Ausgehend von der oben erläuterten Anlage der Untersuchung ist der Fragestellung nachzugehen, welche Wahrscheinlichkeiten des Übergangs von Offline zu Online für verschiedene Organisationen vorzufinden sind. Es geht also darum, ob Unternehmen, Vereine, Parteien, Behörden, Museen oder auch Universitäten eine eigene Homepage betreiben. Für den Fall, dass sie eine Homepage haben, kann gefragt werden, seit wann sie das Internet auf diese Weise nutzen. Auf Basis der vom Offline-Bereich aus konzipierten Operationalisierung kann ermittelt werden, wie hoch der Mediatisierungsgrad für bestimmte Bereiche der Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt ist. Die Frage, nach welchen Kriterien die Inhalte des Internets zusammengesetzt sind, kann aus dieser Perspektive hingegen nicht beantwortet werden. Will man die These prüfen, 50 Prozent aller Homepages im WWW entfallen auf den Bereich der Wirtschaft, so müsste die Untersuchung vom Online-Bereich ausgehen. Hierfür muss Mediatisierung im umfassenden Sinne, also unter Einbezug aller vier Spielarten, betrachtet werden, um internetgenuine Organisationen (wie beispielsweise eBay oder Amazon) nicht auszuschließen. Von der Offline-Sphäre aus kann zwar so etwas wie eine Internet-Affinität für Funktionssysteme der Gesellschaft angegeben werden, aber ohne Kenntnisse über die Gesamtzahl an Organisationen in den einzelnen Bereichen ist die Zusammensetzung des WWW nicht ermittelbar.
Die empirische Untersuchung hingegen fokussiert nicht vorrangig auf den Mediatisierungsgrad, sondern auf die Dynamik. Die Fragestellung bezieht sich auf Phasen oder Rhythmusverschiebungen. So kann grundlegend angenommen werden, dass seit dem 06. August 1991 (dem Tag, an dem das WWW durch seinen Erfinder Tim Berners-Lee öffentlich bekannt gemacht wurde) immer mehr Organisationen eine eigene Webseite erstellen. Allerdings ist ebenso plausibel, dass es sich dabei nicht um eine lineare Entwicklung handelt, sondern Phasen mit einer hohen Dichte an Weblaunches von solchen mit geringer Dichte unterschieden werden können. Ob und wie sich die Dynamiken der einzelnen gesellschaftlichen Teilbereiche voneinander unterscheiden, ist Gegenstand der nun folgenden Untersuchung.
Die erste These für diesen Bereich ist von allgemeiner Natur und bezieht sich auf den Anteil von Organisationen, die im Jahr 2012 eine eigene Homepage aufweisen. Hierzu wird angenommen, dass alle Organisationen, und zwar unabhängig vom jeweiligen Bereich, eine entsprechende Webpräsenz haben. Von Bedeutung scheint, insofern sich die These bestätigen sollte, eine über alle Bereiche hinweg vorliegende Akzeptanz (oder auch Notwendigkeit) der Nutzung des World Wide Web. Für diesen Teilbereich des Internets kann demnach angenommen werden, dass eine so zugeschnittene Mediatisierung gesellschaftsweit stattgefunden und das Medium sich etabliert hat. Für die Alternativhypothese spräche hingegen das unterschiedliche Passungsverhältnis zwischen den Zielen der Organisationen und den Ressourcen des Internets.
Eine solche These hängt stark von der Stichprobe ab. Für die hiesige Untersuchung kommen nur Organisationen in Frage, die zum einen vor 1991 bereits existiert haben und die sich zum anderen bis zum heutigen Tag nicht aufgelöst haben. Ihnen muss also für mindestens zwei Jahrzehnte eine in irgendeiner Hinsicht bedeutsame Funktion zugeschrieben worden sein, was immer auch einen Leistungsaustausch mit anderen Organisationen mit sich bringt. Die These ist nun, dass für derartige Organisationen im Jahre 2012 eine Homepage ein unverzichtbarer Kommunikationskanal ist – vergleichbar mit der Postadresse, der Telefonnummer und bis zur Jahrtausendwende auch dem Faxanschluss.
Die zweite These geht davon aus, dass die Mediatisierungsdynamik zwischen den Funktionssystemen der Gesellschaft durch eine Ungleichzeitigkeit geprägt ist. Die Frage der Internetnutzung wird damit ausdrücklich nicht auf die Angebotsseite reduziert. Vielmehr wird der Zeitpunkt, zu dem eine Homepage gelauncht wird, als abhängig von Merkmalen der Kommunikation angesehen. Diese Merkmale variieren im Rahmen bestimmter Funktionsbereiche der Gesellschaft. Anderenfalls dürften sich keine größeren Unterschiede im Zeitverlauf zeigen, was schließlich für eine starke und umfassende »Sogwirkung« des Internets sprechen würde. Die Forschung zur Verbreitung des Internets im Bezug auf weitere Dimensionen, etwa der Nutzung spezifischer Angebote, bestätigt die Annahme, dass es zunächst eine kleine Gruppe von Early Adopters gibt und die »Masse« dann bei Erfolg nachzieht. Auch die Funktionssysteme der Gesellschaft sind in vielerlei Hinsicht heterogen. Daran anknüpfend wird im Folgenden eine dritte These formuliert, die die Ungleichzeitigkeit detaillierter beschreibt.
Da sich die Organisationen der elf Funktionssysteme entlang von fünf internetrelevanten Merkmalen, der Materiegebundenheit, dem Koordinationsbedarf, der Innovationsoffenheit, dem Stellenwert impliziter Ziele und der Abhängigkeit von Publika, unterscheiden, kann daraus die Internetaffinität zu Teilen abgeleitet werden. Die Internetaffinität wiederum lässt sich anhand der zeitlichen Verortung des Mediatisierungsprozesses zeigen. Es müsste also zwischen Organisationen differenziert werden können, die das Web schon sehr früh nutzten und denen, die zunächst abwarteten. Da sich die genannten Merkmale nicht ohne weiteres quantifizieren lassen, kann keine eindeutige Reihenfolge für die elf Teilbereiche angenommen werden. Aber es können auf der Basis der vorangegangenen theoretischen Gegenüberstellung drei Gruppen mit Blick auf das Passungsverhältnis von On- und Offline unterschieden werden.
Eine hohe Internetaffinität ist den Teilbereichen der Massenmedien und der Wirtschaft zuzusprechen. Ein etwas weniger günstiges Passungsverhältnis ist für die Politik, die Wissenschaft, die Kunst und den Sport anzunehmen. Die letzten beiden sind im Besonderen durch einen eklatanten Widerspruch zur Digitalität des Netzes gekennzeichnet, insofern sie auf die physische Welt Bezug nehmen. Die letzte Gruppe, für die eine tendenziell spätere Nutzung des WWW angenommen wird, besteht in den Funktionssystemen der Religion, der Gesundheit, der Intimbeziehungen, der Erziehung und des Rechts. Damit lassen sich die Thesen wie folgt auf den Punkt bringen: