, als sie sich der Bucht nähern. Die vielen Hausboote neben dem Highway, eines von ihnen ein Mini-Taj-Mahal. Bojen und Beiboote und anderer schwimmender Mist, alles zusammengepfercht, zu viele Menschen, und in den Hügeln das Gleiche, ein Haus nach dem anderen. Das freie Land weiter nördlich.
Der Highway führt hoch in die letzten Hügel, bevor er zur Golden Gate abfällt, zwei Adern aus roten und weißen Lichtern. Das Gefühl der Leere am Beginn der Brücke, als sie sie überqueren. Jim würde gern springen. Viel dramatischer und tragischer, und nicht so gewalttätig, vielleicht einfacher für Kinder. Und eine bessere Geschichte. Er könnte mit dem Kopf voran springen, um sicherzugehen, denn manchmal überlebt jemand den Sprung und existiert dann als Gemüse weiter.
Das ist eines der Dinge, die ihm Sorge bereiten, sich in den Kopf zu schießen und dann weiterzuleben. Mit einer 44er Magnum ist das aber unwahrscheinlich. Sie sollte einen Großteil seines Kopfes entfernen. Er hat noch nicht entschieden, ob Mund oder Schläfe. Oder einfach von unten an den Hals gedrückt, nach oben gerichtet. Keine Informationen darüber, welche Methode die beste ist. Er kann niemanden fragen.
Der Verkehr auf der Lombard langsam, und er hat keine Geduld dafür. Er sollte sich am Ende nicht mit Staus herumschlagen müssen. »Scheißverkehr«, sagt er.
»Ja, in den Städten verwandelt sich das Leben in Scheiße.«
»Das Leben verwandelt sich überall in Scheiße«, sagt Jim, aber dann fällt ihm ein, dass er ja positiv wirken soll. »Aber mir geht es wirklich besser. Total erstaunlich, als wäre eine Last von mir abgefallen.«
»So schnell«, sagt Gary.
Sie durchqueren wieder den Mission District, weitgehend mexikanisch. Sein Vater, der nie fähig war, sich als Cherokee zu erkennen zu geben. Jim hatte keine Ahnung, was all die Jahre in ihm vorging. Nicht die leiseste Ahnung. »Weißt du, dass Dad Amerika hasst?«
»Was? Er hasst Amerika nicht.«
»Doch, tut er. Tief und absolut, alles, was es ist, und jeden hier. Es erklärt einiges an seinem Verhalten im Laufe der Jahre.«
»Das ist nicht wahr.«
»Er hat es heute früh gesagt.«
»Nein, hat er nicht.«
»Gut. Genieß deine Verleugnung. Warum macht man sich überhaupt die Mühe, mit dir zu reden?« Aber dann erinnert sich Jim erneut daran, dass er jetzt gesund und nett sein soll. »Tut mir leid«, sagt er. »Ich weiß, dass es schwer zu glauben ist, weil er vorher nie was gesagt hat. Aber es stimmt.«
»Wow. Das hat er gesagt?«
»Ja.«
»Aber warum? Warum Hass auf Amerika und warum sollte er gerade jetzt darüber sprechen und nie zuvor?«
»Jetzt natürlich, weil ich am Abgrund stehe. Jeder legt sich besonders ins Zeug für mich. Und er hasst alle, weil er es nie sagen konnte, dass er Cherokee ist. Musste freundlich sein und mit allen reden, während er wusste, dass sie auf ihn herabsehen würden oder Schlimmeres, wenn sie wüssten, wer er wirklich ist. Nichts war echt an seinem Leben als Erwachsener in Lakeport, an seinem gesamten Leben als Zahnarzt, und selbst in Rente nicht, weil er weiter seine Patienten von früher grüßen muss.«
»Es ist einfach schwer vorstellbar.«
»Dann lass es sein. Vielleicht ist es ja so oder so egal. Man kann ohnehin nichts machen. Sein Leben war bis jetzt beschissen, und es wird auch weiterhin beschissen bleiben.«
