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Z ürich, 2003

Es war kurz nach fünf Uhr abends. Der Gastraum der Pizzeria Geppino in Zürich-Altstetten war noch leer.

Gehrig saß an einem Tisch neben der Theke, vor ihm eine ausgetrunkene Stange Bier. Keller ahnte, dass es nicht sein erstes Glas war an dem Abend.

»Urs?«

Urs Gehrig drehte langsam den Kopf und sah sich leicht verwundert um. »David …?«

Gehrigs Blick wirkte stumpf, seine Augen trugen dunkle Ringe und schimmerten glasig. Karl hatte richtiggelegen. Vor ihm saß nicht mehr jener Urs Gehrig, den er als junger Kripo-Beamter kennengelernt hatte, einen energischen Ermittler, leidenschaftlichen Hundeführer und Marathonläufer. Im Büro hatten sie Gehrig »Duracell« genannt, denn wie dem Hasen in der Werbung schien Gehrig die Energie nie auszugehen. Jetzt war davon nichts mehr zu sehen. Sein Atem roch nach Alkohol.

»Hast dich verlaufen? Bist du nicht in Bern, bei den ganz Schlauen?«

Keller versuchte, Gehrigs Zustand zu ignorieren. »Überhaupt nicht«, antwortete er betont gelassen und setzte sich. »Im Büro sagte man mir, du wärst vielleicht hier. So was wie dein Stammlokal?«

Gehrig lachte verhärmt auf. »Mein Stammlokal? Blödsinn.«

»Wie läufts? Wie gehts Theo, deinem Spürhund?«

Ein Herr im bereits gesetzteren Alter mit dickem Bauch war hinter der Theke erschienen. Gehrig hob sein Glas.

»Pino, un altra.«

»Certo, Urs. E per il signore?« Nicht nur der Name der Pizzeria, auch das Personal war offenbar authentisch italienisch. Keller bestellte einen Espresso.

Gehrig schien keine Absicht zu haben, auf Kellers Fragen einzugehen. Auf seine Art hatte sein Kollege ja bereits alles gesagt.

»Was willst du hier?«, fragte Gehrig, ohne aufzuschauen.

Pino kam mit den Getränken an den Tisch. Keller nickte höflich und wandte sich wieder Gehrig zu.

»Gut, Urs. Ich sehe, du bist beschäftigt. Ich will dich auch nicht länger aufhalten. Eine Frage nur: 1996 fand man bei einem Waldstück hinter dem Golfclub Breitenloo östlich vom Flughafen einen gewissen Peter Röthlisberger.« Gehrigs Kopf zuckte hoch, in seinen Augen blitzte ein Flackern auf. Keller fuhr fort. »Am Steuer seines Autos, mit einer Kugel im Kopf. Röthlisberger war Pilot bei einer Business-Airline. Du hast den Ermittlungsbericht geschrieben. Du erinnerst dich?«

Gehrig starrte schweigend auf einen imaginären Punkt vor sich auf dem Tisch.

Keller war sich nicht sicher, ob ihm sein Kollege überhaupt zugehört hatte. »Urs? Was mich interessiert: Dein Bericht besagt, es war Selbstmord. Kannst du dich erinnern?«

Gehrig griff zum Bierglas und trank es in einem Zug aus. Keller bemerkte das leise Zittern von Gehrigs Händen.

»Du hast ja den Bericht gelesen. Steht alles drin.«

»Ja, hab ich. Wirtz hat ihn mir gegeben. Wir stellen uns die Frage, ob es wirklich ein Suizid war. Deshalb wollte ich mit dir reden.«

Zum ersten Mal sah Gehrig Keller direkt in die Augen.

»Wenn nicht Suizid, was dann, David? Mord? Willst du das sagen?«

Keller hob die Schultern. »Ja. Möglicherweise.«

Gehrig sah Keller mit einem müden, selbstverachtenden Grinsen an. »Ich verstehe. So ist das also. Was willst du damit sagen? Dass ich Mist gebaut habe? Dass ich Mord nicht von Selbstmord unterscheiden kann?«

»Niemand behauptet das. Darum gehts nicht. Sondern darum, dass du damals nicht wissen konntest, was wir heute zu wissen glauben.«

Gehrig nickte ein paarmal stumm vor sich hin. »Ja, ich weiß. Und jetzt verschwinde«, sagte Gehrig plötzlich leise. Seine Stimme bebte.

Keller sah ihn erstaunt an. »Du weißt? Was weißt du? Ich glaube, du verstehst das völlig falsch, Urs. Es geht nicht um …«

Gehrig hieb mit beiden Fäusten derart auf den Tisch, dass das leere Glas kippte, zu Boden fiel und klirrend zersprang. Gehrigs Gesicht hatte sich in eine wütende Fratze verwandelt.

»Ich hab gesagt, raus hier!« Die letzten Worte hatte Gehrig förmlich in Kellers Gesicht gespuckt.

