6.1
Zusammenfassung der Ergebnisse

Das Ziel der vorliegenden Arbeit bestand darin, Grundlagenwissen im Sinne eines theoretischen Ansatzes zum Verhältnis von Internet und Gesellschaft und zur inhaltlichen Entwicklung des Internets zu erarbeiten. Daher wurden zunächst keine explizit verifizierbaren oder falsifizierbaren Thesen formuliert. Als Resultat der Analyse des Forschungsstandes konnten allerdings forschungsleitende Annahmen formuliert werden, die hier noch einmal aufgegriffen werden sollen. Die Inhalte der drei Kapitel lassen sich auf folgende Aussagen beziehen:

Die medialen Eigenschaften des Web

Das dritte Kapitel beschäftigte sich mit den technischen und daran anschließend mit den medialen Eigenschaften des Internets. Sie sind einerseits wichtig, um den Gegenstand internetsoziologischer Forschung zu definieren. Andererseits können sie den Mediatisierungsansatz des Internets spezifizieren und liefern Hinweise darauf, welche Kommunikationen welcher gesellschaftlichen Teilbereiche eher über das Internet realisiert werden als andere. Für diese medialen Eigenschaften des Internets wurden zunächst die zentralen Software- und Hardware-Elemente beschrieben, um daraufhin die Technik als großtechnisches System zu analysieren. Da die technischen Möglichkeiten aber keineswegs in vollem Umfang genutzt werden, wurden die bedeutendsten Online-Medien auf ihre Eigenschaften untersucht. Diese kommunikationswissenschaftlich orientierte Analyse erfolgte vor dem Hintergrund der Vielfalt an Offline-Medien. So wurden beispielsweise E-Mails, Blogs oder auch das WWW hinsichtlich der Personenkonstellationen, des Interaktionspotenzials oder der Zeitlichkeit Briefen, Flugblättern, Zeitungen und Büchern gegenübergestellt. Aggregiert man die Einzelbefunde auf der Ebene des Internets, lassen sich acht Charakteristika finden, die jede Internetkommunikation prägen. Der spezifische Einfluss ist dabei kontingent, insofern die Eigenschaften auf medialer Ebene selektiv umgesetzt werden. Gleichwohl lassen sich bedeutsame Unterschiede gegenüber Kommunikation durch Offline-Medien finden. Die Merkmale sind als qualitativ zu verstehen, insofern ihre Häufigkeit, Reichweite und Verteilung nicht berücksichtigt wurde. Vielmehr weisen die Kriterien einen prospektiven Charakter auf, da sich aus der Geschichte des Internets ablesen lässt, dass verschiedene Merkmale erst im Laufe der Zeit zur vollen Entfaltung gekommen sind. Aus diesem Grund wurden auch jüngere Entwicklungen nicht ausgeschlossen. Im Ergebnis sind die folgenden acht Merkmalskomplexe bedeutsam:

Der Netzwerkcharakter liegt dabei in der Architektur, namentlich in der Netz- und Gitterstruktur des Internets begründet: Die Datenpakete können über viele verschiedene Wege an das gewünschte Ziel gelangen. Damit sind prinzipiell alle Partizipienten hierarchiefrei miteinander verbunden und Informationen befinden sich immer nur den sprichwörtlichen »Klick« entfernt. Dementsprechend gibt es kein Ende oder Zentrum des Netzwerks. Gleichwohl bestehen zwischen einigen Angeboten stärkere Verknüpfungen als zwischen anderen und manche Dienste sind in ein dichteres Netzwerk eingebunden als andere. Trotz dieser Heterogenität des Internets ist allen Komponenten gemeinsam, dass sie sowohl auf Hard- als auch auf Software-Ebene mindestens eine Verknüpfung aufweisen. Alle darüber hinausgehenden Verdichtungen oder auch Entflechtungen des Netzes hängen vorrangig von Nutzungspraktiken ab. Der Netzwerkcharakter ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil kein anderes Medium in technischer wie kommunikativer Hinsicht einen vergleichbar dezentralen wie hierarchiefreien Aufbau vorweisen kann.

Kommunikation in Form binärer Codes ist für das Internet alternativlos. Sie definiert den Gegenstandsbereich des Web, indem sie Aktionen auf der Basis von materiellem Austausch ausschließt. Digitalität, also die Beschränkung auf Austausch über zwei distinkte Signale (bekannt als 0 und 1), schließt nicht nur Kommunikationsformen aus, sondern ermöglicht auch viele Formen: Alle Variationen von symbolischer Kommunikation und damit vor allem von visuell und akustisch wahrnehmbaren Reizen sind über das Internet realisierbar. Die mit der Digitalität zusammenhängende Zentrierung auf immaterielle Gegenstände geht des Weiteren mit einer gewandelten Input-Output-Relation einher. In qualitativer Dimension meint das eine grundsätzliche Transformierbarkeit von unterschiedlichen Erscheinungsformen symbolischer Zeichen. So können beispielsweise Spracheingaben in Text gewandelt oder Zahlen in Farben konvertiert werden. Bezogen auf die Quantität hingegen birgt der digitale Code ein gänzlich neues Verständnis in sich: Nahezu jeder Inhalt des Internets ist ohne Aufwand vervielfältigbar.