»Nein. Sein Leben war gut. Es ging uns gut, wenn wir jagen waren und angeln und am See lebten.«
»Ja, er mochte es, wenn wir auf der Ranch waren und jagten. Das war das Einzige, was er mochte, glaube ich.«
»Wir reden über ihn, als wäre er schon tot, aber er ist noch da, und er kann sein Leben ändern, falls er unglücklich ist.«
»Kann er nicht und wird er nicht, und ich weiß, warum. Momentum, genau wie bei mir. Es ist egal, ob man weiß, was falschläuft oder dass man anders leben könnte. Man entkommt seinem Weg nicht, einfach weil man ihn schon zu lange entlanggeht. Daran lässt sich nichts ändern.«
»Aber du hast es heute verändert.«
»Stimmt, du hast recht. Momentum ist nicht alles.«
Jim muss etwas besser aufpassen. »Vielleicht könnte Dad tatsächlich lockerer werden.«
Sie werden am südlichen Stadtrand ausgespuckt, die schlechtesten Viertel, nur Slums und Industrie, und fahren am Wasser entlang, vorbei am Flughafen, in eine Gegend mit Hotels. »Einfach irgendein Hotel«, sagt Jim. »Egal welches.« Also sucht Gary eines aus und Jim checkt ein, und dann stehen sie am Aufzug und Gary kommen noch mal Zweifel.
»Ich hole meine Tasche«, sagt Gary. »Ich muss bei dir bleiben. Ich muss morgen mitfliegen.«
Jim setzt seine Tasche ab und legt Gary die Hände auf die Schultern wie ein Prediger, der sich eines Gemeindemitglieds annimmt. »Gary. Mir geht es gut. Ich bin zwar immer noch kein guter Gesprächspartner und immer noch unglücklich darüber, wie mein Leben verlaufen ist, aber ich muss mich nicht mehr umbringen, okay?«
Gary kann ihn nicht lange anblicken. Jüngerer Bruder, sein ganzes Leben lang beeinflussbar durch Jim. Es wird jetzt nicht anders sein. Momentum. Wir können ihm nicht entkommen.
»Okay«, sagt Gary und nickt. »Ich fahre nach dem Abendessen nach Hause.«
»Danke.« Jim drückt noch mal auf den Aufzugsknopf. »Ich komm gleich wieder runter. Frag doch vielleicht schon mal nach Restaurants. Irgendwas Gutes, zur Feier des Tages.«
Der Aufzug ist von unvorstellbarer Einsamkeit, eine kahle Edelstahlkiste, die Welt abgetrennt, die Bewegung aufgehoben, und das Zimmer ist noch schlimmer, alter Teppich und billiges Furnier, mit Blick auf eine Hauswand. Jim stellt die Tasche auf dem Schreibtisch ab, nimmt die Magnum raus. Er sitzt vor dem schäbigen kleinen Spiegel und setzt sich die Pistole an die Schläfe. Geladen, es bedürfte also keines großen Aufwands. Warum den ganzen Weg zurück bis nach Alaska machen?
Er sieht alt aus, seine Haut blass und schlaff. Und die weiten Klamotten von Gary. So schlecht hat er in seinem ganzen Leben noch nicht ausgesehen, was nicht überrascht. Kein Selbstmörder sieht gut aus im letzten Moment.
Das Problem ist, dass alles chronisch ist, nicht akut. Der Schmerz in seinem Kopf genau wie an jedem anderen Tag, seine Verzweiflung die gleiche, das Gefühl des Untergangs und der Reue und Schuld und des Selbstmitleids und der Wut. Aber es reicht nicht, um abzudrücken. Er könnte ewig in dieser Zone dahintreiben, die schrecklichste Vorstellung überhaupt, viel schlimmer als der Tod.
Also legt er die Pistole zurück in die Tasche und zieht den Reißverschluss zu und geht zurück zu Gary.
»Die Nase gepudert?«, fragt Gary.
