Das auf Pfählen erbaute Blockhaus bildete eine Insel aus verwittertem Holz, umgeben von Wasser, dessen Farbe und Konsistenz an Erbsensuppe erinnerten. »Nicht gerade das Hotel Ritz«, stellte Basile fest, als er mit dem Boot an einem der alten Reifen anlegte, die als Fender an den Pfählen hingen. Er kletterte auf den Steg, machte das Boot fest und half Remy dann beim Aussteigen.
»Ein Steg verbindet das Blockhaus mit der Halbinsel dort drüben«, erklärte er, wobei er nach rechts deutete, »aber wenn das Wasser im Winter höher steht, ist er überflutet. Außerdem ist er schon sehr baufällig.«
Sie blickte über den Kanal und sah einen dichten Wald, der mit Unterholz und Riedgras durchsetzt war. Von dieser Stelle aus war nirgends fester Boden zu sehen. Alle Pflanzen, sogar die Bäume, schienen direkt aus dem Wasser zu wachsen.
»Wie tief ist das Wasser?«
»Tief genug«, antwortete er knapp. Er gab ihr eine braune Papiertüte mit Lebensmitteln. »Die Tür ist nicht abgesperrt. Nehmen Sie das mit rein.«
Remy überließ es ihm, das Boot auszuladen und die gekauften Vorräte auf dem ungefähr einen Meter über dem Wasser liegenden Steg zu stapeln. Ihre Schritte klangen dumpf auf den verwitterten Planken, als sie auf den Bau zuging, den er als Blockhaus bezeichnet hatte, obwohl Hütte eine zutreffendere Bezeichnung gewesen wäre.
Sie hob den Fallriegel hoch und stieß die Tür auf. Das Innere der Hütte lag im Halbdunkel, weil die Fensterläden geschlossen waren. Es roch modrig. Im Süden Louisianas war es selbst in den vornehmsten Häusern schwierig, die Auswirkungen der Tatsache zu bekämpfen, daß man auf Meereshöhe lebte. In dieser Hütte war der Kampf gegen Moder und Schimmel offenbar längst verloren.
»Ich habe Sie gewarnt, daß die Unterkunft nicht luxuriös ist.« Basile, der jetzt hinter ihr stand, schob sie über die Schwelle. »Stellen Sie die Tüte vorerst auf den Tisch. Bevor wir auspacken, muß ich die Hütte nach Kakerlaken absuchen.«
Remy tat wie geheißen und sah sich danach in der Hütte um. Sie bestand eigentlich nur aus einem Raum, wies jedoch eine zweite Tür auf, auf die jemand eine Mondsichel gemalt hatte, um sie als WC-Tür zu kennzeichnen.
»Das Abwasser aus der Toilette läuft – meistens – in einen Klärgrubenbehälter drüben auf der Halbinsel«, erklärte er ihr. »Hier gibt’s auch fließendes Wasser, aber ich rate Ihnen, nur Mineralwasser zu trinken. Waschen kann man sich vor dem Regenwasserfaß an der Westwand. Baden oder schwimmen im Bayou ist nicht empfehlenswert.«
Sie warf ihm einen bösen Blick über die Schulter zu, bevor sie an eins der Fenster trat und die Lamellen des Fensterladens öffnete. Der Tag war so grau und wolkenverhangen, daß nur wenig Licht hereinfiel. Trotzdem wurde es im Hütteninnern dadurch etwas heller.
An einer Wand stand ein altes Sofa, das aussah, als wäre es bei der Möbelsammlung der Wohlfahrt abgelehnt worden. In der Raummitte stand ein Küchentisch aus den fünfziger Jahren mit Resopalplatte und rostigen verchromten Beinen. Die Beine der drei Küchenstühle waren ähnlich korrodiert, aber ihre hellblauen Kunstlederpolster waren tadellos erhalten. Remy sah nur einen zweiflammigen Gaskocher, keinen Kühlschrank.
