Die Internetadaption des Mediatisierungsansatzes wurde in den vorangegangenen Ausführungen vor allem aus der Theorie heraus entwickelt und nur einer exemplarischen Untersuchung zugeführt. Daraus resultiert ein hoher Grad an Abstraktion sowie an Selbstbezüglichkeit. Dies kann mittels weiterführender Forschung korrigiert werden, wobei unterschiedliche Strategien und Anlagen denkbar sind.
Ein erster Schritt bestünde ohne Frage in einer detaillierteren Empirie zu den einzelnen Funktionssystemen der Gesellschaft. Während im fünften Kapitel ein Vergleich der wichtigsten Bereiche gesellschaftlicher Kommunikation angestrebt wurde, konzentrieren sich Mediatisierungsuntersuchungen in der Regel nur auf einen Teil, etwa Sport, Politik oder Wirtschaft. Hier können dann auch Differenzierungen erfolgen. Verbleibt man auf der Ebene von Organisationen, sind Unterschiede in der Internetnutzung entlang der Größe oder des Teilbereichs erwartbar (Unternehmen der New Economy sind internetaffiner als mittelständige Handwerksbetriebe und Fußballklubs sind wahrscheinlich internetaffiner als Schachvereine). Zu untersuchen wäre zudem, wie sich die Mediatisierung symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien gestaltet. Aspekte des Geldes und des Rechts wurden bereits angesprochen, aber wie kann die Mediatisierung von Liebe, Kunst oder Wahrheit aussehen?
Mediatisierung durch Internetkommunikation könnte gleichermaßen vom Individuum aus untersucht werden. Dabei müsste gefragt werden, in welchem Umfang, zu welchem Zweck oder auch mit welchen Problemen Menschen das Internet in ihren Alltag integrieren. Erste Erkenntnisse hierzu liegen bereits aus quantitativen Studien vor. So steigt seit 2004 die Nutzung von Nachrichten- und Serviceangeboten, wohingegen Informationen zu Wirtschaft und Sport von konstant vielen Usern konsumiert werden (vgl. ARD/ZDF-Onlinestudie 2011c: online). Es handelt sich dabei um eher grobe Einschätzungen, die mit Hilfe von qualitativen Methoden deutlich vertieft werden könnten. So ließe sich vor allem auch das Wechselspiel der Nutzung verschiedener Medien untersuchen: Unter welchen Bedingungen etwa werden Fakten aus Fernsehsendungen im Internet vertieft, wann werden Links in Zeitungen im WWW aufgesucht und werden Radiosendungen tatsächlich im Web nachgehört oder: Sprechen UKW-Radio und die dazugehörige Homepage gänzlich unterschiedliche Gruppen an. Mit Hilfe qualitativer Methoden könnte die sich (aufgrund des mobilen Internets) permanent wandelnde Integration der Web-Medien in viele Bereiche des Alltags beobachtet werden. Jungen Menschen, deren Tag mit dem Leuchten des Smartphonebildschirms beginnt und endet, haben sicher einen anderen Blick auf das Medium als solche, die ganz bewusst internetfreie Zeiten und Orte schaffen.
Ausgehend von den Usern kann der Aspekt der Rezeption von Web-Angeboten stärker ins Zentrum der Analyse gerückt werden. Während sich die durchgeführte, empirische Untersuchung zunächst auf das Angebot konzentrierte, gestaltet sich die Kommunikation deutlich umfangreicher und komplexer. Dementsprechend müsste jeweils untersucht werden, welche Informationen aus der unendlichen Vielfalt kommuniziert werden sollen, wie dies geschieht (Mitteilungsaspekt) und wie Ego die Differenz von Mitteilung und Information von Alter versteht. Gerade der letzte Aspekt ist hochgradig individuell und kann der Forschung nur schwer zugänglich gemacht werden. Hier müsste man sich auf Einzelfälle beschränken, denen dann in ihrer Tiefe und Komplexität entsprochen werden kann. Damit eng verknüpft ist die Unterscheidung zwischen interaktiven und Massenmedien. Wenngleich gezeigt wurde, dass die Medien des Internets in vielen Fällen hybrider Natur sind und ein situatives Öffentlichkeitsmanagement stattfindet, ist die Gegenüberstellung für das Mediatisierungskonzept bedeutsam. Während massenmediale Kommunikation per se der Öffentlichkeit zuzuordnen ist, werden interaktive Medien sowohl in privaten wie in öffentlichen Kontexten genutzt. Ausgehend davon wäre zu fragen, ob nicht gerade diese Verknüpfung eine Ursache für die Veröffentlichung privater Bilder oder Informationen ist, wie sie im Rahmen sozialer Netzwerke beispielsweise stattfindet. Die These dazu könnte lauten, dass die Existenz bestimmter Medien eine entsprechende Nutzungsweise nach sich zieht, insofern diese nicht grundlegenden Normen oder Werten widerspricht.
So wie Mediatisierungsprozesse vom Individuum aus betrachtet werden können, kann ebenso das Internet in den Fokus genommen werden. Für diese Perspektive wurde im Kapitel vier und fünf dieser Arbeit plädiert, insofern es um die thematische Differenzierung des Internets ging. Allerdings bildete Offline-Kommunikation den Ausgangspunkt. Damit geht ein blinder Fleck hinsichtlich der internetoriginären Inhalte einher. Insofern Mediatisierung von einer Vermittlung bestehender Offline-Kommunikation durch die Nutzung des Internets ausgeht, werden internetoriginäre Kommunikate marginalisiert. Denkt man Mediatisierung aber nicht vom Offline-Bereich, sondern vom Internet aus, vervollständigt sich das Gesamtbild. In Anknüpfung an die empirische Untersuchung bestünde die (notwendige) Komplementärperspektive in einer Stichprobenziehung aller Seiten des WWW. Ordnet man diese dann den Funktionssystemen der Gesellschaft zu, zeigt sich die größenmäßige Differenzierung des Intenets. Dieser Aspekt könnte ergänzt werden, durch eine Analyse des Ursprungs von Inhalten.
Ebenso mit Blick auf das Internet wäre ein Vergleich der einzelnen Web-Medien denkbar. Dem müsste die These zugrunde liegen, dass bestimmte Inhalte mittels bestimmter Medien besser beziehungsweise effizienter kommuniziert werden können. Während die E-Mail und das WWW gewissermaßen Universalmedien sind, ist für die übrigen Dienste des Web eine funktionale Selektivität anzunehmen. Die Beschreibung und Analyse solcher Wahlverwandtschaften führt zu einer Differenzierung des Mediatisierungsansatzes für das Internet, wie er für andere Medien bereits besteht. Das Erfordernis resultiert dabei schlicht aus der Plattformfunktionalität der digitalen Infrastruktur. In jedem Fall ist es wünschenswert, das vorgeschlagene Mediatisierungskonzept des Internets empirisch wie theoretisch zu prüfen und zu präzisieren. Aufgrund der medialen wie kommunikativen Vielfalt muss ein solches Unterfangen über die eben genannten Aspekte deutlich hinaus gehen. Gleichwohl stellen sie erste sinnvolle Schritte dar.