»So ähnlich.«
»Klingt so, als wäre ein italienisches Restaurant hier die beste Wahl. Direkt um die Ecke.«
Also gehen sie dorthin und es ist riesengroß. Ein Bus auf dem Parkplatz davor. Die Art von Restaurant, wo Abschlussbälle gefeiert werden und Reisegruppen essen. Seidenartige Bezüge auf den Stühlen, überall Schleifen und Borten, ein als Prinzessin verkleidetes Schwein.
»Sieht gut aus«, sagt Gary, und Jim fragt sich, ob er es wirklich nicht sieht.
»Super«, sagt er und weiß schon jetzt, dass sie Chicken Parmigiana bestellen werden, wie vermutlich sechzig Prozent der Gäste hier. Aber es hat keinen Sinn, sich jetzt über ein Restaurant zu ärgern. Die letzte Mahlzeit, oder heißt es das letzte Abendessen? Er kann sich auf einmal nicht mehr erinnern. Das letzte Abendmahl. Sein Gehirn funktioniert einfach nicht.
Sie bekommen einen Tisch neben einer großen Familie mit Kindern, die auf den Tisch klettern, um sich gegenseitig zu fangen, und rumschreien. »Na toll«, sagt Jim.
»Wir können uns was Ruhigeres suchen, wenn du willst«, sagt Gary, kaum zu verstehen.
Jim schüttelt den Kopf. Er kann nicht schreien. Und vielleicht ist es ja auch besser, am Ende nicht mehr sprechen zu müssen. Es ist eigentlich sogar perfekt, alles in der dümmlichsten Geräuschkulisse verschwinden zu lassen.
Er schaut sich die Speisekarte an und entscheidet sich für Chicken Cacciatore statt Parmigiana.
»Wein?«, ruft Gary.
Jim schüttelt wieder den Kopf. Er hat Alkohol nie gemocht. Wie das meiste von dem, was die anderen mögen. Mit Ausnahme von Sex.
Gary steht von seinem Stuhl auf. »Lass uns woanders hingehen«, sagt er und deutet zur Tür. Er wirft der Familie einen abfälligen Blick zu, was die aber natürlich nicht mitbekommen, und dann sind sie draußen, wo der Bus mit laufendem Motor steht, in einer Wolke aus Dieselabgasen, und Gary blickt in beide Richtungen der Straße. »Burger«, sagt er. »Perfekt.«
»Schick«, sagt Jim.
Sie laufen über den unbeleuchteten Teil des Bürgersteigs, die bloße Fahrbahn neben einer Baustelle, die Art von Ort in einer Stadt, wo man ausgeraubt werden könnte, und Jim wünscht sich, dass es passiert. Aber sie gelangen sicher beim Diner an, ein alter Laden, der nach Frittierfett riecht.
Die Speisekarte steht an der Wand hinter der Theke. Endlich der Bacon-Burger. Jim empfindet kurz Freude. »Mit extra Barbecue-Soße, bitte«, sagt er. »Und extra viel Speck.«
»Für mich das Gleiche«, sagt Gary. »Klingt gut. Und einen Schokoshake.«
»Schoko-Banane-Malz«, sagt Jim.
»Oh ja, den nehme ich auch.«
Der Typ hinter der Theke ist stumm. Nur ein Kopfnicken, und die Kasse zeigt den Gesamtbetrag an. Jim bezahlt und bekommt ein Metallschildchen mit einer Nummer drauf.
Sie sitzen an einem Tisch in der Ecke, eingeklemmt zwischen anderen. Blauer Lack, sehr dick, und der Beton unter ihnen im gleichen Blau gestrichen. Als hätte sich jemand eine Dose Farbe gegriffen und in die Ecke hier geworfen. »Du weißt, wohin man ein Mädchen ausführt«, sagt Jim.
Gary lacht. »Ja, ziemlich schön. War es doch wert, den ganzen Weg in die große Stadt zu fahren.«
Jim grinst.
»Hey, freut mich, dass du wieder da bist«, sagt Gary. »Schön, ein Lächeln zu sehen.«
Jim achtet darauf, es nicht zu lang auszudehnen. Es wirkt sonst künstlich. Ihm graut davor, neue Gesprächsthemen finden zu müssen. Die Zeit überbrücken zu müssen zwischen jetzt und wann auch immer Gary fährt. Und danach wird er sich ficken lassen. Er wird sich hier eine Prostituierte suchen.
