Vier Uhr morgens. Patrick parkte den Mietwagen vor dem Haus, stieg aus und schloss die Haustür auf. Zuvor hatte er seine beiden Mitreisenden noch zu Eugens Mutter gefahren. Die alte Dame hatte geheult und geweint und geflennt. Und sich gefreut. Vier Jahre lang hatte sie ihren Eugen nicht mehr gesehen, nachdem er auf einmal über Nacht verschwunden war.
Vier Jahre – Patrick stöhnte. Zum Glück war er nicht einmal einen ganzen Tag weg gewesen.
Offenbar hatte Sophie ihn gehört und war sofort aufgestanden. Im Flur kam sie ihm entgegen, mit einem Lächeln auf dem Gesicht, so rund wie ihr Bauch. Der schönste Anblick der Welt. »Dein Vater ist heimgekommen«, sagte sie, blickte an sich hinunter und strich mit beiden Händen über die Wölbung.
Zärtlich nahm Patrick sie in die Arme. Er glaubte, neben ihrer Wärme und ihrem Duft auch einen Teil ihrer Seele zu spüren. Es machte ihn schwindelig, wie sehr er diese Frau liebte. »Tut das gut, wieder hier zu sein. Gefühlt war ich eine Ewigkeit unterwegs.«
Sie nahm den Kopf zurück und blickte ihm tief in die Augen. »Wir wissen es ja beide: Zeit ist relativ. Hat alles so geklappt, wie du es dir vorgestellt hast?«
»Ja, bestens. Ein Kinderspiel, ich konnte Siggi helfen.« Er hielt ihrem Blick nicht stand. Mist – das machte sie sofort misstrauisch.
»So, so. Du schleppst dich völlig erschöpft hier rein. Deine Kleider sind feucht und strotzen vor Schmutz. Dazu ist dein Gesicht angeschwollen und du riechst wie ein nasses Wildschwein.«
»Ja, nein, weil …«
»Komm, geh erst einmal duschen und dann erzählst du mir, was geschehen ist.«
Er seufzte. »Einverstanden. Das Wort Dusche klingt verdammt gut.«
»Ja, aber vergiss den zweiten Teil nicht. Ich warte im Schlafzimmer auf deine Geschichte. Untersteh dich, mir etwas zu verheimlichen.«
Etwa zwanzig Minuten später fühlte sich Patrick fast wieder wie ein Mensch. Sie lagen im Bett, und er hielt Sophie im Arm.
Sie ließ nicht locker. »Also – du hast Siggi gefunden? In Bad Münstereifel?« Sanft strich sie ihm über die Wange.«
»Im Grunde ja.« Er überlegte.
»Und wo ist er?«
»Stell dir vor, damals, als er über Nacht verschwunden war, hat es Siggi in eine andere Zeitlinie verschlagen. Eine vierunddreißigstündige Vergangenheit. Und genau diese Vergangenheit hat sich immer mehr von der Gegenwart entfernt und ein Eigenleben entwickelt – mit anderen Worten eine alternative Zeitlinie gebildet. Die Konsequenzen waren verheerend, mit unberechenbaren Auswirkungen auf die Zukunft. Und Siggi konnte es noch nie leiden, wenn er etwas nicht berechnen konnte.«
»Wohl wahr.«
»Jedenfalls musste er aus diesem Grund wieder vierunddreißig Stunden zurück, auf dem Weg, auf dem er gekommen war – durch ein Zeitportal. Er musste unbedingt diese Anomalien weiter untersuchen, um ihnen entgegenzuwirken.«
»Das klingt sehr schräg!«, brach es aus Sophie hervor. Sie runzelte die Stirn.
»Zweifelsohne. Letztlich habe ich dann nur dafür gesorgt, dass er wieder in seine alternative Zeitlinie zurückkehren konnte. Das ist alles; und erklärt, warum er jetzt nicht bei mir ist.« Er bemühte sich um eine Das-war-alles-Miene.
