben waren, kehrten die wenigen Überlebenden 1534 über Portugal zurück nach Spanien. Erneut stellte sich ein von Cortés mit großen Hoffnungen und beträchtlichem finanziellen Aufwand betriebenes Unternehmen als Fehlschlag heraus.[59]

So kam die Rückkehr nach Spanien im richtigen Moment. Schon Anfang 1528 hatte Cortés die Anweisung des Präsidenten des Indienrats, Francisco García de Loaísa, erhalten, sich zurück nach Spanien zu begeben, um sich dem König vorzustellen, was wenige Monate später durch eine königliche Cédula bestätigt wurde. Wie López de Gómara berichtet, entsprach diese Reise durchaus Cortés’ Wunsch, denn er wollte heiraten, legitime Kinder haben und dem König von Angesicht zu Angesicht über die Lage in Neu-Spanien berichten. Noch bevor er abreiste, erreichte ihn die traurige Nachricht vom Tod seines Vaters und hilfreichsten Fürsprechers, Martín Cortés. Auf der Überfahrt wurde er von seinen treuen Hauptleuten Sandoval und Tapia, diversen nahen Verwandten Moteuczomas, darunter dessen Sohn Pedro Tlacahuepan, einem Sohn von Maxixcatzin aus Tlaxcala, weiteren indigenen Hochadligen sowie von Malinche und ihrem sechsjährigen Sohn Martín, der aus der illegitimen Verbindung mit Cortés hervorgegangen war, begleitet. Außerdem nahm der Gouverneur zahlreiche indigene Akrobaten, Diener, Sklaven und in Europa unbekannte Tierarten mit an Bord. Ende Mai kam die Flottille in Spanien an.[60]

Noch bevor Cortés sich vom Hafen in Palos über das Kloster La Rábida, wo schon Kolumbus Quartier genommen hatte, zum Königshof nach Toledo begab, musste er einen weiteren Verlust verkraften. Sandoval erkrankte bei der Ankunft in der Heimat und starb nach wenigen Tagen. Dass Cortés bei Hof ehrenvoll empfangen wurde, war angesichts der jüngsten Probleme in Neu-Spanien und der Intrigen seiner vielen Widersacher keineswegs selbstverständlich, doch der Herzog von Bejar und der Graf von Aguilar hatten sich für ihn eingesetzt. Der Kaiser befahl daher den Städten, durch die Cortés mit seinem exotisch anmutenden Tross zog, feierliche Empfänge zu veranstalten. Der fremdartige Zug beeindruckte die Zeitgenossen, darunter den aus Deutschland stammenden Maler Christoph Weiditz, der Cortés porträtierte (s. Abb. 1., S. 59)Außerdem lernte Cortés auf seiner Reise im Kloster Guadalupe in der Extremadura die Frau des wichtigsten kaiserlichen Beraters, Francisco de los Cobos, und deren Schwester kennen, die er mit Geschenken überhäufte und die sich danach sehr für ihn stark machten.[61]

Der persönliche Empfang durch Kaiser Karl V. verlief positiv und war zweifellos ein Höhepunkt im Leben des Conquistadors. Nach seinem Vortrag gewährte ihm der Monarch hohe Auszeichnungen und versprach ihm eine adäquate Belohnung, die in den Folgemonaten genauer ausgehandelt werden sollte. Als Cortés wenig später schwer erkrankte und um sein Leben rang, gewährte ihm der Kaiser die seltene Ehre eines persönlichen Krankenbesuchs. Zahlreiche weitere Privilegien riefen Neider auf den Plan, doch laut Díaz del Castillo verteidigten ihn seine Fürsprecher mit den Worten: «Seine Majestät habe befohlen sich vor Augen zu führen, dass Cortés und seine Männer so viele Länder gewonnen haben, dass die ganze Christenheit ihnen zu Dank verpflichtet sei.»[62]

Cortés nutzte die Gunst der Stunde und schickte eine Gesandtschaft mit reichen Geschenken nach Rom. Papst Clemens VII. dankte es ihm unter anderem mit der Legitimierung dreier seiner unehelichen Kinder, darunter sein Sohn Martín. Außerdem verheiratete sich der Conquistador ein zweites Mal. Seine erste Frau Catalina Suárez war ihrem Ehemann Mitte 1522 von Kuba nach Neu-Spanien gefolgt, wo Cortés sie ehrenvoll empfing und mit großer Eskorte in die Hauptstadt kommen ließ. Bernal Díaz berichtete, dass seine Freude allerdings begrenzt gewesen sein soll, da er neben Malinche noch andere Liebschaften unterhielt. Wenige Monate später starb Catalina nach einem Festgelage, bei dem Spannungen zwischen den Ehepartnern deutlich geworden waren. Der plötzliche Tod seiner Frau führte zu Verdächtigungen, die Cortés lange Zeit anhängen sollten. Sieben Jahre später im Mutterland war Cortés dennoch eine umworbene sehr gute Partie. Sein Vater hatte aber bereits zuvor eine Heirat mit Juana de Zúñiga, der Tochter der Grafen von Aguilar und Nichte des Herzogs von Béjar, verabredet. Es handelte sich um eine standesgemäße Heirat, die Cortés die Tür zu den einflussreichen Kreisen des spanischen Hochadels öffnete. Mit seiner neuen Frau sollte der Conquistador noch sechs weitere Kinder haben, darunter 1532 seinen Sohn und Erben, der ebenfalls den Namen Martín trug, was die besonders enge Beziehung zu seinem Vater unterstreicht.[63]

Ende Juli 1529 durfte Cortés dem Kaiser ein Memorandum mit seinen Ideen für die zukünftige Regierung Neu-Spaniens unterbreiten, in dem er den Schutz der Indigenen sowie den Ausbau der Steuereinnahmen in den Mittelpunkt stellte. Dabei betonte er, dass es notwendig sei, die indigene Bevölkerung nach ihrer Art weiterleben zu lassen. Die Religion war freilich eine Ausnahme, und Cortés forderte Priester mit beispielhaftem Lebenswandel für die Bekehrung. Außerdem, so stellte er fest, müssten die spanischen Grundherren an ihr Land gebunden werden, um die Einnahmen der Krone langfristig zu sichern und zu steigern. Er selbst wollte mit gutem Beispiel vorangehen und ließ sich im selben Monat durch königlichen Gunsterweis zweiundzwanzig Ortschaften mit 23.000 Untertanen überschreiben, wobei unklar blieb, ob sich die Zahl auf die Haushaltsvorstände oder auf die Bewohner insgesamt bezog. In diesem Zusammenhang verlieh der Kaiser Cortés auch den Titel eines Marqués des Tals von Oaxaca, die Mitgliedschaft im Santiagoorden sowie den Titel eines Generalkapitäns von Neu-Spanien und der Südsee. Der mexikanische Historiker José Luis Martínez hat die Bedeutung dieser Gunsterweise umfassend analysiert und kommt zum Schluss, dass Cortés zwar die höchstmöglichen Ehren für seine Verdienste erhielt, jedoch nicht die Macht, denn den Gouverneurstitel bekam er nicht mehr zurück.[64]

Die Machtfrage gedachte der Hof nämlich ohne Cortés im Sinne der Krone zu entscheiden. Schon die Aufforderung, in die Heimat zu reisen, folgte diesem Kalkül, da man seine Abwesenheit nutzen wollte, um die Regierungsgewalt neu zu regeln. Der Kaiser hatte Cortés im April 1528 dahingehend informiert und, wie in der Karibik üblich, bereits eine Audiencia als Exekutive eingesetzt. Dass mit Nuño de Guzmán einer seiner schärfsten Widersacher Präsident des Gremiums war, konnte für Cortés nichts Gutes bedeuten. Die Audiencia unter Guzmán machte sich mit ihren Maßnahmen in Neu-Spanien keineswegs beliebt, sondern sorgte für Missstimmung und Unfrieden. So wurden etwa die Güter von Cortés beschlagnahmt und seine Anhänger verfolgt. Auch die maßlose Erhöhung der Tributforderungen gegen die Untertanen trug zum Unbehagen bei.[65]