»Was sind deine Pläne für Fairbanks?«
Gary sieht so hoffnungsvoll aus, er scheint wirklich zu glauben, dass Jim die Kurve gekriegt hat, und das ist der perfekte Auftakt für einen Lügner. Pläne können endlos aufgebläht werden und niemand verlangt Beweise. »Ich werde wieder mehr schwimmen«, sagt Jim. »Im Schwimmbad der Uni. Das entspannt mich immer. Und ich werde einen Kurs in Turmspringen machen. Ich habe gesehen, dass sie die anbieten. Richtig Turmspringen lernen.«
»Klingt wirklich gut.«
»Ja, und ich will mehr Langlauf machen, auf der Strecke der Universität. Das Gute an Fairbanks sind die vielen Sonnenstunden im Winter. Es ist kalt, aber fast immer sonnig. Die meisten Tage sind wunderbar zum Skifahren.« Fast hätte er gesagt, dass Gary ihn mal besuchen soll, aber er erkennt sofort, dass das ein Fehler wäre. Er kann keine Gründe nennen, warum Gary dorthin reisen sollte.
»Das klingt alles sehr positiv«, sagt Gary. »Beschäftigungen suchen, das Gute dort genießen.«
»Es gibt noch was anderes, worauf ich mich freue. Sie suchen jemanden für ein Barbershop-Quartett.«
»Das ist doch dein Ding!«
»Ja, ich hab das so lange nicht gemacht und ich vermisse es wirklich. Nur ein bisschen Trompete für eine Theatergruppe, aber das ist auch eine Weile her, das letzte Mal auf einer Bühne.«
»Du kannst einen Strohhut und die rot-weiß gestreifte Weste tragen.«
»Ja. Einer von denen ist ein Arzt, den ich kenne.« Jim wagt sich jetzt weit vor. Irgendwie hat er es geschafft, da oben keinen einzigen Freund zu finden, und Gary könnte sich daran erinnern.
Aber Gary bemerkt es nicht, und ihre Bestellung kommt schnell, die Schoko-Banane-Malz-Shakes sind so gut, dass sie beide nur noch stöhnen können. Die Burger voller Speck und Barbecue-Soße, so wie es sein soll, serviert mit Zwiebelringen. Jim nimmt einen großen Bissen und schließt die Augen und denkt, dass er so durchkommen könnte.
Die einfachen Dinge genießen. Man drückt nicht ab, wenn der Mund voller Speck ist. Kein Mensch würde das tun. »Speck«, sagt er. »Speck.«
»Ja.«
»Was ist das Beste in deinem Leben, was hast du am meisten genossen?«
Gary macht die Augen auf und sagt: »Gott, ist das lecker«, mit vollem Mund.
Jim wartet, bis er fertig gekaut hat.
»Also«, sagt Gary. »Speedskiing. Obwohl es mir so viel Angst gemacht hat, dass ich direkt wieder damit aufgehört habe, aber es war so ein Spaß.«
»Wie schnell waren die Jetboote?«
»Neunzig.«
»Heilige Scheiße.«
»Und Basketball. Basketball habe ich immer geliebt. Ich weiß gar nicht, warum, aber es hat irgendwas damit zu tun, Teil einer Mannschaft zu sein. Die besten Erfahrungen macht man in einer Gruppe oder in einem Team.«
»Das habe ich nicht oft genug erlebt.«
»Da hast du was verpasst.«
Jim denkt darüber nach. Ein isoliertes Leben. Wieso gehörte er nie zu einer Gruppe? Allem Sozialen hat er nie einen Stellenwert beigemessen.