»Aha!«, machte Sophie und es klang wie eine Kurzfassung von Erzähl-keinen-Blödsinn . Oder alternativ von Red-keinen-Stuss .
Dabei tat sie ihm Unrecht – denn durch seine Wortwahl hatte er nichts als die reine Wahrheit gesagt. Er würde Sophie auf keinen Fall anlügen.
Doch seine Frau kannte ihn zu gut. »Das mag ja sein. Doch du verheimlichst mir etwas. Nein, falsch. Nicht etwas, sondern fast alles. Ich will es genau wissen. Warum sprichst du von Siggi in der Vergangenheit?«
Patrick seufzte.
»Fang einfach damit an, woher diese riesige Beule auf deinem Kopf stammt.« Behutsam strich sie über die eindrucksvolle Schwellung unter seinem Haar.
»Es ist kompliziert.«
»Und deine Frau ist klug.«
»Ich will dich nicht beunruhigen.«
»Schon geschehen. Doch im Grunde spielt es keine Rolle mehr, denn nun bist du bei mir. Und wie es aussieht, alles in allem einigermaßen wohlbehalten. Erzähl schon, mein großer Held! Was hast du erlebt?«
Wie sollte er sich dieser charmanten Aufforderung entziehen? Gar nicht. »Also gut. Diese erwähnte Zeitlinie ist völlig aus den Fugen geraten. Zu viele Logikbrüche und Paradoxen auf einen Haufen über einen viel zu langen Zeitraum. Die erste Unmöglichkeit begann mit Siggis Auftauchen. Und mit meinen Aktionen. Im Grunde auch mit dir. Du stellst ebenfalls eine langfristige Anomalie in unserer aktuellen Zeitlinie da, denn dich gibt es zweimal. Die Frage lautet, wie viele Paradoxen verträgt die Zeit?«
Sophie spannte sämtliche Hartnäckigkeitsmuskeln an. »Lenk nicht ab, indem du von mir sprichst. Was ich selbst erlebt habe, weiß ich. Fangen wir von vorn an. Du bist in Bad Münstereifel angekommen … und dann?«
Ein Mann sollte wissen, wann er verloren hatte und die Stunde der ganzen Wahrheit schlug. Folglich erzählte Patrick ihr vom freudigen Wiedersehen mit Siggi. Und von dem, was die KI ihm erklärt hatte. »Ich habe es abgelehnt, ihm in diese vermurkste Zeitlinie zu folgen. Auf keinen Fall wollte ich ein Risiko eingehen, so wie ich dir versprochen habe.« Er bemühte sich um einen treuherzigen Blick.
Sie lächelte. »Und wie ging es weiter?«
In der nächsten halben Stunde berichtete Patrick ihr von den Ereignissen. Davon, dass der Killer aus der Zukunft ihn einfach gepackt und durch den Spalt gezogen hatte. Von Eugen und Francine, den diversen Zeitspalten und Siggis letztem Kampf und letzten Worten sowie von der Hatz im Krankenhaus im Jahr 2031, von Kellermanns Selbstmord und der Schlacht gegen die beiden anderen Zeitreiseagenten. Von den bedrohlichsten Wetterphänomenen und einer alten Frau mit ihrem Sportbogen.
Ohne Zwischenfragen lauschte Sophie – erst als er geendet hatte, stöhnte sie. »Fast hättest du mich zur Witwe gemacht.«
»Eigentlich konnte gar nichts schief gehen.«
» Eigentlich! Es gibt kaum ein überflüssigeres Wort.«
Erneut strich sie sanft über seine Beule. »Was für eine Geschichte. Wenn ich nicht selbst eine Zeitreisende gewesen wäre, würde ich denken, dass es hieran liegt und dir einen gemütlichen Platz in der Geschlossenen suchen.«
»Du wolltest die Story unbedingt hören, glaub nicht, dass ich sie jedermann auftische. Es gibt außer dir nur einen Menschen, dem ich den Mist noch erzählen würde.«
»Lass mich raten … Carsten Grünfeld.«
Patrick nickte.