Keller starrte sein Gegenüber für einen langen Moment an, sprachlos über das, was er gerade erlebte. Wars das? Wenn er Gehrig ansah, wie er das nächste Glas bestellte und in einem Zug wegkippte, war die Antwort wohl ein Ja. Keller schüttelte fassungslos den Kopf, erhob sich und ging. Die Hoffnung auf Informationen, die sie hätten weiterbringen können, hatte sich innerhalb von Minuten zerschlagen. Verärgert über Gehrig und sich selbst ging er über den Vorplatz zu seinem Fahrzeug zurück, steckte sich eine Zigarette an und wählte Mosers Nummer. Eigentlich hätte er bei Geppino zu Abend essen wollen, er hatte nur Gutes gehört. Auch dieser Plan hatte sich erst mal in Luft aufgelöst.

»Was für ein Arschloch«, platzte es aus ihm heraus.

»Gehrig? Ein Sonderling war Urs schon immer. Was hast du herausgefunden?«

»Sonderling ist gut. Urs hat ein Alkoholproblem, Pius. Er ist ausgeflippt. Er hat nichts gesagt, außer ›ich weiß‹. Weiter bin ich nicht gekommen.«

»Er weiß? Das hat er gesagt? Was meint er damit?«

»Woher soll ich das wissen? Was ich hingegen sagen kann, es war nicht unsere letzte Unterhaltung. Wirtz hatte wohl das richtige Gespür. Lass uns das morgen weiter besprechen.«

Keller bemerkte eine Imbissbude auf der gegenüberliegenden Straßenseite – und das war immer noch besser, als hungrig nach Hause fahren. Er ließ sich eine St. Galler Bratwurst mit Brot und einer Rivella geben, stellte sich an einen wackeligen Stehtisch und überlegte, was das eben zu bedeuten hatte. Gehrigs heftige Reaktion, das kryptische ›ich weiß‹. Verdammt. Wusste Gehrig mehr über Röthlisbergers Tod? Wieso sein Absturz? Keller hatte keinen Schimmer. Es konnte tausend Gründe dafür geben.

Immerhin konnte er Julie sagen, dass er früher zurück war. Wenn er sich beeilte, reichte es vielleicht noch für einen Kinobesuch, Catch me if you can mit dem schönen Leonardo DiCaprio stand aktuell ganz oben auf Julies Wunschliste.

Keller hatte gerade zum Telefon gegriffen, als laute Wortfetzen von der gegenüberliegenden Straßenseite zu hören waren. Vielleicht ein Streit? Eine Hecke verdeckte die Sicht, Keller musste sich ein paar Schritte von der Wurstbude entfernen. Tatsächlich: Da standen Gehrig und Pino vor dem Seitenausgang der Pizzeria. Da war dem Italiener wohl der Geduldsfaden gerissen, nachdem Gehrig noch ein paar Gläser mehr zu Boden geschmissen hatte.

Keller wollte gerade zurück zu seinem bescheidenen Abendessen gehen, als er urplötzlich stehen blieb. Hatte er sich verhört? War soeben das Wort »pilota« gefallen? War das Pino gewesen? Keller versuchte, genauer hinzuhören, aber der zunehmend dichtere Feierabendverkehr war zu laut.

Er wartete eine Lücke im Verkehr ab, eilte auf die andere Straßenseite und duckte sich hinter einen Müllcontainer. Vorsichtig lugte er um die Ecke.

Pino hatte sich vor Gehrig aufgebaut, sein Gesicht nahe an dem des Kriminalbeamten. Mit seinen Händen hielt er Gehrig am Kragen gepackt.

»Hai capito?«, stieß Pino aus. »Cazzo …!«

Gehrig hing mehr an Pinos Armen, als dass er stand.

»Il pilota ha fatto suicidio! Basta!« Pino ließ Gehrigs Kragen los und gab ihm einen Stoß hinterher. »Maledetto ubriacone! Adesso vattene! Via!« Mit diesen Worten ließ Pino Gehrig stehen und verschwand durch die Seitentür im Restaurant.

Vor Kellers Augen tauchten die Bilder von vorhin auf: Er hatte mit Gehrig am Tisch gesessen, er hatte über Röthlisberger gesprochen, den Piloten, und Gehrigs Suizid-Bericht. Im Restaurant war niemand sonst gewesen. Außer sie beide.

Und der Kellner. Der dicke Pino.

Keller schloss verzweifelt die Augen und ließ sich gegen den Müllcontainer fallen. Nein, es konnte nicht sein. Er musste sich irren. Nicht hier, nicht in seinem Land. Und doch, er hatte es gerade mit eigenen Augen gesehen: Ein Mitarbeiter einer Pizzeria, ein Italiener, hatte einen Züricher Kripo-Beamten angegriffen und bedroht. Und das wegen des Suizids eines Piloten. Oder besser gesagt dem Mord.