»Hier gibt’s keinen Strom«, sagte er, als errate er ihre Gedanken. »Aber wir haben ein Gasheizgerät, und ich habe von Dredd eine volle Gasflasche mitgebracht. Ist Ihnen kalt?«
»Bisher nur kühl.«
Er machte sich daran, das Heizgerät in Betrieb zu setzen; sie sah sich weiter in der Hütte um. Außer einer Kommode und einigen eher zufällig verteilten Tischen und Wandregalen war das einzige größere Möbelstück ein breites Bett. Die Sprungfedern hatten sich nach draußen gebohrt; sie waren rostig. Die Matratze war mit blau-weißem Drell überzogen, der hoffnungslos fleckig war. Über dem Bett hing ein zusammengebundenes Moskitonetz.
Während sie noch das Bett betrachtete, landete ein vollgestopfter Kopfkissenbezug mitten auf der Matratze. »Ich habe frische Bettwäsche mitgebracht«, erklärte Basile. »Während ich das Ungeziefer ausräuchere und dieses Zeug wegräume, können Sie das Bett machen.«
Sie war dankbar, eine Aufgabe zu haben, die sie auf andere Gedanken brachte. Sie schüttelte den Inhalt des Kopfkissenbezugs aufs Bett und sah erleichtert, daß er daran gedacht hatte, nicht nur weiße Bettwäsche, sondern auch einen wattierten Matratzenschoner einzupacken. »Wie lange bleiben wir hier?«
»Bis Ihr Mann uns gefunden hat.«
»Er findet uns.«
»Darauf zähle ich.«
»Vielleicht sollten Sie auch darauf zählen, daß er Sie erschießt.«
Er war damit beschäftigt, Konservendosen aus der blauen Tüte in ein primitives Regal zu räumen. Jetzt machte er eine Pause, stellte eine Dose genau in die Mitte des unteren Fachs und drehte sich dann langsam zu Remy um.
»Ich sollte Ihnen wohl fairerweise erzählen, daß ich vor ein paar Wochen meine Pistole in der Hand hatte und daran dachte, mir eine Kugel in den Kopf zu jagen. Ich habe es nur nicht getan, weil ich erst noch die Männer erledigen wollte, die meinen Freund auf dem Gewissen haben. Was danach aus mir wird, ist mir völlig egal.«
»Da täuschen Sie sich, Mr. Basile. Wenn Sie erst einmal vor die Wahl zwischen Leben und Tod stehen, werden auch Sie sich fürs Leben entscheiden.«
»Wie Sie meinen«, sagte er gleichmütig und arbeitete weiter.
»Was ist mit Ihrer Familie?«
»Ich habe keine.«
»Keine Frau?«
»Nicht mehr.«
»Oh, ich verstehe.«
»Nein, das tun Sie nicht.« Er knüllte die leere Papiertüte zusammen. »Ich habe Ihnen das alles nicht erzählt, um ein Gespräch anzufangen. Ich habe es Ihnen erzählt, damit Sie mir und sich alle Einschüchterungsversuche ersparen, die Ihnen vielleicht noch einfallen. Sie nützen Ihnen nichts. Ich weiß bereits, was für ein schlimmer Bösewicht Ihr Mann ist. Er wird mich nicht daran hindern, Kevin Stuarts Tod zu rächen.«
Er warf die Papiertüte in eine Ecke und ging dann hinaus, um weitere Sachen aus dem Boot zu holen. Das Gasheizgerät gab bereits spürbar Wärme ab. Remy schlüpfte aus der Seglerjacke und Dredds altem Pullover und machte sich daran, das Bett zu beziehen. Als sie im Bettkasten eine zusammengelegte Bettdecke sah, zog sie den Kasten heraus, griff nach der Decke und roch vorsichtig daran. Sie war einigermaßen sauber, mußte aber ausgeschüttelt werden.
Sie kam nur bis zur Tür. Dort begegnete sie Basile, der einen Seesack auf der Schulter trug. »Wohin wollen Sie?«
»Ich will die Decke ausschütteln.«
Er stellte seinen Seesack auf dem Steg ab. »Geben Sie her. Ich schüttle sie aus.«
Er hielt die Decke über den Rand des Stegs und schüttelte sie kräftig aus. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß sich kein Ungeziefer in der Bettdecke eingenistet hatte, gab er sie ihr zurück. »Jetzt ist sie sauber.«
»Danke.«
Als sie sich abwandte, hörte sie ihn hinter sich halblaut fluchen. »Legen Sie die Decke weg.«
»Warum, was ist los?«
»Tun Sie’s einfach.«
Er wartete nicht darauf, daß sie seine Anweisung befolgte, sondern nahm ihr die Decke aus der Hand und warf sie aufs Bett. Dann drehte er Remy um, so daß sie ihm den Rücken zukehrte, und zog ihr das Flanellhemd aus der Hose, die Dredd ihr geliehen hatte. Bevor sie protestieren konnte, schob er das Hemd bis zu den Schultern noch, so daß er ihren nackten Rücken vor sich hatte.
»Was machen Sie da?«
»Sie haben Blutflecken auf dem Hemdrücken. Einige der Wunden müssen aufgeplatzt sein. Wenn sie sich entzünden, reißt Dredd mir den Kopf ab. Setzen Sie sich.« Er zog einen Stuhl unter dem Küchentisch hervor und legte ihr eine Hand auf die Schulter, um sie auf den Sitz zu drücken. Remy sträubte sich jedoch. »Was ist los? Was haben Sie?«
»Ich bin von einem Mann entführt worden, der mir eben erklärt hat, daß er mehrere Menschen umbringen will. Vielleicht liegt es daran, daß ich ein bißchen nervös bin.«
Er fluchte wieder. »Ich tue Ihnen nichts, okay? Sie brauchen nicht jedesmal zusammenzuzucken, wenn ich in Ihre Nähe komme. Setzen Sie sich jetzt hin und drehen Sie sich um.«
Sie gehorchte, blieb aber am äußersten Stuhlrand sitzen.
Dredd hatte alles Nötige in eine Segeltuchtasche gepackt. Basile stellte sie auf den Tisch und rollte dann ihr Flanellhemd bis zum Hals nach oben, damit es nicht bei der Arbeit störte. Remy hielt es dort fest, indem sie ihre Arme vor der Brust kreuzte. Er tupfte die blutenden Wunden mit einem Wattebausch ab, den er mit einem Antiseptikum getränkt hatte.
»Brennt’s?«
»Nein«, log sie. Es brannte wie Feuer, aber sie erduldete den Schmerz mit stoischer Gelassenheit.
Er arbeitete systematisch und schweigend, reinigte zuerst ihre Wunden und bestrich sie dann mit Dredds Heilsalbe. Seine Bewegungen waren laienhaft unsicher; er besaß weder Dredds Geschicklichkeit noch seine heilenden Hände. Und er verstand es nicht, während der Behandlung beruhigend auf die Patientin einzureden. Sein Schweigen war unbehaglicher als das Brennen des Antiseptikums.
»Wie oft kommen Sie hierher?«
»Nicht so oft, daß jemand mich hier suchen wird – für den Fall, daß Sie hoffen, ein Freund könnte vorbeikommen.«
»Das tue ich nicht.«
»Wie auch immer.«
»Kommen Sie meistens allein her?«
»Manchmal mit meinem Bruder.«
»Für zwei Männer ist die Hütte schrecklich klein.«
»Wir knobeln, wer das Bett bekommt.«
»Der Verlierer schläft auf dem Sofa?«
»Hmm.« Er klappte den Deckel der Salbendose zu, um ihr zu signalisieren, daß er fertig war. »Die Wunden müssen aufgebrochen sein, als Sie das Bett gemacht haben. Am besten schonen Sie sich für den Rest des Tages ein bißchen.«
»Was ist mit mir?«
»Was soll mit Ihnen sein?«
»Muß ich mit Ihnen um das Bett knobeln?«
Als er nicht gleich antwortete, sah sie sich zu ihm um. Sie hatte zwar weiterhin die Arme vor der Brust gekreuzt, aber der Hemdrücken war noch bis zum Hals hochgerollt. Als sie über ihre nackte Schulter blickte, erkannte sie zu spät, daß ihre Fragen provokant geklungen haben mußten.
