Albert saß in der Wanne und spürte, dass die elektrische Herdplatte neben ihm wärmer wurde.
Was für Arschlöcher gibt es auf der Welt! , urteilte er über die Menschen, die offensichtlich Geld überwiesen, damit er qualvoll starb. Sein Mund war betäubt, nachdem ihm eine Substanz in die Zunge injiziert worden war. Sein Entführer hatte sie ihm verpasst, kurz bevor er gegangen war. Damit wollte er verhindern, dass Albert seinen Aufenthaltsort oder den Darknetkiller enttarnte. So war er mit jedem seiner Opfer verfahren. Er hatte Albert vor seinem Abgang aufgeklärt. In allen Einzelheiten hatte er erzählt, was ihn angetrieben hatte, diese Morde zu begehen. Als wäre dies dem Killer wichtig gewesen, bevor auch Albert starb. Quasi als Beichte und um Verständnis bittend. Dann saß er hier allein in dem Benzin und sah sein Ende näher kommen. Außer Emine schaute zu und erkannte die einzige Chance, die ihm blieb.
Plötzlich ertönte ein Geräusch.
Da draußen war jemand. Albert hörte ein Fahrzeug und Schritte. Er schrie, aber es blieb nur ein stumpfes Brummen und Stöhnen in seinen Rufen hängen. Niemand würde ihn so verstehen. Konnte man ihn hier überhaupt hören, auch wenn er klar sprechen könnte? Sicher nicht. Aber da war jemand vor der Tür. Sein Entführer? Albert versuchte sich aufzurichten. Das gelang ihm nicht. Nicht in einer engen Wanne mit gefesselten Füßen und Händen.
Und auf einmal öffnete sich die Metalltür hinter der Kamera.
»O Mann«, sagte Tarek und schüttelte den Kopf. Er konnte nicht ertragen, was er dort sah. Auch Emine brauchte mehrere Momente, um zu begreifen, was sie da vor sich hatte.
Nicht Albert. Das stand fest.
Die Beamten des SEK hatten den Keller verlassen, um Platz für die Spurensicherung zu machen. Emine war da bereits durch die Tür in den nächsten Raum gegangen.
»Wer ist das?«, fragte Tarek.
Vor ihnen saß ein Mann auf einem Stuhl. Wie es aussah, war er schon einige Zeit tot. Die Haut war ledrig, eingefallen, und es roch nach Verwesung. In der Stirn des Mannes prangte ein Loch. Vermutlich von einer Schusswunde. Viel bizarrer waren allerdings zwei weitere Anblicke. Um den Mann herum lagen die abgetrennten Köpfe von Simon Fietz, Bettina Kemper und Aaron Lischke. Diese blickten zu dem Toten mit geöffneten Augen hinauf. Und auf alten Matratzen lagen links und rechts in den hinteren Ecken zwei skelettierte Leichen. Sie waren mit frischen Blumen geschmückt, und Totenkerzen brannten neben ihnen, als wäre dies eine Gruft.
»Sieh dir das an«, meinte Tarek. Er zeigte auf das Waschbecken, die Dusche und die Teppiche auf dem Boden. »Ob die zwei Toten auf den Matratzen früher hier unten gelebt haben?«
»Ich weiß es nicht. Irgendwas ganz Schreckliches ist hier passiert. Ihre Gebeine sind in Ketten gelegt.«
Emines Handy vibrierte, und eine fremde Nummer rief an.
»Hallo?«, meldete sie sich.
»Oberkommissarin Laub, ich bin Kriminalkommissar Mats Gello, der Kollege, der Sie vorhin angesprochen hat. Weil eine Frau Sie sprechen wollte. Frau Laura Kunst, erinnern Sie sich?«
»Ja, momentan bin ich wirklich besch…«
»Tut mir leid, wenn ich Sie unterbrechen muss. Frau Kunst hat sich jetzt konkreter geäußert. Sie weiß, wer die Daten aus dem System des Jugendamtes gelöscht hat und was genau das für Daten waren. Es ist dem Jugendamt gelungen, die gelöschten Dokumente wiederherzustellen!«
»Ist sie bei Ihnen?«
»Sie steht neben mir.«
»Geben Sie ihr das Telefon!«