Das Netz ist auf mehreren Ebenen durch Modularität im Sinne einer (losen) Verknüpfung einzelner Elemente gekennzeichnet. Auf der Ebene der Infrastruktur bedeutet das eine grundlegende Offenheit für neue Komponenten und vor allem auch für neue Netze. Weil Internetkommunikation in der Regel paketvermittelt organisiert ist, werden die Informationen in sehr kleine Einheiten zerlegt. Auf der Basis verschiedener Protokolle können dabei sehr viele Pakete addiert werden. Die modulare Architektur (in einzelne Netze und Waben) ermöglicht dabei einen sehr schnellen Transport. Auf der Anwendungsebene zeigt sich, dass zum einen Dienste baukastenartig ergänzt werden können und zum anderen Kommunikation an sich fragmentiert wird. So kann die Vielzahl an nutzbaren Medien auf Basis des Internets nahezu beliebig miteinander kombiniert werden. Für Anwenderinnen und Anwender ist konkrete Kommunikation modular, weil sie nicht mehr an einem Strang verlaufen muss. Auch die Medienangebote selbst sind kleinteilig strukturiert. Es sind unzählige Dienste festzustellen, die hierarchiefrei koexistieren.

Die Komplexität des Internets resultiert wesentlich aus Prozessen der softwareseitigen Automatisierung von Kommunikationen. Spezielle Meta-Programme (beispielsweise Web-Crawler37) ermöglichen es, kontinuierlich und ohne aufwendiges menschliches Zutun Inhalte zu erfassen und zu kategorisieren, zu vergleichen und zu vernetzen. Soziologisch bedeutsam wird die Fähigkeit zur Automatisierung vor allem dann, wenn entsprechende Programme die große Datenmenge des Internets und die Bedürfnisse der User verbinden. Wenn einzelne Nutzungsdaten automatisiert kumuliert und verknüpft werden, entstehen neue Daten, die etwa in den »individualisierten« Angeboten von diversen Plattformen Ausdruck finden. Durch die Automatisierung wird die Informationsverarbeitung darüber hinaus leistungsfähiger denn je. Waren Menschen als symbolische Zeichen interpretierende Wesen an die Grenzen ihrer kognitiven Fähigkeiten gebunden, stellt das Internet eine Art Outsourcing-Möglichkeit für Gehirnleistungen dar.

Weiterhin fungiert das Internet als Plattform für unterschiedliche Dienste, Anwendungen und Medien. Das ist vor allem möglich, weil das Internet an sich eine technische Infrastruktur darstellt und Kommunikation über ganz verschiedene Medien, die auf dem großtechnischen System aufbauen, realisiert wird. Die Digitalisierbarkeit der Informationen vorausgesetzt, können im Speziellen klassische Verbreitungsmedien die technische Infrastruktur des Web nutzen. Im Grunde gibt es dabei zwei Möglichkeiten: Sie nutzen das großtechnische System erster Ordnung im Sinne der reinen Infrastruktur oder sie integrieren sich in bestehende Systeme zweiter Ordnung. Der Plattformcharakter bietet Spielraum für unterschiedlichste Anwendungen. Perspektivisch werden interneteigene Dienste an Bedeutung gewinnen, insofern klassische Verbreitungsmedien ihre Mediatisierung weitestgehend vollzogen haben und ihre Funktion bereits auf dem Internet als Infrastruktur (digitales Fernsehen, IP-Telefonie und Ähnliches) beruht. Überdies schafft die Nutzung einer gemeinsamen Plattform erst die Möglichkeit, Schnittstellen zwischen einzelnen Diensten oder Medien herzustellen.

Das Internet stellt eine besonders leistungsfähige Technologie hinsichtlich der Entbettung sozialen Handelns dar. In Bezug auf die Raum-Variable wirkt es mehrfach expansiv und entgrenzend. Am augenscheinlichsten ist wohl die Überwindung geographischer Entfernungen. So ist auf der Basis einer inzwischen sehr ausdifferenzierten und über alle Kontinente verbreiteten technischen Infrastruktur Austausch über die ganze Welt hinweg möglich. Die Wirkungsmächtigkeit dieser Technologie von globalem Ausmaß ist vor allem auf die Möglichkeit zur echtzeitlichen Kommunikation zurückzuführen. In räumlicher Hinsicht ist neben der Expansion in die Breite auch ein Vordringen in die Tiefe festzustellen: Zum einen wird das Netz immer dichter, zum anderen stößt es in immer mehr gesellschaftliche und private Zusammenhänge vor. Darüber hinaus werden bisher an bestimmte Orte gebundene Funktionen universell, weil selbst die größten Datensammlungen durch Desktop Remote verfügbar und aufwendige Operationen über Cloud Computing auslagerbar werden. Das Netz ist zugleich ein Speicher- und Transportmedium: Grundlegend charakteristisch für die Temporalität ist die Integration verschiedener Modi. Damit ist zunächst die Möglichkeit zu synchroner und asynchroner Kommunikation gemeint, die sowohl für den schriftlichen wie für den mündlichen Austausch besteht. Ferner öffnet die Möglichkeit, Daten zu speichern und zu überschreiben, Kommunikation zur Vergangenheit. Bis zu einem gewissen Grad können nach dem gängigen Verständnis »gelöschte« Daten wiederhergestellt werden.

Das Merkmal der Offenheit umschreibt eine Zugangsoffenheit in mehrerer Hinsicht. Als Netz der Netze ist das Internet selbstredend offen für alle technisch kompatiblen Systeme. Damit wird einerseits das hohe Wachstum garantiert und andererseits die Dezentralität gestärkt. Noch einfacher stellt sich der Zugang für Endgeräte dar, die sich über einen beliebigen Zugangspunkt einwählen. Jenseits der technischen Komponenten hält das Web Integrationsmöglicheiten für Subjekte bereit: So kann es von allen Menschen gleichermaßen genutzt werden. Bestehende sozialstrukturelle und geographische Unterschiede verlieren zunehmend an Bedeutung, wodurch der Zugang und die Nutzung tendenziell egalisiert wird. Offenheit meint in diesem Zusammenhang aber auch die Möglichkeit, Inhalte gestalten zu können. User werden zu Produzentinnen und Produzenten von Inhalten, die dann gleichberechtigt neben professionell erarbeitetem Content stehen. In der Summe basieren die einzelnen Dimensionen der Offenheit auf Entscheidungen in der frühen Geschichte des Web. Hier wurde es gerade als partizipatives und nicht als expertenzentriertes Projekt angelegt.

Das Kriterium der Userpartizipation knüpft direkt an das der Offenheit an, insofern jede Person Inhalte konsumieren und verbreiten kann. Nicht selten ist der Erfolg eines Dienstes abhängig vom Engagement der User, sodass diese immer häufiger jenseits ergänzender Tätigkeiten aktiv werden. Speziell im Zusammenhang mit Web 2.0-Anwendungen übernehmen Nutzerinnen und Nutzer nicht nur Aufgaben der Produktion von Inhalten, sondern auch die Evaluation oder Organisation von Kommunikation. User-Partizipation in der Rezeption von Inhalten hingegen lässt sich als Interaktivität auf einen Begriff bringen: Es bestehen erhöhte Wahlmöglichkeiten und ein höherer Einfluss auf Medienangebote, was unter anderem mit der zeitlichen Entgrenzung zusammenhängt. Interaktivität bezieht sich aber nie lediglich auf die Rezeption vorhandener Inhalte, sondern immer auch auf den Austausch mit anderen Usern. Hier verfügt das Netz aufgrund der Vielzahl an Kommunikationskanälen über Potenziale, die durch die Kombination der Dienste immer weiter gesteigert werden.

Den medialen Charakteristika des Internets können im Rahmen dieser Arbeit im Wesentlichen zwei Funktionen zugesprochen werden: Erstens geht es um ein soziologisch orientiertes Grundverständnis der Internetkommunikation, das sich der technischen Seite der Infrastruktur nicht verschließt. Dafür müssen das Internet und Internetkommunikation möglichst präzise konzeptualisiert werden, auch um sie gegenüber anderen Technologie und Kommunikationformen abgrenzen zu können. Im Sinne einer phänomenologischen Betrachtung gewinnt man dabei einen detaillierten Blick auf das Internet und seine Medien und kann zudem die Eigenschaften (und damit die besondere Qualität) der Internetkommunikation analysieren. Zweitens sind diese medialen Eigenschaften des Internets als wichtiger Einflussfaktor auf webbasierte Kommunikation und den Mediatisierungsprozess im Speziellen – auch im Sinne der vierten Ausgangsannahme – zu verstehen. Sie geht vom Zusammenhang zwischen Medium und Kommunikation aus und dient als Erklärungsansatz für die Differenz von On- und Offline-Kommunikation. So lassen sich zum Beispiel zentrale Unterschiede zwischen einem klassischen Kaufhaus und Amazon aus dem Bedeutungsverlust von Raum und Zeit (24-Stunden-Shopping), der Digitalität (Waren können angeschaut, aber nicht angefasst werden) oder der Plattformhaftigkeit (andere Unternehmen können Shops eröffnen) ableiten, während die Profit- und Konsumlogik zu weiten Teilen unangetastet bleibt. Damit kommt den medialen Eigenschaften im Rahmen der Mediatisierungsthese wesentliche Bedeutung zu: Sie sind die Grundlage der Spezifizierung des Mediatisierungsansatzes für das Internet. Sie bilden wichtige Kriterien für die Beantwortung der Frage nach der Mediatisierungsdynamik einzelner gesellschaftlicher Funktionsbereiche, da die Ressourcen des Internets zentral aus ihnen hervorgehen. Drittens helfen sie, die Innovativität bestimmter Internetphänomene zu rekonstruieren und schließlich sind sie für die Rückwirkungen von Internetkommunikation auf die Offline-Sphäre relevant.

Die erstgenannte Funktion, die Bereitstellung eines Grundlagenkatalogs in Bezug auf die Internetkommunikation, grenzt den Gegenstand dieser Arbeit ab, ist aber keineswegs ausschließlich auf diese zu beziehen. Vielmehr erlauben die medialen Eigenschaften einen differenzierten Blick auf das Internet und bieten der allgemeinen Soziologie Anknüpfungspunkte für die Integration webvermittelter Kommunikation etwa in Kommunkation- und Handlungsmodelle. Wenngleich alle acht Merkmale keine Unbekannten im Internetdiskurs sind, fehlte bislang eine technisch und medial fundiert und von kurzfristigen Trends unabhängige Herausarbeitung der Rahmenbedingungen von Online-Kommunikation.