Guzmán war auch die treibende Kraft bei der raschen Wiederaufnahme der Residencia 1529. Dabei wurden dreiundfünfzig Fragen aufgesetzt, die Cortés’ Handeln seit seiner Abreise auf Kuba betrafen. Schon die Auswahl der Zeugen machte deutlich, dass das Ziel eine Verurteilung war. Die Befragung führte zu einer Anklageschrift, die nicht weniger als 101 Punkte umfasste: von der Zerstörung der Schiffe 1519 über das Massaker von Cholula und die Noche triste bis hin zur Selbstbereicherung und zum Glücksspiel. Fasst man die Vorwürfe zusammen, so konzentrierten sie sich auf die Veruntreuung königlicher Gelder, die Misshandlung von Indigenen, Nepotismus, Rechtsbeugung, Missachtung königlicher Gesetze, schlechte Verwaltung zu Lasten der Gemeinschaft und Versündigung gegen die Gesetze Gottes. Darüber hinaus strengte die Audiencia schon im Februar 1529 im Namen von Cortés’ Schwiegermutter einen Prozess wegen Mordverdachts an seiner ersten Frau Catalina gegen ihn an, der jedoch nie zum Abschluss kam. Zudem verlangten die Schwiegermutter und ihre Erben einen Teil seiner Güter, da sie während der Ehe mit Catalina erworben worden waren. Das diesbezügliche Gerichtsverfahren zog sich bis 1599 hin und endete mit einem Vergleich. Die Residencia an sich kam nie zu einem Abschluss. Im Indienrat, wo die Anklageschrift nebst der umfangreichen Verteidigung des Marqués zur Entscheidung eingingen, ließ man das Verfahren schweben, um den Druck auf Cortés aufrechtzuerhalten und seinen neuerlichen Aufstieg zum Caudillo zu verhindern.[66]

Cortés erfuhr von den Machenschaften der ersten Audiencia, als er sich auf die Rückkehr nach Neu-Spanien vorbereitete. Standesgemäß nahm er vierhundert Personen, darunter seine neue Ehefrau und seine Mutter, aber auch viele Handwerker mit Spezialkenntnissen sowie Missionare und Missionarinnen mit. Mitte 1530 trafen die Schiffe in Vera Cruz ein. Allerdings war ihm von der Krone verboten worden, in die Hauptstadt zu reisen, bevor nicht die neu ernannte Audiencia eingetroffen war, die das unfähige Gremium unter Guzmán, der mittlerweile eine blutige Conquista in Neu-Galizien nordwestlich der Hauptstadt durchführte, ablösen sollte. Doch Cortés traf zu früh ein und seine Anhänger, darunter viele indigene Fürsten, bereiteten ihm einen triumphalen Empfang. So kam es in der Folgezeit zu zahlreichen Auseinandersetzungen mit der noch amtierenden ersten Audiencia. Der Marqués musste in Texcoco verweilen, wo seine Mutter starb, ohne dass sie die Hauptstadt hatte bewundern können. Erst als die neue Audiencia unter Bischof Sebastián Ramírez de Fuenleal eintraf, besserte sich die Lage. Cortés konnte trotz Anfeindungen und juristischer Auseinandersetzungen große Teile seines Besitzes behaupten, jedoch blieb ihm die Teilhabe an der Regierungsgewalt weiterhin vorenthalten. Was die Verwaltung seiner riesigen Besitzungen anging, verhielt sich der Marqués allerdings nicht besser als die anderen Encomenderos und beutete seine Untergebenen schamlos aus. So musste der neu ernannte Vizekönig Antonio de Mendoza, der sein Amt 1535 mit dem königlichen Auftrag angetreten hatte, Cortés’ Befugnisse weiter einzuschränken, einschreiten, um eine Erleichterung der Tribute und Arbeitslasten für die indigenen Bewohner von Cuernavaca durchzusetzen. Dennoch verstanden sich die beiden Anführer zunächst gut, denn der Vizekönig bewies Taktgefühl gegenüber dem Conquistador.[67]