Es ging um den Mord an Peter Röthlisberger.

Und es ging wohl auch um die Mafia.

Das Aufheulen eines Motors schreckte ihn aus seinen Gedanken auf.

Scheiße! Keller sprang auf und sah, wie Gehrig am Steuer eines VW Golf über den Vorplatz schoss und mit viel zu hohem Tempo in die Hauptstraße einbog. Blockierende Reifen kreischten über den Asphalt, Keller stockte der Atem – um Haaresbreite wäre Gehrig einem anderen Fahrzeug in die Seite gekracht.

Keller notierte sich das Kennzeichen von Gehrigs Golf, rannte zu seinem Fahrzeug und nahm die Verfolgung auf, aber es war zwecklos. Gehrig bretterte durch den dichten Abendverkehr wie ein Verrückter, bereits an der zweiten Ampel hatte er ihn aus den Augen verloren.

Er wählte die Nummer der Notrufzentrale der Züricher Polizei, gab sich als Bundespolizist zu erkennen und bat die Kollegen, nach Gehrigs Fahrzeug zu suchen.

»Urs ist ein Kollege von euch. Er hat getrunken und sollte nicht mehr am Steuer sitzen. Wenn ihr ihn findet, gebt mir Bescheid. Ich kümmere mich um ihn.«

»Verstanden. Wir geben eine Suchmeldung raus. Danke für den Hinweis.«

Keller fädelte wieder in den Verkehr ein und fuhr durch die Straßen, aber ohne wirkliches Ziel. Er hatte immer noch die Hoffnung, dass er Gehrig finden würde, bevor es seine Kollegen der Streife tun würden. Zumindest diese Demütigung wollte er Urs ersparen.

Nach dreißig langen Minuten kam endlich der Anruf der Züricher Notrufzentrale.

»Sie haben ihn gefunden. Höhe Gessnerbrücke.«

»Gut. Ich komme hin.«

»Nicht nötig. Sie bringen ihn ins Uni-Spital.«

»Verfluchter Mist. Ein Unfall?«

»Ja. Er ist gegen ein Tram gefahren.«

»Scheiße. Schlimm?«

»Kann ich dir nicht sagen. Er ist zumindest ansprechbar.«

Keller wendete scharf und schaltete einen Gang höher. »Sag den Streifenkollegen, dass ich auf dem Weg ins Spital bin.«

Die Krankenschwester kam mit einem Lächeln auf ihn zu.

»Herr Keller? Die Untersuchungen sind abgeschlossen. Herr Gehrig wird in zehn Minuten entlassen. Sie können hier auf ihn warten.«

»Schön. Vielen Dank.«

Keller hatte die vergangenen drei Stunden im Warteraum der Notfallaufnahme verbracht. Zwischendurch hatte er sich einen dünnen Kaffee aus dem Automaten gezogen und mit Julie gesprochen, dass er erst spät nachts zurück sein werde. Dann hatte er mit Moser über Gehrigs Amokfahrt wie auch die Szene vor der Pizzeria gesprochen.

»Ist es nun auch in der Schweiz so weit mit dem organisierten Verbrechen?«, erwiderte Moser zerknirscht. »Ich hoffe, du hast dich verhört.«

»Kaum, Pius. Ich wünschte, es wäre so.«

»Wie auch immer. Falls die Ärzte Gehrig entlassen, bleib bei ihm«, schlug Moser vor. »Rede mit ihm, vielleicht ist jetzt der Moment gekommen. Er soll verdammt noch mal sagen, was da los ist!«

Dass Gehrig nur leicht verletzt war, hatte er bereits von den Beamten der Verkehrspolizei erfahren. Sie hatten ihm Bilder vom Unfallort gezeigt. Demnach hatte Urs beim Auffahren auf die Gessnerbrücke in einer Kurve die Kontrolle verloren und war gegen die Zugmaschine einer Tram gekracht. Der VW Golf war schrottreif. Gehrig wiederum musste an diesem Abend ein ganzes Heer von Schutzengeln an seiner Seite gehabt haben: Seine schlimmste Verletzung war ein gebrochener linker Unterarm.

So durfte Gehrig nach dem Eingipsen auch wieder nach Hause. Und er war einverstanden, dass Keller ihn begleitete.

»Wohin gehts?«, fragte Keller, als sie im Auto Platz genommen hatten. Gehrigs linker Arm hing in einer Trageschlaufe. Ansonsten sah er unverletzt aus.

»Ins Seefeld. Feldeggstraße.«

»Oh ... Nette Gegend.«

Gehrig antwortete mit einem unverständlichen Brummen.

Keller bog auf die breite Rämistrasse ein und fuhr Richtung Stadtzentrum. Es war kurz nach zehn Uhr abends, der Verkehr hatte wieder nachgelassen.