Internet revisited: Der Mediatisierungsansatz

Die Fragen nach der inhaltlichen Entwicklung des Internets und nach der Konzeption des Verhältnisses von Off- und Online wurden im vierten Kapitel der Arbeit unter Rückgriff auf das Mediatisierungskonzept beantwortet. Dieses geht grundlegend von einer zunehmenden technischen Vermittlung von Kommunikation aus, die bisher vorrangig Face-to-Face erfolgt ist. In dieser Allgemeinheit ist das Konzept zugänglich für verschiedenste Medien und für nahezu alle Kommunikationen einer Gesellschaft. Wie gezeigt wurde, bedarf es einer Modifikation des bisher genutzten Ansatzes, um die oben genannten Ziele zu realisieren. Im Detail handelt es sich dabei um die folgenden sieben Aspekte, die zur Präzisierung des Konzeptes mit Blick auf das Internet notwendig werden:

Das Mediatisierungskonzept geht gemeinhin davon aus, Mediatisierung sei immer kulturell, zeitlich und räumlich gebunden. Aus den oben stehenden Eigenschaften des Internets lässt sich aber ableiten, dass es sich um ein globales Medium handelt, das räumliche, und teilweise auch zeitliche, Beschränkungen überwindet. Konzipiert man Kommunikation nicht einseitig als die Bereitstellung von Informationen, sondern auch als deren Rezeption, liegt eine entgrenzte und entgrenzende Mediatisierung vor. Kommunikation findet über bestehende Grenzen hinweg statt und löst diese dabei partiell auf. Dies gilt wiederum nicht für alle Web-Medien, wohl aber beispielsweise für das WWW. Unter hybriden Kommunikationskonstellationen sind Konvergenzentwicklungen zu verstehen, die die Trennung zwischen Individual- und Massenkommunikation zu Teilen aufheben. Selbiges gilt für die Mensch-Maschine-Kommunikation über das Internet. Medien können nicht mehr per se der Massen- oder Individualkommunikation zugeordnet werden, sondern es findet seitens der User ein Öffentlichkeitsmanagement statt. Eine E-Mail kann beispielsweise an eine vertraute Person, ebenso aber auch an beliebig viele Personen versendet werden. Damit kann nicht mehr systematisch zwischen den bisher gültigen Kategorien, etwa den produzierenden professionellen Medienvertreterinnen und -vertretern und den rezipierenden Laien, unterschieden werden. Im Zuge der Internetkommunikation ist also nicht mehr von einer Mediatisierung auszugehen, die von bestimmten Organisationen oder Akteuren getragen wird. Im Gegenteil: Die Plattformfunktionalität und Offenheit des Internets erlaubt zunächst nur ein unspezifisches Verständnis von Mediatisierung, das erst im Einzelnen präzisiert werden kann. Eine klare Akteurskonstellation, wie sie beispielsweise bei der Mediatisierung der Politik durch das Fernsehen vorzufinden war, ist ausgeschlossen.

Auch die Mediatisierung zweiten Grades steht in engem Zusammenhang mit der Plattformfunktionalität. Dahinter verbirgt sich die Feststellung, dass die Internetkommunikation in vielen Fällen eine Mediatisierung von bereits mediatisierter Kommunikation ist. Dies ist immer dann der Fall, wenn nicht Face-to-Face zu internetvermittelter Kommunikation wird, sondern Offline-Medien das Internet nutzen. Beispiele hierfür sind die Voice-over-IP-Telefonie, die Webportale der Zeitungen oder das Streamen von Fernsehsendungen. Damit wird die Face-to-Face-Kommunikation als Kontrasthintergrund der Mediatisierung fraglich.

Mediatisierung bezog sich bisher ganz zentral auf den sprachlichen Austausch. Der Fokus lag damit im Spannungsfeld zwischen Semantik und Semiotik. Internetkommunikation hingegen ist in doppelter Hinsicht weiterreichend. Zum einen steigt die Bedeutung symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien, zum anderen findet an vielen Stellen Dateitranfer statt. Während Teleshopping via Fernsehen bis heute ein randständiges Phänomen geblieben ist, sind Online-Banking und E-Commerce überaus bedeutsam und müssen deshalb in die Mediatisierungsforschung des Internets integriert werden. Gleichwohl ist absehbar, dass die Mediatisierung von Geld deutlich fortgeschrittener ist als die anderer Steuerungs- oder Erfolgsmedien. Eine zweite relevante, wenngleich soziologisch nur bedingt zugängliche Erweiterung ist der Einbezug von Kommunikation auf Basis von Dateitransfer. So kann ein Bild, ein Lied, eine Raumkoordinate, ein CAD-File oder ein Programm über das Web verschickt werden. Die Resultate einer solchen Mediatisierung, etwa in Form der Erhebung von individuellen Bewegungs-, Kommunikations- oder Konsumprofilen sind dann im engeren Sinne soziologisch bedeutsam.