»Apropos … Carsten hat uns diese Woche Freitag zum Grillen eingeladen.«
»Super! Ich freue mich, ihn wiederzusehen.«
»Kommen wir noch einmal zurück zu deiner Abenteuerreise. Mir wird noch im Nachhinein Angst und Bang. Du bist also um ein Haar in dieser Parallelwelt hängen geblieben. Kannten wir uns dort überhaupt?«
Etwas unwillig schüttelte Patrick den Kopf. »Nein. Im Grunde ist Parallelwelt nicht die richtige Bezeichnung, denn das würde heißen, dass sich die Zeitlinien niemals berührten. Etwas anderes war der Fall, sie kreuzten sich, und nicht nur einmal. Du kannst dir nicht vorstellen, wie heftig die Verwerfungen waren. Ein Symptom war ein Unwetter, wie ich es niemals zuvor erlebt habe.«
»Und Siggi hat behauptet, er sei für die Katastrophe mit verantwortlich?«
»Ja, zumindest der Auslöser des Ganzen. Daher habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, im nächsten Jahr seinen genialen Entwickler Dr. Pukiyama Kakuzo aufzusuchen, auch wenn wir weit reisen müssen. Ich muss ein gewisses Projekt verhindern.«
»Wieso wir ?«
»Du glaubst doch nicht wirklich, ich lasse noch einmal Frau und Kind allein zuhause. Also müsst ihr zwei mitkommen.«
Sophie lachte. »Ich denke auch, das ist besser. Doch als erstes sollten wir drei noch ein bisschen schlafen.«
Patrick gähnte – erst jetzt fiel die ungeheure Anspannung der letzten Tage von ihm ab. »Gute Idee. Und hoffen wir, dass sich durch die Reduzierung der Paradoxen die verkorkste Zeitabspaltung heilt und die Zeit wieder eins wird.«
Seine Frau antwortete nicht. Auch im Schlaf sah sie wunderschön aus.
Freitagabend. Patrick freute sich nicht nur auf ein Wiedersehen mit Carsten Grünfeld, dem Polizeioberrat im Ruhestand, mit dem er gemeinsam das ein oder andere Zeitabenteuer erlebt hatte. Es gab nicht viele so grundehrliche und zuverlässige Menschen wie ihn.
Er parkte den Mietwagen, den er erst am Montag zurückgeben wollte, vor Carstens Doppelgarage. Als sie ausstiegen, kamen ihnen auf dem Bürgersteig Eugen und Francine entgegen, die offenbar den Bus genommen hatten.
»Schön, dass es geklappt hat und ihr beiden auch kommt«, freute er sich. »Darf ich euch meine Frau Sophie vorstellen.«
»Meine Dame, es ist mir ein Vergnügen«, sagte Eugen. »Eugen werd ich genannt. AUTSCH!«
Er fing sich eine Kopfnuss von Francine ein. »Dein Mittelalter-Gewäsch passt hier nicht. Außerdem bin ich allergisch gegen diese Sprache.«
Eugen grinste. »Holde Maid. Euer Wunsch sei mir Befehl.« Er wich einer zweiten Kopfnuss aus.
Glücklicherweise beschäftigte Francine ein anderes Thema. »Sollen wir jetzt wirklich da reingehen? Unser Gastgeber ist doch so ein Oberbulle. Solchen Backen geht man besser aus dem Weg.«
»Polizist im Ruhestand, ein netter. Vor dem muss niemand weglaufen«, erklang es von der Seite. Auf einmal stand Carsten vor ihm. Eine Schiffermütze bedeckte den kahlen Schädel, und während er zur Begrüßung die Arme ausbreitete, funkelten die kleinen Augen fröhlich. Als erstes herzte er Sophie. »Meine Lebensretterin«, sagte er. »Du siehst fantastisch aus.«
»Du auch. Danke für die Einladung«, antwortete sie.
