PROLOG – LEONID

„W eißt du, was mit schmierigen Mistkerlen passiert, die ihre Schulden nicht bezahlen?“ Pavel ist mehr als schmierig, er ist eine Schlange, ich habe es die ganze Zeit gewusst. Ich habe darauf gewartet, dass er es vermasselt. Dieser Mann ist nicht besonders klug – er hat nicht einmal versucht, vor uns wegzulaufen oder sich zu verstecken. Er hat auch noch die Dreistigkeit, mir ins Gesicht zu lachen, als ob ich den Bastard nicht umbringen würde. „Pavel, du schuldest uns eine Menge Geld, du hast eine Menge großer Versprechen gemacht, die du nicht halten konntest . Was soll ich da mir dir machen?“

Ich bin kein barmherziger Mensch, ich habe andere für viel weniger getötet, und das hier läuft schon viel zu lange so. Es ist Zeit, dass wir Pavel eine Lektion erteilen. Ich will nicht, dass andere glauben, sie könnten mit so einer Scheiße davonkommen.

„Ich habe weder das Geld noch die verdammten Diamanten, also egal, was du tust, du bekommst dein Geld nicht.“

„Ich bekomme immer, was mir zusteht, Pavel. Das solltest du wissen.“ Ich sehe zu, wie meine Männer sein Haus durchwühlen und nach allem Wertvollen suchen. Irgendwas hat er mit Sicherheit versteckt. Das mag nicht so viel wert sein wie das, was er mir schuldet, aber ich werde alles mitnehmen.

„Leonid“, ruft mir einer der Männer aus dem Schlafzimmer im Obergeschoss zu. „Komm und sieh dir das an.“ Ich lasse den Idioten gefesselt zurück und sehe mir an, was sie gefunden haben. Hoffentlich ist es wertvoll oder kann als Druckmittel eingesetzt werden, um ihn zum Zahlen zu bewegen. Jeder hat da etwas, jetzt geht es darum, zu finden, was es ist. „Er hat eine Familie.“ Der Mann überreicht mir ein Foto und einen zerknitterten Umschlag. Na, das hat er wirklich gut geheim gehalten. Ich habe nie Anzeichen für eine Frau oder Kinder bemerkt, aber dieser Brief ist an „Papa“ gerichtet.

„Wo sind sie?“, frage ich und schaue auf das Foto, das schon einige Jahre alt ist. „Warum haben wir nichts davon gewusst?“ Wenn er Kinder und eine Frau hat, brauche ich ihn nicht – verzweifelte Mütter tun alles, um ihre Kinder zu retten.

„Ich hatte keine Ahnung, er war immer allein, keine Spur von Familie. Wahrscheinlich hat sie ihn verlassen, weil er eine verdammte schleimige Schlange ist.“ Das ist nicht unwahrscheinlich, der Kerl ist berüchtigt dafür, dass er es sich mit den falschen Leuten verscherzt – wie mit mir.

„Findet sie und nehmt das Kind mit, wir werden auch ohne Pavel bekommen, weswegen wir gekommen sind.“ Ich bringe den Schalldämpfer an meiner Pistole an und gehe zurück nach unten, wo er wie ein Schwein gefesselt ist. „Du hast nichts von deiner schönen Tochter erzählt, wie alt ist sie jetzt? Das ist ein altes Foto, du musst sie vermissen.“ Ich grinse ihn an, der Schrecken in seinen Augen zeigt, dass ich einen Nerv getroffen habe. Sie sind nicht hier, weil er wusste, dass jemand wie meine Familie sie finden und gegen ihn verwenden würde.

Er schweigt, sein Mund bleibt krampfhaft geschlossen. Keine Chance, dass er seine Tochter verrät. Entweder werde ich es aus ihm herausfoltern, oder meine Jungs werden sie ohne ihn finden. „Boss, wir haben sie“, ruft jemand von einem Laptop im Esszimmer. „Nicht schwer zu finden, dieser Typ ist nicht gerade schlau.“ Prima, dann brauche ich die Schlange nicht mehr. Ich setze den Lauf meiner Pistole an seine Stirn. Er weiß, wie das enden wird, denn er hat nicht geredet oder bezahlt, als er die Chance dazu hatte. „Wer nicht hören will, Pavel, muss fühlen – und wenn der Schmerz dich nicht dazu bringt, zu hören, dann stirbst du.“ Sein Adamsapfel wippt, als er seine Angst hinunterschluckt und mir schweigend in die Augen sieht. Ich hätte ihn schon längst beseitigen sollen.