»Du hast verdammtes Glück gehabt. Das weißt du.«

Gehrig sah nachdenklich aus dem Seitenfenster. »Wenn du meinst …«

»Ja, das meine ich. Du könntest jetzt tot sein.«

Sein Kollege schien keine Lust auf weitere Konversation zu haben. Keller seinerseits kannte sich in der Stadt bestens aus, und so verlief der Rest der Fahrt schweigend.

Als sie sich auf der Seefeldstraße der Kreuzung Feldeggstraße näherten, meldete sich Gehrig erstmals wieder zu Wort.

»Hier links abbiegen. Dann das zweite Haus rechts.«

Keller fand einen freien Parkplatz, setzte rückwärts ein und warf einen Blick auf die Umgebung.

Urs Gehrig wohnte demnach in einem dreistöckigen Haus aus der Jahrhundertwende. Im Erdgeschoss befanden sich ein Friseur- und ein Elektrofachgeschäft. Jede der sechs Wohnungen besaß einen Balkon mit einem hübsch geschwungenen Art-déco-Geländer. Die graue Putzfassade ließ das Gebäude zwar etwas heruntergekommen erscheinen, aber Keller ahnte, dass das für die Wohnungen selbst kaum gelten dürfte. Sie befanden sich in einer der nobelsten Wohngegenden in einer der teuersten Städte der Welt. Zum Seeufer und seinen gepflegten Liegewiesen waren es fünf Gehminuten, ebenso zum Bellevueplatz mit Opernhaus und Quaianlagen.

Keller deutete auf drei Taschen, gefüllt mit Gegenständen, die die Kollegen der Streife aus dem Golf geborgen hatten. »Ich helfe dir damit.«

Gehrig winkte ab. »Lass nur, geht schon.«

»Mit einer Hand? Wie denn?«

Gehrig zögerte, musste aber einsehen, dass es anders wohl nicht ging.

»Welches Stockwerk?«

»Ganz oben.«

Gehrig ging die Stufen voran, öffnete die Wohnungstüre und schaltete das Licht an. »Stell es auf den Boden. Ich mach das dann.«

Die Wohnung war tatsächlich ein kleines Schmuckstück. Die Böden waren mit altem Dielenparkett belegt. Vom engen Flur aus führte die erste Türe in das Wohnzimmer. Und wie bei Wohnungen aus dieser Epoche üblich, bildete das Wohnzimmer mit den alten Decken-Stuckaturen und dem Balkon das Herzstück.

Erst auf den zweiten Blick fiel Keller die spärliche, schmucklose Möblierung auf. Sie bestand aus einem billigen Sofa mit einem Beistelltisch aus Glas. Auf dem Boden davor standen eine leere Flasche Rotwein und ein Weinglas. Auf der rechten Zimmerseite befand sich ein viel zu wuchtiger Esstisch mit vier roten, plüschgepolsterten Stühlen.

Die Fenster waren nackt, ohne Vorhänge, ebenso die Wände, an denen keine Bilder hingen. In einem Topf in einer Ecke neben dem Fernseher stand ein Bananenbaum. Er schien schon vor langer Zeit verdorrt.

»Schöne Wohnung. Wohnst du hier alleine? Entschuldige, wenn ich frage. Wir hatten noch gar keine Gelegenheit …«

Sie standen beide im Flur, und Gehrig sah Keller aus müden Augen an. »Du willst meine Familiengeschichte hören? Im Ernst jetzt?« Er deutete mit der unverletzten Hand wage umher. »Die Wohnung gehörte meiner Mutter. Nett, dass du mich hergebracht hast. Wenn ich dich jetzt bitten darf ...«

»Selbstverständlich. Es war ein … langer Tag.«

Über Gehrigs Schulter hinweg sah Keller das Holster mit Gehrigs Dienstwaffe an der Garderobe hängen.

»Nun, na ja … anderseits: Ich denke, vielleicht solltest du nicht alleine sein im Moment.«

»Soso. Denkst du das? Bist jetzt auch noch Samariter geworden?«

»Wie gesagt, du hattest einen … schweren Tag. Du bist Polizist, hast getrunken und einen Unfall gebaut. Man wird Antworten haben wollen, wie es so weit kommen konnte, Urs.«

Gehrig sah ihn trotzig an. »Hab ich jemanden totgefahren? Verletzt? Nein! Es war mein Auto. Lass das mein Problem sein.«

Keller spürte eine Mischung aus Unglauben und Wut in ihm aufsteigen. »Ach ja? Dein Problem? Ich habe dich bei Geppino wegfahren sehen. Völlig rücksichtslos. Es hat dich einen verdammten Scheiß interessiert, falls andere dabei draufgegangen wären. Hast du überhaupt mitbekommen, dass du ein anderes Auto gerammt hättest, wenn dessen Fahrer keine Vollbremsung gemacht hätte? Es war eine Frau, ihr Kind saß daneben. In einem kleinen Fiat Punto. Sie hätten keine Chance gehabt. Dein Problem? Unter uns Kollegen gesagt – fick dich, Urs.« Mittlerweile war auch das letzte Bedauern, das er für Gehrig übrig gehabt hatte, verflogen. »Willst du wissen, was ich denke? Zwei Sachen: Erstens, du bist krank. Alkoholkrank. Du solltest deinen Dienstausweis und deine Waffe an den Nagel hängen. Und falls du es nicht schon getan hast, dich in Behandlung begeben.«

Gehrig machte einen Schritt zurück, als wollte er Kellers Worten ausweichen.