»Und die Fischerei mit dir«, sagt Gary. »Das war schon was. Da draußen zu sein und das Boot zu bauen.«
»Danke.«
»Ja, das war toll. Ich weiß nicht, was sonst. Sex, klar, aber das ist ja bei jedem Mann die Nummer eins. Essen, manchmal. Die Unmengen Abalone, die wir gegessen haben. Das wird immer seltener werden.«
Jim wird klar, dass er ein gutes Leben hatte, ein reiches. Er hatte alles, was Gary hatte, außer dem Sport und dem Sozialleben, aber dafür hatte er mehr Geld und Möglichkeiten. Aber irgendwie hat er das alles nicht richtig genutzt oder es hat ihm nicht gereicht, und es ist ein Rätsel, warum.
Das körnige Malz im Schokoshake, ein Genuss, der an sich schon Grund genug sein sollte. Die reife Banane. Sein Bruder, der ihn liebt, der glücklich und erleichtert ist, dass es ihm gutgeht. So vertrauensselig und einfach.
Sie essen die Burger auf und trinken die Shakes aus und sitzen einfach noch ein bisschen überwältigt da. Aus der Küche kommen weitere Burger, für andere Gäste, und obwohl er pappsatt ist, machen sie ihm immer noch Appetit.
»Also«, sagt Jim schließlich. »Du solltest vielleicht aufbrechen, damit du nicht zu spät da oben ankommst.«
»Ja«, sagt Gary. »Bist du sicher, dass du klarkommst?«
»Im Moment ja.«
»Ich komme gerne zu dir hoch, und sei es nur für ein paar Tage, um sicherzugehen.«
»Ich weiß, und ich weiß das zu schätzen. Aber das ist jetzt nicht nötig. Ich fühle mich gut. Ich hatte gerade einen leckeren Burger und einen Shake mit meinem Bruder, und ich fühle mich normal. Es gibt in Fairbanks Dinge, auf die ich mich freue, und mir geht nicht aus dem Kopf, was du über Basketball gesagt hast. Das Barbershop-Quartett ist eine Chance für mich, eine neue Männergruppe, ich freue mich darauf und schaue mal, was sich so ergibt.«
»Du bist auf dem richtigen Weg. Es wird dir gefallen.«
»Ich glaube auch.« Dann nickt Jim und klopft mit den Fingerknöcheln auf den Tisch und sie erheben sich. Raus aus der blauen Welt des Burgerladens und an der miesen Baustelle vorbei. Jim hält die Augen nach Prostituierten offen, sieht aber keine. Er wird den Portier oder den Pagen fragen müssen.
Schon stehen sie auf dem Hotelparkplatz vor Garys Truck. Jims letzte Momente mit seinem Bruder. Er empfindet überwältigende Traurigkeit, Verlust, kann es aber nicht zeigen, also lächelt er und umarmt Gary. »Danke, Bruder«, sagt er. »Danke, dass du so viel für mich getan hast.«
»Hey, schon in Ordnung«, sagt Gary. »Ich bin einfach froh, dass du wieder da bist.«
»Komm im Sommer zum Angeln. Ich hab von ein paar neuen Stellen am Fluss gehört, wo es Königslachs geben soll.«
»Gott, das wäre toll. Aber kein Geld, und wahrscheinlich machen wir diesen Roadtrip, um zu gucken, wo wir hinziehen könnten.«
»Ich zahle dir den Flug. Denk drüber nach. Einen Siebzigpfünder in einem Fluss, wie die fetteste Forelle, die du je gesehen hast.«
Gary lacht. »Klingt wirklich gut.«
Dann ist Gary in seinem Truck und lässt den Motor an, kurbelt das Fenster runter, um zum Abschied zu winken, und ist weg. Jims letzte Rettungsleine, der letzte Moment mit jemandem, dem er etwas bedeutet. Jetzt ganz allein. Aber er muss auch nicht mehr lächeln, muss nicht mehr lügen. Er wird sich in die Erschöpfung ficken und dann abdrücken und es hinter sich haben. Zur Hölle mit seinem Leben.