Das entscheidende Moment dieser Arbeit besteht in einer Perspektivverschiebung hin zum Internet. Dafür werden nicht primär die Auswirkungen auf den mediatisierten Bereich betrachtet, sondern die inhaltliche Entwicklung eines Mediums wird als Resultat von Mediatisierungsprozessen verstanden. Diese Perspektive ist vielfach bereits angelegt, etwa in der Analyse verschiedener Zeitungsressorts oder in der Wahl des Gegenstandes (Mediatisierung des Sports, der Wissenschaft et cetera). Sie wurde jedoch bisher nicht systematisch verfolgt und konsequent auf das Medium bezogen. Speziell für das thematisch ungegliederte Internet wird durch die Umkehrung der Mediatisierungsperspektive ein Differenzierungsprozess sichtbar. Die empirische Untersuchung eines so gemünzten Mediatisierungskonzeptes kann zeigen, zu welchen Zeiten beispielsweise wissenschaftliche, wirtschaftliche oder kulturelle Inhalte im Web dominant waren. Fragt man also danach, welche Kommunikate zu welchen Zeitpunkten über das Internet vermittelt werden, umfasst die Antwort immer auch Hinweise darauf, wie sich das Internet entwickelt. Es mag zunächst tautologisch erscheinen, dass die inhaltliche Entwicklung des Internets aus den über das Internet kommunizierten Inhalten besteht. Vielmehr ist es aber so, dass gerade die Anbindung an das Mediatisierungskonzept erkenntnisreich ist. So wird das Internet erstens konsequent auf Kommunikation reduziert, zweitens wird aus den medialen Eigenschaften ein Selektionsprozess erklärbar und drittens wird das Internet nicht als unabhängige, virtuelle Welt verstanden, sondern direkt an die Offline-Sphäre angebunden. Das Verhältnis von Internet und Gesellschaft ist damit insofern dialektisch, als das Internet aus der Gesellschaft ableitbar ist, gleichzeitig eine Eigendynamik, eine eigene Qualität entwickelt und immer auch auf die Gesellschaft zurückwirkt. Das Verhältnis von Internet und Gesellschaft ist in dieser Perspektive durch die selektive Mediatisierung von Kommunikaten geprägt. Die unten stehende Tabelle und die Ausführungen im nachfolgenden Teilkapitel präzisieren das wechselseitige Verhältnis beziehungsweise die Rückwirkungen noch einmal.

Aus dem Werk von Luhmann lässt sich aber zunächst eine weitere Spezifizierung des Mediatisierungsansatzes ableiten. Es handelt sich dabei um die Differenzierung des Medien- und Kommunikationsbegriffs, die im Mediatisierungsdiskurs bisher nur implizit verfolgt wurde. Fragen danach, wie kommuniziert und was kommuniziert wird, erlangen im Kontext des Internets allerdings eine neue Aktualität. Wie gezeigt wurde, basieren viele unterschiedliche Medien auf einer gemeinsamen Infrastruktur. Im Unterschied zu Offline-Medien besteht dementsprechend keine so enge Verbindung wie noch zwischen Radio und Rundfunk oder Presse und Zeitung, weshalb die Medien klarer voneinander unterschieden werden müssen. Die inhaltliche Dimension knüpft an die oben genannte Perspektivumkehrung an und legt zudem eine differenzierteres Verständnis von Kommunikation nahe. Entsprechend den drei Selektionen nach Luhmann kann Kommunikation eben nicht auf das Senden von Informationen reduziert werden, sondern ist erst mit dem Verstehen »vollständig«. Kombiniert man beide Aspekte, was in der Praxis unumgänglich ist, werden verschiedene Konstellationen wahrscheinlich. So kann es sein, dass bestimmte Inhalte von bestimmten Web-Medien besser mediatisiert werden können als andere. Ein solcher Zusammenhang ist für Offline-Medien bereits festzustellen und setzt immer die Unterscheidung von Medium und Kommunikation voraus.

Mit Giddens kann Mediatisierung als Raum- und Zeitüberwindung (Entbettung) bestimmter Strukturen und Praktiken gedacht werden. Der Strukturationstheorie folgend, können Medien (im Sinne von Regeln und Ressourcen) das Verhältnis von On- und Offline präzisieren. Insofern immer eine Ursprungs- und Zieldimension der Entbettung angegeben werden kann, ergeben sich vier idealtypische Konstellationen: Verbreitung via Internet, Mediatisierung, Internet-Innovation sowie Selbsttransformation. Wie die Begriffe bereits zeigen, ist Mediatisierung im engeren Sinne als Strukturübertragung von Offline auf Online zu verstehen. Das passiert beispielsweise, indem das Verhältnis von Konsumentinnen und Konsumenten zu Verkäuferinnen und Verkäufern nicht mehr Face-to-Face konstituiert wird, sondern über Eingabefelder und automatische Benachrichtigungen in Web-Shops entsteht. Die anderen drei Felder sind als Mediatisierung im weiteren Sinne zu verstehen. Wenn das Internet als reines Verbreitungsmedium genutzt wird, hat die Kommunikation nur geringen Einfluss auf die Strukturen des Internets. Dies kann der Fall sein, wenn bestehende Freundschaften über soziale Netzwerke fortgeführt werden. Die Selbsttransformation zeigt sich beispielsweise im Linksystem. Unter Internet-Innovationen sind Strukturen zu verstehen, die im Rahmen von Internetkommunikation entstanden sind und dann auch in Offline-Kontexten Anwendung fanden. Dazu gehört beispielsweise die Übernahme von interaktiven Elementen in Fernsehformate. Da sich die vier Teile selbst analytisch nur schwer trennen lassen und in der Praxis eng miteinander verwoben sind, muss Mediatisierung in dieser Hinsicht integrativ konzipiert sein. Neben einer solchen Differenzierung besteht der zentrale Wert der Referenz auf Giddens in der Ergänzung einer gesellschaftstheoretischen Dimension, die mit dem Strukturbegriff über »Inhalte« hinausgeht.