»Wie sähe dabei der Einsatz aus, Mrs. Duvall? Habe ich bei Zahl verloren und muß aufs Sofa? Gewinne ich bei Kopf und bekomme das Bett und Sie dazu?« Er lächelte verächtlich. »Wahrscheinlich müßte ich mich geschmeichelt fühlen, weil Sie sich Duvall weit teurer verkaufen. Aber meine Antwort lautet trotzdem: Nein, danke.«
»Mrs. Duvall?«
Del Ray Jones brachte sein Gesicht bis auf eine Handbreit an das seines Kunden heran. »Hab’ ich gestottert?«
»Nein, aber Sie haben die schlimme Angewohnheit, beim Reden zu spucken, Del Ray. Ihre Mama hätte dafür sorgen sollen, daß Sie als kleiner Junge eine Zahnspange bekommen.«
Del Rays Knopfaugen wurden noch kleiner. »Wenn Sie sich ein bißchen Mühe geben, fällt Ihnen bestimmt etwas zu Mrs. Duvall ein.«
»Mrs. Pinkie Duvall?«
»Sehen Sie, Sie wissen bereits mehr, als Sie ursprünglich geglaubt haben.«
»Bloß gut geraten«, sagte der andere Mann und bewegte die Schultern, als wollte er eine Verkrampfung lösen. »Falls Sie Pinkies Alte meinen, so habe ich sie noch nie gesehen und weiß überhaupt nicht, wovon Sie reden.«
Del Ray legte den Kopf schief und grinste herausfordernd. »Ach, kommen Sie. Lügen Sie den alten Del Ray nicht an. Dafür sind wir schon zu lange Freunde.«
»Freunde? Daß ich nicht lache! Sie sind nicht mein Freund. Sie sind ein ekelhafter Kerl.«
»Das trifft mich tief«, behauptete Del Ray und legte eine Hand aufs Herz. »Ehrenwort, daß Sie nichts über Mr. Duvalls Frau wissen?«
»Ehrenwort.«
»Sie haben nicht gehört, daß sie verschwunden ist?«
»Verschwunden?«
»Gut, gut. Das war echt gut. Wirklich aufrichtig. Wenn ich’s nicht besser wüßte, könnte ich wirklich glauben, diese Nachricht habe Sie überrascht.«
Der andere Mann zuckte mit den Schultern. »Okay, ich habe Gerüchte gehört, aber keine Tatsachen. Lassen Sie mich jetzt in Ruhe. Wir treffen uns wie vereinbart am Freitag. Vorher will ich Ihr häßliches Gesicht gar nicht sehen, verstanden?«
Als sein Kunde sich abwandte, hob Del Ray blitzschnell die rechte Hand. Ein Schnappmesser blitzte auf. Er drückte die Klinge leicht an die Backe des anderen. Del Ray lächelte nicht mehr – nicht einmal bösartig –, als er sagte: »Sie könnten versuchen, nach Ihrer Pistole zu greifen, aber Ihr Gesicht wäre hinüber, bevor Sie mich erschießen.«
»Sie haben mir Zeit bis Freitag gegeben«, sagte der Mann, der kaum die Lippen bewegte. »Dann bekommen Sie Ihr Geld.«
»Sie haben mich schon früher angelogen.«
»Diesmal nicht. Ich habe das Geld schon in Aussicht.«
»Ohne Scheiß?«
»Ich schwör’s Ihnen!«
»Also passen Sie auf.« Del Ray ließ das Messer sinken und schlug sich mit der flachen Klinge in die Hand, als denke er über etwas nach, was ihm gerade eingefallen war. »Wenn Sie jetzt mitkommen, kann ich vielleicht jemanden dazu überreden, Ihre Schulden für Sie zu bezahlen.«
»Meine Schulden für mich bezahlen?«
»Und Sie haben behauptet, ich wäre nicht Ihr Freund. Schämen Sie sich!« Der Kredithai schob seinen Kunden zu einem am Randstein geparkten Cadillac. »Mr. Duvall möchte Sie sprechen.«
»Pinkie Duvall will mich sprechen?«
»Ja. Und ist es nicht nett von ihm, daß er Ihnen eine persönliche Einladung zukommen läßt?«
»Ich freue mich, daß Sie so kurzfristig kommen konnten, Mr. McCuen.«
Mac betrat Pinkie Duvalls luxuriös eingerichtetes Arbeitszimmer. Del Ray Jones und Wayne Bardo blieben ihm auf den Fersen. Wenn dies nicht die Löwengrube war, wußte er nicht, wo sie sonst liegen sollte. Und wer Daniel war, stand ebenfalls fest. Duvall hielt eindeutig alle Trümpfe in der Hand.