Ein leises, pfeifendes Geräusch ertönt, als die Kugel aus meiner Waffe austritt, und sein Kopf zuckt nach hinten – Blut spritzt aus seinem Hinterkopf. „Verschwinden wir, jemand anders kann die Sauerei aufräumen. Vielleicht riechen die Nachbarn in ein oder zwei Wochen seine Leiche“, sage ich und wische meine Waffe mit dem Taschentuch ab, das ich aus seiner Anzugtasche gezogen habe. Ich hasse es, schmutzig zu sein, und obwohl sein Haus sauber ist, fühlt sich hier alles dreckig an. Ich brauche eine heiße Dusche und muss beenden, was wir angefangen haben.

Seine Tochter wird entführt werden, und seine Frau wird dafür bezahlen, um sie zurückzubekommen. Sie finden immer einen Weg, mich zu bezahlen. Nichts auf der Welt ist für eine Mutter wertvoller als ihr Kind, kein Geldbetrag ist zu viel. Aus diesem Grund ist Entführung ein sehr lukratives Geschäft. Wir verlassen das Viertel der Oberschicht in einem Konvoi von verdunkelten SUVs. Die Leute hier wissen, wer wir sind – und keiner von ihnen hat etwas gesehen. Keiner würde einem Polizisten sagen, dass wir hier waren, denn sonst würde er genauso enden wie die Schlange.

„Wo ist das Kind?“, frage ich, als mein Stellvertreter Mikva uns zurück zum Dock fährt, wo meine Jacht liegt. „Und die Mutter, wir werden beide brauchen.“

„Das Kind ist in einem Internat in Dänemark, eine schicke Schule für reiche Familien. Die Mutter stammt aus reichen Verhältnissen, und ihre Eltern zahlen das Schulgeld. Wahrscheinlich würden sie auch Lösegeld zahlen“, sagt er und nimmt so schnell eine Kurve, dass ich mich festhalten muss. „Die Mutter war schwieriger zu finden, sie ist untergetaucht, wenn man das so nennen will. Sie ist vor Pavel geflohen, nachdem er sie einmal zu oft geschlagen hat, und lebt in einem Dorf, wo sie ein einfaches und ruhiges Leben führt. Sie hat wieder ihren alten Namen angenommen, deshalb ist er nirgendwo aufgetaucht. Auch die Tochter trägt den Familiennamen der Mutter.“ Kluge Frau, sie wusste, dass ihr Mann sie in die Scheiße reiten würde.

„Kommen wir an das Kind ran?“, frage ich, und er nickt.

„Salvatore hat sein Team beauftragt, ihre sozialen Medien, ihr Handy und die Schule zu hacken, um herauszufinden, wo und wann wir sie finden können.“ Es hilft, wenn man Freunde in der Unterwelt hat, und dieser Mann kann jeden aufspüren. „Es sollte nicht allzu schwer sein, sie hat selbst keine Leibwächter, da ist nur die Schul-Security. Und die sind unterbezahlt und haben den ganzen Tag mit pickligen Teenagern zu tun, da kommt man mit Geld ganz schön weit.“ Ich kenne solche Leute, die würden den Job wahrscheinlich für uns erledigen, aber ich vertraue in solchen Dingen der Familie. Mein Cousin ist ein Experte für diese Art von Problemen, bei denen wir einen Job erledigen müssen, bei dem das Druckmittel am Leben bleibt. Manche Männer sind zu schießwütig für so etwas, wenn der Teenager zum ersten Mal das Maul aufreißt, schießen sie.

Lebende Kinder sind Geld wert – tote Kinder sind eine Gefahr, die niemand will. Konstantin kann das machen. Sobald wir einen Zugang gefunden haben, wird er den Job schnell und unauffällig erledigen. Der Mann ist wie ein Schatten, niemand merkt es, wenn er einem folgt. „Glaubst du, die Frau hat die Diamanten?“

„Nein, ich glaube, Pavel hat sie bei den Armeniern gegen Waffen getauscht. Seine Männer waren bis an die Zähne bewaffnet, aber er war arm an Geld. Er war so ein geiziges Arschloch, dass er ihr weder die Steine noch Geld gegeben hätte.“ Der Mann war ein Egoist, wie er im Buche steht, ich kann mir nicht vorstellen, dass er mit jemandem teilt. „Wenn sie sie nicht gestohlen hat, hat sie nichts.“

Ich schaue auf das Familienfoto in meiner Hand, sie sahen glücklich aus – als ob nichts auf der Welt das Lächeln von ihren Gesichtern nehmen könnte. Wo hat er das verloren? Was für ein Idiot gibt seine Familie für die Gier auf? Jedenfalls keiner, der es verdient zu atmen. Wenn man dieses Glück findet, tötet man dafür. Zumindest würde ich das, wenn ich eine Frau fände, die meine Zeit wert wäre.