Neben den hier zusammengefassten Modifikationen behalten verschiedene Elemente des Mediatisierungsansatzes auch für das Internet ihre Gültigkeit. Speziell die Forschung zum zeitlichen Verlauf von entsprechenden Prozessen ist auf das Internet übertragbar. Ein internetadäquates Mediatisierungsmodell kann dann wie in Grafik 1 aussehen. Die einzelnen Implikationen sind in Kapitel 4.2.2 erläutert und sollen deshalb hier nicht noch einmal im Detail wiederholt werden. Deutlich ist jedoch, dass sich Mediatisierung zu einem komplexen Modell entwickelt, wenn man die Erweiterungen ernst nimmt. Der damit einhergehende Umfang des Modells wird allerdings kompensiert, indem eine theoretische oder speziell auch empirische Analyse nur einen Aspekt der sechs Komplexe einbeziehen. So könnte beispielsweise untersucht werden, inwiefern bestimmte Organisationen ihre an eine Öffentlichkeit gerichtete und damit massenmediale Kommunikation über das World Wide Web realisieren und inwiefern diese von Individuen rezipiert und verstanden wird. Genau das wurde im Rahmen einer exemplarischen empirischen Untersuchung, wiederum mit Bezug auf die Frage nach der inhaltlichen Differenzierung des Mediums realisiert. Die Ergebnisse sollen im Folgenden zusammengefasst werden.

Zwei Phasen der Entwicklung des Internets

Anknüpfend an diese Erweiterung des Mediatisierungsansatz wurde der Frage nachgegangen, wie sich die inhaltliche Entwicklung des Internets beschreiben lässt. Dabei zeigte sich, dass zwischen zwei Phasen unterschieden werden muss. Gegenwärtig zeichnet sich ab, dass es einen Übergang von der ersten zur zweiten Phase gibt. Die erste Phase ist dabei durch die Mediatisierung kommunikativen Handelns durch das Internet gekennzeichnet. Bisher über klassische Medien realisierte Kommunikation, die damit verbreiteten Inhalte und sozialen Strukturen werden zu Bestandteilen des Internets. Hierbei vollzieht sich eine Differenzierung der Inhalte des Internets analog zur Differenzierung der Offline-Sphäre. Das Internet ist damit in inhaltlicher Sicht primär ein (wenn auch selektives) Abbild der Gesellschaft. Dementsprechend gestalten sich auch die Rückwirkungen auf die Gesellschaft: Sie folgen einer Logik der Effizienz. Es geht also vorrangig darum, bestimmte Kommunikationen (etwa Kundenservices, aktuelle Nachrichten oder politische Programme) möglichst schnell, günstig oder zielgenau zu übermitteln. Das Internet scheint hierfür überaus gute Bedingungen zu bieten.

Die zweite Phase beginnt, wenn das Internet gesellschaftliche Strukturen größtenteils adaptiert hat. Sie bringt hinsichtlich der gesellschaftlichen Rückwirkungen einen Übergang von der Logik der Effizienz zur Logik der Innovation mit sich. Dabei finden vor allem internetgenuine Inhalte und Strukturen einen Weg in die Offline-Sphäre, was gänzlich andere Anpassungsstrategien erfordert. Es handelt sich um einen der ersten Phase nahezu diametral entgegengesetzten Prozess, bei dem Online-Kommunikation »re-mediatisiert« wird und zum Ausgangspunkt von Offline-Kommunikation wird. Mit den beiden Phasen und Logiken gehen unterschiedliche Rückwirkungen einher. Auf einem Kontinuum zwischen Komplementarität und Konkurrenz sind fünf typische Auswirkungen der Internetkommunikation auf die Gesellschaft zu verzeichnen: Sie kann irrelevant sein, kann Offline-Kommunikation ergänzen, verdoppeln, ersetzen oder eine grundlegende Innovation darstellen.

Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Im fünften Kapitel wurde exemplarisch gezeigt, wie eine empirische Entsprechung des Mediatisierungsansatzes für das Internet aussehen kann. Gemäß der grundlegenden Frage nach der inhaltlichen Differenzierung des Internets wurde die Mediatisierungsdynamik für zehn Funktionssysteme von Gesellschaften nachgezeichnet. Ausgehend von einer Stichprobe an Organisationen aus 20 Zentrumsländern, die aus der Encyclopædia Britannica von 1990 gewonnen wurden, konnten drei Thesen untersucht werden. Hierzu wurden die Organisationen dem jeweiligen Funktionssystem zugeordnet und es wurde erhoben, zu welchem Zeitpunkt jede Organisation ihre eigene Homepage im WWW veröffentlichte. Für die knapp 800 Organisationen war zunächst interessant, wie hoch der Mediatisierungsgrad nach über 20 Jahren des WWW ist. Hierbei ist festzustellen, dass 97 Prozent aller Organisationen der Stichprobe online waren. Für die einzelnen Bereiche variiert die Quote zwischen 91 (Politik) und 100 Prozent (Sport). Ein solch hoher Prozentsatz an Webpräsenz kann dabei keineswegs auf alle Organisationen einer Gesellschaft übertragen werden, sondern resultiert aus der Stichprobe, da in der Britannica nur die bedeutendsten Organisationen der einzelnen Bereiche referenziert sind. Deutlich wurde aber, dass die Unterschiede zwischen den Funktionssystemen in den letzten Jahren egalisiert wurden.

Mit der Entwicklungsdynamik beschäftigte sich die zweite These. Sie nahm an, dass der Verlauf aller Funktionssysteme identisch, jedoch durch Ungleichzeitigkeit geprägt sei. Letzteres kann bestätigt werden, da sich die zehn Mittelwerte des Mediatisierungszeitpunktes (Launch-Datum) wenn auch nicht immer signifikant, voneinander unterscheiden. Hinsichtlich der Dynamik besteht die Gemeinsamkeit in drei aufeinanderfolgenden Phasen, die für alle Bereiche festzustellen sind. Die erste Phase ist durch ein langsames Ansteigen der Zahl von Organisationen mit eigener Homepage geprägt. Darauf folgt eine Phase großer Dynamik, in der innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums eine große Zahl an Homepages gelauncht wurden. Diese Phase fand zwischen 1995 und 2002 statt. Danach ist für alle Funktionssysteme wieder eine Phase abgeschwächter Dynamik festzustellen, bis schließlich annähernd 100 Prozent der Organisationen eine Homepage aufweisen. Sowohl die Länge als auch die Intensität dieser Phasen gestaltet sich allerdings für jedes Funktionssystem anders, weshalb nicht von einer einheitlichen Dynamik ausgegangen werden kann. Dementsprechend kreuzen sich Verläufe oder der Abstand zwischen einzelnen Bereichen verändert sich.

Drittens wurde schließlich danach gefragt, welche der zehn Funktionssysteme bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit einer eigenen Webseite online waren als andere. Vor dem Hintergrund von fünf theoretisch entwickelten Merkmalen, der Materiegebundenheit, dem Koordinationsbedarf, der Innovationsoffenheit, der Publikumsabhängigkeit sowie dem Stellenwert impliziter Ziele, wurde angenommen, dass sich drei Gruppen finden lassen. Die These ging davon aus, dass Organisationen aus dem Bereich der Wirtschaft und der Massenmedien das WWW besonders zeitig aktiv nutzen, gefolgt von denen aus Politik, Wissenschaft, Kunst und Sport, während die Organisationen aus den Bereichen der Religion und Gesundheit, der Erziehung und des Rechts tendenziell später online gingen. Dies bestätigte sich anhand der Daten nur partiell. So waren die Organisationen aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft und Massenmedien besonders früh online. Herausragend ist in diesem Zusammenhang die Wissenschaft, deren Mittelwert im Jahr 1995 zu finden ist, während der Durchschnitt um das Jahr 1999 zu finden ist. Die Ursache hierfür liegt in der bedeutsamen Rolle einiger Universitäten im Zusammenhang mit der Entwicklung des Internets. Der Wert der Wissenschaft ragt auch deshalb heraus, weil sich die Mittelwerte insgesamt überraschend homogen gestalten. So liegt dieser für die Hälfte aller Funktionssysteme im Jahr 1999. Den oben genannten drei folgen als mittlere Gruppe Gesundheit, Religion, Sport sowie Kunst und Recht. Die Schlussgruppe bilden die Politik und die Erziehung. Damit sind im Vergleich zwischen den theoretischen Annahmen und der Empirie vier Änderungen festzustellen, die allerdings jeweils über eine Kategorie hinweg gehen und nicht zwischen der ersten und dritten Gruppe wechseln. Dementsprechend können die fünf Ausgangsmerkmale der Kategorisierung durchaus als tragfähig angesehen werden, wenngleich sie schwer zu operationalisieren sind.