Der Hotelportier sieht ein wenig besorgt aus, oder Jim bildet es sich nur ein. Aber vielleicht sieht Jim ja tatsächlich so grimmig aus. Möglich ist es. »Ich will eine Prostituierte«, sagt er. »Klein und jung. Schön muss sie sein. Krankheiten sind mir scheißegal, und ich benutze kein Kondom.«
Sie stehen vor den Glastüren, außer ihnen ist niemand da.
»Es tut mir leid, Sir«, sagt der Portier. »Aber Prostitution ist illegal in Kalifornien.«
»Ich bin nicht von der Polizei«, sagt Jim. »Und hier sind fünfzig für Sie, dafür, dass Sie mir zwei gute besorgen. Ich will eine jetzt gleich und dann die nächste in ein paar Stunden. Vielleicht danach noch eine dritte. Ich bin bereit, für die Besten zu zahlen, die Sie finden können.«
»Verstehe«, sagt der Portier. »Was ist Ihre Zimmernummer, Sir?«
Also sind sie sich einig, und Jim wird nicht durch die Straßen streifen müssen wie irgendein Depp, der sich nicht auskennt. Er duscht, guckt seinen Schwanz an, der klein und schlaff ist, traurig, und hofft, dass er stehen wird, wenn es so weit ist.
Er reibt sich fest mit dem Handtuch ab, will alte Haut loswerden, und setzt sich dann aufs Bett, nackt unter die Decke, und schaut eine alte Folge von Gilligan’s Island, wünscht sich, dass er Mary Ann haben könnte, und vermisst Rhoda so sehr, dass er heulen könnte.
Er schaut gerade eine Folge Hogan’s Heroes, als es klopft.
Als er die Tür öffnet, tritt sie direkt ins Zimmer. Klein und dünn mit schwarzen Lederhosen und hohen Absätzen. Sieht völlig offensichtlich wie eine Prostituierte aus, aber anscheinend ist das den Leuten an der Rezeption egal, gut so.
»Ich bin nicht billig«, sagt sie. »Kannst du dir mich leisten?« Sie ist so süß und jung. Blass und langes dunkles Haar.
»Ich kann zahlen«, sagt er.
»Dreihundert.«
»Was ist da inbegriffen?«
»Eine halbe Stunde alles, was du willst.«
Jim kramt in seiner Tasche und zieht sechs Fünfziger heraus. Er geht zu ihr, sie nimmt das Geld und steckt es in ihre Handtasche.
»Aber ohne Küssen«, sagt sie.
»Und ohne Kondom«, sagt Jim.
»Ich weiß. Hat man mir gesagt.«
Sie geht zum Schreibtisch und legt dort ihre Handtasche und Jacke ab. Ihr Shirt ist aus rotem Leder und bedeckt nur ihre Brust, Bauch und Schultern frei. Jim legt ihr die Hand auf den Rücken über dem Po, die Haut ganz weich. Sie ist attraktiver als alle Frauen, mit denen er je zusammen war.
»Dusch dich«, sagt sie.
»Habe ich gerade.«
»Noch mal.«
Jim fragt sich, ob sie ihn beklauen wird. Er holt seinen Geldbeutel und die Tasche mit der Pistole und verschließt die Badezimmertür hinter sich. Sie könnte sich mit seinen dreihundert davonmachen und er könnte sie nicht belangen. Er weiß nicht genau, was das überhaupt für eine Abmachung ist.
Er nimmt sich die Pistole und stellt sich mit ihr vor den Spiegel. Nur ein Mann und eine Pistole, Schlappschwanz-Jim, bereit für sein letztes Gefecht. Aber er steckt die Pistole wieder in die Tasche, macht den Reißverschluss zu und geht in die Dusche.
Als er wieder herauskommt, liegt sie gegen das Kissen gelehnt im Bett, die High Heels noch an. Scheint sich aber wohl zu fühlen. Alles merkwürdig normal, als wären sie wirklich ein Paar, das dieses Zimmer teilt.