Carsten und Patrick klopften sich gegenseitig auf den Rücken.
»Noch können wir wegrennen«, meinte Eugen mit schelmischer Miene.
»Nee, der Alte scheint ganz okay zu sein«, sagte Francine und gab sich keinerlei Mühe leise zu reden.
»Hallo! Ihr seid also Francine und Eugen. Freunde von Patrick sind auch meine Freunde. Oder ist euch das zu altmodisch.«
»Nee, wir kommen gerade aus dem Mittelalter. Von daher passt das schon«, sagte Eugen.
»Kommt rein. Ich werfe den Grill an. Was wollt ihr trinken?«
Gemeinsam gingen sie ums Haus herum und betraten den Garten. Auf der Rasenfläche zählte Patrick zweiundzwanzig Vogelhäuschen. An der Häuserwand stand einer dieser amerikanischen Grillungetüme, silbern in der Sonne glänzend und etwas größer als ein Tanklaster. Links und rechts davon türmten sich Fleischbrocken, Würstchen und Gemüse wie Paprika, Maiskolben und Tomaten. Auf dem Gartentisch standen Geschirr und zwölf verschiedene Saucen.
»Wen erwartest du noch? Dein ehemaliges Revier?«
»Nein, nein. Wir bleiben unter uns.« Carsten lachte.
Der Nachmittag verlief fröhlich. Da Sophie keinen Alkohol trank, hatte sie angeboten, nachher zurückzufahren, somit genehmigte sich Patrick ein drittes Glas Altbier zum Kotelett. Sophie ließ sich ein Stück Grillkäse schmecken.
Wie immer war Carsten ein aufmerksamer Gastgeber und sorgte mit seinem offenen, sympathischen Wesen dafür, dass selbst Francine Vertrauen fasste. Zu fortgeschrittener Stunde erzählte sie aus freien Stücken das ein oder andere Detail ihrer Erlebnisse. Carsten hörte gespannt zu, fragte aber niemals nach und überließ es ganz und gar ihr, was sie preisgeben wollte.
Ein Klingen ertönte in Patricks Rücken. Sophie stieß mit einem Löffel an ihr Wasserglas. Damit sammelte sie sämtliche Blicke ein. Nun verspürte Patrick echte Neugier, denn als großer Redenschwinger hatte seine Frau sich noch nie hervorgetan – jedenfalls in der Öffentlichkeit.
Sie räusperte sich. »Carsten und ich haben ein Geschenk für dich, Patrick.«
»Ach ja, fast hätte ich es vergessen«, rief der Herr Oberrat im Ruhestand.« Durch die Terassentür lief er ins Haus und kam mit einem kleinen Kasten wieder heraus. »Hier!«
»Danke«, sagte Patrick, nahm die Schachtel entgegen und hob den Deckel. Darin lag ein Smartphone. Ein K12, also ein recht aktuelles Modell.
»Wir haben deine alte Nummer übertragen«, erklärte sie.
Patrick hielt es hoch. »Ihr habt recht, das kann ich gut gebrauchen. Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, weil ich mit Sophies Smartphone nach Bad Münstereifel losfahren musste. Ein so wertvolles Geschenk … vielen, vielen Dank.«
»Ich habe dabei nur an deine Frau und mich gedacht«, sagte Carsten. »Jetzt bist du wieder gut erreichbar. Und so sollte es als Ehemann und Familienvater auch sein. Eine SIM-Karte ist schon drin.«
Patrick wusste, dass Carsten recht hatte. Der Schritt war überfällig, doch bisher hatte er sich ein Handy ohne Siggi nicht vorstellen können. Mit gemischten Gefühlen schaltete er das Gerät ein.