Die inhaltliche Entwicklung des Internets im Spannungsfeld zwischen Online und Offline

Das Hauptziel der vorliegenden Arbeit bestand darin, zwei Fragen zu beantworten. Erstens ging es darum, wie ein theoretischer Ansatz zur Konzipierung des Verhältnisses von Internet und Gesellschaft aussehen kann und zweitens sollte beantwortet werden, wie die inhaltliche Entwicklung des Internets soziologisch gefasst werden kann. Wie die oben stehenden Ausführungen zeigen, lassen sich beide Fragen durch eine internetspezifische Adaption des Mediatisierungskonzeptes aufeinander beziehen. In diesem Abschnitt sollen beide Aspekte noch einmal dezidiert aufgegriffen werden. Das Verhältnis von Internet und Gesellschaft, also von Online und Offline, wurde mit dieser Arbeit als eine implizite Konkurrenz von Medien um ihre Nutzung betrachtet. Den Ausgangspunkt hierfür bildet die Beobachtung, dass zunehmend mehr Kommunikationsakte über Online-Medien realisiert werden. Dabei ist es nun keineswegs so, dass eine Entweder-Oder-Logik vorzufinden wäre. Vielmehr ist der Ursprung eines Großteils der Internetkommunikation in der Offline-Sphäre zu suchen. Zum einen sind die User nicht virtuell oder digital und damit immer an Materie gebunden, zum anderen kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Internet eine eigene Welt mit spezifischen Ideen, Gedanken oder Rollenbildern bildet. Das Internet ist im Gegenteil als die Summe der selektiven Mediatisierung von Informationen zu verstehen.

Aus dem unendlichen Fundus gesellschaftlichen Wissens werden also unter spezifischen Bedingungen manche Informationen im Rahmen digitaler Netze kommuniziert, andere hingegen nicht. Das bedeutet aber nicht, dass Online-Kommunikation als eine reduzierte Variante von Offline-Kommunikation zu verstehen ist. Drei Argumente sprechen dagegen: Erstens haben Medien immer einen Einfluss auf Kommunikation. So ändern die medialen Eigenschaften des Internets beispielsweise die Reichweite, Qualität oder Zeitlichkeit bestimmter Kommunikate. Zweitens entstehen beispielsweise im Rahmen von Online-Kollaborationen gänzlich neue Strukturen oder auch Inhalte. An ihnen sind zwar noch immer »Offline-Menschen« beteiligt, aber sie wären im Rahmen klassischer Medien nicht entstanden. Und drittens schließlich, das hat der Exkurs zum Ende des vierten Kapitels gezeigt, kann sich in der Triade zwischen Inhalten, Medien und Usern eine einzigartige Dynamik entwickeln, die User unter anderem dazu bringt, als Crowd an Ideenwettbewerben teilzunehmen, ihre Daten in sozialen Netzwerken zu hinterlassen oder Rezensionen für Bewertungsportale zu verfassen. Die Dynamik geht damit weit über die Potentiale klassischer Kommunikationsmedien hinaus. Damit bleibt festzuhalten, dass ein gegenseitiges Wechselverhältnis besteht und dass sich die eine Sphäre nicht auf die andere reduzieren lässt. Das Internet ist immer Teil der Gesellschaft und ist damit unweigerlich in dieser verankert.

Die Frage, wie sich das Internet in inhaltlicher Hinsicht entwickelt, kann wiederum unter Bezugnahme auf das Mediatisierungskonzept wie folgt beantwortet werden: Es ist grundlegend eine Ausdifferenzierung der Inhalte und damit der Themen festzustellen. Die empirische Untersuchung hat gezeigt, dass zu Beginn vor allem Kommunikation mit Bezug auf die Wissenschaft vorzufinden war und dann nach und nach immer mehr Themen hinzukamen. Damit muss angenommen werden, dass die inhaltliche Differenzierung sich der Differenzierung der Gesellschaft sukzessive annähert. Gleichwohl ist die durchgeführte Empirie blind für Internet-Innovationen. Aus der Theorie heraus ist jedoch plausibel, dass neben mediatisierten Inhalten auch internetgenuine Inhalte vorzufinden sind. Etwa solche, die das Internet selbst thematisieren. Die Frage, welcher Differenzierungsmodus für das Internet charakteristisch ist, lässt sich nur schwer beantworten. Es finden sich sowohl Elemente segmentärer, stratifikatorischer als auch funktionaler Differenzierung, die in der Regel aber eher metaphorischen Gehalt haben. Die unterschiedlichen Mediatisierungszeitpunkte der empirischen Untersuchung weisen darüber hinaus auf variierende Online-Affinitäten hin. Es muss somit angenommen werden, dass für die einzelnen Bereiche der Gesellschaft Internetkommunikation in unterschiedlichem Maße attraktiv ist. Die inhaltliche Entwicklung des Internets kann damit immer nur unter Bezugnahme auf die Differenziertheit der Gesellschaft, die sich dann selektiv in der Internetkommunikation zeigt, analysiert werden. Diese Selektionsprozesse lassen sich mit den in der Abbildung 6 dargestellten Mediatisierungsdimensionen erfassen. Sie erlauben es, den Entwicklungsprozess für alle Online-Medien nachzuzeichnen. Aus der Kumulation der Einzelmedien können dann beispielsweise Aussagen zur Dominanz bestimmter Funktionen zu bestimmten Zeitpunkten getroffen werden. Für das WWW hingegen wird deutlich, dass eine überraschend homogene Entwicklung stattgefunden hat. So unterscheiden sich die zehn Funktionssysteme nur in Teilen voneinander, was für eine übergreifende Sog-Wirkung des Internets spricht. Damit liegen für den Prozess der inhaltlichen Ausdifferenzierung des Internets eine erste empirische Untersuchung und ein umfassendes Analyseraster vor, das es in der Folge mit Inhalten zu füllen gilt.