Kapitel 26

Carolin saß an einen Baum gelehnt und hielt sich ihre linke Brustseite. Sie hatte das Gefühl, ihr Herz würde gleich aus ihren Rippen springen. Noch nie hatte sie so etwas wie das hier gefühlt. Es war ein Cocktail an Emotionen, der durch ihren Körper fuhr. Angst, Panik, Schock, Neugierde, Fassungslosigkeit, Schwindelgefühle, Aufregung. Dieser Mix hatte dafür gesorgt, dass sie den Boden unter ihren Füßen verloren hatte. Als Nächstes fand sie sich auf dem Rasen liegend wieder und musste würgen – was sie, Gott sei Dank, unterdrücken konnte.

Zittrig kramte sie nun ihr Handy hervor und überlegte, wen sie anrufen sollte. Sie blickte zur Seite zu den verkohlten Überresten, die mal ein Mensch gewesen sein mussten.

»Mein Gott«, hauchte sie und sah sich um. Warum war hier kein Spaziergänger, Jogger oder Radfahrer, wenn man einen brauchte?

Sie stützte sich an den Baum und richtete sich auf. Ihr Magen machte noch eine Pirouette, aber auch diesen Anflug des Erbrechens konnte sie abwenden.

Die Polizei!

Wen sonst sollte sie anrufen? Warum war sie nicht direkt darauf gekommen?

Ich stehe unter Schock , dachte sie

Peter Kleiton.

Sie hatte vor ein paar Monaten Marihuana in der Tasche gehabt und war auf dem Altstadtfest von einer zivilen Streife damit erwischt worden. Einer dieser Beamten war Peter Kleiton. Sie hatte solche Angst gehabt, dass sie dafür ins Gefängnis müsste, dass sie auf der Stelle angefangen hatte zu weinen. Peter Kleiton hatte sich einfühlsam um sie gekümmert und sie beruhigt. Zwar hatte er trotzdem eine Anzeige gegen sie geschrieben, jedoch parallel dafür gesorgt, dass nicht sie belangt wurde, sondern der Dealer an ihrer Schule die Quittung bekommen hatte. Ihr Verfahren wurde eingestellt. Carolin vertraute ihm, und seine Nummer war in ihrem Handy gespeichert.

Sie wählte, und das Freizeichen ertönte dreimal, ehe die Leitung freigegeben wurde.

»Peter Kleiton hier. Hallo, Carolin. Alles in Ordnung?«

»Herr Kleiton?«

»Ja, was ist los?«

»Hier ist etwas Schlimmes passiert«, sagte sie.

Kurze Pause in der Leitung.

»Geht es wieder um Drogen?«, fragte der Polizeibeamte.

»Nein. Ich komme sofort zu Ihnen. Ich muss hier weg.«