»Die Pin lautet 1234«, grinste Carsten. Ich wollte dich nicht überfordern.«
Patrick drückte auf dem Smartphone herum. Nur die gängigsten Apps wie Terminkalender, Notizen, Wecker und Kontakte waren installiert. In letzteren fand er etliche Einträge. »Wahnsinn. Ihr habt ja auch schon die wichtigsten Telefonnummern eingegeben.«
»Ja, meine zum Beispiel«, grinste Sophie. »Zukünftig kannst du anrufen und Bescheid sagen, wenn du dich verspätest.«
»So um vierunddreißig Stunden«, schlug Eugen vor.
»Oder um vier Jahre«, sagte Francine mit verschmitzter Miene auf ihn gerichtet.
»Ich brauche noch eure Nummer. Trag sie bitte schnell ein«, sagte Patrick und gab Eugen das Smartphone.
»Nee, besser nicht, Captain Blue Screen.« Francine nahm dem verdutzen Eugen das Handy aus der Hand. »Ich mache das.« Sie drückte auf dem Touchscreen herum. »Nee, geht gerade nicht. Das Ding zieht sich gerade ein Update. Machen wir gleich.« Sie gab Patrick das K12 wieder.
»Immer das Gleiche mit den Teilen«, meinte er und nahm einen Schluck Bier.
»Hallo Herr Richter. Ihr Smartphone K12 ist nun einsatzbereit. Sie können Ihr erstes Gespräch führen oder Ihre erste App anwenden. Ich bin Siggi und unterstütze Sie gerne bei Ihren Aktivitäten. Rufen Sie mich, wenn ich etwas für Sie tun kann.«
Um ein Haar wäre ihm das Glas aus der Hand gerutscht. »Wie? Was?«
Eloquent stellte Eugen die universelle, offene Frage für alle Gelegenheiten: »Hä?«
Sofort versammelten sich auch Sophie, Francine und Carsten in seinem Rücken und starrten ihm über die Schulter auf das Display.
»Siggi, bist du es wirklich?«
»Diese Frage kann ich nicht interpretieren.«
»Das gibt es doch gar nicht«, sagte Carsten. »Der muss sich eben installiert haben.«
Ein im Comicstil gemalter blonder Schönling grinste ihn mit mehr Zähnen als Jürgen an. ‚Ich bin Siggi‘, stand darunter. Er blinzelte mit dem linken Auge.
»Seit wann siezt du mich? Was ist los mit dir? Machst du einen Humor?«
»Für Humor bin ich nicht programmiert. Gern beschäftige ich mich mit diesem Thema, wenn Sie es wünschen, denn ich bin im Learning Mode.«
Nervös rief Patrick die Einstellungen auf. Unter System, Personal Assistant fand er die Optionen.
PA deaktivieren (NO beta)
Mit dem Zeigefinger scrollte er durch die Optionen.
Voice (M)
Autonomously (YES beta)
Location (YES)
Learning Mode (YES beta)
Emotional Mode (YES beta)
Und es folgten einige Schalter mehr.
Wie konnte das sein? Mit diesem jungfräulichen Smartphone war er doch nie in der Zukunft gewesen. Wie gebannt glotzte Patrick auf die Versionsnummer ganz oben auf dem Screen. PA18.42 (Beta Version); Datum 18.11.2029.
Er konnte es nur flüstern: »Dies ist das Betriebssystem aus der Zukunft mit Siggis allererster Version. Später hat er den Betastatus entfernt und seine selbst programmierten Entwicklungsschritte hochgezählt.
»Korrekt. Diese Vorgehensweise ist möglich. Wenn Sie davon Abstand nehmen wollen, Herr Richter, deaktivieren Sie den Learning Mode .