Er geht zu ihr und lässt das Handtuch fallen. »Entschuldige«, sagt er. »Du siehst toll aus, aber er steht nicht.«
»Überlass das mir«, sagt sie. »Leg dich einfach hin.«
Sie rückt zur Seite und er lehnt sich zurück in die Kissen. Im Zimmer ist es ein bisschen kühl, aber nicht zu sehr. Er sieht ihr zu, wie sie eine seiner Brustwarzen leckt, was sich gut anfühlt, ihn aber nicht hart werden lässt. Er ist jetzt extrem besorgt, ob er ihn hoch bekommt. Sein letzter Auftritt, also kann der Schwanz auch bitte mitmachen. Er ist nicht gewillt, sich mit einem Totalversagen zu verabschieden.
Sie küsst seinen Bauch und dann seine Oberschenkel und nimmt ihn in den Mund und noch immer tut sich nichts. Und sie hat dieses Engelsgesicht, so perfekt, und große Brüste in rotem Leder. Er weiß auch nicht, was sie sonst noch zu bieten haben müsste.
Sie drückt seine Beine auseinander, und er sagt nein, aber sie geht langsam weiter nach unten, weiche Küsse und zartes Lecken, und er wird steif. Sie hört nicht auf. Nimmt ihn in die Hand und reibt ihn leicht, während sie ihn leckt, und blickt ihm dabei in die Augen. Er findet es aufregend, ihre Augen währenddessen zu sehen.
Sie scheint zu wissen, wie leicht er ihn wieder verlieren könnte. Sie zieht ihre Schuhe und Hose aus, während sie ihn weiter im Mund behält, ganz tief, ihn verschluckt, und mit einer schnellen Bewegung sitzt sie auf ihm, so dass es gar keine Zeit gibt, schlaff zu werden, reitet ihn und zieht ihr Oberteil aus. Sie hat mit Abstand den schönsten Körper, den er je gesehen hat. Ihm ist bewusst, dass sie nichts für ihn empfindet, aber er ist trotzdem dankbar, dass sie gut darin ist, was sie macht. Das ist nahe genug am Gefühl, geliebt zu werden. Sie lächelt sogar und küsst seinen Hals.
Danach duscht Jim noch einmal und ruht sich aus, hat aber Angst, einzuschlafen. Er muss das nächste Klopfen hören, wenn es kommt. Er weiß nicht, warum er nicht öfter zu Prostituierten gegangen ist. Bessere Dates, als er je hätte haben können, und im Gegenzug gibt er ihnen Geld, das ihm ohnehin nichts bedeutet.
Er ist erschöpft, von den letzten Tagen und dem Schlafmangel und jetzt vom Sex. Und er denkt die ganze Zeit an Rhoda, also ruft er sie an.
»Wie geht es dir, Jim?«, fragt sie, und es klingt angespannt, als erwarte sie einen langen Marsch. Er will nicht, dass sie so klingt. Und ihm wird klar, dass sie einfach Gary anrufen könnte, also kann er ihr heute nicht die Wahrheit sagen.
»Viel besser«, sagt er. »Ein Durchbruch mit dem Therapeuten, und mit John war es auch gut, mir geht es okay.«
Sinnloses Gespräch, und er beendet es rasch. Er wird sie von Alaska anrufen müssen, wenn es schon zu spät ist und ihn niemand mehr aufhalten kann.
Das Klopfen kommt früher als erwartet, das Geschäft nimmt seinen Lauf. Auch sie ist klein und jung, mit blondem, fedrig gestuftem Haar, trägt Leder, eine schwarze Jacke mit goldenem Reißverschluss. Aber er fühlt sich nur erschöpft, ohne jede Erregung. »Ich kann nicht«, sagt er. »Hier sind dreihundert, und sag dem Portier, dass ich keine weiteren will.« Er gibt ihr die Scheine, die sie wortlos entgegennimmt.
Er schließt die Tür, legt sich nackt mit dem Rücken auf den Boden, die kalten Fliesen, und will Rhoda, will zurück zu der Zeit, als sie ihn liebte, als alles unschuldig war, bevor er sie betrog. In seinem Büro, nach Feierabend, wenn sie einen der Räume abdunkelten und sie sein Gesicht in ihren Händen hielt und ihm die zärtlichste Liebe schenkte.