Jemand, der mich so zum Lächeln bringen könnte, so wie sie in diesem Bild lächeln. Das ist es, was ich suche. Die Frau hat einen Blick in ihren Augen, feurig und schön. Sie war der Hauptgewinn und er hat sie verloren. Wie kann man jemanden gehen lassen, der aussieht, als hätte er die ganze Welt in seinen Augen? „Er war ein verdammter Idiot“, murmle ich und reiße Pavels Gesicht aus dem Bild, bevor ich es in meine Tasche stecke. Ich werde sie noch früh genug treffen, und es ist schön, ein Gesicht im Kopf zu haben, wenn man einen Anruf macht, wie den, den ich bei ihr machen werde.

„Leonid.“ Der Kapitän meines Schiffes begrüßt mich, als ich an Bord gehe. „Das Wetter wird ein Problem werden. Vielleicht musst du dein Schiff für den Winter hier ankern lassen und nach Hause fliegen.“ Das habe ich mir auch gedacht, ich habe dieses Jahr zu lange gewartet, um dem Eis und den verdammten Winterstürmen zu entkommen. „Mikva sagt, es gibt noch Geschäfte zu erledigen?“, fragt er mich. Ich weiß, dass sie nicht glücklich darüber sein werden, die Saison über so weit weg von zu Hause festzusitzen, aber ich zahle ihnen genug Geld, dass es ihnen scheißegal sein sollte.

„Ja, ich werde auf dem Landweg reisen und dann das Flugzeug nach Hause nehmen. Mikva und ich schaffen das schon. Sobald wir die Pläne kennen, kann das Personal das Schiff für den Winter vorbereiten und du kannst entscheiden, was du machen willst.“ Ich kümmere mich nicht um die Organisation des Schiffsbetriebs, deshalb habe ich ja eine Crew. Es ist schon spät, und ich habe meinen Tag mit dieser Schlange vergeudet. Ich brauche eine heiße Dusche, eine warme Mahlzeit und etwas Schlaf.

„Mikva, sag mir Bescheid, wenn du von Sal hörst. Wir müssen das Mädchen holen.“ Das ist das Letzte, was ich sage, bevor ich die Tür zu meiner persönlichen Kabine schließe. Ich will niemanden hier drinnen. Hier kann ich durchatmen und mich erholen und Pavels Blut mit antibakterieller Seife von meinen Fingern waschen. Der metallische Geruch an meinen Händen macht mich krank. Einem Mann das Leben nehmen kann ich, aber verlange nicht von mir, eine blutige Schweinerei aufzuräumen.

Ich lege das Foto von seiner Frau und seiner Tochter neben mein Bett und stelle mir vor, dass sie im Familienurlaub waren. Im Hintergrund sehe ich die Attraktionen des Vergnügungsparks, das Mädchen trägt ein T-Shirt mit einer Disney-Figur und ein passendes Tutu. Ihr fehlen zwei Vorderzähne, aber sie lächelt trotzdem breit. Ihre Mutter hält sie im Arm und strahlt mit dem Stolz, den nur eine Mutter haben kann.

Pavel war verheiratet. Eine schöne Frau, eine gute Familie – warum hatte er ständig so viel Ärger? Wie kann ein Mann zulassen, dass sein Leben so aus dem Ruder läuft? Ich habe immer die Kontrolle, nichts darf jemals dem Schicksal überlassen werden. Wenn ich das Sagen habe, weiß ich, wie es ausgeht. Wahrscheinlich der Grund, weswegen ich keine hübsche Frau habe, mit der ich eine gute Familie gründe. Ich kann Emotionen – und Frauen haben eine ganze Menge davon – nicht kontrollieren.

Eines Tages werde ich vielleicht fündig und finde eine Frau. Bis dahin gibt es andere, die meine Bedürfnisse stillen, es gibt schließlich keinen Mangel an verzweifelten Frauen in dieser Welt. Diejenigen, die alles tun würden, um zu überleben. Ich mag es, keine Verpflichtungen zu haben, dann kann ich mich ganz auf mein Geschäft konzentrieren.

Unter der Dusche werden meine Gedanken schmutzig, und ich denke an die Frau auf dem Bild – welche entsetzlichen Wünsche würde sie erfüllen, um ihr Kind zu retten? Wenn sie kein Geld hat, was wäre sie dann bereit zu tun? Diese großen, mandelförmigen blauen Augen und ihr üppiges dunkles Haar machen sie zu einer hübschen Beute. Ich wäre vielleicht bereit, ein Leben gegen ein Leben zu tauschen, wenn dieses Leben dazu bereit wäre, seine Lippen um meinen Schwanz zu wickeln.