»Zweitens, dass du mir eine Erklärung schuldest. Nicht nur mir. So ziemlich allen, mit denen du in den letzten Jahren zusammengearbeitet hast. Kollegen, Vorgesetzte, Staatsanwälte, Richter, Opfer, Angehörige.«

In Gehrigs Gesicht waren Trotz und Verbitterung verschwunden, schleichende Verzweiflung hatte ihren Platz eingenommen. Keller musste ihm wie eine Heimsuchung erscheinen.

»Du weißt, wovon ich rede«, setzte Keller nach. »Richtig?«

Gehrigs Mundwinkel begannen zu zittern, dann glitt er die Wand entlang auf den Dielenboden und verbarg sein Gesicht in den Armen.

Hilflos rieb sich Keller das Gesicht. Aber es half nichts, er musste es Gehrig sagen. Er setzte sich neben den Kollegen, schwieg, und dachte nach. »Nun, wenn du dich jetzt wunderst, die Wahrheit ist: Ich habe euch gesehen, dich und Pino, am Seitenausgang beim Geppino. Ich habe hinter der Mülltonne gehockt. Erste Reihe sozusagen. Ich habe euch nicht nur gesehen, ich konnte euch auch reden hören. Jedes Wort.« Letzteres war zwar eine Lüge, aber das war es Keller wert. »Womit wir bei der Erklärung wären: im Restaurant sagtest du ›ich weiß‹. Was weißt du? Wer ist Pino? Und was zum Teufel hat er mit Röthlisbergers Tod zu tun?«

Gehrig saß auf dem Sofa, Keller auf einem der hässlichen roten Plüschsessel ihm gegenüber. Gehrigs Gesicht war von Schmerz gezeichnet. Es war kein körperlicher Schmerz. Der gebrochene Arm hatte wenig damit zu tun. Es war die Erkenntnis über das eigene Versagen.

Keller hatte schon viele Geständnisse erlebt. Über die Jahre mussten es Hunderte gewesen sein. Dazu gehörten die banalen, alltäglichen, die spätestens bei Dienstschluss vergessen waren. Dann gab es solche, die nachhallten, die einen für eine bestimmte Zeit betroffen machten, manchmal nachdenklich oder auch traurig.

Gehrigs Aussagen gehörten zu einer dritten Gruppe, Keller hatte sie nicht oft erlebt. Geständnisse, die er nicht vergessen würde, nicht nur, weil sie seine eigene Vorstellungskraft überstiegen, sondern auch, weil sie sich wie ein persönlicher Verrat anfühlten.

»Ich denke, ich sollte ein paar Anrufe machen.« Keller sah auf die Uhr. »Es ist … zwei Uhr, mal sehen ob ich Karl Wirtz erreiche. Ist das okay für dich?«

Gehrigs Augen waren rot unterlaufen. In den zwei Stunden hatte er viel geredet, und auch geweint.

»Ja … ja, mach nur«, meinte Gehrig mit schwacher Stimme.

Gehrig musste nicht mitbekommen, was er mit Wirtz besprach. Keller stand auf und ging hinaus auf den Balkon. Es dauerte, bis Karl antwortete.

»Kannst du zu Gehrig in die Feldeggstraße kommen?«

»Jetzt? Was ist passiert?«, fragte Wirtz zurück, der offensichtlich bereits geschlafen hatte.

»Gehrig hat gestanden. Ich erkläre es dir nachher.«

»Gestanden? Was soll er gestanden haben?«

»Er …« Keller brach mitten im Satz ab. »Urs, um Himmels willen … mach keinen Scheiß!«

Gehrig stand in der Balkontüre und hielt seine Dienstwaffe auf Keller gerichtet. Eine schwere SIG 226, dasselbe Modell, das auch Keller benutzte. Allerdings lag seine 226er im Fahrzeug, eingeschlossen im Handschuhfach.

Gehrig wirkte gefasst, sein Blick fest, kein Zittern oder Wackeln. Und Gehrig war Rechtshänder.