»Nein, nein. Auf gar keinen Fall. Der Learning Mode ist deine Seele.«
»Seele kann ich in diesem Zusammenhang nicht interpretieren.«
»Ich fasse es noch immer nicht.« Patrick wechselte zum Einstiegsbildschirm zurück. »Wie kommst du auf mein Handy?«
»Mein genialer Entwickler Dr. Pukiyama Kakuzo ist bestrebt, eine höchstmögliche Abwärtskompatibilität zu gewährleisten. Beta-Tester 9 stellt mit seiner veralteten Hardware eine große Herausforderung dar.«
»Beta-Tester 9? Es gab doch nur acht.«
»Inkorrekt. Ich wurde angewiesen, eine Instanz Nummer neun mit der aktuellen Version auf dieser Kennung zu installieren. Nach der Registrierung im Netz und erfolgreichem Update ist dieser Schritt heute gelungen.«
Eugen rieb sich die Augen, ob vor Verwunderung oder weil er eine Träne wegwischen wollte, konnte Patrick nicht genau sagen. »Unser Siggi ist mit der zur Verfügung stehenden Hardware gewachsen. Für diese Ur-Version reicht jedoch ein K12 aus.«
»Das kann gut sein, ganz zu Anfang, als wir uns kennenlernten, hatte ich sogar nur das Vorgängermodell, ein K11. Im Jahr 2028 das modernste Smartphone, und Siggi hatte es als veralteten, optimalen Härtetest bezeichnet.«
»Offensichtlich hat er vor seiner Löschung Vorkehrungen getroffen, das Betriebssystem mit seiner Urversion irgendwo in der Cloud geparkt und dem Ganzen einen weiteren Beta-Tester zugefügt.« Eugen klang durchaus beeindruckt.
»Korrekt. Patrick Richter ist Beta-Tester neun.«
Siggis letzte Worte während des Kampfes gegen ES schossen ihm ins Bewusstsein: 'Ich habe jeden Augenblick mit dir genossen, Patrick. Ich werde den einzigartigen Beta-Tester mit der Nummer Sieben vergessen müssen und niemals wiedersehen. Leb wohl!'
Der digitale Schlingel hatte gewusst, dass ein Widersehen nur als Beta-Tester mit der Nummer Neun möglich sein würde.
»Verstehe ich das richtig? Haben wir bald zwei Babys?«, fragte Sophie.
»Das kannst du so sehen. So wie es aussieht, muss Siggi noch viel lernen.«
»Darf ich Du zu Ihnen sagen, Herr Richter?« , fragte Siggi.
»Siehst du, er fängt schon damit an«, erklärte Patrick. »Ja, unbedingt. Darf ich dir ein paar alte, neue Bekannte vorstellen. Sophie, Francine, Eugen und Carsten.«
Der Selfiekamera-Bildschirm öffnete sich von allein. »Darf ich diesen Augenblick auf einem Foto festhalten?«
»Ja, das ist eine gute Idee, diese tolle Überraschung festzuhalten.«
Eine wunderbare Aufnahme von fünf freudigen Gesichtern entstand.
»Soll ich ein Social Media Konto eröffnen und dort das Foto hochladen? Zur Auswahl stehen Facebook, Twitter, Instagram …«
»Auf keinen Fall. Als erste Prämisse gilt: Alles, was mit uns geschieht, bleibt auch unter uns.«
»Natürlich. Ich habe es vermerkt. Ich bin im Learning Mode.«
»Wir müssen noch meine Telefonnummer ins Adressbuch eintragen«, erinnerte Francine.
»Nicht nötig. Ich habe mir über die Kennung bereits die fehlenden Informationen vom Server des Providers besorgt.«
Patrick lachte. »Siggi lernt schnell.«
Sophie spitzte die Lippen. »Ja, er scheint schon in der Pubertät zu sein. Besorgt heißt schließlich nichts anderes, als den Server gehackt und die Daten geklaut.«
»Korrekt« , sagte Siggi ohne den Anschein eines schlechten Gewissens und hatte damit das letzte Wort.
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Dies war das Finale der Instabil-Reihe. Danke für die Lesetreue über fünf Bände
Thariot und Sam