Wohl nicht zuletzt, um Cortés zu beschäftigen, aber auch aus genuinem Interesse an der weiteren Erkundung des Südmeers beauftragte die Krone ihn mit diesbezüglichen Unternehmungen. Der Marqués selbst hatte in seinen Briefberichten betont, dass erst die Entdeckung und Beherrschung des Seewegs durch den Pazifik seinen Kaiser «zum Monarchen der Welt» machen würde.[68] Nach seiner Rückkehr nach Neu-Spanien wurden diese Aktivitäten neben seinen Anstrengungen in Handel und Bergbau zum wichtigsten Schwerpunkt in Cortés’ Agenda. Allerdings blieben auch diese vier aus eigenen Mitteln finanzierten und in einem Fall sogar persönlich angeführten Reisen aus seiner Sicht wenig erfolgreich, denn ein schnellerer Seeweg zu den Gewürzinseln wurde dabei nicht entdeckt. Auch die Unterstützung für einen anderen Conquistador aus der Extremadura, Francisco Pizarro, und die Anbahnung von Handelsgeschäften mit Peru trugen nicht die erhofften Früchte. Der 1539 ausgebrochene Konkurrenzkampf mit Vizekönig Mendoza um die Entdeckung der sagenumwobenen sieben goldenen Städte von Cíbola im unbekannten Norden Neu-Spaniens trübte das Bild für Cortés zusätzlich. Immerhin erkundeten seine Schiffe das nach der Ritterromanfigur Califia benannte Kalifornien sowie den Golf, der im Spanischen den Namen des Marqués, Mar de Cortés, trägt. Die mythischen Vorstellungen von einer Insel, bewohnt von schwarzen Frauen und voller Gold, Perlen und Edelsteine sollten sich jedoch auch hier nicht bewahrheiten.[69]

Die Jahre von 1530 bis 1540 waren die letzten, die der Marqués in Neu-Spanien verbrachte. Neben seinen Expeditionen und Unternehmungen war er vor allem mit Klagen beschäftigt; Klagen, die seine zahlreichen Gegner gegen ihn anstrengten und Klagen, die er selbst dem Hof gegenüber in einer Vielzahl von Schreiben äußerte, ohne jedoch Gehör zu finden. Als er sich 1539 durch die vizekönigliche Initiative im Südmeer um seine Privilegien betrogen fühlte und sogar seine Werftanlagen in Tehuantepec eingezogen wurden, beschloss Cortés nach Spanien zurückzukehren, allerdings unter weit weniger glanzvollen Umständen als zwölf Jahre zuvor. Doch der Kaiser wollte den ständigen Bittsteller, der seiner Meinung nach mehr als reich belohnt worden war, nicht mehr hören und wies ihn entsprechend zurecht. Es half auch nichts, dass sich der Marqués im Oktober 1541 am kaiserlichen Kriegszug gegen Algier beteiligte, der katastrophal endete. Seine späteren Eingaben an Karl V. blieben erfolglos, seine einstige Macht hatte sich aufgelöst, sein Reichtum schmolz durch die zahllosen Gerichtsverfahren dahin und auch sein Ruhm schwand zusehends.[70]

Um wenigstens sein Gewissen zu beruhigen, beauftragte Cortés seine Erben im Testament vom Oktober 1547 damit, allen Besitz, den er eventuell widerrechtlich erworben haben sollte, an die indigenen Eigentümer zurückzugeben. Dass Martín, sein legitimer Sohn und Nachfolger als Marqués del Valle, daran kein Interesse hatte und auch keinerlei diesbezügliche Nachforschungen anstellte, hätte sich der alte Conquistador denken können. Cortés starb am 2. Dezember 1547 im Alter von 62 Jahren in Castilleja de la Cuesta, einem kleinen Ort nahe Sevilla. Seine Gebeine, so hatte er es bestimmt, sollten nach Neu-Spanien überführt und in seiner Stadt Coyoacán in einer Familiengruft bestattet werden. Die Grablege sollte die Grundlage für ein neu zu bauendes Franziskanerinnenkloster werden, wozu es aufgrund Geldmangels seiner Nachfahren jedoch nicht kommen sollte. Erst über Umwege erfüllte sich Cortés’ letzter Wille teilweise, als seine sterblichen Überreste 1566 in der Neuen Welt ankamen und nach diversen Umbettungen schließlich in der Kirche Jesús Nazareno im Zentrum der neuen Hauptstadt Mexiko die letzte Ruhe fanden.[71]