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DAS BAUAMT HATTE sich eine Menge Zeit gelassen, aber jetzt wurde die Straßenlaterne, die Brian Underhill beinahe umgenietet hatte, endlich repariert. Drei weiße Männer mit Helmen, verschwitzten T-Shirts und widerwilligem Gesichtsausdruck kamen um die Mittagszeit, und während die Sonne hoch und strafend am Himmel stand, holten sie Leitern vom Dach ihres Trucks.

Einen Block weiter aßen die sieben verbliebenen Negro-Polizisten gemeinsam zu Mittag in Mae’s Spot. Im hinteren Teil des Raums hatten sie zwei Tische zusammengeschoben und ließen sich Rippchen und Kohl, Makkaroni mit Käse und literweise süßen Tee schmecken.

»Viel Glück am Morehouse«, rief Smith.

Die Gläser gingen in die Höhe, ein Toast auf Xavier Little, der in der Nacht zuvor gerade seine letzte Schicht absolviert hatte.

Little hatte beschlossen, wieder zur Schule zu gehen und seinen Abschluss zu machen. Vielleicht komme er ja zu ihnen zurück, sobald er sein Diplom in der Tasche habe, sagte er. Doch Lucius glaubte ihm nicht. Das war kein Job für ihn. Jetzt waren sie also zu siebt, und jeder von ihnen fragte sich, wer derjenige war, der sechs aus ihnen machen würde.

Sie tauschten Anekdoten über ihre Familien aus, versuchten sich so wenig wie möglich über die Arbeit zu unterhalten. Solche Gespräche fanden besser in diskretem Rahmen statt, weit weg von den Ohren der Zivilisten. In der Öffentlichkeit taten sie alle so, als wäre es ihnen eine Ehre, ihren Beruf auszuüben, als respektierten sie ihre Gemeinde von ganzem Herzen und als arbeiteten sie gut mit den weißen Beamten zusammen. Niemand dächte daran, eine so privilegierte Stelle aufzugeben.

»Ein Kumpel von mir«, sagte Smith, »hat mir gerade erzählt, dass sein Haus in Hanford Park abgebrannt ist.«

»Es gibt doch gar keine Farbigen in Hanford Park«, sagte Champ Jennings.

»Jetzt nicht mehr. Er war der erste. Hat’s vor einem Monat gebaut. Er und die Familie waren übers Wochenende weg, und jemand hat’s abgefackelt.«

»Ich hab gehört, dass die Feuerwehr erst eintraf, als schon nichts mehr übrig war«, sagte Boggs.

Als sie mit dem Essen fertig waren und zu satt, um aufzustehen, wurde Little emotional. Er sagte, es tue ihm leid, dass er sie im Stich lasse. Sagte, er wäre gerne besser, stärker gewesen. Seine Augen wurden feucht, und manche nickten, andere wandten den Blick ab. Dann riss Smith einen Witz über die Mädchen am Spelman College, und sie lachten, obwohl er nicht gut war. Jeder war erleichtert, dass der Bann gebrochen war und sie jetzt aufstehen und gehen konnten.

Draußen schüttelten sie Little alle noch mal die Hand und sagten ihm, er solle sich mal wieder blicken lassen. Dann gingen sie für ein paar Stunden getrennte Wege. Bis zum nächsten Appell.

Lucius spazierte zu einem Appartement, das er sich anschauen wollte, denn er hatte beschlossen, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Nicht zuletzt, weil er nächste Woche eine Verabredung mit Julie Cannon hatte, und obwohl er nicht davon ausgehen konnte, sie an dem Abend mit nach Hause zu nehmen, wollte er auch nicht zugeben, dass er bei seinen Eltern lebte. Eine Mietwohnung sei rausgeschmissenes Geld, hörte er seinen Vater sagen, er solle doch besser für eine Hypothek sparen, die ihm eine der Negro-Banken gewähren würde, doch Lucius war das egal. Er wollte seine eigene Wohnung, wollte ein paar Schatten der Vergangenheit entkommen.

Als er die Auburn entlanglief, kam er an der Straßenlaterne vorbei, die gerade repariert wurde. Zwei der weißen Männer durchstöberten die Werkzeuge in ihrem Truck, während der dritte hoch oben auf der Leiter stand.

Der Mann auf der Leiter räusperte sich und spuckte aus. Eine Speichelpfütze landete kurz vor Lucius’ Füßen. Vielleicht hatte der Mann dort oben nicht gesehen, wo er hinspuckte. Oder er hatte genau gezielt. Lucius bildete sich ein, er habe ein Raunen von oben gehört, sicher war er sich aber nicht. Er würde auch nicht nach oben schauen, denn dann blickte er zum einen direkt in die Sonne, zum anderen verschaffte er dem Mann damit nur Genugtuung.

Der weiße Mann stand in der Tat sehr wacklig. Es wäre nur ein sanfter Stoß vonnöten gewesen, um die Leiter umzuwerfen. Nur ein ganz leichter Schubser.

Officer Boggs straffte die Schultern, als er an der Leiter vorbeilief, er freute sich darauf, die Lampe wieder leuchten zu sehen, wenn er das nächste Mal auf der Auburn Avenue Streife lief.