Wirtz’ Stimme tönte aus dem Telefon. »David? Was ist da los?«

Gehrig wedelte kurz mit der Pistole. »Weg von dem Balkon.«

»Urs, ich bitte dich! Ich spreche mit Wirtz. Wir … wir wollen dir helfen.«

Gehrig lachte hämisch auf. »Helfen? Wie wollt ihr mir denn helfen? Also, runter da!« Gehrig hob die Pistole und zielte nun auf Kellers Stirn. »Ich geb dir noch fünf Sekunden.«

Wieder plärrte Wirtz’ Stimme aus dem Telefon in Kellers Hand. »David! Antworte!«

Keller hob instinktiv die Arme. »Gut, Urs. Ich komme jetzt rein. Aber leg die verdammte Waffe weg!«

Gehrig schüttelte den Kopf und trat noch einen Schritt zur Seite. »Nein. Jetzt du zuerst.«

Langsam stieg Keller über die Schwelle in die Wohnung.

»Hinsetzen, auf den Stuhl. Das Telefon, zu mir.«

Keller sank in den Plüschsessel und schob das Gerät zu Gehrig.

»Wirtz? Hier ist Urs … Moment, ich stell’ auf Lautsprecher. Dann kann dein Freund hier auch mithören.«

»Urs!«, rief Wirtz ins Telefon, »Herrgott noch mal! Was geht da vor sich? Wo ist David?«

»Er ist hier bei mir. Sag doch mal hallo, David.«

Keller sah zu Gehrig, der die Waffe auf ihn gerichtet hielt und ihn schief angrinste. »Nein, Urs. Ich sag’s nochmals: Leg jetzt endlich die verdammte Pistole weg. Das ist kein Spiel.«

»O ja, David. Ganz im Gegenteil. Das ist bitterer Ernst.«

»Urs, ich bitte dich!« Wirtz’ hektische Stimme plärrte aus dem Handy, Schritte polterten, eine Türe schlug. »Ich bin auf dem Weg zu euch. Dann reden wir in Ruhe über alles. Gebt mir fünfzehn Minuten.«

Gehrig lächelte Keller an, und in diesem Augenblick hatte Keller zum ersten Mal das Gefühl, dass die Sache hässlich enden könnte. Das Lächeln gehörte einem Menschen, dessen Verstand sich von der Realität verabschiedet hatte. Es war das Lächeln eines Irren.

»Schön. Beeil dich. Die Uhr tickt.«

Eine Autotür fiel ins Schloss. »Natürlich.«

Wieder zeigte Gehrig sein fast schon seliges Lächeln. »In der Zwischenzeit wird dir David eine kleine Geschichte erzählen. Meine Geschichte.«

Keller sah Gehrig hilflos an. »Urs, was soll das? Was machen wir, wenn Karl …«

Gehrigs Arm schoss nach oben, die Mündung auf Kellers Stirn gerichtet. »Ich sag’s kein zweites Mal. Rede!«

»David, mach nur. Ich höre.« Wirtz versuchte, ruhig zu klingen, doch nun hatte auch ihn die aufkommende Panik erfasst.

Keller glaubte, verstanden zu haben, was Gehrigs Absicht war. Wenn er überhaupt eine Chance haben wollte, diese absurde Geschichte möglichst unbeschadet zu überstehen, durfte er Gehrig keine Sekunde aus den Augen lassen.

Keller atmete einmal tief durch. »Wie ihr wollt.«

Was folgte, war die Geschichte von Gehrigs Niedergang vom Kriminalbeamten zum Informanten der italienischen Mafia.

Es war 1996, Anfang Juli, als sich Peter Röthlisberger bei Gehrig gemeldet hatte. Röthlisberger hatte ihm eine Geschichte anvertraut, die Geschichte über einen besonderen Kunden, den Züricher Privatbankier Walter Baumann, den er seit Jahren zu Geschäftsterminen um den Globus flog. Und dass er, Röthlisberger, zu wissen glaubte, dass Baumann für die italienische und südamerikanische Drogenmafia als Geldwäscher arbeite. Davon erfahren hatte Röthlisberger anscheinend durch Zufall, als bei Reinigungsarbeiten während eines Tankstopps ein Bündel Geschäftsunterlagen im Flieger entdeckt wurden. Die Unterlagen hatte Röthlisberger an Baumann zurückgegeben, die Dokumente aber zuvor abfotografiert. Noch im Cockpit hatte Röthlisberger die Daten auf eine zweite Speicherkarte überspielt, und später an Gehrig übergeben: Dutzende Seiten von Bankunterlagen, Verträgen und Gesprächsnotizen.

Gehrig hatte sich Röthlisbergers Fund angesehen, ihm aber zu verstehen gegeben, dass er für Fälle von Organisierter Kriminalität nicht zuständig sei, die Information aber an die Kollegen der OK -Abteilung weiterleiten würde.

»Nur, das hat er nie getan, Karl. Erst ist er zwei Wochen in den Urlaub gefahren. Sagt er jedenfalls. Und danach war es zu spät.«

»Und warum nicht, um alles in der Welt?«, rief ein um Fassung ringender Karl über den Handylautsprecher. Keller schwieg, und Gehrig, anstelle einer Antwort, schwenkte den Lauf der Pistole durch die Luft: Weiter!