Er bemühte sich, nonchalant zu wirken, als er in dem angebotenen Sessel Platz nahm. Jones und Bardo postierten sich rechts und links neben ihm. Mac sah dem Anwalt offen ins Gesicht. »Schön, hier bin ich also, Duvall. Was wollen Sie von mir?«
»Ich will meine Frau zurückhaben.«
»Zurückhaben?« Mac rang sich ein Grinsen ab. »Ist sie Ihnen verlorengegangen? Nun, ich habe sie nicht, aber Sie dürfen mich gern durchsuchen.«
Er merkte, daß Duvall keinen Sinn für diese Art Humor hatte. »Da gibt’s nichts zu lachen, McCuen. Meine Frau wurde entführt.«
»Verdammt, was Sie nicht sagen!« rief Mac aus. Er sah erst zu Del Ray, dann zu Bardo auf und zog die Augenbrauen hoch, um zu demonstrieren, wie sehr ihn diese wichtige Besprechung beeindruckte. Anschließend wandte er sich wieder an Duvall. »Für Entführungen ist das FBI zuständig. Was soll ich in dieser Sache unternehmen?«
»Es geht nicht darum, ein Verbrechen aufzuklären. Ich weiß, wer sie entführt hat. Burke Basile.«
Obwohl Mac damit gerechnet hatte, längst darauf gefaßt gewesen war, sogar selbst zu diesem Schluß gelangt war, machte erst Duvalls Mitteilung diese Tatsache offiziell.
Douglas Patout war nervös gewesen, seit er den Zeitungsbericht über den merkwürdigen Vorfall im Café Crossroads gelesen hatte. Er hatte Mac angeblafft, als der sich danach erkundigt hatte, was Patout im Jefferson Parish in Erfahrung gebracht habe. Mac hatte ihn mit Fragen bestürmt, aber Patout hatte sich geweigert, auf Einzelheiten einzugehen, und statt dessen behauptet, das Ganze sei tatsächlich kein Fall für die Polizei. Vielleicht war es offiziell kein Fall für die Polizei, aber zumindest war ihm nun klar, wieso Patout so verstört war – seine Befürchtung, Basile könnte in diese Sache verwickelt sein, hatte sich bestätigt.
Basile hatte gute Gründe für einen Rachefeldzug gegen Duvall. Aber er hatte ihn verdammt dramatisch begonnen. War Rache wirklich sein einziges Motiv? fragte Mac sich. Der Gedanke, dahinter könnte mehr stecken, als auf den ersten Blick zu erkennen war, war beunruhigend. Mac sagte sich jedoch, die beste Methode, mehr Auskünfte von Duvall zu erhalten, sei bestimmt, sich weiter dumm zu stellen.
»Wie kommen Sie darauf, daß Basile Ihre Frau hat? Was sollte er denn mir ihr anfangen? Ah«, sagte er dann, als wäre ihm plötzlich ein Licht aufgegangen. »Rache für Kevin Stuart, möchte ich wetten.«
Duvall sah zu Bardo hinüber und zuckte auf eine Art, die Mac nervös machte, mit den Schultern, fast als wollte er sagen: Ich hab’s auf die nette Tour versucht, aber das klappt nicht. »McCuen, ich bin müde, besorgt und sauer. Deshalb will ich geradewegs zur Sache kommen.«
»Gut. Ich hab’ auch Wichtigeres zu tun.«
»Trotz Ihrer lukrativen Nebenbeschäftigung schulden Sie Del Ray rund fünfzigtausend Dollar, nicht wahr?«
Macs Lage war kritisch gewesen, als die Kreditkartengesellschaften gedroht hatten, seine Kreditkarten zu sperren, wenn die Konten nicht ausgeglichen wurden. Er konnte Toni nicht erzählen, daß er sein Einkommen verspielt hatte, anstatt damit ihre Schulden zu tilgen. Und er konnte sie nicht auffordern, die von einer Sperre bedrohten Kreditkarten nicht mehr zu benützen.
Weil Mac dringend Geld brauchte, hatte er Hilfe gesucht, die sich ihm in der abstoßenden Gestalt von Del Ray Jones angeboten hatte. Del Ray hatte ihm etwas Geld geliehen, das Mac prompt beim Super Bowl verwettet hatte. Als er den ersten Kredit nicht zurückzahlen konnte, hatte Del Ray ihm noch mehr Geld geliehen. Und noch mehr.