Heißes Wasser und Dampf füllen mein Badezimmer, das Adrenalin des Mordes pumpt immer noch durch meine Adern und macht mich nervös. Ihn zu töten war nicht so befriedigend, wie ich es mir erhofft hatte. Irgendetwas stimmt nicht, bleibt unvollständig, fast so, als würde er zurückkommen und mich heimsuchen. Mir sind die Geister derer, die meine Wege gekreuzt haben, nicht fremd – aber dieses Gefühl ist anders.

Meine Mutter war keine Bratva, sie stammte aus einer Zigeunerfamilie und benutzte oft Zigeunersprache. Sie hat an Geister, Zaubersprüche und Flüche geglaubt. Flüche – sie hat uns gesagt, dass wir verflucht würden, wenn wir auf eine Schnecke treten oder eine Motte töten. Ich habe gerade einen Mann getötet, aber ich glaube, ich war schon lange vorher verflucht, weil ich viele Motten zerquetscht habe. Ich habe Schmetterlingen die Flügel ausgerissen. Wenn meine Mutter noch leben würde, würde sie sich aus Angst vor meinen vielen Flüchen von mir fernhalten.

Es klopft laut an der Tür, und ich werde aus meinen Gedanken in die Realität gerissen. „Komm rein“, rufe ich, steige aus der Dusche und wickle mir ein Handtuch um die Taille. „Was?“, belle ich Mikva an, der an der Tür steht.

„Wir haben die Chance, das Mädchen zu erwischen. Sie feiert eine gemeinsame Geburtstagsparty mit einer der Schülerinnen ihrer Schule. Außerhalb des Campus, in einem Haus in den Hügeln. Reiches Viertel, aber Meilen zwischen den Häusern. Konstantin sagte, es wird einfach und schnell sein.“

„Wann?“, frage ich, ungeduldig, ihre Mutter zu treffen.

„Diesen Samstag. Wir haben ein paar Tage Zeit, um alle in Stellung zu bringen. Sie werden zur Mutter reisen müssen. Sie ist in einem abgelegenen Teil Lettlands, das wird nicht so einfach sein, wie das Kind zu entführen.“ Lettland, dachte sie, dort sei sie sicher? Dumme Frau, so weit weg von ihrem kleinen Mädchen. Wovor hatte sie Angst, oder vor wem? „Sie hat sich vor Pavel versteckt, er hat versucht, sie umzubringen, nachdem sie gegangen war.“ Ah, da haben wir's. Sie wollte nicht, dass die Schlange sie findet. Ich bin keine Schlange, und ich finde immer, was ich suche.

„Sobald wir die Tochter haben, können wir Kontakt aufnehmen. Lettland ist nicht weit von zu Hause entfernt, wir können das machen und wieder zu Hause sein, bevor das Wetter wirklich beschissen ist“, sage ich und denke daran, dass sie nah an Russland lebt, aber weit weg von Albanien, wo Pavel schon seit langem seine Zelte aufgeschlagen hatte. „Wie ist ihr Name?“, frage ich ihn, neugierig auf die Frau, die diese Schlange geheiratet hat – sie ist klug und hübsch.

„Jeva Andrejeva“, sagt er. „Das ist ihr Mädchenname, den hat sie wieder angenommen, nachdem sie vor Pavel geflohen ist. Ihre Familie war bekannt. In den Achtzigerjahren haben sie Hotels und Skihütten betrieben, aber sie haben fast alle geschlossen. Lettland ist kein Touristenziel. Sie gehören zum alten Geldadel und sorgen für die Tochter. Ich glaube nicht, dass das Kind bei ihr geblieben ist, seit sie weg sind. Sieht so aus, als wäre sie direkt zur Schule gegangen.“

Ich hätte dasselbe getan, wenn ich ein Kind gehabt hätte und einen Ex wie ihn. Unbeständig, unberechenbar, gierig und dumm. „Versicherung?“ Ich stelle die Sieben-Millionen-Dollar-Frage.

„Nein, die Familie glaubt, dass sie dadurch eher zur Zielscheibe wird. Ich bin mir auch nicht sicher, ob sie liquide Mittel haben, aber ich kenne diese Familien, sie werden einen Weg finden.“ Hoffentlich finden sie einen Weg. Vielleicht sollte ich die Mutter und die Tochter entführen, wenn es die Großeltern sind, die das Geld haben. Das war nur ein flüchtiger Gedanke, denn Mütter sind die, die man braucht, wenn man Lösegeld erpressen will.

„Halte mich auf dem Laufenden“, sage ich, und er lässt mich allein, um meinen Cousin und sein Team anzurufen. Sie müssen so schnell wie möglich von Moskau nach Dänemark kommen. Konstantin ist inzwischen auf dem Heimweg, wenn er nicht schon dort ist. Bis morgen früh werden wir einen Aktionsplan haben, und dann kann ich abreisen.

Eine Nacht ohne Schlaf wird schon nicht schaden.