Kapitel 3
Konzeptualisierung des Internets

Dieses Kapitel widmet sich einer detaillierten Analyse des Internets, seiner Medien und der Internetkommunikation. Wozu aber braucht es eine solche Analyse? Sind das Internet und die zugehörigen Kommunikationsmöglichkeiten nicht für einen absoluten Großteil der Menschen in westlichen Gesellschaften zur einer Selbstverständlichkeit geworden? Vom Kind bis zur Rentnerin und zum Rentner weiß inzwischen jede und jeder, was »googeln« bedeutet, dass man bestimmte Produkte am besten auf eBay kaufen kann und dass alles Wissenswerte in der Wikipedia zu finden ist. Zudem existiert ein breites Erfahrungswissen, da beispielsweise Dreiviertel der Deutschen schon einmal einen Browser benutzt haben und damit wissen, was ein toter Link ist, wie man Werbebanner »wegklickt« und wo man seine Kontonummer besser nicht angibt (vgl. Wolf 2012: online). Mit dieser gesellschaftlichen Realität geht eine sozialwissenschaftliche Forschung einher, die beispielsweise beantworten kann, warum sich Menschen auf Facebook auf eine ganze bestimmte Weise darstellen (vgl. Benkel 2012), wo genau das WikiLeaks-Projekt in der Sphäre des Politischen zu verorten ist (vgl. Stalder 2011) oder warum User gemeinsam an einem Online-Lexikon schreiben (vgl. Stegbauer 2009). Grundlegendere Fragen danach, was das Internet denn nun eigentlich ist, worin es sich von anderen Medientechnologien unterscheidet und warum Kommunikation über das Internet sich so gestaltet, wie sie Millionen von Usern täglich wahrnehmen, sind bisher nur unsystematisch und punktuell erforscht. So werden häufig einzelne Aspekte überbewertet oder es werden lediglich bestimmte Anwendungen, wie soziale Netzwerke, Wikis oder Blogs, betrachtet. Damit können für das Internet insgesamt nur in sehr begrenztem Umfang Aussagen getroffen werden. Derartige Aussagen sind aber notwendig, um den Zusammenhang zwischen Internet und Gesellschaft betrachten zu können.

Damit ist das Internet zugleich ein bekanntes und unbekanntes Phänomen. Bekannt ist alles, was mit den an der »Oberfläche« sichtbaren Diensten und Anwendungen zusammenhängt, weitestgehend unbekannt sind hingegen die darunterliegenden Strukturen und das Zusammenwirken der Elemente. In diesem Kapitel wird deshalb versucht, das Internet als Gesamterscheinung zu betrachten. Dabei sollen drei Ziele verfolgt werden. Erstens geht es um eine Gegenstandsbestimmung und damit um die Frage, was alles zum Internet gehört: Welche Medien und Kommunikationen könnten unter dem Begriff subsumiert werden und wo liegen die Grenzen der sich anscheinend ungezügelt ausbreitenden Technologie? Zweitens ist von Interesse, welche medialen Eigenschaften das Internet aufweist: Worin besteht das Innovative der Internetkommunikation und welche Spezifika weist sie auf? Schließlich geht es drittens darum, die Potenziale und Beschränkungen der Internetkommunikation herauszuarbeiten. Dieser Punkt ist speziell für das nächste Kapitel der vorliegenden Arbeit von Bedeutung. Wenn im Rahmen der Mediatisierungsthese geklärt werden soll, welche Themen und Inhalte über das Internet kommuniziert werden und welche bei klassischen Medien verbleiben, spielen die Eigenschaften des Internets eine wichtige Rolle. Die Charakterisierung des Internets bildet damit eine wichtige Grundlage für das vierte und fünfte Kapitel. Diese Ziele sollen im Folgenden erreicht werden, indem einerseits die technischen Aspekte und andererseits die vielfältigen Dienste des Internets systematisch analysiert werden. Beides erfolgt jeweils aus einer kontrastierenden Perspektive. So wird das Internet zunächst großtechnischen Systemen gegenübergestellt und danach werden die Eigenschaften und Funktionsweisen klassischer Medien auf den Online-Bereich bezogen. Mit Hilfe dieses Vorgehens soll es vermieden werden, aktuell dominante Nutzungsweisen des Internets zu überschätzen und so einem Gegenwartsbias zu verfallen.