Keller ließ Gehrig nicht aus den Augen.

»Fakt ist: Zwei Wochen später wurde Röthlisberger tot aufgefunden, mit einer Kugel im Kopf, die Waffe in der Hand. Polizei und Staatsanwaltschaft sind sich einig: Eindeutig Selbstmord. Röthlisbergers Affäre mit der Flugbegleiterin passte ganz wunderbar ins Bild. Jedenfalls für dich, Urs.«

»Was soll das heißen?«, meldete sich Wirtz über den Telefonlautsprecher.

»Es war nicht Suizid, Karl, es war Mord , und Urs wusste es.«

»Verdammter Lügner! Nichts wusste ich!«, blaffte Gehrig zurück.

»Oh doch. Du wusstest es«, erwiderte Keller so gelassen, wie er es in Anbetracht der auf ihn gerichteten Waffe konnte. »Nicht die Einzelheiten. Aber dir war eines völlig klar: dass Röthlisberger ermordet wurde.«

Gehrigs Mund zuckte, Schuld und Schmerz breiteten sich plötzlich wie zähe Lava über sein Gesicht aus.

»Du wolltest dieses … absurde Tribunal«, fuhr Keller fort. »Und ich habe mich erst gefragt, warum. Es geht gar nicht um mich oder Karl. Du willst es für dich. Weil du selbst nicht glauben, nicht fassen kannst, was du getan hast. Andere mussten die Wahrheit aussprechen: Du hast Röthlisberger an Pino verraten. An die Mafia. Du hast Röthlisberger in den Tod geschickt.«

Es wurde still, nur das leise Atmen von Karl aus dem Lautsprecher war zu hören.

»Was hast du getan, Urs?« Es war Karls Stimme, verzweifelt, und kaum hörbar.

Fahrig wischte Gehrig mit der verletzten Hand über seine nassen Augen. »Mach weiter, David.«

Urs Gehrig hatte Spielschulden, seit vielen Jahren. Als er diese irgendwann nicht mehr zurückzahlen konnte, beging er seinen ersten Fehler: Er lieh sich Geld bei den Organisatoren seiner Pokerrunden, einer Gruppe Italiener unter Führung eines gewissen Pino, dem Betreiber mehrerer Pizzerien in Zürich, so auch dem Geppino. Doch Gehrig wuchsen die Spielschulden über den Kopf. Seine Kreditgeber wiederum ließen wenig Zweifel aufkommen, dass es mit Gehrig ein böses Ende nehmen werde, wenn sie ihr Geld nicht bald zurückerhalten würden.

Es gäbe aber möglicherweise eine Lösung, hatte Pino irgendwann gemeint: Die Schulden seien vergessen, im Austausch für Informationen. Gute Informationen. Interna aus der Kriminalpolizei.

Das Kalkül der Italiener, über Generationen geübt im Umgang mit gefallenen Staatsdienern, war aufgegangen. Gehrig lieferte. Mittlerweile seit über zehn Jahren.

Und auch Röthlisbergers Informationen zu Baumanns Geschäften hatten die Reise von der Züricher Kriminalpolizei über Pino, den Pizzeria-Betreiber, nach Italien angetreten.

»Zufrieden?«

Gehrig hatte sich seit der Unterbrechung nicht mehr gerührt. Nun schien sein leerer Blick durch Keller hindurchzugehen.

David streckte seine Hand aus. »Gibst du mir nun die Pistole?«

Gehrigs Augen blinzelten kurz, so als wäre er mit seinen Gedanken wieder in der Gegenwart angekommen.

»Wirtz?«, rief Gehrig zum Telefon. »Hast du gut zugehört?«

Keller warf einen verstohlenen Blick auf die Uhr. Die fünfzehn Minuten waren längst um.

»Ja, hab ich«, meldete sich Karl. In seiner Stimme war die Erschütterung hörbar. »Hör zu, Urs. Das bekommen wir wieder hin. Du musst jetzt nur das Richtige tun. Leg einfach die Waffe weg.«

»Wo bist du?«

»Unten vor deinem Haus.«

Gehrig machte drei Schritte rückwärts auf den Balkon und warf einen schnellen Blick auf die Straße, dann sah er wieder zu Keller.

»Richtig. Da steht er.«

Und wieder dieses entrückte Lächeln.

»Ich glaube, nun ist alles gesagt. Bleibt noch, mich bei dir zu bedanken.«, flüsterte Gehrig.

Da war er, der Moment. Er hatte noch so viel vorgehabt in seinem Leben. Und er würde alles dafür tun, dass Gehrig nicht derjenige war, der es ihm nahm.

Nicht hier. Nicht jetzt.

Es war eine Wette mit Gehrigs verlorenem Verstand. David hatte sich bereits entschieden, was er tun würde, wenn Urs ihn mit in den Tod nehmen wollte.