Jetzt schwor er sich, für den Rest seines Lebens die Finger von allen Glücksspielen zu lassen, wenn er dieses Gebäude heil und ganz verlassen konnte. Er würde nie mehr auf Pferde oder große Sportereignisse wetten. Er würde Blackjack, Würfeln und Poker abschwören. Er würde schlagartig mit allem aufhören. Verdammt, er würde nicht einmal mehr Kopf-oder-Zahl spielen.
Duvall wußte offenbar von seinen Schulden, also konnte er sie ebensogut eingestehen. »Wohl eher fünfunddreißigtausend.«
»Heute ab Mitternacht sind es fünfzigtausend«, erklärte Duvall. »Und morgen noch mehr. Oder …« Er machte eine Pause, um die Gewißheit zu haben, daß Mac gut zuhörte. »Oder Sie könnten Ihre Schulden loswerden. Voll und ganz. Sie haben die Wahl.«
Da Mac wußte, mit welchen Methoden Duvall arbeitete, war ihm bewußt, daß dieses Angebot zu schön war, um wahr zu sein. Sein Herz dachte nicht daran, vor Freude schneller zu schlagen. »Als Gegenleistung wofür?«
»Basile.«
Mac lachte ungläubig. »Ich weiß ja nicht mal, wo er ist!«
»Sie müssen irgendeinen Verdacht haben.«
»Er hat sich mir nie anvertraut, als wir noch zusammengearbeitet haben«, sagte Mac. Er hörte, wie dünn seine Stimme vor Nervosität geworden war. »Und jetzt tut er’s erst recht nicht, das können Sie mir glauben!«
»Er war am Tag vor der Entführung meiner Frau zum Abendessen bei Ihnen.«
Mac schluckte trocken. Gott, der Mann wußte anscheinend alles. »War nur eine Geste von mir – ein Abschiedsessen, sonst nichts.«
»Er hat Ihnen den Entführungsplan also nicht erläutert?«
»Teufel, nein! Hören Sie, Mr. Duvall, Basile vertraut sich niemandem an. Nach Stuarts Tod ist er erst recht schweigsam geworden. Keiner steht ihm wirklich nahe – auch Patout nicht. Basile fühlt sich am wohlsten, wenn er allein ist.«
»Richtig«, knurrte Duvall. »Und im Augenblick ist er mit meiner Frau allein.«
»Schon möglich, aber darüber weiß ich nichts. Sie haben Ihre Zeit vergeudet.« Mac stand auf, machte kehrt und sah sich plötzlich Del Ray gegenüber. »Die Fahrt zu mir raus hätten Sie sich sparen können, Arschloch. Ich habe Ihnen gleich gesagt, daß ich nichts über diese Geschichte weiß. Ihr Geld bekommen sie wie versprochen am Freitag.« Er stieß den Kredithai beiseite und ging zur Tür.
Hinter ihm sagte Duvall: »Schlafen Sie eine Nacht darüber, McCuen. Durchforschen Sie Ihr Gedächtnis. Vielleicht hat Basile Ihnen einen versteckten Hinweis gegeben, an den Sie sich im Moment nur nicht erinnern.«
Mac griff nach dem Türknauf und zog die Tür auf. »Ich habe keine Ahnung, wo Basile steckt. Belästigen Sie mich nicht wieder mit dieser Sache.«
»Mr. McCuen?«
»Was?« Mac war zornig und ängstlich. Wo zum Teufel sollte er fünfzigtausend Dollar auftreiben? Und noch dazu bis Freitag! Selbst wenn es ihm gelang, Del Ray zu einem nochmaligen Zahlungsaufschub zu überreden, war das Problem Duvall damit nicht gelöst. Er drehte sich um und starrte den Anwalt mit einer Selbstsicherheit an, die er nicht empfand. »Was gibt’s, Duvall?«
»Grüßen Sie Ihre Frau von mir.«
Macs Herz begann zu jagen. »Meine Frau?« krächzte er heiser.
»Toni ist ein so bezauberndes Wesen.«
Mac sah zu Bardo hinüber, der einen obszönen Schmatzlaut von sich gab, bei dem Del Ray kichern mußte.
Als Mac langsam die Tür von Pinkie Duvalls Arbeitszimmer schloß, war er noch drin.