»Da!«, schrie sie, und Tarek raste mit dem Auto einen Holzzaun um und kam vor einem kleinen Fachwerkhaus zum Stehen.
Emine sprang aus dem Wagen, entsicherte ihre Dienstwaffe und rannte neben ihrem Kollegen auf die metallene Eingangstür zu. Sie konnten es sich nicht leisten, auf das SEK zu warten. Beim Laufen erkannten sie neben der Hütte unter einem Vordach eine Pumpe von Einhell, die offensichtlich Grundwasser in ein vorbeiführendes Becken spülte.
»Eins, zwei, drei!«, sagte Tarek und riss an der Tür.
Verschlossen!
Er hob seine Dienstwaffe und feuerte zweimal neben den Türgriff. Der Schließzylinder wurde förmlich zerrissen und fiel aus seiner Halterung. Wieder zog Tarek an der Tür. Dieses Mal ging sie nach außen auf. Sie nahmen blendendes Licht wahr, und Emine durchschritt zuerst die Eingangstür.
Ihr Instinkt erkannte gleich mehrere Umstände auf einmal. Sie sah einen Laptop auf einem Tisch, und auf dem Bildschirm erkannte sie, dass es fast geschafft war, die Marke von 100.000 Euro zu erreichen. Zwei Scheinwerfer standen neben einem Kamerastativ, die eine Wanne und den darin befindlichen Albert ausleuchteten. Links daneben saß ein Mann, den Emine sofort als Jakob Reckling erkannte. Der Mann sprang auf, sein Stuhl kippte zur Seite und schlitterte klappernd über den Boden. Er griff zu seiner Pistole auf dem Tisch, die einen langen Schalldämpfer aufgeschraubt hatte. Dabei kippte er einen der Scheinwerfer um, der daraufhin auf die Wanne stürzte und dessen heißer Glühschirm knapp vor Alberts Gesicht stoppte. Aber darum konnte sich Emine erst gleich kümmern.
Sie hob ihre Waffe schneller als Reckling.
Drei Schüsse peitschten durch den Raum.
Der erste traf in den Kopf, der zweite in die Brust, der dritte wieder in den Kopf.
Sein Körper sackte in sich zusammen. Es war nicht wie in einem Kinofilm, wo der Getroffene noch theatralisch nach hinten stürzte. Im echten Leben sackte ein Mensch, der auf der Stelle tot war, einfach in sich zusammen, als hätte man ihm ein paar Knochen entfernt. Tarek schoss auf Verdacht sein halbes Magazin in den Transistor, weil 100.000 Euro soeben erreicht worden waren und die Herdplatte in der Wanne nun ihre maximale Temperatur erreichen würde. Damit rettete er Alberts Leben, weil kein Strom mehr floss und die Herdplatte nicht mehr heiß genug wurde. Emine rannte zur Wanne, stieß den Scheinwerfer zur Seite, der auf dem Boden Funken sprühend zerbrach.
»Tarek!«
»Bin da!«
Er zückte ein Taschenmesser, schnitt den Ledergürtel durch, und beide zogen Albert aus der Wanne.
Albert öffnete langsam die Augen und sah Emine an, die ihre Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. Auch Tarek weinte lautlos, sackte neben den beiden auf dem Boden zusammen und sagte: »Und ich dachte beinahe schon, wir würden es spannend machen.«