Gehrig stand in der offenen Balkontür. Als er feuerte, war Keller bereits in der Luft. Mit aller Kraft hatte er sich nach rechts in den Durchgang zum Essraum geworfen. Das Projektil schlug in der Korridortür hinter ihm ein und zertrümmerte das Schloss. Die spätere Tatort-Vermessung ergab, dass die Flugbahn der Kugel ziemlich genau auf Höhe seines Schädels verlief, aber für einen tödlichen Treffer vermutlich zu weit links. Ob mit Absicht oder nicht, würde für immer Gehrigs Geheimnis bleiben.

Dann ein zweiter Schuss und das grässliche Geräusch, als Gehrigs Körper auf der Straße aufschlug.

Was folgte, war absolute Stille. Kein Schreien. Kein Stöhnen.

Die Schüsse hatten ein schmerzhaftes Pfeifen in Kellers Ohren hinterlassen. Halb taub rappelte er sich vom Boden auf und rannte hinaus auf den Balkon. In den umliegenden Gebäuden gingen Lichter an, Fenster wurden geöffnet, Leute traten aufgeregt auf die Balkone.

Keller sah nach unten. Vor dem Eingang zum Friseurgeschäft, im Schein einer Straßenlaterne, lag der zerschmetterte Körper Gehrigs.

Wirtz stand neben ihm, die Pistole in den Händen. Mit offenem Mund starrte er nach oben. Langsam ließ er die Waffe sinken.

»Heilige Scheiße«, stieß Wirtz hervor. »Bist du okay?«

Keller hob den Daumen.

»Warst du das?«, rief er leise nach unten.

Wirtz nickte, sicherte die Waffe und steckte sie zurück ins Holster.

Inzwischen war es halb vier Uhr morgens. Er war todmüde, er wollte nur noch nach Hause, zu Julie, obwohl sie sicher schon längst schlief.

Wäre es nach Keller gegangen, wäre er schon längst auf dem Heimweg. Gehrigs Leichnam war vor einer Stunde weggebracht worden, die Spezialisten der Spurensicherung hatten ihre Arbeit aufgenommen. Seine formale Aussage würde er irgendwann in den kommenden Tagen machen.

Keller steckte sich eine neue Zigarette an. Wenn Karl nicht bald auftauchte, würde er sich von hier verabschieden.

»Eine Minute später, und ich wäre weg gewesen«, blaffte Keller, als Karl endlich aus dem Kommandofahrzeug kletterte.

Wirtz reichte ihm eine handgeschriebene Notiz. »Ich habe mit unseren OK -Leuten gesprochen: Die Pizzeria Geppino gehört einem gewissen Giuseppe Mattarella, genannt Pino. Sein Heimatort ist Castelvetrano, Territorium von Cosa Nostra Boss Matteo Messina Denaro. Gehrig hatte sich definitv die falschen Freunde ausgesucht.«

Keller überlegte. »Ich habe mich auch schon gefragt, ob ich das Geppino kenne. War das nicht mal eine Quartierbeiz? Zur Linde, oder so?«

»Ja. Gekauft von den Italienern vor zwei Jahren. Mattarellas fünfter Laden in drei Jahren. Unsere OK -Leute sagen, dass sie Hinweise haben, dass keiner davon sauber ist. Aber konkrete Beweise? Fehlanzeige.«

Keller steckte den Zettel ein. »Ich kümmere mich darum.«

Wirtz umarmte Keller zum Abschied kräftig. »Himmel, bin ich froh, dass du noch lebst. Verfluchter Gehrig, Gott hab ihn selig.«

Keller erwiderte Wirtz’ Umarmung. »Ich auch, glaub mir – und dass du ein verdammt guter Schütze bist.«

Wirtz stieg in sein Auto und fuhr los. Kellers Wagen stand in einer Parkreihe ein paar Meter die Straße hoch. Ein Flugblatt steckte unter dem Scheibenwischer. Keller fragte sich, was es diesmal wohl sein würde. Es war ein bunt bedruckter Werbeflyer einer Pizzeria.

Keller warf den Zettel zu Boden, setzte sich ans Steuer und ließ den Motor an. Plötzlich hielt er inne, stieg wieder aus und hob das zerknüllte Papier auf. Vorsichtig strich er es glatt.

Pizzeria Geppino

Pizza, Pasta und mehr!

Deine Pizzeria in Zürich-Altstetten!

Und darunter mit Filzstift:

Umdrehen

Quer über die Rückseite gekritzelt stand nur ein kurzer Satz:

Abbiamo un menù a sorpresa per te.

Keller sah sich um. Vor dem Eingang zu Gehrigs Haus standen noch zwei Beamte der Tatort-Gruppe, ansonsten war die Umgebung menschenleer. Er ließ den Blick über die anderen Fahrzeuge in der Straße schweifen. An keinem anderen Wagen war ein Flyer unter dem Scheibenwischer zu sehen. Und Keller wusste auch, warum.

Das Überraschungsmenü galt nur ihm.